Eine Frage des Alters
In vielen Kulturen und Gesellschaften war und ist das hohe Alter einer Person oder Institution ein Indikator für seine Bedeutung und Würde. Einem hoch betagten, lebenserfahrenen Menschen billigt man Lebensklugheit, ein hohes Maß an Persönlichkeits- bzw. Charakterbildung und Altersweisheit zu. Einer schon seit vielen Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten bestehenden Institution attestiert man nicht nur Standhaftigkeit, sondern mitunter auch eine wohlbegründete Sinnhaftigkeit, ja sogar „historische“ Notwendigkeit seiner langen Existenz. Ob das im Einzelfall nun gerechtfertigt erscheint oder nicht: Alter adelt, Alter nobilitiert.
Man kann die scheinbar einfache Frage, seit wann gibt es Volkshochschulen, oder (allgemeiner formuliert) seit wann gibt es Volksbildung, deren integraler Teil die Volkshochschulen sind, mindestens in zweifacher Hinsicht beantworten – in einem weiteren, und in einem engeren Sinn: Wenn man unter Volksbildungsarbeit ganz generell die systematische Bildungsarbeit von und für Erwachsene versteht, und nicht ausschließlich auf eine organisations- oder institutionsgeschichtliche Dimension fokussiert, kann man im Buch der Geschichte sehr weit zurückblättern, mindestens bis zur attischen Demokratie des fünften vorchristlichen Jahrhunderts und zu Sokrates, der mit seiner pädagogischen Fragekunst der Mäeutik – also der „Hebammenkunst“ als quasi geistiger Geburtshilfe – den philosophischen Dialog zwischen dem scheinbar Unwissenden und dem scheinbar Wissenden als Form eines kollegialen Gewinns von Erkenntnis und Wahrheit („Logos“ statt „Mythos“) in die Bildungsgeschichte einführte. Viele, mehr oder weniger bezahlte Einzelkämpfer und Einzelkämpferinnen folgten: Während des Mittelalters, zur Zeit der Renaissance und des Humanismus, im Zeitalter der Aufklärung; und noch weit in das 19. und 20. Jahrhundert hinein fanden sich immer wieder Wissenschafter, Lehrer und Ärzte, deren humanistisches und aufklärerisches Ethos sie zur Volksaufklärung, zur Wissenschaftspopularisierung, zur Volksbildung berief. Dafür brauchten sie keine festen Gebäude oder Lehrsäle, keine Institutionen oder vereinsmäßigen Strukturen – was natürlich auch große Nachteile in sich barg.
Eine Frage der Organisation
Volksbildnerisch tätige Organisationen lassen sich weit in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen. In Graz gründete Erzherzog Johann am 16. Juli 1811 das „Innerösterreichische Nationalmuseum“ Joanneum, dass nicht nur das erste öffentliche Museum Österreichs war, sondern auch eine Forschungseinrichtung und eine volksbildnerische Lehranstalt. In den 1840er-Jahren wurden erste Arbeitervereine und Frauenwohltätigkeitsvereine als Bildungsvereine gegründet, in den 1850er-Jahren erste landwirtschaftliche „Casinos“ und Leseanstalten geschaffen. Am 15. Jänner 1860 wurde der „Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse“ in Wien gegründet, am 15. Dezember 1867 der „Arbeiter-Bildungs-Verein“ in Wien-Gumpendorf, am 13. Juli 1868 der Arbeiterbildungsverein in Linz. 1869 kam es zur Gründung des „Vereins zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse“ in Prag, 1870 zur Gründung des „Steiermärkischen Volksbildungsvereins“, 1872 zur Gründung des „Oberösterreichischen Volksbildungsvereins“, 1879 zur Gründung des „Gemeinnützigen Vereins“ in Wien-Alsergrund – und am 7. April 1885 zur Gründung des „Allgemeinen niederösterreichischen Volksbildungs-Vereins“ in Krems an der Donau.
