Fritz Dittlbacher: Warum in Wien das Römische Reich unterging und Vorarlberg nicht hinterm Arlberg liegt. Geschichte in Geschichten.

Fritz Dittlbacher: Warum in Wien das Römische Reich unterging und Vorarlberg nicht hinterm Arlberg liegt. Geschichte in Geschichten.
Wien: Carl Ueberreuter Verlag 2022, 176 Seiten.

Wann der Fortschritt besonders gewürdigt wird? Wenn man aus der Vergangenheit lernt. Wie man dem Glauben und Meinen nicht unterliegt? Durch Erwerb von Wissen! Was bringt es, wenn sich aus Antworten neue Fragen ergeben? Es wächst ein „Flickenteppich“ an neuen Erkenntnissen für ein tragfähiges, buntes Weltbild, das nicht auf Meinungen, sondern auf Wissen beruht!

Das sind einige der Grundsätze, auf denen die von Fritz Dittlbacher, ORF-Journalist, Historiker und Hochschullehrer, in seinem Buch präsentierten Vignetten beruhen. Seine Geschichten aus der Geschichte versteht er als „Spaziergang durch die Welt der Fakten“: Einblicke, Überblicke, Querverbindungen mit dem klaren Ziel der Volksbildung (S. 11): „Denn eine Gesellschaft, die mehr weiß als meint, schafft eine bessere, verständnisvollere, humanere Welt.“

Gerne folgt man lesend der Struktur des Buches, blättert dann aber vor, kommt wieder zurück, erschließt sich ein neues Kapitel – und bleibt neugierig. Das Buch erfreut, wenn es eigenes Wissen bestätigt, überrascht mit vorher nicht beachteten Zusammenhängen und belebt mit Details den Horizont bisheriger Betrachtungsweisen. Durchaus humorvoll wird Problematisches vermittelt, z. B. die Erklärung Österreichs durch ein Bonmot von Helmut Qualtinger (S. 103): „Österreich ist ein Labyrinth, in dem sich jeder auskennt.“ 

In dem Kapitel, „Das österreichische Labyrinth“, bespricht der Autor den Wechsel vom Römischen Reich zum Kaisertum Österreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts, den Nicht-Umgang mit der Nazizeit, Kanzlerkrisen, das Verhältnis von Bund und Ländern, Dritte Lager und Dritte Männer bis zur „österreichischen Mischkulanz“. Im heutigen Staatsgebiet lebten um 1750, also zur Regierungszeit Maria Theresias (1740–1780), etwa 2,7 Millionen Einwohner*innen – heute sind es neun Millionen. Österreich war in der meisten Zeit seiner Geschichte, urteilt Fritz Dittlbacher, ein Zuwandererland. 

Das Buch bietet in seinen einzelnen Kapiteln „Geschichten hinter den Feiertagen“, z. B. den Tag der Fahne, Nikolaus und Silvester. Es erzählt vom Falklandkrieg 1982 und den Problemen der Gegenwart, wie von der Atomkraft und ihren Gefahren sowie von terroristischen Anschlägen in Österreich. Ein eigenes Kapitel, „Eine Krankheit und ein Krieg“, umfasst Corona und die Situation in der Ukraine inklusive der Historie des Landes. Im letzten Kapitel, „Entdeckungen des Alltags“, erläutert der Autor seine eigenen „Echt jetzt?“-Einsichten, seine Aha-Erlebnisse bezüglich neuer Zusammenhänge – wie ihm die Welt jeweils „ein kleines Stück verständlicher“ wurde. 

Er lässt uns u. a. teilhaben an der Geburt der Supermacht USA, den Schrecken der Geldentwertung, den Erfindungen von Rudolf Diesel, aber auch an der Entwicklung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs: immerhin vom Beginn im Jahre 1910 (zehn Tage, allerdings nur für Angestellte) bis heute, für alle Arbeitnehmer*innen, nun sind es nach fünfundzwanzig Arbeitsjahren fünf bis sechs Wochen im Jahr.

Fritz Dittlbachers Buch beeindruckt, weil es den Blick in alle sozialen Schichten lenkt. Es beschreibt das gesellschaftliche Spektrum und bringt, mit seinen vielen Informationen vor und hinter den historischen Kulissen, Verständnis für historisches Geschehen und sein Wirken bis in die Gegenwart näher.

Das Buch, stilistisch sehr angenehm lesbar, eröffnet Neues! Wo es vorhandenes Wissen bestätigt, verhilft es zu neuer Zusammenschau. Es eignet sich für Kurse und Seminare mit historischem Schwerpunkt und ist in besonderer Weise für politische Bildung zu empfehlen. Sicherlich eignen sich die einzelnen Beiträge des Buches auch als didaktische Beispiele für den Einsatz im Rahmen von „Ö1 macht Schule“ und dazu, die Kooperation von ORF, Erwachsenenbildung und Schule zu fördern. //

Lenz, Werner (2022): Fritz Dittlbacher: Warum in Wien das Römische Reich unterging und Vorarlberg nicht hinterm Arlberg liegt. Geschichte in Geschichten. Wien: Carl Ueberreuter Verlag 2022, 176 Seiten. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Winter 2022, Heft 278/73. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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