Es gibt sie und es geht!
Wissenschaftliche Weiterbildung für Menschen im höheren Lebensalter: Weiterbildungsmotivation und Lernbiographien für geänderte berufliche Kontexte

Hintergrund

In diesem Beitrag werden personale Merkmale und die Weiterbildungsmotivation älterer Studierender (über 50 Jahre) in den Fokus genommen, die an einem wissenschaftlichen Weiterbildungsprogramm an der Donau-Universität Krems in Österreich teilnehmen. Da der demographische Wandel nicht nur für die Europäische Union, sondern weltweit zunehmend zu einer Herausforderung geworden ist, stellt sich die Frage von beruflicher Um- oder Neuorientierung auch im späteren Lebensalter. Im Jahr 2018 waren 19,7 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahre alt und dieser Prozentsatz wird 2050 auf voraussichtlich 28,5 Prozent anwachsen. (EU Eurostat: 2019a). Die Zunahme des älteren Bevölkerungsanteils stellt die Sektoren Gesundheit, Sozialwirtschaft und alle Politikbereiche vor vielfältige Herausforderungen und unter Handlungszwang. Zusätzlich zur erhöhten Lebenserwartung müssen die Länder eine geänderte Arbeits- und Lebenswelt durch die sogenannten IKT-Technologien bewältigen. Innerhalb der EU hat sich deshalb ein großer Qualifizierungs- und Umschulungsdiskurs entwickelt, der auf einen verbesserten Zugang zum Arbeitsmarkt und eine Verringerung des Missverhältnisses zwischen Qualifikationen und geforderten Kompetenzen abzielt, dabei werden insbesondere ältere ArbeitnehmerInnen als eine der Zielgruppen angeführt, die in zukünftige Lernaktivitäten einbezogen werden müssten. Dafür spricht, dass „mit steigendem durchschnittlichen Rentenalter das Alter, in dem es vorteilhaft ist, eine neue Qualifikation zu erwerben, zunehmen kann.“ (Future of skills and lifelong learning: 2017, 25).

In dieser Entwicklung kommt das europäische Lifelong Learning ins Spiel. Immer mehr Forschung und Erkenntnisse belegen, dass lebensbegleitendes Lernen einen der wichtigsten Faktoren bildet, um die Lebensqualität und das Wohlbefinden von Erwachsenen mittleren Alters und älteren Erwachsenen zu verbessern, da es soziale Netzwerke und soziale Unterstützung zu stärken, den sozialen Zusammenhalt positiv zu beeinflussen und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern in der Lage ist. (Schmidt-Hertha, Krasovec & Formosa: 2014, 1). Die Abhängigkeit von staatlich finanzierten Sozial- und Gesundheitsdiensten können sogar verringert werden (Merriam & Kee, 2013). Darüber hinaus gibt es zahlreiche Belege für die positiven Auswirkungen des Lernens auch in einem späteren Alter, insbesondere im Hinblick auf ein verbessertes geistiges und körperliches Wohlbefinden. (Formosa: 2012; Lutz & Kebede: 2018; Åberg: 2016; Hammond: 2004; Jenkins: 2011; Jenkins & Mostafa: 2015; Matyas, Keser & Aschenberger et al.: 2019).

Trotz dieser „Benefits von Weiterbildung“ für ältere Menschen erscheint die allgemeine Teilnahmequote an Lernaktivitäten in einem späteren Alter nicht gerade hoch. Die EU-weite Erwerbsquote – gemäß Labour Force Survey – im Jahr 2018 zeigt, dass 6,4 Prozent der Bevölkerung im Alter von 55 bis 64 Jahren und nur 3,1 Prozent der Bevölkerung im Alter von 65 bis 74 Jahren an formeller und nicht formaler Bildung teilgenommen haben. Die Abbildung 1 zeigt einen vergleichenden Überblick über die Teilnahmequoten nach Altersgruppen in 28 EU-Ländern. Ein starker Rückgang ab 55 Jahre wird allerdings auch für skandinavische Länder deutlich, die generell bei Älteren eine höhere Teilnahmequote an Bildung und Weiterbildung aufweisen. Österreich liegt zwar über dem EU-Durchschnitt, die Beteiligungsquoten liegen jedoch immer noch hinter denjenigen skandinavischer Länder zurück. Im Jahr 2019 nahmen in Österreich 7,6 Prozent der 55- bis 64-Jährigen und 3,9 Prozent der 65- bis 74-Jährigen an Bildungsaktivitäten teil. (EU Eurostat: 2019b).

