Sehr geehrte Damen und Herren, werte Jury!
Vielen Dank für diese schöne Auszeichnung, die mich gleich mehrfach freut. Zum einen, weil sie einer der wirklich ehrenvollen Journalisten-Preise in diesem Land ist – alleine die Galerie der bisherigen Preisträger und Preisträgerinnen ist ja nahezu einschüchternd.
Und natürlich freue ich mich über diesen Preis besonders, weil er nach dem großen Axel Corti benannt ist, mit dessen wunderbaren Fernsehfilmen und klugen „Schalldämpfer“-Essays ich aufgewachsen bin und dessen einzigartige Stimme niemand von uns je vergessen wird. Ich freue mich auch sehr, dass Cecily Corti heute da ist, die ich für ihr Engagement seit langem sehr bewundere.
Ich nehme diese Auszeichnung auch stellvertretend für meine fabelhaften Kolleginnen und Kollegen in der ZiB2-Redaktion entgegen, ohne deren großartige Arbeit ich nichts zu präsentieren hätte. Fernsehen ist ein Teamsport, die Moderatoren sind nur die Sportler, die am sichtbarsten sind.
Ich möchte aber auch ein paar grundsätzliche Worte sagen. Ich habe mich über diesen Preis auch deshalb so gefreut, weil ich in einem ganz speziellen Moment davon erfahren habe, durch ein E-Mail am 6. April des Jahres.
Das Interview, mit dem alles begann
Eine gute Woche vorher hatte ich nämlich ein Interview gemacht, das ganz erstaunliche Reaktionen ausgelöst hat. Es war ein Bilanz-Gespräch zum Abschied des niederösterreichischen Landeshauptmannes. Und ich habe ihn dabei auch zu seiner Privatstiftung befragt, die es mittlerweile bekanntlich nicht mehr gibt.
In diesem Interview nannte Herr Pröll meine Fragen „Stumpfsinn“, warf mir vor, ich würde „lügen“ und drohte mir wörtlich: „Das kommt ohnehin noch zum Chef.“ Ich fand das alles sehr erstaunlich, weil bis heute niemand behauptet hätte, dass auch nur ein Halbsatz in meinen Fragen inhaltlich oder formal unkorrekt gewesen wären. Aber gut, man kann ja einmal die Contenance verlieren.
Doch einige Tage später – interessanterweise genau an jenem Tag, an dem ich von diesem Preis erfahren habe – hat Pröll ein weiteres Interview gegeben, und zwar für „News“. Darin spricht er von angeblich „gelenktem Journalismus“ im ORF, der eine „Gefahr für die Demokratie“ sei, kündigt an, dass man im ORF „nach dem Rechten sehen“ müsse, und denkt laut über ein ORF-Volksbegehren nach.
Politiker regen Volksbegehren an
Das könnte man als beleidigte Reaktion eines Politikers im Abgang abtun. Aber ein paar Wochen später hat auch Vizekanzler Mitterlehner von einem „Volksbegehren für einen objektiven ORF“ gesprochen. Jener Vizekanzler, der sich kurz zuvor in einem – erstaunlich wenig beachteten – Ö1-Interview beschwert hat, dass Medien nicht darüber berichten würden, „was die Politik tut, sondern über die Themen, die die Medien interessieren“. Als konkretes Beispiel nannte Mitterlehner damals Meinungsumfragen mit Sebastian Kurz als möglichem ÖVP-Spitzenkandidaten – das war für ihn eine „Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer Partei“, für Journalisten wohl einfach eine realistische Lagebeurteilung. Und Herr Mitterlehner beklagte sich auch über die Interviews in der ZiB2, in denen es immer „Sieger und Besiegte“ geben müsse.
Aber auch das könnte noch eine Einzelmeinung gewesen sein. War es aber nicht, wie im „Profil“ zu lesen war. Dort hat sich ein ORF-Manager zu Wort gemeldet mit dem bemerkenswerten Satz: „Es ist unzumutbar für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wenn das TV-Studio wie ein Verhörraum oder eine Anklagebank wirkt.“
Das war deshalb bemerkenswert, weil der Kollege nicht fürs Fernsehen, sondern für die Online-Auftritte des ORF zuständig ist, aber auch, weil er – von ihm völlig unbestritten – als prominentester Verbindungsmann der FPÖ in die ORF-Führung gilt. Jener FPÖ, die den ORF sehr häufig und offen attackiert und neuerdings eine Volksabstimmung über die Rundfunkgebühren verlangt.
