Christian H. Stifter
Foto: Afra Hämmele-Loidl, 2024
In ihrer erfrischend kritischen Annäherung an „Jubiläen in der Erwachsenenbildung“ haben Klaus Heuer und Heribert Hinzen in Anlehnung an Aleida Assmann zuletzt auf den spezifischen Zusammenhang von Geschichte und inszenierter Erinnerung sowie auf die ambivalente Rolle von Historikern verwiesen – einerseits als Mitwirkende, andererseits als distanzierte Analytiker, deren Aufgabe in der Dekonstruktion von Mythen bestünde.1
Als Zeithistoriker unterliegt man ohnehin einer gewissen „déformation professionnelle“, irgendwie ist man darauf geprägt, nicht bloß kritisch zu hinterfragen und auf Untergründiges zu achten, sondern hat darüber hinaus fachliches Interesse an etwaigen „smoking guns“ oder an signifikant verdrängten Schattenseiten. Wie aber bereits der Titel meiner Ausführungen signalisiert, werde ich zum heutigen Festakt freilich keine Reflexionen über unbearbeitete dunkle Kapitel anstellen, und mich – obschon kritisch – hauptsächlich mit positiv zu wertenden Entwicklungslinien und Traditionselementen beschäftigen; dies nicht zuletzt auch deshalb, da die Geschichte des heutigen Bundesinstituts für Erwachsenenbildung – trotz aller „up‘s and downs“ – unschwer sowohl als erfolgreiche inhaltliche Weiterentwicklung als auch als institutionelle Aufwärtsbewegung zu charakterisieren ist.
Ich möchte im Folgenden versuchen, einige historische Entwicklungslinien des heutigen Bundesinstituts für Erwachsenenbildung zu skizzieren, wobei es nötig sein wird, die weiter zurückreichende Vorgeschichte kursorisch einzubeziehen, um die spezifische Sonderstellung innerhalb der österreichischen Erwachsenenbildungslandschaft möglichst klar zu verdeutlichen.
Dass dieser Bildungsort bis heute sowohl von Seiten des Teams, seiner Leitung als auch seitens der nationalen wie internationalen Seminar- und Kursteilnehmenden sowie aller Gäste als etwas ganz Besonderes wahrgenommen wird, hat aufs Erste wenig mit Tradition und Geschichte, gelungenem Bildungsmanagement oder der hervorragenden Verköstigung zu tun – wobei das alles freilich auch eine Rolle spielt. Das atmosphärisch Besondere, ja geradezu Einzigartige dieses Lern- und Bildungsorts „vor atemberaubender Naturkulisse“2, wie dies in den hauseigenen Mitteilungen 2021 völlig zurecht beworben wurde, hat zunächst ganz einfach mit der beeindruckend schönen Lage samt Bootshaus am Wolfgangsee sowie dem losen Arrangement der auf über 62 Hektar verteilten Gebäude zwischen sanften Hügeln, Fels und Waldrand zu tun. Den Genius Loci hätte kein noch so betuchter Grundtvig des Salzkammerguts in dieser unaufdringlichen, nahezu organischen Form besser aussuchen und planen können. Kein Wunder, dass sich die jüdischen Großindustriellen- und Bankiersfamilien Sobotka und Petschek diesen idyllischen Ort Ende des 19. Jahrhunderts für die Errichtung ihrer Sommerfrische-Residenz auserkoren haben und bis 1938 durchgängig bewirtschafteten, bis das Anwesen nach den Novemberpogromen „arisiert“, also brutal enteignet wurde.3
Ein großes Glück für die Erwachsenenbildung, dass das nach Ende des Zweiten Weltkriegs restituierte Areal samt Gebäuden im Mai 1955, nur wenige Tage nach dem Staatsvertrag von der Familie Petschek schließlich an die Republik Österreich verkauft wurde, mit der Intention einer demokratiepolitisch adäquaten Nutzung des Areals, die seitdem erfüllt ist.4
Vor diesem Hintergrund ist auf die zweite herausragende Besonderheit dieses Ortes zu verweisen, auch wenn sie heute unsichtbar ist und verschwunden scheint: Das Bürglgut ist ein zeithistorischer Erinnerungsort ersten Ranges. Im deutschsprachigen Raum gibt es nur wenige Erwachsenenbildungseinrichtungen, die sich in so unmittelbarer Nachbarschaft zur Geschichte von Atisemitismus, Nationalsozialismus, Vertreibung und Verfolgung befinden. Zur Erinnerung: Etwa hier an der Stelle des Bürglhauses – in der früheren „Großen Villa“ – befand sich nach Beschlagnahme durch die Gestapo ab 1942 ein Müttererholungsheim der NS-Volkswohlfahrt, hier tagten NS-Strafrichter, ab 1943 verfügte schließlich der Gauleiter von Oberdonau, August Eigruber, über die gesamte Liegenschaft – inklusive Seehaus und Berghaus – und quartierte laufend führende Nazi-Bonzen als Gäste ein. Und im Waldhaus logierte, streng bewacht, bis Anfang Mai 1945 der Chef der NS-Sicherheitspolizei und Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, Ernst Kaltenbrunner, samt Familie.5