teilnahmemotive-nach-alter_w

Abbildung 1: Teilnahmequote an allgemeiner und beruflicher Weiterbildung (formale und nicht formale Bildungsaktivitäten) nach Alter in 2018 (aus: Eurostat: 2019a, 133)

Es gibt verschiedene institutionelle Weiterbildungsangebote für ältere Lernende. Diese werden üblicherweise in zwei Angebotsformen eingeteilt: berufliche und nicht-berufliche Lernmöglichkeiten.1 Nicht-berufliche Lernmöglichkeiten bieten demnach vor allem die Volkshochschulen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und öffentliche Bildungszentren an (in Österreich sind 2018 7,9 Prozent der VHS-Teilnehmenden über 70 Jahre alt, während 11,4 Prozent zwischen 60 und 70 Jahre alt und 14,7 Prozent zwischen 50 und 60 Jahre alt sind; weitere Details siehe KEBÖ-Statistik). Berufliche Lernmöglichkeiten finden sich an privaten Lerninstitutionen, WIFI, BFI, Kammern/Gewerkschaften, aber auch Volkshochschulen und Hochschulen. Die berufliche Weiterbildung hingegen kann, obwohl sie hauptsächlich auf berufliche Kompetenzen abzielt, sowohl berufliche als auch nicht-berufliche Lernprogramme abdecken und wird hauptsächlich an Hochschulen (Universitäten, Fachhochschulen, PHs) angeboten. Folgende Weiterbildungsformen werden an österreichischen Hochschulen angeboten: außerschulische Weiterbildungsprogramme (z. B. Kurse, Seminare, Workshops oder Vorlesungen), curriculare Weiterbildungsprogramme (Universitätskurse mit Master-Abschluss oder mit akademischem Titel oder ohne Abschlusstitel) sowie andere curricular aufgebaute Weiterbildungsformate (z. B. Zertifikats- oder Universitätskurse; vgl. Gornik: 2018). Die Abbildung 2 führt die Anzahl der Studierenden, die an Lernprogrammen österreichischer Hochschulen teilgenommen haben, auf. Ein stetiger Anstieg zeigt sich bei einer wachsenden Zahl älterer Lernender an den Universitäten.

anteil-senioren_w

Abbildung 2: Anteil ältere Lernende2 im sogenannten „Seniorenstudium“/Universität des 3. Lebensalters (Quelle: unidata.gv.at)

Bei wissenschaftlicher Weiterbildung handelt es sich um eine spezifische Form von Erwachsenen- bzw. Weiterbildung. In der IHS-Studie zur ersten Bestandsaufnahme „Wissenschaftliche Weiterbildung in Österreich“ (vgl. Kulhanek et al.: 2019, 5) bilden Weiterbildungsstudiengänge, welche mit mindestens 30 ECTS-Punkten ausgewiesen sind, die Grundgesamtheit. Diese Form von Weiterbildung kann je nach erreichten ECTS-Punkten und Abschlussarbeiten zu einem akademischen Grad oder akademischen Titel wie „Master“ oder einem Zertifikat wie „Akademischer Experte/-in“ führen. Wissenschaftliche Weiterbildung zielt darauf ab, Menschen mit forschungsbasiertem Fachwissen und Kompetenzen (NQR Kompetenzbereich 7) auszustatten, die für Berufsbereiche oder allgemein für den Arbeitsmarkt erforderlich sind.

Derzeit bieten fast alle Universitäten in den vier Hochschulsektoren Österreichs (d. h. Öffentliche Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen und private Hochschulen) wissenschaftliche Weiterbildungsprogramme an. Laut Kulhanek u.a. (2019) boten im Studienjahr 2017–2018 62 von 70 Hochschuleinrichtungen in Österreich 900 Weiterbildungsprogramme mit mindestens 30 ECTS-Punkten an. Fast 30.000 Studierende nahmen an diesen Programmen teil, und 13 Prozent aller Eingeschriebenen waren zum Zeitpunkt der Datenerfassung älter als 50 Jahre. Die Donau-Universität Krems weist dabei mit Abstand die meisten Teilnehmenden – mit fast 8000 – auf. Danach folgen die Universität Salzburg (mit 2000 Teilnehmern) und die Universität Wien (mit 1500 Teilnehmenden). Aktuell im Frühjahrssemester 2020 waren 18,5 Prozent der eingeschriebenen Studierenden (N=7952) an der Donau-Universität Krems über 50 Jahre alt.

