Unverständlich ist es dem Autor, warum deutsche Universitäten, die ihm als Zentren des Wissens gelten, eine so geringe Rolle beim digitalen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft spielen. Hartmut Barthelmeß, er verfügt über Berufserfahrung in Wirtschaft und Universität, fragt sich, was die Anwendung von E-Learning im Bildungsbereich so umstritten sein lässt. Experimente mit technologischen Innovationen werden zugelassen, nachhaltige Veränderungen aber abgelehnt.
Mit seinem Buch will der Autor zeigen, wie E-Learning zur Digitalisierung des Bildungswesens führt. Er sieht die Chance, von der „Massenunterrichtung“ zur Förderung individueller Potenziale überzugehen. Als Innovation gilt ihm – über das individualisierte Lernen hinaus – die Möglichkeit, sich im größeren Ausmaß als bisher sozial zu vernetzen. Der Autor definiert, dass E-Learning das Management von Bildungsorganisationen betrifft, und dass es zur Optimierung des Wissensproduktionszyklus beitragen kann. In Letzterem ist Lehren und Lernen eingebettet.
Hartmut Barthelmeß plädiert für ein Gesamtkonzept der systematischen Erneuerung. Sein Ziel: Die individuellen Lernenden sollen von außen in ihren von Emotionen geprägten biologisch-neuronalen Lernprozessen technologisch unterstützt werden. Dafür bedarf es der Reform aller Komponenten von Bildungsorganisationen, der Bildungssequenzen, der Verwaltung sowie einer Digitalisierung von Wissensaufbereitung und -bereitstellung. Im Buch führt der Autor Argumente an, die für die Anwendung der E-Learning-Technologie sprechen. In den einzelnen Kapiteln geht es um die damit erreichbare „Emanzipation der Lernenden“ und um das „Wissen, das uns und die Welt verändert“. Weitere Kapitel behandeln das Verständnis von Lehren und Lernen als Kommunikationsprozesse, „Digitale Bildungsinfrastruktur“ und „Management von Bildungsorganisationen“.
Der Autor vertritt mit seinem Standpunkt wirtschaftliche Interessen – er fürchtet, ohne technologische Veränderungen im Bildungswesen um die Qualität des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Als intellektuelle Träger der Reform ruft er die Universitäten auf. Sie sollten die Führung, das Change-Management der Veränderungsprozesse übernehmen. Denn: “Universitäten sind genau für alles, was mit Wissen, Lehren und Lernen zu tun hat, kompetent und zuständig.“ (S. 135).
Allerdings schränkt Barthelmeß ein, dass die vielleicht früher bedeutsame Rolle von Universitäten als Zentren von Wissen, Kommunikation und Innovation heute – zumindest in der öffentlichen Diskussion – an Einfluss verloren hat. Etwas kontrastierend ist daran zu erinnern, dass Innovationen im Bildungswesen – seien es Inhalte oder Didaktik – nicht unerheblich im Weiterbildungsbereich entwickelt werden. Weiterbildung bietet ja an, was Erstausbildung nicht leistet und was erst aufgrund aktueller Bildungsbedürfnisse im Laufe des Lebens gebraucht wird.
Es geht aber nicht darum, einen Bildungssektor gegen den anderen auszuspielen. Im Sinne eines Konzeptes der lebensbegleitenden Bildung und einer vom Autor angesprochenen übergreifenden Bildungsgesamtstrategie ist die Kooperation der unterschiedlichen Bildungssektoren notwendig. Das Buch kann helfen, sich über die Erarbeitung und Umsetzung eines digitalisierten Bildungswesens zu verständigen und die damit einhergehenden Konsequenzen zu diskutieren. //
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