In einem Schreiben der Leitung des Allgemeinen niederösterreichischen Volksbildungs-Vereins vom 13. Dezember 1886 an die niederösterreichische k.k. Statthalterei als zuständige Vereinsbehörde wurden die Satzungen des Zweigvereins Wien und Umgebung des Allgemeinen niederösterreichischen Volksbildungs-Vereins zur geneigten Genehmigung und Bescheinigung vorgelegt. Denn das damals geltende Vereinsrecht sah für nichtpolitische Vereine vor, dass diese, nachdem sie ihren Namen und ihre Statuten der zuständigen Behörde angezeigt hatten, erst nach einer behördlichen Nichtuntersagung ihre ordnungsmäßige Vereinstätigkeit aufnehmen konnten. Und so konnte in diesem Fall nur wenige Tage später, am 22. Jänner 1887, die Gründungsversammlung des „Zweigvereins Wien und Umgebung des Allgemeinen niederösterreichischen Volksbildungs-Vereins“ stattfinden. Auf dieses Gründungsdatum eines niederösterreichischen Volksbildungszweigvereins bezogen sich dann auch die Jubiläumsfeierlichkeiten zu „100 Jahre Wiener Volksbildung“ im Jahre 1987. Denn erst auf der am 14. April 1893 abgehaltenen Jahreshauptversammlung des „Zweigvereins Wien und Umgebung des Allgemeinen niederösterreichischen Volksbildungs-Vereins“ wurde die Umwandlung in einen selbstständigen „Wiener Volksbildungsverein“ beschlossen.
Doch ist ein Volksbildungsverein – sei er nun in Wien, der damaligen Hauptstadt des Erzherzogtums Österreich unter der Enns, sei er in Oberösterreich oder in der Steiermark loziert – überhaupt eine Volkshochschule im heutigen Sinn? Das wohl nicht ganz, sofern man damit ein festes Gebäude und ein kontinuierliches Kursangebot primär im Sprachen- und Gesundheitsbereich verbindet. Aber eine historische „Vorform“ ist ein Bildungsverein allemal, übrigens ebenso wie die am 1. Jänner 1895 zum ersten Mal innerhalb des deutschsprachigen Raumes in Wien abgehaltenen „volkstümlichen Universitätskurse“ als Ausprägung einer universitären Volksbildung, oder die am 16. April 1897 im Festsaal des Niederösterreichischen Gewerbevereins erfolgte Gründung der Urania Wien als Syndikat. Und wer wollte dem am 4. Jänner 1897 in Wien gegründeten „Vereins Bibliothek“ – der sich später in „Centralbibliothek“ umbenannte – absprechen, eine volksbildnerische Einrichtung zu sein?
Eine Frage der Definition
Wenn man nun in einem engeren Sinne an die Beantwortung der gestellten Frage herangehen wollte, müsste man sich auf die Gründungsgeschichte der ersten Abendvolkshochschule auf dem Gebiet der Habsburgermonarchie fokussieren: Die diesbezügliche konstituierende Vereinsversammlung fand am 13. Dezember 1900 statt. Am 24. Februar 1901 um halb 10 Uhr vormittags fand im Ballsaal des Wiener Ronacher die Gründungsversammlung des Vereins „Volksheim“ statt. Ursprünglich wollte sich der hier entstehende Verein den Namen „Volkshochschule“ geben. Dass sich akkurat die erste städtische Volkshochschule Österreichs nicht „Volkshochschule“ nennen durfte, lag an den Bedenken der niederösterreichischen k.k. Statthalterei. Eine Volks-Hochschule – also quasi eine Universität für das Volk – war damals eine bildungspolitische Ungehörigkeit, weswegen auf den unverdächtig klingenden Namen „Volksheim“ ausgewichen werden musste. Seine Lehrtätigkeit nahm der Verein, der sich die Aufgabe stellte, eine Volkshochschule zu errichten, zunächst in einem Kellerlokal am Urban-Loritz-Platz am heutigen Neubaugürtel auf, bevor man am 5. November 1905 in das eigens dafür errichtete Gebäude der heute noch bestehenden Volkshochschule Ottakring im 16. Wiener Gemeindebezirk übersiedeln konnte. Die großzügige Ausstattung