Die Donau-Universität Krems ist mit ihrem Ausbaugrad als führende Universität für Weiterbildung in Europa in der Lage, Studiengänge in neun Studienbereichen anzubieten: Bauen & Umwelt, Bildung, Gesundheit & Medizin, Kunst & Kultur, Medien & Kommunikation, Migration & Internationales, Psychotherapie & Soziales, Recht & Verwaltung und Wirtschaft & Unternehmensführung. Der Vorzug einer Themenbreite von wissenschaftlicher Weiterbildung – wie sie wohl derzeit nur die Donau Universität betreiben kann –, ist, dass hier Neuorientierung erzielt werden kann, d.h. das Erlernen einer neuen Fachlichkeit und ein Wechseln in eine andere berufliche Domäne ist nicht ausgeschlossen. Die Universität setzt dafür ein Konzept zur Durchlässigkeit und Validierung nicht-formaler und informeller Qualifikationen für die Zulassung innerhalb des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) um. Die Einstufung in das Kompetenzniveau/-level 6 ermöglicht den Abschluss von Masterstudiengängen für sogenannte „nicht-traditionelle/nicht-akademische“ Studierende, die bisher keinen akademischen Abschluss und/oder eine Matura (Hochschulzugangsberechtigung) erworben haben. Das Durchschnittsalter der Studierenden liegt bei rund 40 Jahren, was mit keiner anderen Hochschule, einschließlich der Universitäten des dritten Alters, vergleichbar ist. In Zukunft, wo die Qualifizierung und Umschulung noch mehr im Mittelpunkt einer beruflichen Entwicklung stehen werden und sich ein Arbeitsleben voraussichtlich noch verlängern wird (WEF: 2017), scheint diese Universität empirisch prädestiniert zu sein, die Motive, Motivation und Bildungsbiographien dieser Studierendenavantgarde genauer zu analysieren.

Teilnahmemotive und Motivationen für das Lernen im späteren Alter

Trotz einer fundierten Forschungslage zur Beteiligung an Erwachsenenbildung, gibt es einen Mangel an Studien, die sich speziell mit den Teilnahmemotiven älterer Lernenden befassen. Schmidt-Hertha (2018) argumentiert, dass Lernaktivitäten im späteren Alter vor allem aus persönlichen Interessen und Herausforderungen aus unterschiedlichen Lebenskontexten wie Familie, ehrenamtliche Arbeit, Alterssicherung und Arbeit (ebda., 4) resultieren und unterscheidet drei Bereiche: Lebensweltbezug, Interessensbasierung und Arbeitsrelevanz. Jeder Bereich wiederum ist mit unterschiedlichen Motiven und Zielen verbunden. Eine Studie von Kim und Merriam (2010) identifizierte 24 Motivationsbereiche für ältere Lernende, an Lernaktivitäten teilzunehmen und subsumierte diese in vier Hauptkategorien: sozialer Kontakt, familiäres Miteinander, soziale Stimulation und kognitives Interesse. In ihrer Studie zeigten sie, dass kognitives Interesse (Freude am Lernen, Selbstentwicklung, persönliches Wachstum, etc.) der am häufigsten genannte Grund war (Kim & Merriam: 2010). Andere Studien von Villar und anderen (2010) und Dench und Regan (2000) lieferten ähnliche Ergebnisse, die die intrinsischen und hauptsächlich intellektuellen Gründe für die Teilnahme an Lernaktivitäten in einem späteren Alter unterstrichen. Darüber hinaus gibt es keine trennscharfen weiteren Motivationen, da sie mit anderen Gründen und Beweggründen gekoppelt erscheinen. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass die arbeitsbedingten Motive sehr gering ausgeprägt sind, aber es ist auch anzumerken, dass diese Studien die nicht-beruflichen Lernaktivitäten wie Universitäten im dritten Alter oder öffentlicher Weiterbildungszentren untersuchten. In einer AMS-Studie (Schmid & Kailer: 2008) wurden dagegen folgende Beweggründe in Bezug auf die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung bei Älteren ermittelt: Weiterentwicklung der betrieblichen Position, veraltete Kenntnisse, Sicherung der Beschäftigung, Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten, neue Tätigkeit im Betrieb, sonstige Motive, aber auch private Zwecke, wie „will/wollte Beruf wechseln“, „will/wollte Arbeitsplatz wechseln“. Die Abbildung 3 zeigt diese Beweggründe für die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung nach Altersgruppen. Für ältere Arbeitnehmer sind demnach die wichtigsten Gründe für die Teilnahme an der beruflichen Weiterbildung: Weiterentwicklung der betrieblichen Position, und veraltete Kenntnisse.

