Demokratische Institutionen schützen

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V.l.n.r.: Gerwin Müller, Helene Maimann, Jörg Winter, Sabine Letz
Foto: Thomas Jantzen/ORF

Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren bin ich in einem kleinen Raum im Keller des Büros für öffentliche Sicherheit in Peking gesessen. Im Raum zwei Schweinwerfer, eine laufende Kamera und drei finster drein blickende Polizeibeamte. Ich musste mich rechtfertigen für unsere Berichte zum Jahrestag der Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung am Tiananmen-Platz. Die finsteren Herren haben gesagt, ich solle mich bessern. Dann haben sie mir mit dem Entzug meines Visums gedroht.

Tiananmen jährt sich heuer zum 30. Mal. Ebenso der Fall der Berliner Mauer. 1989 war ich als politisch interessierter Jugendlicher ganz sicher: der Fall der Mauer leitet den endgültigen Sieg der liberalen Demokratie auf der ganzen Welt ein, Tiananmen ist eine Anomalie.

30 Jahre später ist Ernüchterung spürbar: die große Demokratisierung unserer Welt ist ausgeblieben. Die Strategie der Mächtigen, egal wo, unterscheidet sich vor allem in der Wahl der Mittel, das Ziel ist ähnlich: es geht darum kritische Stimmen, Journalisten, die hinterfragen und recherchieren, im besten Fall zu bedrängen, im schlimmsten zu unterdrücken und mundtot zu machen.

Beispiele gibt es genug. Auch in unserem Land wo manche Politiker vorsätzlich die Glaubwürdigkeit von Kollegen untergraben und Medienhäuser, die ihnen nicht passen, zerstören wollen. Oder, natürlich viel extremer in der Türkei, wo man unangenehme Journalisten feuert oder gleich einsperrt. Oft ohne Anklageschrift.

Journalismus ist gefährlich geworden. Vor allem in aufstrebenden, aber undemokratischen Schwellenländern. Was wir dort beobachten soll uns in Europa eine Warnung sein: was passieren kann wenn wir demokratische Institutionen nicht schützen und politische Verführer nicht als solche erkennen.

Wer gut informiert ist darüber, was und warum etwas woanders passiert, der kann auch am demokratischen Prozess zuhause besser und qualitätsvoller teilnehmen. An dieser Wahrheit will ich meine Arbeit als Auslandskorrespondent auch weiterhin unbeirrt ausrichten.

In diesem Sinne nehme ich den diesjährigen Axel-Corti Preis, benannt nach einem großen Mann, mit ebenso großer Dankbarkeit an. Ein Blick auf die Liste der eindrucksvollen Preisträger erzeugt Demut, aber auch viel Freude.

Vielen Dank! //

Winter, Jörg (2019): Demokratische Institutionen schützen. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Frühjahr/Sommer 2019, Heft 267/70. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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