Nach Kriegsende und Befreiung durch die Amerikaner fungierte das Areal (unter Zuständigkeit des „American Joint Distribution Committee“) zunächst als Erholungsstätte für überlebende jüdische Waisenkinder aus den Konzentrationslagern in Osteuropa, anschließend richtete die US-Militärregierung ein Lager für jüdische „Displaced Persons“ ein.6
Neben den beiden genannten Besonderheiten ist für die These vom singulären Charakter des heutigen Bundesinstituts freilich ein weiterer Aspekt von zentraler Bedeutung: Dieser entfaltet sich im kontroversen Verhältnis von freier Erwachsenenbildung und staatlicher Steuerung, deren jeweilige Traditionslinien in Form bundesstaatlicher Erwachsenenbildung schließlich konvergieren und kooperativ zusammenlaufen. Abgesehen von der Verwaltungsakademie des Bundes, ist das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (BIFEB) österreichweit nicht nur das einzige bundesstaatliche Erwachsenenbildungsinstitut mit ganzjährigem Seminar- und Beherbergungsbetrieb. Über die Jahrzehnte seines Bestehens und der alternierenden Identitäten und Schwerpunktsetzungen hinweg hat das Bundesinstitut zudem entscheidenden Anteil sowohl am Prozess der Qualifizierung und Professionalisierung der Erwachsenenbildung als auch am koordinierten Zusammenwirken bundesstaatlich-behördlicher Initiativen und Planungen mit produktiven Entwicklungszielen im gesamten Feld der österreichischen Erwachsenenbildung. Deutlicher ausgedrückt: hinsichtlich des Abbaus der tief verwurzelten und über lange Zeit auch berechtigten Skepsis gegenüber staatlichen Intentionen oder Einflussnahmen sowie hinsichtlich des zumindest partiellen Überwindens einer historisch nur wenig auf Kooperation hin orientierten Erwachsenenbildung kann dem Bundesinstitut als strategischem Reflexionsraum eine wichtige katalytische Wirkung zugesprochen werden.
Nicht von ungefähr verwies Unterrichtsminister Sinowatz in seinen Dankesworten anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums 1981 darauf, dass haupt- und nebenberufliche Mitarbeitende aus allen Bereichen der Erwachsenenbildung immer wieder den „guten Geist von St. Wolfgang“ ansprechen. Trotz veränderter inhaltlicher Schwerpunktsetzungen und dynamischer Erweiterung des Teilnehmer*innenkreises habe das Institut und Tagungshaus, so Sinowatz weiter, sich zu einem „Ort des Kontaktes und der Impulsgebung sowie als Zentrum für die Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern der Erwachsenenbildung und der öffentlichen Büchereien profiliert.“7 Unausgesprochen, aber im Subtext gleichermaßen mitzulesen, waren damit auch die Rolle und Funktion gemeint, die das Bundesinstitut als Ermöglichungsraum für österreichweit wichtige Debatten und zentrale strategische Veranstaltungen mit führenden Vertreter*innen der Erwachsenenbildung zum damaligen Zeitpunkt bereits mehrfach innehatte. So etwa im Zusammenhang mit der im Mai 1972 von Seite des Unterrichtsministeriums initiierten Gründung der „Konferenz der Erwachsenenbildung Österreich“ (KEBÖ) oder den Rahmenüberlegungen für das Erwachsenenbildungsfördergesetz von 1973, wo auf mehreren Tagungen und intensiv geführten Gesprächsrunden inmitten der ausgleichenden und geselligkeitsfördernden Atmosphäre dieses Verständigungsortes maßgebliche Übereinkünfte und Beschlüsse erzielt werden konnten.
Das Verhältnis zwischen der weltanschaulich ungebundenen, neutralen Volksbildung und staatlichen Einflussnahmen respektive den vom Unterrichtsministerium selbst unterhaltenen Modellen ruraler Bildungsarbeit war allerdings bis in die Anfänge der Zweiten Republik durch bildungspolitisches Misstrauen und tiefe ideologische Grabenkämpfe geprägt. Ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte der institutionalisierten Erwachsenenbildung in Österreich zeigt, wie überaus vielfältig und heterogen diese verlaufen ist und bis heute verläuft. So unterschiedlich die ideengeschichtlichen Ansätze der frühen Volksbildung auch sind, was sie eint, ist, dass sie sich nahezu ausschließlich privaten beziehungsweise zivilgesellschaftlichen Initiativen verdanken. Im Unterschied zu Schule und Universität verstand sich die Volksbildung von Beginn ihrer Formationsperiode Ende des 19. Jahrhunderts an als „frei“ und hat diese „vorsichtige Staatsferne“ seitdem mit dem „Attribut ‚frei‘ gleichsam deklamatorisch vor sich hergetragen und mit Zähnen und Klauen verteidigt – selbst um den Preis einer gesellschaftlich nur bescheidenen Bedeutung“8, wie Wilhelm Filla dies einmal pointiert zusammengefasst hat.