Verschärftes Rundfunkgesetz wird angedroht
Der von der FPÖ nominierte Vertreter im Stiftungsrat hat ja bereits bei der ORF-Wahl letzten Sommer angekündigt, es werde binnen eines Jahres eine neue Geschäftsführung geben, er schreibe bereits an einem neuen Rundfunkgesetz. Vor zwei Wochen ließ er verlauten, er habe nun zwei Gesetzesversionen in der Schublade: „Ein schärferes und ein weniger scharfes.“
Aber auch die SPÖ ist nicht untätig. In derselben Sitzung des ORF-Stiftungsrats kritisierte der neue Vorsitzende des sogenannten SPÖ-„Freundeskreises“, also der sozialdemokratischen Fraktion, die Fernseh-Information sei „aus dem Ruder gelaufen“.
Das konnte er übrigens nur deshalb dort sagen, weil zuvor ein anderer Stiftungsrat auf eine sehr ungewöhnliche Weise zurückgetreten war. An sich sind ORF-Stiftungsräte ja unabsetzbar. Doch ein Mitglied des SPÖ-Freundeskreises bekam im Mai einen Anruf aus dem Büro des SPÖ-Medienministers: Er möge sich doch bitte auf seinen Hauptjob in einem Bundesmuseum konzentrieren. So wurde über Nacht ein Sitz im Stiftungsrat frei, und nachrücken konnte der ehemalige SPÖ-Kommunikationschef, der nun den roten „Freundeskreis“ als Fraktionschef führt.
Einen Neuzugang gab es gleichzeitig auch im schwarzen „Freundeskreis“. Das Land Niederösterreich besetzte seinen ORF-Vertreter neu: Mit einem langjährigen Bürochef von Erwin Pröll.
Politik will Einfluss auf ORF gewinnen
Was bedeutet das alles? Ich sehe keine andere Erklärung dafür, als den Versuch der Politik, wieder mehr Einfluss auf den ORF zu gewinnen. Auf ein Unternehmen, von dem viele Politiker glauben, dass es doch irgendwie der Politik gehört. Und üblicherweise heißt mehr Einfluss auf den ORF vor allem eines: Mehr Einfluss auf die ORF-Information.
Praktisch alle Informations-Sendungen im Fernsehen haben in den letzten Jahren deutlich an Publikum gewonnen, die offensichtliche Unabhängigkeit der Berichterstattung wurde außerhalb und innerhalb des ORF viel gelobt. Das heißt nicht, dass uns keine Fehler passieren. Bei rund 150 Informationssendungen in der Woche ist das – leider – unvermeidlich. Trotzdem müssen wir uns jeden Tag noch mehr bemühen.
Was aber auffällt, ist, dass sich alle Parteien gleichermaßen über die ORF-Information beklagen: Der SPÖ ist sie „zu negativ“, für die ÖVP ein „Rotfunk“, die FPÖ entrüstet sich über eine angeblich „linke Schlagseite“ und Grüne wie Neos reklamieren, sie kämen viel zu wenig vor.
Wenn sich alle beschweren, könnte das natürlich auch heißen, dass alle recht haben und wir einfach unsere Arbeit schlecht machen. Das würde allerdings nicht erklären, warum unser Publikum ständig wächst. Es könnte also auch bedeuten, dass wir einfach das tun, was unsere Aufgabe als öffentlich-rechtliche Journalisten ist: Über alle Parteien und Politiker gleichermaßen kritisch-distanziert zu berichten.
Ein Vorwurf wie eine Auszeichnung: TV mache, was es will
Der zentrale Vorwurf der letzten Monate lautet ja: Die Fernseh-Information würde tun, „was sie will“. Was ein sehr interessanter Vorwurf ist. Genau so könnte man nämlich unabhängigen Journalismus definieren. Wer sonst sollte denn entscheiden, was und wie wir berichten als die dafür zuständigen Redaktionen? Die Parteien? Oder der von Bundesregierung, Landesregierungen und Parlamentsparteien beschickte Stiftungsrat?
