Bereits 2009 veröffentlichten Cedefop und die Europäische Kommission die „Europäischen Leitlinien für die Validierung nicht- formalen und informellen Lernens“. Seither kam es in den Mitgliedsländern zur Entwicklung zahlreicher Validierungsprojekte und -verfahren, die teilweise Eingang in nationale Bildungssysteme fanden. Zugang, Intensität und Ausprägung variieren dabei stark. Eine Übersicht zum aktuellen Entwicklungsstand der Validierung in den einzelnen Ländern erstellt das „European Inventory on Validation of non-formal und informal learning“ seit 2004 in regelmäßigen Abständen.
Ratsempfehlung von 2012
2012 verabschiedete der Rat der EU die „Empfehlung zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens“ und fordert darin die Mitgliedstaaten auf, bis 2018 nationale Validierungsstrategien zu entwickeln. Neben vielen anderen Staaten beschäftigt sich auch Österreich derzeit mit einer solchen Strategie. Dies erfolgt in enger Abstimmung mit der Entwicklung eines Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) und der Umsetzung einer Strategie für lebensbegleitendes Lernen in Österreich (LLL:2020). Ein entsprechendes österreichisches Konsultationsdokument wurde im Juni 2015 vom Bundesministerium für Bildung und Frauen veröffentlicht.
Europäische Leitlinien „neu“
Ende 2015 wurde eine überarbeitete Version der Leitlinien publiziert. Das Dokument trägt aktuellen Entwicklungen Rechnung und nimmt Bezug auf die Ratsempfehlung und auf das europäische Inventory. Es richtet sich an politische EntscheidungsträgerInnen und Fachleute aus der Praxis, die für die Initiierung, Entwicklung, Implementierung und Durchführung von Validierung verantwortlich sind.
Vier Phasen des Validierungsprozesses
Die Leitlinien beschreiben die vier Phasen eines Validierungsverfahrens:
Identifikation,
Dokumentation,
Assessment/Überprüfung,
Zertifizierung.
Die vier Phasen haben je nach Schwerpunkt des Verfahrens unterschiedliche Wertigkeit. Bei formativen Verfahren (entwicklungsorientierter Ansatz) liegt der Schwerpunkt auf der Identifikation und Dokumentation erworbener Kompetenzen. Zum Einsatz kommt oft ein Mix aus Methoden wie Selbstevaluation, Fremdeinschätzung, Interviews, Gruppenarbeiten usw. Ziel formativer Kompetenzverfahren ist vor allem das Bewusstmachen von Stärken und das Aufzeigen von Handlungsoptionen wie z.B. mögliche Karrierewege.
Bei summativen Verfahren (anforderungsorientierter Ansatz) liegt der Fokus auf der Überprüfung und Zertifizierung von Kompetenzen. Diese werden dabei anhand vorab definierter Standards (eines Curriculums, eines Qualifikationsprofils oder Lehrplans) festgestellt und abgebildet. Primäres Ziel ist ein Nachweis für den Arbeitsmarkt oder für weiterführende Bildungsgänge, der transparent macht, was eine Person kann. Methoden zur Feststellung und Überprüfung der Kompetenzen können Assessments, Tests, schriftliche Arbeiten, Portfolioarbeit oder Beobachtung etc. sein.
Die neuen Leitlinien betonen die zentrale Rolle des Individuums. Validierung soll Empowerment ermöglichen, idealerweise auf Freiwilligkeit basieren und den KandidatInnen ein eigenständiges Durchlaufen des Prozesses ermöglichen. Transparenz in Bezug auf Abläufe, Anforderungen, Kosten und Nutzen sind dabei wesentlich. Vertraulichkeit und Fairness sind zu gewährleisten und die Privatsphäre des Individuums ist zu schützen und zu respektieren.
Beratung und Begleitung durch den Anerkennungsprozess
Analog zu der Ratsempfehlung und basierend auf Studien und Erfahrungen wird die zentrale Bedeutung von Beratung und Begleitung betont. Sie soll im Vorfeld möglichst allen Interessierten zur Verfügung stehen und über Abläufe, Nachweisformen, Kosten und Anforderungen informieren und damit eine Entscheidungshilfe bieten. Kompetentes Personal leitet die KandidatInnen an, gibt Hilfestellung hinsichtlich zulässiger Nachweisarten und trägt durch seine Begleitungs- und Beratungstätigkeit maßgeblich zum Erfolg des Validierungsprozesses bei.
