Umweltfragen und Klimaschutz – Themen der steirischen Erwachsenenbildung?
Schon in den 1970er-Jahren entstand ein immer größer werdendes Wissen zu Umweltfragen. In den 1990er-Jahren bildete sich ein tieferes Verständnis für die Bedeutung von Treibhausgasen für die Klimaerwärmung. Parallel dazu wurden diese Erkenntnisse auch in Bildungsaktivitäten in der Schul- und in der Erwachsenenbildung aufgenommen. Vorträge über Entstehung von Smog oder die Wirkung von zu hoher Ozonbelastung wurden von vielen Interessierten aus allen Bildungs- und Altersschichten besucht. So gab es z. B. in der Österreichischen Urania für Steiermark – kurz: Urania – von 1994 bis 2002 den Lehrgang universitären Charakters für Ökologie und Umweltschutz unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.-Prof. Dr. Franz Wolkinger und Dr. Wilhelm Richard Baier. In der allgemeinen Erwachsenenbildung verlor sich dieses breite Interesse jedoch in den frühen 2000er-Jahren und spielt bis heute eine untergeordnete Rolle.
Die Klimaschutzkoordination des Landes Steiermark lancierte ab 2016 als Umsetzungsprojekt zur „Klima- und Energiestrategie 2030“ die Initiative „Klimaschutz in der Erwachsenenbildung“. Eine von „ecoversum 2017 – Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften“ durchgeführte Erhebung in der Steiermark ergab, dass in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung Klimaschutz noch wenig sichtbar war – nur zwei Prozent der Bildungsangebote behandelten das Thema und nur knapp fünf Prozent der Bildungsstandorte hatten ein Umweltzertifikat.
Aus- und Weiterbildung als Schlüsselprozess
Ziel der Initiative „Klimaschutz in der Erwachsenenbildung“ war und ist es, in der Erwachsenenbildung Angebote und Aktivitäten zum Klimaschutz zu erhöhen und möglichst viele Einrichtungen als strategische PartnerInnen an der Erfüllung der Klimaschutzziele des Landes zu gewinnen. Die Zielgruppe der Initiative ist sehr breit definiert, um möglichst viele systematisierte Lernaktivitäten für Erwachsene nach Ende der Schulbildung zu berücksichtigen. Angesprochen sind sowohl Erwachsenenbildungseinrichtungen als auch Vereine, Initiativen oder Betriebe mit Aus- und Weiterbildungsprogrammen. Konzeption und operative Durchführungen dazu wurden ausgeschrieben, den Auftrag erhielt ecoversum, eine Beratungs- und Schulungsorganisation mit Sitz in Graz und in Lebring.
An jedem Bildungsstandort wird mit externer Fach- und Prozessbegleitung von ecoversum ein Klimacheck durchgeführt. Unter Einbindung aller MitarbeiterInnen werden die klimarelevanten Handlungsfelder (z. B. Gebäude, Büro- und Seminarartikel, Verpflegung, Mobilität, Reinigung) bearbeitet und Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt; als Fach- und Querschnittsthema wird Klimaschutz in Bildungsaktivitäten eingebracht. Zudem gibt es seit 2021 auch ein Pilotprojekt „Klimacheck für Trainer:innen“, das gemeinsam mit hochschulberatung.at, einem Beratungsnetzwerk für Wissenschaft und Bildung, durchgeführt wird. Freie TrainerInnen aus unterschiedlichsten Disziplinen bauen individuelle Klimaschutzkompetenz auf, um als MultiplikatorInnen für Klimaschutzbildung bei ihren KundInnen und PartnerInnen zu wirken.
