„Flüchtlinge“ oder „Geflüchtete“? Die Diskussion um die „korrekte“ Bezeichnung wird hier nicht geführt. Menschen mit Flüchtlingshintergrund sind, wie alle anderen Menschen, einem humanistischen Menschenbild sowie universellen Menschenrechten und Menschenpflichten zugehörig. Von dieser Überzeugung geleitet legen die beiden Herausgeber, engagierte Theoretiker und Praktiker in der Flüchtlingshilfe sowie in damit verbundener wissenschaftlicher Lehre und Forschung, ihr praxisorientiertes Buch vor.
Die Herausgeber erläutern ihr Verständnis von „Refugees Welcome“: Sie wissen, dass sie sich mit ihrer Thematik in einem politischen Raum bewegen. Das betrifft z. B. die Teilhabe an Gemeinschaft und Gesellschaft oder den Ausschluss von diesen beiden. Aus Sicht einer „humanistischen Menschenbildung“ sollen die Würde der Lernenden und ihre Diversität geachtet werden – letztere trägt zur positiven Entwicklung einer pluralistischen Gesellschaft bei. Aus pädagogischer Sicht werden Lernende als Persönlichkeiten betrachtet, die daran beteiligt sind, ihr Wissen und Können hervorzubringen.
Strukturiert ist der Band in zwei größere und zwei kleiner Kapitel. Das erste umfangreiche Kapitel beschäftigt sich mit der Lebenslage geflüchteter Menschen. Detailliert wird auf Ursachen und Beweggründe von Flucht sowie auf daraus resultierende Konsequenzen für Planung und Durchführung von Bildungsangeboten eingegangen. Aufenthaltsstatus, Fragen des Spracherwerbs, die Möglichkeiten für Geflüchtete, zu arbeiten und sich weiterzubilden, werden erörtert. Auch die familiäre Situation und die kulturelle Diversität der Zielgruppe werden beschrieben. Besonderes Augenmerk wird dem Thema Trauma und Traumafolgestörung zugewandt. Traumata, kürzere oder längere Reaktionen auf besonders belastende Erlebnisse, können einzelne Symptome aber auch komplexe Krankheitsbilder nach sich ziehen und Lernsituationen beeinflussen. Charakteristische Symptome werden vorgestellt, auf notwendige, sich selbst schützende Maßnahmen von Lehrpersonen wird hingewiesen.
Das zweite Kapitel thematisiert die Grundbildung von und mit Geflüchteten. Sie wird im Hinblick auf Literarität, soziokulturelle Aspekte, Konsum und Angelegenheiten von ArbeitnehmerInnen diskutiert. Grundbildung wird als Prozess, also mit stets erweiterbaren Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen verstanden. Sie fungiert als Anstoß für fortgesetztes, lebenslanges Lernen sowie für menschliche Entwicklung und soll auf reale Lebenssituationen anwendbar sein. Das Kapitel umfasst Tipps und Hinweise für die didaktische Umsetzung der einzelnen Themen.
Die beiden kürzeren Kapitel sind der Professionalisierung und der Evaluation gewidmet. Im Rahmen der Professionalisierung geht es insbesondere darum andere Lernkulturen, unterschiedliches Verständnis von Autorität oder anderen Gebrauch von Interaktionen als im heimischen Bildungssystem zu respektieren. Adäquate Methoden, speziell für den Umgang mit Heterogenität, mit Zweitsprachenerwerb und Analphabetismus sowie mit den jeweiligen psycho-sozialen Bedingungen werden vorgestellt.
Evaluation spielt eine besondere Rolle, da sich Bildungsangebote für Menschen mit Flüchtlingshintergrund in einem Bereich komplexer und divergierender Interessen befinden. Begleitende und abschließende Bewertung von Bildungsmaßnahmen können helfen Klarheit zu schaffen und die weitere Kommunikation sowie die konzeptionelle Vorgangsweise unterstützen.
Das für die Erwachsenenbildung in Deutschland verfasste Buch ist sicherlich auch für die österreichische Bildungslandschaft von großem Interesse. AdressatInnen sind in erster Linie AktivistenInnen, die einschlägige Programme, Maßnahmen und Angebote konzipieren und durchführen. Ebenso spricht das Buch BeraterInnen in diversen sozialen Einrichtungen an. Sicherlich ist es auch für politisch und professionell Verantwortliche sowie für ehrenamtlich Tätige von hohem Informationswert.
Die Publikation beeindruckt mit ihrer übersichtlichen Struktur und ihrer klaren Sprache. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Bildungsarbeit werden praxisorientiert vermittelt. Das Buch empfiehlt sich auch aufgrund seiner durchgängigen pädagogischen Haltung, Menschen mit Fluchterfahrung nicht als Opfer oder Defizittragende, sondern als vollwertige Erwachsene wahrzunehmen. //
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