Vor wenigen Wochen wurde die Fernseh-Information nun direkt dem Generaldirektor unterstellt. Und gleich nach der Nationalratswahl soll sie noch weiter umgebaut werden. Es soll auch im Fernsehen sogenannte „Channel-Manager“ geben, also Senderverantwortliche für ORF1 und ORF2, ähnlich wie für die einzelnen Radiosender. Dagegen gibt es grundsätzlich nichts zu sagen, im Radio funktioniert das seit langem tadellos.
Zwei Aspekte fallen allerdings auf: Lange vor jeder Ausschreibung wurde in den beiden großen „Freundeskreisen“ im Stiftungsrat, also in den Fraktionen von SPÖ und ÖVP, bereits verkündet, wer diese wichtigen Posten bekommen wird. Bei ORF2, jenem Sender, auf dem alle großen Informations-Formate laufen, ist es ein – nach eigenen Worten – „überzeugter Sozialdemokrat“, der öffentlich erklärt hat, es könne nicht sein, „dass wir frühmorgens mit einer Politikerverarschung beginnen und spätabends in einem politischen Verhör enden.“ Dazu passt übrigens gut der Vorwurf, den ein Publikumsrat aus dem SPÖ-Freundeskreis kürzlich erhoben hat: Er ortet im ORF „destruktiven Journalismus“.
Geplante Neuorganisation macht misstrauisch
Das Fernsehen soll aber nicht nur Channel-Manager für die beiden großen Sender bekommen, sondern auch für jeden Kanal eine eigene Informationsabteilung. Das ist im Radio ja anders. Dort beliefert – trotz Channel-Chefs – eine Info-Redaktion alle Radiosender. Im Fernsehen soll es jedoch künftig für ORF1 und ORF2 eigene, völlig getrennte Redaktionen geben, mit eigenen, neuen Chefredakteuren. Warum es diesen – gerade in Sparzeiten recht aufwändigen – Umbau geben soll, habe ich bisher nicht genau verstanden. Aber ich muss Ihnen gestehen: Dass diese Neuorganisation etlichen Politikern ein so großes Anliegen ist, macht einen gelernten ORF-Menschen einigermaßen misstrauisch.
Natürlich muss ein großes Unternehmen wie der ORF permanent seine Produkte und Strukturen überprüfen, in Frage stellen und adaptieren. Gerade in einer Branche, die sich so rasant wandelt, wie das Mediengeschäft. Als Journalist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wünsche ich mir allerdings, dass die entscheidenden Kriterien für jede neue Struktur und Neubesetzung lauten:
- Können wir damit noch interessanteres, klügeres und kreativeres Programm machen?
- Und stellen wir damit sicher, dass die Redaktionen im ORF so unbeeinflusst und unabhängig wie nur möglich von jenen Politikern bleiben, über die wir täglich berichten sollen?
Nicht Politiker müssen zufrieden sein, sondern Zuschauer
Es müssen nämlich nicht Politiker und Parteien mit dem ORF zufrieden sein, sondern unser Publikum muss zufrieden sein: Jene Menschen, die mit ihren Gebühren unsere Gehälter, unsere Studios und unsere Kameras finanzieren und für die wir unsere Programme in Fernsehen, Radio und online machen. Dafür wurde öffentlich-rechtlicher Rundfunk erfunden.
Von der BBC gibt es ein schönes altes Motto: Wir wollen unser Publikum unterstützen, qualifizierter am demokratischen Diskurs teilzunehmen. Das ist unser Job – nicht Politiker glücklich zu machen. Zu dieser zentralen Aufgabe versuche ich, mit meiner Arbeit in der ZiB2 auch etwas beizutragen. Auch mir passieren dabei Fehler, erst kürzlich habe ich mich für einen sehr öffentlich entschuldigt. Es hat schon einen Grund, warum mein Lieblingszitat von Samuel Beckett stammt: „Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.“ Kurz: Versuch es wieder, scheitere wieder, aber scheitere besser.
Ich freue mich sehr, geehrte Jury, dass Sie mein Bemühen, jeden Tag besser zu scheitern, mit dem diesjährigen Axel-Corti-Preis auszeichnen. Und ich verspreche, ich werde mich weiter bemühen! Vielen Dank! //
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