Beispiel Österreichischen Urania für Steiermark
Die Urania ist eine Einrichtung der allgemeinen Erwachsenenbildung mit Sitz in Graz und Außenstellen in Knittelfeld, Weiz und seit Sommer 2021 auch in Bad Radkersburg. Die Stammbelegschaft ist mit 15 MitarbeiterInnen relativ klein, darüber hinaus unterrichten rund 300 externe ReferentInnen in den unterschiedlichen Bildungsformaten. Traditionell hält sie engen Kontakt zu den steirischen Universitäten, Museen und Kultureinrichtungen. Die Urania widmet sich seit ihrer Gründung 1919 der allgemeinen Erwachsenenbildung, um Menschen durch besseren Wissenstand und den Zugang zu gesicherter Information mündiger zu machen. Dies trifft auch und ganz besonders auf marginalisierte junge Menschen zu, die Basisbildungs- oder Pflichtschulabschlusskurse absolvieren.
Gemäß ihrem Leitbild ist die Urania – durchaus im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen – unter anderem:
- einem humanistischen Menschenbild,
- den Werten der Demokratie und Aufklärung,
- der Geschlechtergerechtigkeit und
- dem Respekt gegenüber unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen, Kulturen und Religionen
verpflichtet.
Im Rahmen der oben genannten Initiative Klimaschutz in der Erwachsenenbildung wurde an früheren Kooperationen angedockt und das bestehende Umweltwissen und -bewusstsein der MitarbeiterInnen genutzt. Im Jahr 2018 gab es zum Thema im Kursprogramm einen dreiteiligen Arbeitskreis „Alltagsfragen zum Umwelt- und Klimaschutz“. Außerdem wurde der Einkauf nachhaltig gestaltet (z. B. Kopierpapier und andere Büromaterialien, biologisch abbaubare Trinkbecher bei den leitungsgebundenen Wasserspendern und den Kaffeeautomaten, umweltverträglichere Putzmittel), die Müllvermeidung und -trennung forciert und die Energiebilanz analysiert und verbessert. Umweltfragen sind entscheidend bei Fragen der Ausgestaltung und Neueinrichtung von Kursräumen. Dienstreisen werden, wo immer möglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln unternommen. Am Standort Burggasse 4 in Graz verfügt die Urania über einen versperrbaren Fahrradkeller; MitarbeiterInnenparkplätze werden als nicht notwendig erachtet. Oftmals kann eine offizielle Benennung Signal für die Öffentlichkeit sein: auf Betreiben eines Mitarbeiters der Urania heißt die nächstliegende Bushaltestelle seit einigen Jahren „Palais Trauttmansdorf/Urania“.
Verknüpfung von Klimaschutz und politischer (Erwachsenen-)Bildung
Mit dem Jahresschwerpunkt 2020/21 „Klimaschutz“ gab die Urania – als lernende Institution – ihrem Leitbild neue Inhalte:
Dieser Bildungsschwerpunkt soll wissenschaftlich gesichertes Wissen zu den Themen Umweltschutz, Klimawandel und Artensterben neutral und auf akademischem Niveau mit Handlungswissen, also Wissen über prozedurale Vorgänge, verknüpfen. Auf der Ebene der TeilnehmerInnen hat sich die Urania zum Ziel gesetzt, ethische Grundlagen und gängige Argumentationslinien für den Umweltschutz zur Dissemination im persönlichen Umfeld (z. B. Familie, Arbeitsplatz, Nachbarschaft) – auch im Sinne von Community Education – zu erarbeiten.
Ein breites Spektrum von Arbeitskreisen, Vorträgen, Seminaren, Kursen und Exkursionen
Im Rahmen des Arbeitskreises „Freitage für die Zukunft/Die Erde im KLIMAkterium“ bespricht seit Anfang 2020 Mag. Harald Schimek im Monatsrhythmus, jeweils am letzten Freitag, Themen wie Fleischkonsum, Müll, Wohlstand und Wachstum. Hauptzielrichtung des Arbeitskreises ist persönliche Erkenntnis darüber, was im Zusammenhang mit dem Klimawandel jede einzelne Person tun kann bzw. tun muss.
