Gerd Valchars/Rainer Bauböck: Migration und Staatsbürgerschaft.

Gerd Valchars/Rainer Bauböck: Migration und Staatsbürgerschaft.
Wien: Verlag der österreichischen Akademie der Wissenschaft 2021, 247 Seiten

Zugang zur Staatsbürgerschaft beruht für die meisten Menschen auf Abstammung und auf dem Land ihrer Geburt. Neue Einbürgerung ist aber kein Endpunkt von Zuwanderung und Integration. Das geben schon im ersten Kapitel ihres Buches die Politikwissenschafter und Migrationsforscher Gerd Valchars und Rainer Bauböck zu bedenken. 

Staatsbürgerschaft hat für sie nicht nur internationale Bedeutung – Bewegungsfreiheit, Kontrolle grenzüberschreitender Migration, allgemeines Menschenrecht –, sondern auch demokratischen Wert. Sie legitimiert zur Beteiligung an Wahlen und zur Teilhabe am Gemeinwesen.

Das zweite Kapitel schildert, wie man ÖsterreicherIn wird. Überraschend viele Formen bieten sich an, erläutern die Autoren: zum Beispiel Einbürgerung von niedergelassenen MigrantInnen, von Menschen, die in einem anderen Territorium leben oder Erwerb bei Geburt. Vorgestellt werden das Abstammungs- und das Territorialprinzip. Ersteres bezieht sich auf die von Eltern auf ihre Kinder übertragene Staatsbürgerschaft. Zweiteres ist mit dem meist längeren Aufenthalt einer Person in einem Land verbunden. Die jeweiligen, auch in Gesetzen festgelegten Formen werden in ihrem historischen Rahmen dargestellt und mit der historischen Entwicklung moderner Staaten verbunden. Weiters bietet dieses Kapitel Einblick, wie die österreichische Staatsbürgerschaft erworben wird, und fasst die Bedingungen übersichtlich zusammen. Auf die in den letzten Jahren gesunkene Einbürgerungsrate bei steigender Zuwanderung wird hingewiesen.

Aufgrund ihrer Analysen urteilen die Autoren (S. 85): „Österreich ist ein Einwanderungsland, das ImmigrantInnen nicht als zukünftige BürgerInnen empfängt.“ Im Unterschied zu anderen europäischen Demokratien blockieren in Österreich die Hürden, die Staatsbürgerschaft zu erhalten, auch politische Integration und rechtliche Gleichstellung dieser Personengruppe. Gründe dafür erkennen die beiden Autoren in historischen, innenpolitischen Konstellationen, die sich erst in jüngster Vergangenheit zu verändern scheinen. Konkrete Vorschläge, wie Einbürgerung zu erleichtern ist, stehen am Ende des Kapitels. Die Autoren argumentieren dafür, die Einbürgerung aufzuwerten. Dies sei auch als Signal an die Bevölkerung zu verstehen, MigrantInnen als künftige BürgerInnen in Österreich zu betrachten.

Weitere Kapitel setzen sich mit dem Verlust von Staatsbürgerschaft, mit dem Thema der mehrfachen Staatsbürgerschaft und mit der Entkoppelung von Staatsbürgerschaft, Wohnsitz und Wahlrecht auseinander. Auch diese Abschnitte zeichnen sich jeweils dadurch aus, dass die aktuelle gesellschaftspolitische Debatte angesprochen wird und mögliche Reformen zur Diskussion gestellt werden. Angesichts eines wachsenden Demokratiedefizits verstehen die Autoren deshalb das Wahlrecht als Mittel demokratischer Inklusion für die stark wachsende Zahl nach Österreich zuwandernder Personen. Um dies zu realisieren, sei aber der leichtere Zugang zur Staatsbürgerschaft zu priorisieren.

Resümierend schlagen die Autoren im letzten Kapitel „Staatsbürgerschaft und Wahlrecht für MigrantInnen im internationalen Vergleich“ vor, von einer „österreichischen Migrationsgesellschaft“ zu reden, in der Zu- und Abwandern aber eben auch Mobilität bestimmend sind. Als Bedingungen für einen demokratischen Integrationsprozess bezeichnen die Autoren den Zugang zu Staatsbürgerschaft und Wahlrecht. Für die Autoren geht es letztlich nicht nur um Integration, sondern um „Demokratiequalität“. Den Wandel zur Migrationsgesellschaft zu unterstützen heißt auch, Menschen mit unterschiedlichen Identitäten, Interessen und Weltanschauungen eine gleichberechtigte politische Teilhabe zu ermöglichen.

Das Buch ist ein Plädoyer dafür, Demokratieprozesse in Österreich zu fördern. Staatsbürgerschaft und Wahlrecht, Einbürgerung und soziale Integration sind zentrale Themen, an denen die Autoren den Wandel zur „Migrationsgesellschaft“ aufklärend und informativ diskutieren.

Didaktisch übersichtlich aufgebaut ist das Buch in politischer Bildung einsetzbar. Unaufdringlich liefert es informatives Material und bezieht Position in aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussionen zugunsten demokratischer Verhältnisse. //

Lenz, Werner (2021): Gerd Valchars/Rainer Bauböck: Migration und Staatsbürgerschaft. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Winter 2021, Heft 275/72. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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