Die wissenschaftliche Weiterbildung wird dagegen als Forschungsbereich insgesamt und insbesondere im Bereich ältere Lernende vernachlässigt. Wie die oben aufgeführten Befunde zeigen, nimmt die Tendenz älterer Erwachsener, an einer wissenschaftlichen Weiterbildung teilzunehmen, allerdings zu. So zielt dieser Beitrag darauf ab, Merkmale und Motivationen älterer Studierender, die 50+ sind, in den Mittelpunkt zu stellen; und zwar diejenigen, welche an einem wissenschaftlichen Weiterbildungsprogramm teilnehmen, obwohl und während sie relativ kurz vor einer Pensionierung stehen. Es werden dafür Daten aus einer Studie über die Studierenden der Donau-Universität Krems im Jahr 2017 verwendet. (Vgl. Dornmayr u.a.: 2017).

teilnahmemotive-nach-alter_w

Abbildung 3: Motive für die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung (Kursen, Trainings usw.) nach Altersgruppen, Anteile in Prozent (Quelle: Schmid & Kailer: 2008, 63)

Donau-Universität Krems – Die Universität für Weiterbildung

Der Zulassungsprozess der Donau-Universität Krems basiert auf einem systematischen im Jahr 2015 auditierten Verfahren für die Validierung non-formal und informell erworbener Kompetenzen. Dieses „Allgemeine Assessmentverfahren“ (AAV) zur Zulassung zum Studium ist Bestandteil eines übergeordneten Qualitätssicherungsverfahrens. Der Zulassungsprozess wird durch Richtlinien, Anweisungen und Vorlagen für die Bewerberinnen und Bewerber unterstützt, um ihre bisherigen Erfahrungen und Kompetenzen im Bewerbungsportfolio aufnehmen zu können. Entsprechend sind Lehrgangsleitungen und Lehrkräfte durch Richtlinien für Tutorials, Interviewrichtlinien, Prozessanweisungen sowie Schulungen und Coaching für den durchzuführenden Bewertungsprozess professionalisiert (Humer, Keser Aschenberger & Hahn: 2019). Die Beurteilung, ob die im Lehrplan festgelegten Zulassungsvoraussetzungen erfüllt werden (auch als Einschreibeverfahren bezeichnet), ist Teil des allgemeinen Zulassungsverfahrens und weist zwei Ausdifferenzierungen auf:

a) AAV-A: Die Überprüfung der Eintrittskompetenzen für die Zulassung in CP, AE und Master (tertiärer Erst-Abschluss – d.h. für BewerberInnen mit bereits vorhandenem tertiärem Abschluss zumindest auf Bachelor-Niveau) basiert auf formalen Qualifikationen und Nachweisen, die von den Studierenden mit den Bewerbungsunterlagen (Bewerbungsportfolio) zu übermitteln sind. Diese Nachweise sind Zeugnisse aus formalen Bildungsabschlüssen (Studienberechtigung, z.B. Matura, Abitur, Fachausbildungen oder Hochschulabschluss lt. Verleihungsurkunde) sowie Nachweise der Berufstätigkeit (Dienstzeugnisse und/oder Versicherungsauszüge). Aufgrund dieser formalen Nachweise lässt sich feststellen, ob die Zulassungsvoraussetzungen des Curriculums erfüllt werden. Ein „Letter of Intent“ (Motivationsschreiben des Studierenden) und der CV sowie ein Aufnahmegespräch haben informellen, ergänzenden Charakter. Sollte sich dabei allerdings herausstellen, dass die Erwartungen und Ansprüche der Studierenden nicht mit den Lehrgangszielen und den angestrebten Lernergebnissen übereinstimmen, wird bereits vor der Zulassung zum Studium den Bewerberinnen und Bewerbern die Diskrepanz verdeutlicht und nach Alternativen im Studienangebot gesucht.

