Wien digital
In seiner Keynote erklärte Klemens Himpele (Leiter der Gruppe „Prozessmanagement und IKT-Strategie“ der Stadt Wien) die Digitalisierungsstrategie der Stadt Wien. Einleitend stellte er die politische Dimension von Digitalisierung in den Mittelpunkt und erläuterte gesellschafts-, demokratie-, sozial- und frauenpolitische sowie ethische Aspekte. Dabei ging er auch auf Themen wie den Zugang zu Geräten, „digital divide – digitale Kluft“, das Recht auf analogen Behördenkontakt wie auch auf strategische Überlegungen, etwa den staatlichen Einsatz von Algorithmen und die Notwendigkeit von interdisziplinärer Forschung zur Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen ein. Im Anschluss erläuterte er die Digitale Bildungsstrategie 2030, die mit dem Punkt „Lebenslanges Lernen“ über das Regelschulwesen hinausweist. Zum Abschluss präsentierte er digitale Tools der Stadt Wien, die die Kommunikation mit Behörden erleichtern sollen.
In ihrem Kommentar nahm Mareen Köpnick (Fachkoordinatorin IEB Basisbildung Jugendliche und junge Erwachsene sowie Unterrichtende IEB, Die Wiener Volkshochschulen) Bezug auf die positiven Aspekte der Digitalstrategie und unterstrich die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Verhinderung eines „digital divide“ besonders für die Zielgruppe der BasisbildungsteilnehmerInnen. Dabei verwies sie auf Modellprojekte der Wiener Volkshochschulen (Campus Basisbildung, IT-Labor, Infrastrukturzugänge für TeilnehmerInnen, etc.). Zum Abschluss hob sie die Wichtigkeit unterschiedlicher Aspekte von digitalen Veränderungsprozessen, wie die frauenpolitische Dimension und gesellschaftliche und politische Teilhabemöglichkeiten, hervor.
Workshops
In sechs Workshops wurden dann spezifische Teilaspekte digitaler Kompetenzen im Alltag, im Unterricht und am Arbeitsmarkt diskutiert:
Workshop 1: Digitale (Alltags)Kompetenzen & das „Curriculum Basisbildung in der IEB“
Das „Curriculum Basisbildung in der IEB“ beschreibt – neben vielen anderen – auch digitale Kompetenzanforderungen. Im Workshop erläuterte Friederike Weber (prospect Unternehmensberatung und beteiligt am Entwicklungsprozess des Curriculums) zunächst die theoretischen bzw. auch geschichtlichen Aspekte, indem sie z. B. unterschiedliche Definitionen von „digitaler (Alltags)Kompetenz“ vorstellte und in Bezug auf ihre Kompatibilität zur Basisbildung analysierte. Auch erfuhr man, dass der Europäische Referenzrahmen für digitale Kompetenzen und der Lehrplan für NMS die Vorlagen für den Kompetenzbereich „Digitale Kompetenzen“ im „Curriculum Basisbildung in der IEB“ lieferten, hier wurde aber auch deutlich, an welchen Stellen es sich von diesen abgrenzt.
Nach dem Input wurden direkte Anknüpfungspunkte des Curriculums Basisbildung zur Lebenswelt der Teilnehmenden diskutiert. Viele Unterrichtende schilderten ihre Erfahrungen aus dem Distance-Learning und zogen in Bezug auf die digitalen Kompetenzen ihrer Teilnehmenden Bilanz. Aber auch die Herausforderungen von Teilen des Curriculums zu digitalen Kompetenzen kamen zur Sprache. Wichtig waren in diesem Zusammenhang Themen wie Bedürfnisorientierung, Alltagstauglichkeit und Partizipation.
Workshop 2: Kritische Medienkompetenz – digitale Sicherheit – Privatsphäre, digitaler Fußabdruck, Kostenfallen und Recht am eigenen Bild. Sicher online vom Babyfoto bis zum Shopping
Rosa Danner (Medienpädagogin und Trainerin bei saferinternet.at) bearbeitete mit den WorkshopteilnehmerInnen anhand konkreter Fallbeispiele Sicherheitsaspekte der Internet- und Handynutzung. Vom digitalen Fußabdruck bis zu Online-Betrug und Kostenfallen wurden viele Facetten digitaler Sicherheit angesprochen. Dabei standen vor allem die Anschlussfähigkeit für KursteilnehmerInnen und die Umsetzungsmöglichkeiten im Kursgeschehen im Fokus. Die TeilnehmerInnen des Workshops wurden sensibilisiert, worauf es bei der Vergabe von Passwörtern ankommt und wie man sichere Einstellungen an den Geräten vornimmt. Es wurde aufgezeigt, wie wertvoll Daten geworden sind – sie sind das „neue Gold“. Wenn etwas gratis ist, dann bist „DU“ das Produkt. Es lohnt sich also, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sich vor Augen zu führen, welche Spuren man im Netz hinterlässt. Vor allem Jugendlichen ist das oftmals nicht bewusst und sie tappen in viele Fallen. Gutscheinfallen, Gewinnspiele, Fakeshops, Phishing-Nachrichten, Abo-Fallen, etc. boomen. Rat und Hilfe kann man sich bei der „Internetombudsstelle“, bei „Rat auf Draht“ oder „Watchlist Internet“ holen.
