Edlinger Alexandra (2016): LanguAGEING. Fremdsprachen Lernen im Alter.

Edlinger Alexandra (2016): LanguAGEING. Fremdsprachen Lernen im Alter.
Hamburg: disserta Verlag, 366 Seiten.

Die als Taschenbuch veröffentlichte Dissertation von Alexandra Edlinger befasst sich mit einem wissenschaftlich wenig beachteten Thema, dem Fremdsprachenlernen im Alter. Sie widmet sich hiermit einem empirisch kaum untersuchten Forschungsobjekt der Fremd- und Zweitsprachforschung und wirft einen lernendenzentrierten Blick auf das Thema.

Die Publikation bietet so eine gelungene, fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema Sprachenlernen im Alter, wobei sichtbar wird, dass Sprachlernkompetenz ein sehr komplexes Thema ist, das auf den unterschiedlichsten Ebenen verschiedenste Aspekte miteinschließt und keineswegs als homogen bezeichnet werden kann. Durch das Beschreiben und Verknüpfen vieler Subthemen und Theorien gelingt es Edlinger, den aktuellen Stand der Forschung im untersuchten Feld darzustellen. So beschäftigt sie sich eingehend mit der Neurobiologie, sie widmet sich der Motivationsforschung oder aktuellen Fragen des Altersdiskurses und greift auch wichtige Punkte der Weiterbildungsforschung auf.

Im ersten Teil der übersichtlich strukturierten, fast vierhundert Seiten starken Publikation findet sich zunächst ein Kapitel zur Klärung grundlegender Begriffe, Faktoren und Dynamiken. Im Anschluss reiht sich, gegliedert in sechs Kapitel, eine ausführliche Übersicht über Theorien und Konzepte zu Kernfragen des angesprochenen Themenkomplexes. So geht es zunächst um das Lernen im Alter sowie um Lernverhalten, um Erwartungen und zielgruppenadäquate Angebote. Danach wird das soziale Konstrukt „Alter“ unter die Lupe genommen, und in einem weiteren Kapitel werden die biologischen Voraussetzungen, wie Gedächtnis, Hör- und Sehvermögen, genauer beschrieben. Im Kapitel 7 geht es im engeren Sinn um das Sprachenlernen im Alter, bevor sich die Kapitel 8 und 9 mit zwei spannenden Theorien beschäftigen, die unser Verständnis von der Komplexität des (Sprachen-)Lernens eindrucksvoll darlegen.

Die „Dynamic System Theorie“ betont, wie sehr das individuelle Sprachenlernen von einer großen Reihe ganz unterschiedlicher Faktoren wie Motivation, Lernstrategien, „Sprachtalent“ etc. geprägt ist und wie diese in einer dynamischen, sich laufend verändernden Beziehung zueinander stehen. Die „Selbstbestimmungstheorie“ nach Deci und Ryan beschäftigt sich umfassend mit dem Thema der prozess- und inhaltsorientierten Motivation und ihre Auswirkungen auf die Sprachlehrforschung, wo die Grundbedürfnisse Beziehung, Autonomie und Kompetenz eine entscheidende Rolle zu spielen scheinen.

Die beiden Forschungsfragen „Welche positiven Lernerfahrungen erleben ältere Lernende im Zusammenhang mit dem Besuch eines Sprachkurses?“ und „Welche Dynamiken sozialer, psychologischer und linguistischer Faktoren könnten einen Einfluss auf positive Lernerfahrungen haben?“ werden zunächst theoretisch und dann anhand der Fallbeispiele untersucht.

So enthält der zweite, ähnlich umfangreiche Teil des Buches eine empirische Studie, die mit Fremdsprachenlernenden an der Urania Graz durchgeführt wurde, und in der die zuvor theoretisch aufgeworfenen Fragen an Hand von Fallbeispielen hinterfragt werden. In Form von leitfragengeleiteten Interviews und mit Hilfe eines komplexen Fragebogens wurden Daten von SprachkursteilnehmerInnen detailliert untersucht und miteinander verglichen.

Hierzu ist allerdings anzumerken, dass die Ergebnisse der empirischen Untersuchung mit Vorsicht gelesen werden müssen, da sie nur auf den Daten von 28 TeilnehmerInnen basieren, die Kurse eines bestimmten Kursanbieters in einer österreichischen Kleinstadt besuchten und freiwillig an der Studie teilnahmen. Wie die Autorin selbst kritisch anmerkt, verfügen alle über einen höheren Bildungsabschluss, sind finanziell abgesichert, mobil und aktiv. Sie sind stark intrinsisch motiviert und haben bereits während ihrer beruflichen Tätigkeit an Weiterbildungsangeboten teilgenommen, das heißt sie können im Sinne von Erikson unterschiedliche Lern- und Lebenserfahrungen eigenständig integrieren. Edlinger leitet aus ihrer Untersuchung drei Idealtypen ab: den/die Plurilinguale, den/die Socializer und den Berufsmenschen. Wie die Studie zeigt, haben diese TeilnehmerInnen ein großes Bedürfnis nach Autonomie und Selbstbestimmung und legen daher auch sehr viel Wert darauf, auch (Sprach-)Lernprozesse selbst zu steuern.

Edlinger postuliert weiters, dass es im Sprachunterricht mit Älteren vor allem darum gehen muss, das positive Selbstbild der Lernenden zu unterstützen. Und so formuliert sie auf den letzten Seiten ihrer Publikation etwas ernüchternd sehr allgemeine, fast platt wirkende Ratschläge, wie etwa die „empathische“ Fehlerkorrektur oder die Beachtung der Aufmerksamkeitsspanne von 20 Minuten. Ratschläge, die nicht nur für ältere, sondern für alle (Sprachen-)Lernenden gelten und wie sie wohl zum generellen pädagogischen Verständnis modernen (Sprach-)Unterrichts zählen sollten.

Als große offene Fragen bleiben im Raum, wie Ältere anderer Bildungsschichten und mit diversen Bildungshintergründen verstärkt angesprochen werden könnten, oder wie es gelingen könnte, ältere Männer in die Sprachkurse zu holen. Unklar bleibt auch, ob der Anspruch nach verstärkter Autonomie und einem entsprechenden didaktischen Ansatz sich bei diesen anderen, bisher kaum analysierten Zielgruppen als wichtig und geeignet erweisen würde.

Die vorliegende Publikation stellt jedenfalls einen wichtigen Beitrag zum wenig erforschten Themenkomplex „Sprachenlernen älterer Erwachsener“ dar, der vor allem einen umfassenden Überblick über das Thema und die wissenschaftliche Auseinandersetzung damit bietet. Zu hoffen bleibt, dass auch die universitäre Forschung in Zukunft verstärkt erkennt, dass Sprachenlernen nicht nur in der Schule stattfindet, sondern auch einen der größten Bereiche der Erwachsenenbildung darstellt, ein Forschungsfeld, das bisher nur wenig bis gar nicht eingehender untersucht wurde //

Feigl, Elisabeth (2017): Edlinger Alexandra (2016): LanguAGEING. Fremdsprachen Lernen im Alter.. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Winter 2017/18, Heft 263/68. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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