sorgte national und international für Respekt, Anerkennung und Bewunderung. Diese „Modell“-Volkshochschule, dieser Ideal- und gleichzeitig Realtypus einer Volkshochschule, welcher in der Zwischenkriegszeit „Volkshochschule Wien Volksheim“ genannt wurde, verfügte über eine Lesehalle, ein Studierzimmer, Bibliotheks- und Vortragsräume, Hörsäle, die jene der Universität zum Vorbild hatten, Räume für künstlerische Ausstellungen, musikalische Produktionen sowie physikalische und chemische Demonstrationen. Dieser „Volkspalast“ – wie ihn zeitgenössische Stimmen nannten – verfügte also über all das, was man sich vielleicht heute von einer Volkshochschule erwarten würde. Oder vielleicht sogar viel mehr, findet man doch heute selten ein naturhistorisches Kabinett, ein kunsthistorisches Kabinett, ein physikalisches Kabinett, eine Dunkelkammer oder ein chemisches Laboratorium in einem zeitgenössischen Volkshochschulgebäude.
Eine Frage der Jubiläumskultur
Das lateinische „annus jubilaeus“ – das Jubeljahr – ist als eine Erinnerungsfeier anlässlich der Wiederkehr eines besonderen Datums zu verstehen, das dem Heiligen Jahr des christlichen Festkalenders folgend, im Regelfall alle 25, 50 und 100 Jahre zu feiern ist. Ein Jubiläum als Feier eines erfreulichen „historischen“ Ereignisses, das am entsprechenden Jahrestag begangen wird, ergibt sich bei Personen durch ihre Geburt, durch ihre Heirat oder ihren ersten Arbeitstag, bei Organisationen durch den Tag ihrer Gründung. Dementsprechend ob es sich um eine private oder um eine öffentliche feierliche Erinnerung handelt, gestalten sich Art und Weise der Festveranstaltung. Dieses Ereignis der Freude kann den Tenor des Dankes, der Mahnung oder der Anrufung eines dementsprechend positiv gestalteten Geschichtsbildes, bzw. eine Mischung aus alledem, annehmen. Interessant – und für die Kultur einer Einrichtung aufschlussreich – ist die Verfolgung der Entwicklungsgeschichte von Jubiläen, also des Wandels, in welcher Form und mit welchen Mitteln ein Gedenktag begangen wurde und wird.
Aufgrund der institutionellen Vielgestaltigkeit der österreichischen Volkshochschulen finden wir die verschiedensten Formen und Traditionen von Jubiläums- und Festkulturen, die sich im Laufe ihrer historischen Entwicklung auch inhaltlich veränderten. Um 1900 gab es auf dem Gebiet des heutigen Österreich nur drei Volkshochschulen mit jeweils eigenem Verein als deren Träger, nämlich die drei Stammhäuser der Wiener Volkshochschulen: der Wiener Volksbildungsverein (Volkshochschule Margareten – polycollege), das Volksheim Ottakring (Volkshochschule Ottakring) und die Urania Wien. Während der Zwischenkriegszeit kam es zu vereinzelten Volkshochschulgründungen in den Bundesländern und zum Entstehen von Volkshochschulzweigstellen in den Wiener Bezirken. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgte eine beträchtliche institutionelle Ausweitung der Volkshochschulen in ganz Österreich: Bestanden Ende der 1940er-Jahre österreichweit etwa zwei Dutzend Volkshochschulen, so gab es 1985, als erstmals eine systematische Zählung vorgenommen wurde, bereits 259 Volkshochschulen. Dazu kam seit den 1950er-Jahren die Gründung von Landesverbänden der Volkshochschulen und die Gründung eines Bundesverbandes. So ist es in Österreich nicht selten, dass einzelne Volkshochschulen „älter“ sind, als der Landesverband, dem sie angehören, und ein Landesverband oft „jünger“, als der am 8. Dezember 1950 in der Urania Wien als „Verband österreichischer Volkshochschulen“ (damals noch mit kleinem „ö“ geschrieben) gegründete Bundesverband.