b) AAV-B: Master (gleichzuhaltende Qualifikation): Wenn Personen sich für die Zulassung in Master-Programme bewerben, die über keinen tertiären Erst-Abschluss zumindest auf Bachelor-Niveau verfügen, wird bei diesen Personen bei der Überprüfung der Eintrittskompetenzen beurteilt, ob sie Kompetenzen nachweisen können, die einem Bachelor-Niveau gleichzuhalten sind. Für diese Fälle wurde das universitätsweite „Allgemeine Assessmentverfahren“ (a) um Verfahrensschritte und erforderliche Nachweise erweitert, damit Bachelor-Kompetenzen (Deskriptoren gemäß EQR/NQR 6) sichtbar gemacht und beurteilbar werden. Dieses erweiterte „Allgemeine Assessmentverfahren“ wird als „Individuelle Zulassung aufgrund gleichzuhaltender Qualifikation“ bezeichnet. Der gesamte Studierendenakt (d.h. das Bewerbungsportfolio und die Stellungnahme der Lehrgangsleitung sowie ein Prüfvermerk des Studienservice-Zentrums über die formale Richtigkeit der vorgelegten Dokumente des/der Studierenden) wird entsprechend einem 4-Augenprinzip dem Vizerektorat Lehre/Wissenschaftliche Weiterbildung vorgelegt, dort erneut hinsichtlich des Vorliegens einer gleichzuhaltenden Qualifikation überprüft und über die Zulassung entschieden. (uni.ac.at/de/studium/studienorganisation/zulassung-zum-studium/assessmentverfahren-zur-ueberpruefung-der-eintrittskompetenzen.html).

Methodisches Vorgehen der Motivanalysen

Dieser Artikel basiert auf einem Methodenmix, wobei sowohl quantitative als auch qualitative Methoden zu Grunde liegen. Unter allen Bewerberinnen und Bewerbern der Donau-Universität Krems – im Zeitraum des Wintersemesters 2014 bis zum Sommersemester 2015 – wurde eine Zufallsstichprobe von 300 gezogen. In der Studierendendatenbank wurden anhand von festgelegten Kriterien Untergruppen gebildet und jede zehnte Bewerbung auf der Basis der Gesamtzahl der Untergruppen ausgewählt. Die Stichprobe bestand aus sechs Gruppen von 50 Personen, die nach Bewerbungen an die drei Fakultäten der Donau-Universität Krems – der Fakultät für Gesundheit und Medizin, der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung und der Fakultät für Bildung, Kunst und Architektur – und nach einer vorlaufenden akademischen oder nicht-akademischen Bildungskarriere differenziert wurden. Die Stichprobe beschränkt sich auf Bewerbungen für Master-Abschlüsse und auf den Zeitraum vom Wintersemester 2014 bis zum Sommersemester 2016. Für den Aufbau einer Excel-Datenbank wurden Standard-Bewerbungsunterlagen anonymisiert analysiert und codiert: der Lebenslauf im Europass-Standard, die Motivationsschreiben und die Arbeitszeugnisse, um Lern- und Bildungsbiografien nachzeichnen zu können. Unter diesen 300 Studierenden sind 36 Personen der Altersgruppe 50+ (9,7 Prozent der Stichprobe) zugehörig. Dieser Beitrag konzentriert sich auf diese 36 Studierenden und ihre Eigenschaften und Motive, ein wissenschaftliches Master-Studium aufzunehmen. Wir stellen dabei insbesondere diejenigen Studierenden, die keinen früheren akademischen Grad erworben haben, in den Vordergrund, um ihre – angesichts der Weiterbildungsbeteiligung dieser Gruppe – eher ungewöhnlichen bzw. unbekannten Lebenswege und Beweggründe für die Teilnahme an einem wissenschaftlichen Weiterbildungsprogramm in einem späteren Alter nachvollziehen zu können. Die Dokumentenanalysen der Motivationsschreiben ergaben siebzehn Motivationskategorien:

  • Steigerung des Einkommens
  • Prestigezuwachs
  • Wechsel des Arbeitgebers/Betriebes
  • Entwicklung eines zweiten Fachgebiets
  • Als Selbstständige/r tätig sein
  • Interdisziplinäres Verständnis
  • Beförderung bei der Arbeit
  • Wechsel des Arbeitsbereiches
  • Vernetzung
  • Kompetenzentwicklung in einem neuen Bereich
  • Horizont erweitern / neue Perspektiven gewinnen
  • Wissenschaftlicher / theoretischer Hintergrund
  • Verbesserung der Führungsqualitäten
  • Einen akademischen Abschluss machen
  • Praxisorientiertes Wissen und Können
  • Persönliche Entwicklung
  • Kompetenz im eigentlichen Beruf entwickeln
  • Anderes

Im Vergleich zu Schmid und Kailer (2008) ergeben sich hier zusätzliche mit wissenschaftlichen Motiven konnotierte Beweggründe. Es geht nicht „nur“ um Sicherung, Verbesserung und Weiterentwicklung, sondern auch um „neue“ (interdisziplinäre, selbstständige) Perspektiven und Horizonterweiterungen mit der Entwicklung eines zweiten Fachgebiets und der generellen Wertschätzung eines wissenschaftlichen und theoretischen Hintergrunds; aber auch deutlich nachvollziehbare extrinsische Motive wie „Steigerung des Einkommens“, „Beförderung“, „Vernetzung“ und „Prestigezuwachs“.