Workshop 3: Kritische Medienkompetenz – Medienrezeption, Hass im Netz, Cybermobbing, Radikalisierung im Netz, Fake News und Verschwörungstheorien
Margot Kapfer (Referentin und Internationale Beauftragte am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität Wien & langjährige Trainerin im Bereich Anti-Diskriminierung und [digitale] Zivilcourage) gab einen spannenden Einblick zu den Themen Hass im Netz, Cybermobbing, Fake- & Breaking News, Verschwörungserzählungen und digitale Zivilcourage. Sie präsentierte beliebte (Social Media) Plattformen und deren Risiken sowie die zentrale Bedeutung der Privatsphäre-Einstellungen im Kontext der genannten Aspekte.
Möglichkeiten zur Bekämpfung von Hass im Netz auf unterschiedlichsten Ebenen (auf der Ebene von Recht & Politik, bezüglich Plattformen & Technik und auf der Ebene der Prävention/Sensibilisierung sowie auf der persönlichen Handlungsebene) wurden ebenso aufgezeigt wie Strategien digitaler Zivilcourage, von denen sie eine ganze Bandbreite vorstellte, deren Kombination in der Praxis oft sinnvoll ist, um Betroffene bestmöglich zu unterstützen. Konkrete, hilfreiche Links, Materialien und Tools für die Praxis sowie Informationen über Melde-, Doku- und Beratungsstellen (z. B. „Beratungsstelle #GegenHassimNetz ZARA“) stießen bei den WorkshopteilnehmerInnen auf besonderes Interesse.
In der Frage- und Diskussionsrunde strichen die WorkshopteilnehmerInnen hervor, dass Hass im Netz oft analog und nicht digital beginnt bzw. sich fortsetzt, wie bedeutsam gute Schulung und analoge Begleitung beim Aufbau kritischer Medienkompetenz bei den TeilnehmerInnen sind und dass die Bedeutung bestimmter Plattformen keinesfalls unterschätzt werden dürfe (z. B. „TikTok“).
Workshop 4: Arbeitsmarktentwicklung und digitale Kompetenzen am Beispiel des Berufsfelds Pflege
Der Einstieg in den Pflegebereich ist für viele AbsolventInnen von IEB- und anderen Bildungsmaßnahmen attraktiv. Mit Trude Hausegger (prospect Unternehmensberatung) und Sabine Sramek (Pflegedirektorin Wohn- und Pflegeheim Kritzendorf) stellten zwei ausgewiesene Expertinnen die Ausbildungs- und Arbeitsmarktanforderungen im Bereich digitaler Kompetenzen in Pflege- und Gesundheitsberufen vor. Sabine Sramek erläuterte an Beispielen, dass die Pflege schon seit Längerem in der digitalen Welt angekommen ist. Abgesehen von der elektronischen Falldokumentation gibt es zahlreiche elektronisch gesteuerte Systeme wie Sturzdetektoren, Scanner, die Bewegungsmuster aufzeichnen, intelligente Matratzen etc., die die Situation der PatientInnen stabilisieren und verbessern, aber sich auch auf die Arbeitssituation des Pflegepersonals entlastend auswirken. Allerdings ist der Einsatz der Technik nicht um jeden Preis sinnvoll. Eine sensible kritische Auseinandersetzung mit den digitalen Möglichkeiten, die zu einem maßvollen und sinnvollen Einsatz („IT und Ethik“) führt, die Berücksichtigung von Erfahrungen und Bedürfnissen von PatientInnen und Pflegepersonal sowie Lernmöglichkeiten im Umgang mit Digitalisierung sind wesentliche Voraussetzungen für Akzeptanz, die den effektiven und effizienten Einsatz erhöht.
Die meisten digitalen fachspezifischen Kompetenzen, die notwendig sind, können in der Ausbildung erlernt werden. Digitale Basiskenntnisse wie Umgang mit Mobiltelefon, E-Mail, Ausfüllen von Online-Formularen, Internetrecherche in Verbindung mit kritischer Medienkompetenz (Suchen, Auswählen und Bewerten von Informationen) etc. sollten allerdings beim Einstieg in die Ausbildung ebenso vorhanden sein wie soziale und personale Kompetenzen wie z. B. Verantwortungsbereitschaft, Entwicklungs- und Lernbereitschaft, Flexibilität und Selbständigkeit und Deutschkenntnisse auf Niveau B2.