So nimmt es auch nicht Wunder, dass die ältesten österreichischen Volkshochschulen eine voneinander getrennte Jubiläums- und Feierkultur ausbildeten. So begingen der Wiener Volksbildungsverein, das Volksheim Ottakring und die Urania Wien jeweils separat mit Festschriften und Festbroschüren, Jubiläumsbeiträgen in Zeitungen und Zeitschriften, mit Festkonzerten, Festversammlungen und Festreden die 20-, 25-, 30-, 40-, 50-, 60-, 70-, 75-, 80-, 90- und 100-Jahr-Jubiläen. Darüber hinaus fand etwa anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Volksheims am 17. April 1921 im Wiener Burgtheater eine Festvorstellung statt, in einer Nachmittagsvorstellung wurde Ferdinand Raimunds Zaubermärchen „Der Bauer als Millionär“ gegeben, und anlässlich des 25-jährigen Bestandes des Wiener Volksbildungsvereins wurde 1912 eine „Jubiläums-Vereinsreise“ nach Italien organisiert, auf der man Bologna, Florenz, Rom und Neapel einen Besuch abstattete. Auch nach dem Systembruch des Nationalsozialismus, als nach 1945 die im Gefolge des „Anschlusses“ aufgelösten Volkshochschulvereine wiedererrichtet wurden, feierte man getrennt: Im Jahre 1947 beging die Urania Wien 50 Jahre ihres Bestehens (1897–1947), der Wiener Volksbildungsverein 60 Jahre (1887–1947).
Als Zeichen des besonderen Stolzes kann die Herausgabe eigener Festschriften anlässlich des Bestandsjubiläums eines Volksbildungshauses gewertet werden: Davon zeugen etwa die Festbroschüre des Volksheims Ottakring aus dem Jahre 1955 anlässlich des 50-jährigen Bestehens des eigenen Hauses (1905–1955) oder die Festbroschüre zu 60 Jahre Urania Wien am Aspernplatz (1910–1970) aus dem Jahre 1970.
Im Jahre 1987 wurde dann „100 Jahre Wiener Volksbildung“ gefeiert. Referenzdatum dafür war der 22. Jänner 1887, an dem der besagte Zweigverein Wien und Umgebung des Niederösterreichischen Volksbildungs-Vereins gegründet wurde. Im selben Jahr feierte die „Volkshochschule Wieden–Margareten–Meidling“ (wie sie damals hieß) ihren 100. Geburtstag, die Urania Wien ihren 90er, die Volkshochschulen Brigittenau und Favoriten sowie die Künstlerische Volkshochschule ihren 40er. Der Doppel-, ja Mehrfachcharakter des Jubiläumsjahres kam auch im Festprogramm zum Ausdruck: Als Auftakt der Feier „100 Jahre Wiener Volksbildungsverein“ wurde am 22. Jänner 1987 am Grab des Mitbegründers und führenden Organisators des Wiener Volksbildungsvereins, Dr. Eduard Leisching (1858–1938), ein Kranz niedergelegt. Es folgte im Volksbildungshaus Stöbergasse eine Aufzeichnung der beliebten Radiosendung „Autofahrer unterwegs“. Im Anschluss daran gab es Ehrungen von langjährigen Kursleiterinnen, Kursleitern und Vorstandsmitgliedern sowie eine offene Diskussionsrunde mit dem Titel „Was bewegt die Volkshochschule“ mit Dr. Adolf Holl, DDr. Günther Nenning und Dr. Dieter Schrage. Künstlerisch umrahmt wurde das Festprogramm durch die Präsentation von Videoarbeiten von Arnulf Rainer, wozu auch die Präsentation einer Sonderbriefmarke mit dem Motiv seines Bildes „Das gebildete Auge“ gehörte. Am abendlichen, offiziellen Festakt erklang eine Fanfare zu „100 Jahre Wiener Volksbildungsverein“ von Gottfried von Einem sowie Musik von Otto M. Zykan. Im Herbst desselben Jahres wurde in der Volkshalle des Wiener Rathauses die große Ausstellung „Bildung bewegt. 100 Jahre Wiener Volksbildung“ gezeigt. Die vom 4. bis zum 25. Oktober dauernde Ausstellung, die sich sowohl mit der historischen Entwicklung als auch mit den gegenwärtigen Aufgaben und Herausforderungen der Wiener Volkshochschulen auseinandersetzte, war umrahmt von einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm mit Zeitzeugengesprächen, der Thematisierung des Widerstandes in Österreich während des Nationalsozialismus, der Migrationsgeschichte Wiens sowie von Fragen und Perspektiven in der Kunstvermittlung, der Frauen- und Seniorenbildung.
