Erwachsenenbildung im ländlichen Raum am Beispiel der VHS Gutau

Bildung im ländlichen Raum – ein vielschichtiges Thema. Was verstehen wir überhaupt unter dem Begriff „Bildung“ und wieso ist ein regionales Angebot so wichtig, gerade in kleinen, dislozierten Gemeinden?

Wir haben versucht, diesen Fragen auf den Grund zu gehen und exemplarisch für eine Vielzahl an halb-ehrenamtlich betreuten, kleinen Nebenstellen außerhalb des Zentralraumes, haben wir das Gespräch mit wesentlichen Key-Playern der VHS Gutau im Bezirk Freistadt, gesucht. 

Wir trafen uns am 16. August 2021 mit VHS-Leiterin Hannelore Lindner (HL), den langjährigen Kursleiterinnen Martina Lengauer (ML, Gesundheit und Bewegung) und Maria Stütz (MS, Kunst und Kreativität) sowie Bürgermeister Josef Lindner (JL).

Was hat Sie dazu bewogen, sich für die VHS Gutau zu engagieren? 

HL: Als meine Vorgängerin (Anm.: ML) ihre Tätigkeit beendete und die VHS Oberösterreich sich um eine Nachfolge bemühte, dachte ich als treue VHS-Kundin – ich besuchte damals schon über 35 Jahre lang Kurse – dass es keinesfalls einen Stillstand in Gutau geben darf und übernahm kurzerhand die Leitung.

ML: Leider musste ich die Leitung der VHS aufgrund meiner privaten Verpflichtungen nach vielen Jahren im Jahr 2013 zurücklegen. Ich bin aber froh, weiterhin als Kursleiterin meine Freude an Bewegung und Gesundheitsvorsorge weitergeben zu dürfen. Ich mache mit der Kursleitertätigkeit sozusagen mein Hobby zum Beruf. Auch wenn das Honorar sich auf moderatem Niveau bewegt, sehe ich die Vorzüge, für eine Einrichtung wie die VHS tätig zu sei. Es wird den Kursleitenden z.B. von der Bewerbung und Anmeldung bis zur Abrechnung und Raumakquise alles Organisatorische abgenommen. Ich brauche wirklich nur in den Kurs gehen und meine Stunden abhalten. Selbstverständlich bilde ich mich laufend fachlich weiter und bemühe mich um die Vorbereitung abwechslungsreicher Einheiten.

MS: Mittlerweile ist es 40 Jahre her, dass ich als Vertretung für eine kurzfristig ausgefallene Kursleiterin in der VHS Perg eingesprungen bin. Auch wenn die Kurse im Kreativbereich sehr aufwändig in der Vor- und Nachbereitung sind, hat mich die Erwachsenenbildung seither nicht mehr losgelassen. Man muss bedenken, dass wir ja über keine eigenen Räume verfügen, sondern beispielsweise unsere Malkurse in Schulen oder angemieteten Seminarräumen abhalten. Da heißt es jedes Mal: Materialtransport, abkleben, alles wieder putzen und die oftmals sperrigen Utensilien wieder mit nach Hause nehmen und so weiter. Ich halte in der „Hauptsaison“ vier bis fünf Kurse pro Woche ab und freue mich, wenn ich meine Leidenschaft für die Kunst weitergeben kann. Manche Kurse bestehen schon seit vielen Jahren. Zum Beispiel der Kurs Hinterglasmalerei in der VHS Perg. Der läuft schon seit rund 20 Jahren. Es kommen natürlich immer wieder neue Leute dazu und andere fallen weg, aber der Kern an StammkundInnen ist der gleiche.

Worin liegen aus Ihrer Sicht die Unterschiede in der Kursabwicklung in einer ländlichen VHS im Unterschied zu einer städtischen Einrichtung?

HL: Eine der größten Herausforderungen ist es, gut qualifizierte Kursleitende vor Ort zu finden. 