Die Stichprobe

In der Tabelle 1 sind die Merkmale und demografischen Merkmale der Hauptstichprobe und unserer Unterstichprobe, der über 50-Jährigen, aufgeführt. In der Abbildung 4 sind die Prozentsätze der Studierenden nach Alter und Bildungsstatus im Vergleich von Akademikern zu Nicht-Akademikern dargestellt, die zum Zeitpunkt der Bewerbung nach dem ersten Abschluss ermittelt wurden (diejenigen, die eine Matura-, Abitur- oder Berufsreifeprüfung haben, werden als „Akademiker“ identifiziert, andere, die aus der Lehre kommen oder keine Reifeprüfung haben, werden als „Nicht-Akademiker“ bezeichnet). Ältere Studierende (50+) machen fast zehn Prozent (n=36) der Gesamtstichprobe aus und die Mehrheit von ihnen hat einen nicht-akademischen Hintergrund. In unserer Stichprobe ist der älteste Studierende 65 Jahre alt und das Durchschnittsalter beträgt 54 Jahre.

altersverteilung-stichprobe_w

Abbildung 4: Altersverteilung der Stichprobe nach Bildungshintergrund (N = 300)

Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, bilden in unserer Stichprobe „über 50“-Männer die Mehrheit (n=22) und die Mehrheit spricht Deutsch als Muttersprache. Nur vier von ihnen sind arbeitslos. Kohärent zum Alter sind sie hoch bzw. lang berufserfahren, d.h. die durchschnittliche Berufserfahrung beträgt 27 Jahre.

Der Großteil unserer Stichprobe 50+ wurde an der Fakultät für Gesundheit und Medizin, sowohl für Studierende mit akademischem als auch mit nicht-akademischem Hintergrund erfasst. Für Studien in der Fakultät für Bildung, Kunst und Architektur interessierten sich nach der Fakultät für Medizin und Gesundheit vermehrt Bewerberinnen und Bewerber mit nicht-akademischem Hintergrund als in der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung.

Ergebnisse

Die deskriptiven Ergebnisse werden in zwei Hauptteilen vorgestellt und diskutiert. Zunächst werden die Motive für die Teilnahme an der wissenschaftlichen Weiterbildung anhand der Motivationsschreiben der Bewerberinnen und Bewerber für die Stichprobe 50+ präsentiert. Anschließend werden die Bildungswege zweier Bewerbungen exemplarisch nachgezeichnet und als Fallbeispiele diskutiert. Um einen Überblick zu erhalten, werden die am häufigsten angegebenen Motive nach Altersgruppen in der größeren Stichprobe untersucht (n=300). Die Ergebnisse dieser Analyse sind in Abbildung 5 dargestellt. Aus dieser Abbildung geht hervor, dass nach Alter Unterschiede in den Motiven zur Teilnahme an wissenschaftlicher Weiterbildung teilzunehmen, erkennbar sind.

motive-nach-alter_w

Abbildung 5: Motive nach Alter (n=300)

Für unsere Stichprobe haben wir die Motive nach ihrer Häufigkeit geordnet. Die Abbildung 6 zeigt die Motive in absteigender Reihenfolge der Häufigkeit und sind nach dem jeweiligen Bildungshintergrund der Studierenden ausgewiesen.

motive-fuer-teilnahme_w

Abbildung 6: Motive für die Teilnahme an wissenschaftlicher Weiterbildung „50+“ nach Bildungshintergrund (n= 36, 120 benannte Motive)

Die Hauptmotive für unsere älteren Studierenden waren die Entwicklung ihrer Kompetenzen in ihrem aktuellen Beruf, die persönliche Entwicklung, der Erwerb eines Abschlusses und die Verbesserung ihrer Führungsqualitäten. Eine Änderung des Arbeitsbereichs oder des Unternehmens, der Beförderung oder der Erhöhung des Einkommens waren dagegen keine Motive unserer Stichprobe, an wissenschaftlicher Weiterbildung teilzunehmen. Ein geringfügiger Unterschied zwischen Studierenden mit akademischem und Studierenden mit nicht-akademischem Hintergrund ist erkennbar, insbesondere in Bezug auf die Motive „Abschluss erwerben“, „Horizont erweitern/neue Perspektiven gewinnen“ und Verbesserung der Führungsqualitäten. Diese Motive werden von den nicht-akademischen Studenten vermehrt angegeben.