Kompetenz des Validierungspersonals
Die neuen Leitlinien betonen die Bedeutung der Arbeit der Validierungsfachkräfte für die Qualität und das Vertrauen in die Ergebnisse des Prozesses. Hierzu gehören Personen, die Information, Beratung und Orientierung anbieten, Personen, die Bewertungen durchführen, externe Beobachter des Prozesses und ProzessmanagerInnen.
Sowohl BeraterInnen als auch AssessorInnen sollen Validierungskompetenz, Fachkundigkeit, Soft Skills und interkulturelle Kompetenz mitbringen. AssessorInnen sollten darüber hinaus mit den KandidatInnen in keiner Weise außerhalb des Validierungsprozesses Verbindung haben.
Die Weiterbildung von Validierungspersonal wird als wesentlicher Qualitätsaspekt geschildert.
Einbinden der Stakeholder
Die Einbindung relevanter Stakeholder ist eine weitere wichtige Voraussetzung für Gelingen und Akzeptanz (Ministerien, Sozialpartner, Arbeitsmarktservice, Anbieter der Erwachsenenbildung, Unternehmen, Jugendorganisationen, zivilgesellschaftliche Organisationen usw.). Validierung funktioniert im Bildungsbereich anders als in einem Unternehmen oder in der Freiwilligenarbeit, weshalb es der jeweils zuständigen Stakeholder bedarf.
Verbindung zum Nationalen Qualifikationsrahmen und zur Lernergebnisorientierung
Die Entwicklung Nationaler Qualifikationsrahmen und Validierungsverfahren stehen in einem engen Zusammenhang. Beide dienen einem gemeinsamen Ziel: Lernergebnisse transparent und vergleichbar zu machen, egal auf welchem Wege oder in welchem Setting sie erworben wurden – der NQR für Qualifikationen, die Validierung für Kompetenzen von Individuen. Übergeordnete Ziele sind einerseits die Transparenz der Bildungssysteme und andererseits die Förderung von geographischer und sozialer Mobilität. Die Vision lautet, dass langfristig alle Qualifikationen, die im NQR abgebildet werden, auch auf dem Wege der Validierung erworben werden können, womit eine stärkere Durchlässigkeit des Bildungssystems erreicht würde. Bindeglied zwischen NQR und Validierung sind Lernergebnisorientierung, Europäische Grundsätze und Freiwilligkeit.
Qualitätssicherung
Besonderes Augenmerk bei Validierungsverfahren ist auf Qualitätssicherung zu legen. Ihr kommt eine Schlüsselrolle zu, um Vertrauen herzustellen und Validierung jene Glaubwürdigkeit zu geben, die auch formalen Abschlüssen gemeinhin zugesprochen wird. Voraussetzung ist eine transparente Qualitätsstrategie sowie eine systematische Erfassung und Bearbeitung des KundInnenfeedbacks.
Methoden und Instrumente
Die neuen Leitlinien unterscheiden zwischen Methoden und Instrumenten zur Messung, Feststellung und Überprüfung von Kompetenzen (Tests, Prüfungen, Selbstbeschreibungen, Beobachtung, Assessments und Interviews) und solchen zur Identifizierung und Dokumentation (Portfolios, Lebenslauf, Fremdeinschätzung). Die verwendeten Methoden beeinflussen die Qualität des gesamten Verfahrens und müssen daher angemessen und dem Zweck entsprechend angewendet werden.
Objektivität, Validität, Reliabilität und Transparenz, Vertrauen und Nachhaltigkeit sind grundlegende Qualitätskriterien, die bei allen Methoden in Betracht zu ziehen sind.
Fazit
Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen werden nicht nur in formalen Bildungssystemen erworben, sondern auch durch Weiterbildung, im Beruf oder durch andere Aktivitäten des Lebens permanent vertieft und weiterentwickelt. Diese nicht formal und informell erworbenen Kompetenzen sind bislang nur marginal sichtbar und folglich für den Arbeitsmarkt oder die Weiterbildung kaum nutzbar. Verfahren zur Sichtbarmachung und Anerkennung nicht formal und informell erworbener Kompetenzen sind daher aus wirtschaftlicher, individueller und auch gesellschaftlicher Sicht sinn- und wertvoll und daher voranzutreiben. Aktuelle nationale Entwicklungen wie die Implementierung des NQR oder einer Validierungsstrategie sind sehr zu begrüßen und können zu einem stärkeren Bewusstsein für diese Thematik in der Gesellschaft beitragen.
Die Leitlinien geben methodische und konzeptuelle Hilfestellung, worauf bei der Implementierung und Durchführung von Validierung zu achten ist, damit die Ergebnisse in Wertigkeit, Glaubwürdigkeit und Vertrauen der formalen Bildung um nichts nachstehen. //
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