Die Vortragsreihen „Artensterben – einst und heute“ im Frühjahr 2021 (wissenschaftliche Leitung: Dr. Ingomar Fritz, Chefkurator für Geologie & Paläontologie am Naturkundemuseum des Universalmuseums Joanneum, Graz) und „Die Klimageschichte der Erde“ im Herbst 2021 (Ao. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Hubmann, Paläontologe am Institut für Erdwissenschaften der Universität Graz) setzten den Ist-Zustand von Biodiversität und Weltklima in den Kontext einer erdgeschichtlichen Perspektive, um davon ausgehend künftige Klimaszenarien zur Diskussion zu bringen. Im Zentrum stand die Erkenntnis, welche globalen und ökologischen Auswirkungen Artensterben und Klimawandel im Verlauf der Erdgeschichte hatte bzw. im Anthropozän haben wird.
Der Arbeitskreis Umweltethik unter der Leitung Univ.-Prof. Dr. Leopold Neuhold, Institut für Ethik und Gesellschaftslehre, Universität Graz, wird ab Anfang 2022 das Thema Klimawandel und Umweltschutz in einen Gesamtzusammenhang von Wertewandel, Jugendsoziologie, moderne Gesellschaft, Friedensethik und die Soziallehre der wichtigsten politischen Wertegemeinschaften bzw. der großen Kirchen stellen. Soziale Zusammenhänge werden empirisch untersucht und ethisch reflektiert, sodass daraus praktische Konsequenzen abgeleitet werden können.
Naturwissenschaftliche Exkursionen und Führungen – fachlich begleitete Wanderungen und Ausgänge in Natur- und Kulturlandschaften rund um Graz, z. B. Besuch des Europaschutzgebietes Grazer Flaumeichenwald im Mai 2021 oder Pilzlehrwanderung im September 2021 – vermitteln einen praktisch-aktiven Zugang zu Erleben von Natur in ihrem jahreszeitlichen und klimatisch bedingten Wandel.
Ökologische Lernraumgestaltung und ein verantwortungsvoller und nachhaltiger Kursbetrieb bilden die Basis für weitere Handlungsschritte. So versucht die Urania, Klima- und Umweltschutz auch in Kursen der Basisbildung und in Pflichtschulabschlusskursen laufend zu thematisieren.
Klima- und Umweltschutz als Querschnittsaufgabe in der Erwachsenenbildung
Wie die Urania im Jahr 2018 beteiligen sich bisher 36 Institutionen als „Ich tu´s Bildungspartner“ in der Erwachsenenbildung. Insgesamt erreichen diese Einrichtungen jährlich weit über 200.000 TeilnehmerInnen, MitarbeiterInnen und KundInnen mit ihren Klimaschutz-Aktivitäten. 30 der 36 Einrichtungen wurden als zertifizierte BildungspartnerInnen bei Klimaschutzgalen des Landes Steiermark ausgezeichnet und werden auf der „Ich tu’s“-Website (https://www.ich-tus.steiermark.at/cms/beitrag/12649789/143455320/) präsentiert.
Mit institutionenübergreifenden Netzwerkaktivitäten wird versucht, das Thema Klimaschutzbildung für Erwachsenen entsprechend der Brisanz des Themas weiterzutreiben. So wurde im Online-Portal „erwachsenenbildung.at“ die Artikelserie „Klima- und Umweltschutzbildung“ etabliert, um Best-Practice-Beispiele zu publizieren. Themenspezifische Netzwerktreffen und Online-Bildungsformate werden angeboten.
Klimaschutz erfordert das Mittun jedes und jeder Einzelnen. Die Erwachsenenbildung hat dafür eine Schlüsselrolle.
Mit dem Klimacheck wird gezeigt, dass an einem klimafitten Standort, an dem alle MitarbeiterInnen involviert sind, kreative Ideen und neue Impulse für das Bildungsangebot – getreu dem Motto der „Ich tu´s“-Initiative: Wissen – Verstehen – Handeln! //
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