Individuelle Bildungs- und Erwerbsverläufe

Die Analyse der Lebensläufe und Motivationsschreiben ergab, dass es eine Vielzahl von Bildungs- und Berufswegen gibt, die nicht-akademische („nicht-traditionelle“3) Studierende dazu veranlassen, einen Abschluss in wissenschaftlicher Weiterbildung anzustreben. Die Rekonstruktion biografischer Karrieren ergab sowohl horizontale als auch vertikale Durchlässigkeiten in Bildungs- und Erwerbsverläufen.

bsp-bildungs-erwerbsverlauf_w

Abbildung 7: Beispiel für einen Bildungs- und Erwerbsverlauf eines Bewerbers: „Vom Bäckerlehrling zum Medizintechniker“

Horizontale Durchlässigkeit: Ein 57-jähriger Medizintechniker (Abb. 7) hat als Erstausbildung eine Ausbildung zum Bäcker absolviert, an die er zusätzlich eine zweite Ausbildung zum Kommunikationsmechaniker anschloss. Nach einer Zeit der Berufserfahrung absolvierte er eine Weiterbildung im Bereich Informationselektronik zum Techniker und gleichzeitig oder überlappend eine Weiterbildung zum staatlich geprüften Medizintechniker. In der anschließenden beruflichen Tätigkeit folgten vier weitere Ausbildungen im Gesundheitssektor und in der Erwachsenenbildung sowie ein Diplom in Wirtschaftspsychologie, von denen zwei nicht abgeschlossen wurden. Insgesamt verfügt der Bewerber über 29 Jahre Berufserfahrung und fünf Jahre Managementerfahrung. Seine derzeitige Position als Medizintechniker hat er mehr als zehn Jahre lang inne. Die Bewerbung an der Donau-Universität Krems betraf das Studium der Informationstechnologien im Gesundheitswesen (MSc). In seiner Bewerbung wurden seine nicht formalen und arbeitsbezogenen Lernergebnisse anerkannt, die ihn zu einem MSc-Abschluss ohne Matura und Bachelor-Abschluss führen werden.

Ein anderer Fall (vertikale Durchlässigkeit) spiegelt den Bildungsweg einer 52-jährigen Managerin in einer Pflegeeinrichtung wider. Sie verfügt über 26 Jahre Berufserfahrung und 18 Jahre Führungserfahrung (siehe Abbildung 8). Sie hat eine Ausbildung „Krankenpflege“ abgeschlossen, welche keine Matura voraussetzt. Während ihrer beruflichen Tätigkeit erweiterte sie ihre Fähigkeiten durch einige nicht-akademische Führungs- und Managementschulungsprogramme. Am Ende bewarb sie sich und nimmt am Masterstudiengang Gesundheitsmanagement an der Donau-Universität teil. Ihre Motivation, sich für das Masterstudium zu bewerben, war es, fachliche Kompetenz in ihrem Bereich zu entwickeln, sich zu vernetzen, eine Beförderung zu erhalten und einen akademischen Grad zu erwerben.

verlauf-ausbildungshintergrund_w

Abbildung 8: Beispiel für einen Bildungs- und Erwerbsverlauf einer Studentin mit Ausbildungshintergrund: „Von der Krankenschwester zur leitenden Position im Gesundheitsmanagement“

Fazit: Ältere Erwachsene in der und für die wissenschaftliche/-n Weiterbildung

Inwieweit sich Motive, eine (frühere) berufliche Tätigkeit aufzunehmen, ähneln oder vielmehr als Alternative zur bisher erreichten beruflichen Biographie erscheinen, ist interindividuell sehr unterschiedlich. (Bloemen et al.: 2016 zitiert in Schmidt-Hertha, 2018). Einige Parallelen wurden anhand von erfassten Motiven festgestellt, die sowohl in der AMS-Studie zu Motiven für die berufliche Weiterbildung (Kurse, Trainings usw.) nach Altersgruppen angegeben wurden: Ältere Teilnehmende interessieren sich mehr für eine Weiterentwicklung ihrer betrieblichen Position und der „Erneuerung/Auffrischung“ veralteter Kenntnisse. Mit Schmidt-Hertha (2018) argumentieren wir, dass das Alter zwar ein schwächerer Prädiktor für die Teilnahme an der beruflichen Weiterbildung nach dem Beschäftigungsstatus und dem bisher erreichten formalem Bildungsniveau bleibt, aber es gibt deutliche Ausnahmen, die uns der Datensatz aus der wissenschaftlichen Weiterbildung nun bietet: Es gibt Aufstiegs- und hohe Weiterbildungsaspiration auch bei „nicht-akademischen + 50jährigen“. Diese Fälle sind evident und es lohnt sich, angesichts des demografischen Wandels, an forschungsgeleiteten Weiterbildungsformaten festzuhalten und diese bekannter zu machen.