Nachdem wir, wie schon angesprochen, keine eigenen VHS Räume zur Verfügung haben, bin ich bei jedem Kursstart anwesend und kümmere mich darum, dass mit dem zur Verfügung gestellten Raum alles passt und begrüße die Teilnehmenden. Wir müssen uns natürlich die vor Ort begrenzt verfügbaren Raumressourcen mit vielen anderen Vereinen und Institutionen teilen. Gerade zum Beispiel der große Schulturnsaal ist heiß begehrt. 

Bei der Programmgestaltung sprechen wir uns im Team im Bezirk Freistadt gut ab. Sollten sich in einem Ort zu wenig TeilnehmerInnen für ein Thema begeistern, legen wir die Kurse mit den Nachbarorten zusammen, um möglichst allen InteressentInnen eine Kursteilnahme zu ermöglichen. Großer Dank gebührt dabei unserer Regionalleiterin, die uns unter anderem in dieser Hinsicht laufend bei der Koordination hilft.

MS: Ich habe das Gefühl, dass die Teilnehmenden im städtischen Umfeld (Anm.: Maria Stütz unterrichtet auch in einer städtischen VHS) fordernder und vielleicht ein wenig egoistischer sind. Hier am Land helfen die Leute zum Beispiel selbstverständlicher beim Wegräumen und Putzen nach dem Kurs mit. Das ist eine große Erleichterung für mich. 

ML: Was ich schön finde, ist, dass sich hier bei uns in Gutau die Teilnehmenden für die unterschiedlichsten Themen interessieren und mehrere Kurse gleichzeitig besuchen. Zum Beispiel Malen und Aquagymnastik.

MS: Es kommt auch immer wieder vor, dass sich Kinder- und Erwachsenenkurse gegenseitig befruchten. Die Eltern entdecken ihre Freude am künstlerischen Gestalten, wenn sie die Werke ihrer Kinder beim Abholen vom Kinderkurs sehen.

HL: Nach wie vor ist es so, dass mich die Leute im Ort zum Beispiel beim Spazierengehen oder auch beim Einkaufen ansprechen und einerseits Auskünfte zu den Kursen erfragen oder sich auch vom Kurs an- oder abmelden. Wenn ich nach Hause komme, dann notiere ich das gleich, um ja nichts zu vergessen.

ML: Es kommt auch immer wieder vor, dass sich die Teilnehmenden direkt bei mir als Kursleiterin melden und sich für Folgekurse anmelden. Ich gebe das dann einfach ganz unkompliziert direkt an Hannelore Lindner weiter. Nachdem wir uns alle persönlich kennen, ist ja keine weitere Datenerhebung notwendig.

Worin sehen Sie die Bedeutung einer regionalen Bildungseinrichtung für das Gemeindeleben?

JL: Die VHS bietet regional den Menschen eine Bühne, um das eigene Können und die Begeisterung für ein Fachgebiet an die Mitbürger weiterzugeben. Die TeilnehmerInnen bekommen durch die Kursangebote Anreize, in Bereichen aktiv zu werden, auf die sie vielleicht sonst nie kommen würden.

Es liegt außerdem in unserem Interesse, dass die Gemeindeinfrastruktur, wie zum Beispiel das Hallenbad bzw. die Schulräumlichkeiten, optimal ausgelastet wird und den BürgerInnen zu Gute kommt.

MS: Hier in Gutau haben wir wirklich eine tolle Unterstützung durch die Gemeinde, das ist auch nicht selbstverständlich.

JL: Ja, wir fördern die Erwachsenenbildung vor Ort gerne, indem wir möglichst gute Rahmenbedingungen schaffen. Das gilt natürlich nicht nur für die VHS, sondern auch für andere Einrichtungen im Ort. Wir sind sehr froh, wenn die verschiedenen Institutionen zusammenarbeiten und sich nicht konkurrenzieren. Das funktioniert hier bei uns in Gutau sehr gut. Die Leute kennen sich persönlich und arbeiten sehr wertschätzend zusammen. Die größte Herausforderung für alle Einrichtungen ist es, Leute zu finden, die sich in ihrer Freizeit engagieren wollen.