Eine Frage der Erinnerungspolitik
Nie zuvor wurde in der österreichischen Volkshochschullandschaft ein Jubiläum so intensiv und vielfältig erinnert, wie „100 Jahre Wiener Volksbildung“. Die schlichte historische Tatsache des 100-jährigen Jubiläums des Wiener Volksbildungsvereins wurde zum Anlass für intensive historische Recherchen zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte und deren Aufbereitung und Präsentation in einer umfangreichen Ausstellung. Sowohl in der Ausstellung, als auch im Rahmenprogramm nützte man die historische Bezugnahme zu einer Auseinandersetzung mit der Gegenwart. Und nicht zuletzt wurden die umfangreichen Sammlungen zur Geschichte der Wiener Volkshochschulen, die auch Eingang in die Jubiläumsausstellung gefunden hatten, zum Nukleus für den bald darauf gegründeten Verein zur Geschichte der Volkshochschulen, dem Trägerverein des Österreichischen Volkshochschularchivs.
Das Beispiel des Jubiläumsjahres 1987 macht deutlich, dass die Jubiläumskultur als Teil der Erinnerungspolitik Bezeichnendes über das Fremd- und Selbstbild einer Organisation aussagen kann. Welches (historisch geprägte) Bild hat man von sich, wie will man von Außenstehenden heute gesehen und wahrgenommen werden, auf welche (in der Geschichte begründeten) Werte und Ideale beruft man sich dabei?
Auch wenn andere Volkshochschuljubiläen aufgrund geringerer finanzieller und organisatorischer Ressourcen kleiner ausfielen, häufig wurde zumindest in den Festreden neben einem allgemeinen historischen Rückblick und der Skizzierung der aktuellen Situation auch wünschbare Zukunftsperspektiven aufgezeigt: Die Volkshochschule als älteste und größte Erwachsenenbildungseinrichtung Österreichs habe nicht nur eine besondere historische Herkunft, sondern auch eine bedeutende – wenn auch stets materiell zu gering bedachte – bildungspolitische Aufgabe in der Gegenwart sowie für die Zukunft der Gesellschaft – so der häufig geäußerte Tenor. Das künstlerische Rahmenprogramm einer Jubiläumsfeier bietet den Volkshochschulen auch Gelegenheit, sich als offene und aufgeschlossene, vielfältige und bunte Einrichtung darzustellen, wobei man oft auch auf die hauseigenen kreativen, musikalischen und künstlerischen Ressourcen zurückgreifen kann. Eine Jubiläumsfeier an den Volkshochschulen ist in der Regel auch der Ort, Dank und Anerkennung an langjährige und verdiente Funktionäre, MitarbeiterInnen und KursleiterInnen auszusprechen. Kursteilnehmende und KundInnen der Volkshochschulen bleiben hier eher ausgeblendet.