Ein für das AMS entwickeltes Online Basisassessment („TEKI_Pflege“) unterstützt Menschen, die sich für eine Ausbildung in Pflegeberufen interessieren, sich über eine Kombination strukturierter Online-Selbsteinschätzung, Reflexion, Kennenlernen der Berufsbilder, Übungen am Pflegesimulator etc. mit den eigenen Kompetenzen und den Anforderungen der Pflegeberufe auseinanderzusetzen. Derzeit gibt es dieses Assessment nur in deutscher Sprache. In der Diskussion war man sich allerdings schnell einig, dass es sinnvoll ist, InteressentInnen, die für Pflegeberufe sehr geeignet wären, die aber aufgrund ihrer Deutschkenntnisse noch nicht daran teilnehmen können, mit ins Boot zu holen, indem das Basisassessment in mehreren Sprachen (z. B. Arabisch, Farsi/Dari, Englisch etc.) angeboten wird.
Workshop 5: Basisbildungsarbeit im Kontext Digitalisierung – Erfahrungen, Herausforderungen, Potenziale
Im Workshop wurden von Angelika Hrubesch (lernraum.wien und Unterrichtende IEB, Die Wiener Volkshochschulen) aktuelle Ergebnisse einer Studie des lernraum.wien zur Fragestellung, wie Bildungsarbeit über digitale Kanäle mit benachteiligten Gruppen erfolgen kann, vorgestellt. Die Gestaltung von Bildungsprozessen im Umgang mit digitalen Medien und die Herausforderungen und Chancen, die sich daraus ergeben, standen im Mittelpunkt der Diskussionen. Um sich in virtuellen Räumen zu beteiligen, müssen davor grundlegende digitale Kompetenzen aufgebaut werden. Über Video-Lerntools werden private Lernräume zu öffentlichen. Wie kann ein gleichberechtigtes Miteinander erarbeitet, Vertrauen aufgebaut, wie können virtuelle Pausenräume und wie ein gutes Maß an Privatheit hergestellt werden? Kooperative Lernformen und der persönliche Kontakt sind nicht ersetzbar. Analoge und digitale Lehr- und Lernprozesse beeinflussen einander, es kommt darauf an, wie wir die jeweiligen Vorteile und auch Chancen nutzen können und wie es gelingen kann, neue virtuelle Wege zu erschließen, ohne analoge gehen zu wollen. „Digitalisierung“ lässt uns dabei neue Denkweisen und Zugänge entwickeln.
Workshop 6: Online-Beratung in Bildungsprojekten – Erfahrungen aus dem digitalen Beratungsalltag
Im vergangenen Jahr nahmen Distance-Beratungen im Sozial- und Bildungsbereich stark zu. Die „Bildungsberatung in Wien“ hat damit langjährige Erfahrungen. Peter Oplatek und Barbara Glattauer ließen die TeilnehmerInnen an diesem Erfahrungsschatz Anteil haben. Ergänzt wurde ihr Input durch die Erfahrungen des VHS-Jugendcoachings und anderer BeraterInnen in- und außerhalb der Wiener Volkshochschulen. Im Rahmen des Workshops nahmen die ReferentInnen Bezug auf die Besonderheiten der unterschiedlichen Beratungsformate, von der Telefon-, über die E-Mail- bis hin zur Social Media-Beratung. Einig war man sich, dass die Vielfalt des Beratungsangebots auch einer methodischen Vielfalt bedarf, die den TeilnehmerInnen und den zur Verwendung kommenden technischen Tools entsprechen muss. Dafür muss beispielsweise auch der entsprechende Arbeitsrahmen (Raum und Zeit) strukturiert geplant und geschaffen werden. „Distance Beratung darf nicht zur Zwischendurch-Beratung werden“. Zum Abschluss wurden Möglichkeiten und Ideen für die Nutzung von Distance-Formaten über die Zeit von Covid-19 und damit verbundenen Kontakteinschränkungen hinaus diskutiert.
John Evers, Geschäftsbereichsleiter der IEB/Die Wiener Volkshochschulen, resümiert: „Das rege Interesse an der Tagung ist vor allem auch eine Anerkennung der Erfahrungen und Leistungen der KollegInnen in den Bereichen Unterricht, Sozialpädagogik und Programmplanung im letzten Krisenjahr. Besonders positiv möchte ich mich zudem auf den Grundsatz der Digitalisierungsstrategie der Stadt Wien beziehen. Hier soll nämlich jede/jeder Zugang zur Digitalisierung erhalten, niemand, der das nicht kann oder will, soll aber auf öffentliche Leistungen verzichten müssen. Dieser offene, inklusive Ansatz entspricht genau auch unserem Verständnis von Bildungsarbeit.“ //
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