Für mich ist es ganz wichtig, wie in den VHS-Kursen die sozialen Kontakte und das Gemeinschaftsleben gefördert werden. Das stärkt den Zusammenhalt im Ort. 

HL: Wir sprechen mit unserem Angebot natürlich nicht nur die GutauerInnen an, sondern „bedienen“ auch die Bedarfe der BürgerInnen aus den umliegenden Gemeinden. 

Haben sich die Teilnehmenden in den letzten Jahren verändert?

HL: Das Buchungsverhalten wird immer kurzfristiger. Da merken wir schon auch den Einfluss des Internets. Was sich nicht verändert hat, ist die Geschlechterverteilung. Unsere Angebote werden hauptsächlich von Frauen genutzt, obwohl wir unsere Themen so wählen, dass sich eigentlich auch Männer angesprochen fühlen sollten. Aber soweit ich das beurteilen kann, ist das kein spezielles VHS-Thema.

MS: Die Leute haben irgendwie gefühlt tendenziell mehr Stress und wollen in kurzer Zeit ganz viele Ergebnisse produzieren. 

ML: Das Fitnessniveau der Teilnehmenden wird meinem Eindruck nach immer unterschiedlicher. In meinen VHS-Bewegungskursen achte ich daher verstärkt darauf, die Gruppe auf ihren persönlichen Fitnessniveaus „abzuholen“ und die Übungen auf verschiedensten Niveaus anzubieten, damit möglichst alle mitmachen können. Unter anderem dadurch ergibt sich eine gute Mischung aus Alt und Jung im Kurs. Diese Verbindung der Generationen wird sehr geschätzt. Es haben sich in den Kursen schon viele Freundschaften entwickelt. Ganz besonders gut funktioniert das in den Aquakursen. Im Wasser können wirklich alle mitmachen auch Menschen mit Handicap oder mit eher schlechter Kondition.

Käme eine gute Fee – was würden Sie sich für die Zukunft der VHS Gutau wünschen?

HL: Eine bessere finanzielle Absicherung von uns NebenstellenleiterInnen wäre schön. Wir hoffen sehr, dass die Leute auch nach dem letzten Pandemie-Jahr wieder zurück zu uns in die Kurse kommen. 

JL: für die Zukunft überlegen wir eine noch engere Zusammenarbeit zwischen der VHS und der „Gesunden Gemeinde“, da gibt es sicherlich noch Potenzial für die Nutzung von noch mehr Synergien. //

Gutau ist eine Marktgemeinde in Oberösterreich, im Bezirk Freistadt im Mühlviertel, mit 2.752 EinwohnerInnen. Die Volkshochschule Oberösterreich führt Gutau als Nebenstelle seit dem Jahr 1985. Jährlich kann die VHS knapp 300 Teilnahmen in rund 30 durchgeführten Kursen verzeichnen. (Basis 2019).

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Foto: VHS OÖ; von links: Martina Lenauer (KL Bewegung und Sport),
Maria Stütz (KL Kunst und Kreativität), Hannelore Lindner (Leitung VHS Gutau), Josef Lindner (Bürgermeister, Gutau)

Die Volkshochschule Oberösterreich, gemeinnützige Bildungs-GmbH der Arbeiterkammer OÖ, führt jährlich (Anm. Basis 2019) rund 5.000 Kurse mit an die 50.000 Kursteilnahmen und Veranstaltungen, in derzeit 160 oberösterreichischen Gemeinden, im gesamten Bundesland (ausgenommen Linz-Stadt) durch. 

Die Außenstellen sind in 13 Regionen mit aktuell knapp 90 Nebenstellen organisiert. Die Nebenstellen werden vor Ort, von nebenberuflich tätigen, freien DienstnehmerInnen gegen eine Aufwandsentschädigung, in der Regel im Homeoffice, betreut.

Das Programm erscheint halbjährlich und ist unter www.vhsooe.at jederzeit abrufbar.

Panholzer, Julia (2021): Erwachsenenbildung im ländlichen Raum am Beispiel der VHS Gutau. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2021, Heft 274/72. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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