Ein schönes, gut dokumentiertes Beispiel dafür ist die Festveranstaltung anlässlich 60 Jahre Verband Österreichischer Volkshochschulen, die am 7. Dezember 2010 am Ort der Gründung in der Urania Wien gefeiert wurde. Es wurde betont, dass keine andere Institution der Erwachsenenbildung in der Öffentlichkeit und in der Kultur der Gesellschaft so verankert wäre, wie die Volkshochschulen. Geladene Repräsentanten der Volkshochschulen der Nachbarländer Deutschland, Italien (Südtirol) und Ungarn bestätigten den internationalen Stellenwert und die transnationale Verbundenheit. Man vergewisserte sich der erfolgreichen Vergangenheit, erinnerte an die mühselige Aufbauarbeit, betonte die Bedeutung in der Gegenwart und diskutierte Perspektiven für die Zukunft. Dank genauer Statistiken ist die quantitative Bedeutung der Volkshochschulen als größte Einrichtung der Erwachsenenbildung in Österreich gemessen an der Zahl der Kurse sowie der Teilnahmen leicht zu dokumentieren. Doch auch die qualitative Bedeutung als breiter und weitgehend flächendeckender Bildungsnahversorger wurde hervorgehoben. Neben der Betonung der eigenen Leistungen im engeren Sinne, wurde auch der gesamtgesellschaftliche Stellenwert und die bildungspolitischen Ziele der Volkshochschulen hervorgehoben: Grund- und Basisbildung, Zweiter Bildungsweg, bewährtes traditionelles Kernangebot in den Bereichen Gesundheit, Bewegung und Sprachen sowie künstlerische, politische und historische Bildung – und dies alles zu leistbaren Preisen. Die Pluralität und Offenheit der Volkshochschularbeit wurde mit dem Beispiel der Volkshochschulen der Burgenländischen Kroaten, der Burgenländischen Ungarn, der Roma und Sinti sowie des Jüdischen Instituts für Erwachsenenbildung belegt. Neben der Bedeutung der Bildung für den Beruf sowie der Bedeutung der politischen Bildung, wurde Bildung als ein Wert an sich hervorgestrichen, womit zum Kern der Bildungsarbeit und zum Bildungsideal der Volkshochschulen vorgedrungen wurde: Bildungsarbeit an den Volkshochschulen geht über Qualifikationsansprüche hinaus und dient der Bildung und Entfaltung der Persönlichkeit, der Ausbildung eines kritischen Urteilsvermögens sowie der Orientierungsfähigkeit in einer komplexen Welt. Ziel der Volkshochschulen sind mündige, aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger, die es vermögen, sich des eigenen Verstandes ohne Anleitung anderer zu bedienen. So der Tenor der Jubiläumsveranstaltung, auf der ein Gründungsdatum zur durchaus auch kritischen Reflexion und differenzierten Standortbestimmung genutzt wurde.
2008 feierte der Landesverband Vorarlberger Volkshochschulen sein 50-Jahr-Jubiläum, 2015 folgten die Kärntner Volkshochschulen mit ihrem 60-Jahr-Jubiläum sowie die Volkshochschulen Tirols mit ihrem 70-Jahr-Jubiläum. Eine Häufung von Volkshochschuljubiläen brachte das Jahr 2017, in dem 70 Jahre Volkshochschule Salzburg, 70 Jahre Volkshochschule Linz (und zehn Jahre Wissensturm), 70 Jahre Volkshochschule Hietzing, 65 Jahre Volkshochschule Urania Hollabrunn, 60 Jahre Verband Niederösterreichischer Volkshochschulen, 60 Jahre Volkshochschule Baden, 60 Jahre Volkshochschule Poysdorf, 30 Jahre Österreichisches Volkshochschularchiv sowie 130 Jahre Wiener Volkshochschulen gefeiert wurde. Man sieht: Den Volkshochschulen geht das Feiern nicht aus; denn Volkshochschulen sind nicht nur Orte der Wissensvermittlung, sondern auch Orte der Begegnung und des Miteinanders, Orte des sozialen Austausches und der Freude. //
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