Als die Flüchtlingswelle im letzten Spätsommer über Österreich hereinbrach, hat sich das Führungsteam der VHS Krems vorgenommen, Flüchtlingen kostenlose Deutschkurse anzubieten. In enger Abstimmung mit dem Magistrat, der lokalen Flüchtlingskoordinatorin und der Diakonie hat die VHS Anfang September 2015 über Facebook Freiwillige gesucht, die ehrenamtlich DaF/DaZ unterrichten können und/oder bereit sind, Integrationsarbeit zu leisten. In diesem Zusammenhang sei auf die Kraft der sozialen Medien hingewiesen: Durch „liken“ und „teilen“ hat unser Aufruf über 25.000 Menschen erreicht:1 Innerhalb von einer Woche konnten so 50 Freiwillige gewonnen werden. Mitte September fand ein erstes Koordinationsmeeting statt, Ende September starteten die ersten vier Kurse mit knapp 100 HörerInnen. Im Laufe des Herbstes ist das Heer der Freiwilligen auf 100 angestiegen – wobei das Ausmaß der Hilfsbereitschaft sehr breit war (von aufopfernd bis „das habe ich mir irgendwie anders vorgestellt“). Die Anzahl der Flüchtlinge stieg bis in den Sommer 2016 kontinuierlich bis auf rund 300 Menschen an, das entspricht zirka 1,5 Prozent der Kremser Bevölkerung. Nahezu alle nehmen bis heute die Deutschkurs-Angebote in Anspruch, egal ob sie nun bereits ein Jahr im Land oder frisch in Krems angekommen sind.
Herausfordernd war von Anfang an naturgemäß die Heterogenität der TeilnehmerInnen. Viele waren gut ausgebildet und sprachen bereits eine Fremdsprache (meist Englisch). Andere konnten hingegen selbst in ihrer eigenen Sprache nicht schreiben. Die TeilnehmerInnen mussten daher nach ihren Vorkenntnissen – und später auch nach ihrer Progression – eingeteilt werden (und z.T. immer wieder neu eingeteilt werden), was die Organisationskraft unserer Mini-Organisation stark in Anspruch nahm.
Von Seiten der Vortragenden haben wir sehr rasch die Erfahrung gemacht, dass es zwar viel Begeisterung gab, aber nicht immer die nötige DaZ-Unterrichts-Expertise. Viele waren Lehrer, was natürlich hilfreich war, einige darunter waren Deutsch-Lehrer, was wohl noch ein wenig vorteilhafter war. Nahezu ausnahmslos gab es keine ausgebildeten/zertifizierten DaZ-KursleiterInnen. Die Lösung bestand zu einem hohen Ausmaß in Improvisation und der Bildung von Zweierteams (gelegentlich auch Dreierteams), bestehend aus sogenannten „Lernbuddies“ und „Co-Trainern“:
Lernbuddies haben idealerweise Unterrichtserfahrung im Fach Deutsch (häufig sind es Deutschlehrer an lokalen Gymnasien, Hauptschulen oder Volksschulen). Sie übernahmen die Rolle der (kollegialen) Teamleads.
„Co-Trainer“ haben in den meisten Fällen keinerlei Unterrichtserfahrung. Sie übernahmen daher die Rolle der Assistenten, die einerseits im Unterricht halfen, wo sie selbst oder der Lernbuddy Bedarf spürten, andererseits in Breakouts mit einem meist schwächeren Teil der Gruppe Übungen machten. Beliebte Co-Trainer waren natürlich auch solche Personen ohne jede Unterrichtserfahrung, aber mit Arabisch-, Farsi- oder sonstigen benötigten Fremdsprachenkenntnissen.
Die Teams waren in ihrer Strukturgebung, Unterrichtsgestaltung, Didaktik et cetera völlig frei. Es stellte sich heraus, dass viele Gruppen durchgehend im Plenum unterrichteten, andere bildeten zeitweilige Breakouts, wieder andere bildeten dauerhafte Teilgruppen. Schön war zu sehen, wie viele Gruppen gemeinsame Freizeitaktivitäten entwickelten, die von gegenseitigen Besuchen, gemeinsamem Kochen, bis hin zu Christkindlmarkt-Besuchen, Ausflügen, Picknicks jeweils unter Einschluss von Lernbuddies und Co-Trainern reichten.
Für den Zweck des Erfahrungsaustauschs wurden in unregelmäßigen Abständen, zirka alle zwei Monate Team-Meetings angesetzt. Hier ging es natürlich um organisatorische Fragen, den Austausch von bewährten Methoden, Materialien etc. Um die Jahreswende wurde dann klar, dass die Motivation doch nachließ. Als Stimulanz konnte durch Kremser Service-Organisationen (Lions, Rotarier, Soroptimisten) ein nennenswerter Betrag lukriert werden, der es ermöglichte, dass die freiwilligen Lehrkräfte ab Februar eine gewisse Aufwandsentschädigung erhielten.
Als mittelständige VHS mit 400 angebotenen Kursen und 3.000 Hörern sah die VHS Krems von vornherein ihre Rolle als „Steigbügelhalter“ und „Infrastrukturgeber“. Steigbügelhalter in dem Sinne, dass die VHS ihr organisatorisches und ihr DaZ-Knowhow insbesondere in der Start- und Organisationsphase einbrachte. Hier ist besonders die Arbeit unserer DaZ-Bereichsleiterin Mag. Helma Spannagl-Schmoll hervorzuheben. Infrastrukturgeber war und ist die VHS vor allem im Bereich der Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten an Nachmittagen (also außerhalb der Zeiten des eigenen Bedarfs) sowie von den eigenen Kopierern. Auch wurde bei der Beschaffung von Büchern geholfen. Darüber hinaus wurde eine IT-Plattform geschaffen, über die der Informationsaustausch zwischen den Beteiligten durchgeführt werden konnte (Kurslisten, Materialien et cetera).
Bedauerlich war die Erfahrung des heutigen Herbstes, wo wir – und insbesondere unsere Lernbuddies und Co-TrainerInnen – erleben mussten, dass anerkannte Flüchtlinge nicht mehr in unserer Institution unterrichtet werden konnten. Mit Zuerkennen des Flüchtlingsstatus erhalten „unsere“ TeilnehmerInnen eine Betreuung durch das AMS, die dazu führt, dass die vom AMS ausgeschriebenen (und vom WIFI gewonnenen) Deutschkurse besucht werden müssen. Dies ist natürlich hart für beide Seiten – für die Unterrichtenden, wie auch für unsere Lernbuddies und Co-TrainerInnen, die ja über das vergangene Jahr häufig eine sehr nette Beziehung zueinander aufgebaut haben. Davon abgesehen, dass es natürlich auch hart ist, zu erleben, dass unsere ehrenamtliche Arbeit zwar durchaus akzeptiert wird, wenn es aber ans Geldverdienen geht, die niederösterreichischen Volkshochschulen noch nicht einmal zur Ausschreibung eingeladen werden.
Abschließend sei noch gesagt, dass sich das – trotz aller Improvisation – aufgebaute Lernbuddy-Co-Trainer-System letztlich durchaus bewährt hat: Ende September 2016 – ein Jahr nach Beginn unserer Hilfe – haben die ersten 16 TeilnehmerInnen erfolgreich die A2-ÖSD-Prüfung bestanden. Wir gratulieren sehr herzlich und sind überaus glücklich, einen doch schönen und sichtbaren Beitrag zur Integrationsarbeit in Krems geleistet zu haben. //
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