Eine höhere Affinität zur Weiterbildung/Erwachsenenbildung bei Personen mit Universitätsabschluss ist in allen Altersgruppen deutlich sichtbar, wie die Daten aus der EdAge-Studie ebenfalls belegen. (Tippelt et al.: 2009 zitiert in Schmidt-Hertha, 2018). Die Schaffung durchlässiger Systeme, die auch ältere Lernenden ohne akademischen Hintergrund befähigen, sich weiterzubilden, kann jedoch mittels Türen zur wissenschaftlichen Weiterbildung weit aufgestoßen werden, und ist unabhängig von deren persönlichen oder beruflichen Gründen – wie im Fall der Donau-Universität Krems – möglich.

Angesichts der anzugehenden großen fünf Herausforderungen – dem demografischen Wandel, der Digitalisierung, nachhaltigen Ökonomie, Wissensgesellschaft und sozialen Inklusion – wird die Teilnahme älterer Erwachsener an Weiterbildung auf allen Ebenen, d.h. in akademischen und nicht-akademischen Programmen zunehmen (müssen), was im Gegenzug besondere Maßnahmen und Curricula erfordert. (Vgl. Gornik et al.: 2018). Daher ist es äußerst wichtig, die Motive und Bedürfnisse älterer Lernender – bereits im Ruhestand oder noch in Beschäftigung – zu verstehen, sie sichtbar zu machen und sie durch die Bereitstellung von Weiterbildungsvarianten „abzuholen“. Letztendlich bilden sie nicht bloß eine problematische Gruppe für den Arbeitsmarkt, die neu ausgebildet oder weitergebildet werden muss, sondern es gibt unter ihnen – auch ohne akademische Vorbildung – „hochbegabte“ und „hochmotivierte“ Lernende, die hohe Lernleistungen zu erreichen in der Lage sind. Weiterbildung kann damit allgemein – als vom Lebensalter her unabhängige – strukturierte Lernaktivität definiert werden, welche in Programmen, die von formalen und nicht formalen Bildungseinrichtungen für Personen außerhalb des Schulpflichtalters angeboten werden, stattfindet. Diese Aktivitäten sollen dem Einzelnen helfen, Lernbedürfnisse und -interessen zu befriedigen, Wissen zu bereichern, Fähigkeiten und Fähigkeiten zu entwickeln und zu verbessern sowie Persönlichkeit, soziale Kompetenzen, Familien, Netzwerke, Gesundheit und Berufsleben zu fördern. Weiterbildung ist freiwillig und basiert auf Themen und Kursen, die nicht direkt mit einer spezifischen betrieblichen Position oder eines Trainings verbunden sind. (Kil & Thöne-Geyer: 2018 für das CoCoDe Protocol; Matjas et al.: 2019). Alle Bestrebungen und Wünsche nach Weiterbildung, wissenschaftlicher Weiterbildung und Weiter-Lernen sollten sowohl unabhängig vom Alter als auch im höheren Lebensalter aktiv berücksichtigt und unterstützt werden. //

1   In der Benefitforschung zeigt sich diese Dichotomie jedoch als irreführend, denn auch freizeitbezogene und gesundheitsbezogene Weiterbildung im Alter kann für den jeweiligen Teilnehmenden durchaus berufliche bzw. erwerbsbezogene Benefits zur Folge haben. (Vgl. Kil: 2020).

2    Senioren sind dort für Frauen mit 55+ Jahren und Männer mit 60+ Jahren definiert.

3   Zum Begriff „nicht-traditionelle“ und zur Datenlage „Studieren ohne Matura/Abitur“ siehe: Kil (2016).

Keser Aschenberger, Filiz/ Monika Kil/Löffler, Roland (2020): Es gibt sie und es geht! Wissenschaftliche Weiterbildung für Menschen im höheren Lebensalter: Weiterbildungsmotivation und Lernbiographien für geänderte berufliche Kontexte. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst/Winter 2020, Heft 271/71. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

Kommentare

Neuen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Zurück nach oben