Möglicherweise war hier die Orientierung an den Ideen und Überlegungen der Aufklärung seitens der Volksbildungspioniere maßgeblich. Immerhin hatte Immanuel Kant 1803 in seiner Schrift „Über Pädagogik“ die Frage danach, „wo der bessere Zustand der Welt herkommen soll? Von den Fürsten oder von den Unterthanen?“ unmissverständlich damit beantwortet, dass es „hier hauptsächlich auf Privatbemühungen ankommt, denn […] die Erfahrung lehrt es, dass [die Fürsten] zunächst nicht das weltbeste, sondern das Wohl ihres Staates zur Absicht haben […]. Geben sie aber das Geld her: so muss es ihnen auch anheim gestellt bleiben, dazu den Plan vorzuzeichnen […].“9
Trotz der bis heute dominierenden privatrechtlichen Organisation der Erwachsenenbildung in Österreich wurde von Beginn an – mit Verweis auf edukative Gemeinnützigkeit – um kommunale und staatliche Förderung angesucht. Im Hinblick auf die Professionalisierung der wissenschaftsorientierten Volksbildung hatte sich der österreichische Volkshochschul-Pionier Ludo Moritz Hartmann zudem bereits 1908 für die Schaffung staatlich finanzierter »Volksprofessuren« ausgesprochen, umgesetzt wurde dies jedoch nie.
Manifestes Interesse an einer staatlichen Regelung des gesamten Volksbildungswesens taucht erstmals am Beginn der Ersten Republik auf. Das Glöckel-Regulativ vom 30. Juli 1919 stellte die Durchführung, Verwaltung und „Einflussnahme“ im Bereich des gesamten Volksbildungswesens unter die oberste Leitung und Beaufsichtigung des Unterrichtsamtes. Wie in den Erläuterungen zum Regulativ ausdrücklich festgehalten wurde, war damit weder ein „starrer Bureaukratismus“ noch eine „willkürliche Bildungsdiktatur von oben“ intendiert.10 Nach Glöckel sollte das Volksbildungswesen – so wie auch das gesamte Schul- und Erziehungswesen – in Gesetzgebung und Vollziehung der Kompetenz des Bundes gerechnet werden; im Bereich der Verwaltung sollte das Volksbildungswesen in die unmittelbare Bundesverwaltung durch die Landesvolksbildungsreferenten fallen.
Hinsichtlich einer gesetzlichen Regelung konnte in den Beratungen des Verfassungsausschusses allerdings keine Einigung erzielt werden – die Vertreter der Christlichsozialen Partei drängten auf eine Verländerung des Schulwesens, die Sozialdemokraten sahen darin hingegen die Gefahr einer Auslieferung an den Klerikalismus. In der Österreichischen Bundesverfassung von 1920 wurde in Artikel 14 neben dem Schul- und Erziehungswesen auch das Volksbildungswesen aufgenommen, allerdings nur in Form eines ‚Provisoriums‘ ohne jedwede Kompetenzregelung, da die konkreten Agenden erst durch ein zukünftiges Gesetz geregelt werden sollten; eine Regelung, die bis heute offen ist.
Infolge der zunehmenden Radikalisierung der politischen Gegensätze in der Ersten Republik traten die demokratischen Intentionen staatlicher Volksbildung rasch in den Hintergrund; die Förderpolitik seitens des neugeschaffenen ministerialen Volksbildungsamtes wurde Teil des Kulturkampfes zwischen dem Roten Wien und den christlichsozial dominierten Ländern. So stand dann auch das erste staatliche „Bäuerliche Volksbildungsheim“ im niederösterreichischem Hubertendorf, das 1929 durch Bundesminister Schmitz eröffnet wurde – trotz allen Engagements für die Verbesserung der Lebensumstände der ländlich-bäuerlichen Bevölkerung – mit seinen „Leitsätzen“ letztlich für ein katholisch-konservatives Gegenmodell zu urbaner weltanschaulich-neutraler Wissenschafts- und Bildungsvermittlung. Unter der Leitung des Priesters Leopold Teufelsbauer – den verwitterten Gedenkstein für ihn finden sie rechts neben der Einfahrt des Bundesinstituts – fand Bildung stricto sensu „im Herrgottswinkel“ statt,11 ging es neben landwirtschaftlich-häuslichen Kenntnissen doch vor allem um bäuerliche Traditionspflege, sowie um die Vermittlung christlich-bäuerlicher Werte insbesondere für die ländliche Jugend, die tägliche Morgenmesse in der hauseigenen Kapelle inklusive. In der Zeit des Austrofaschismus wurde eine „Dollfußstube“ eingerichtet und Schulungen der vaterländischen Front durchgeführt, bis Hubertendorf nach dem „Anschluss“ in eine Nationalsozialistische Erziehungsanstalt umgewandelt wurde.
Nach Kriegsende wurde seitens des Unterrichtsministeriums direkt an die Tradition bäuerlicher Bildungsarbeit in Hubertendorf angeknüpft. Gemeinsam mit Sektionsrat Adolf Bruck, dem damaligen Leiter der Zentralstelle für Volksbildung im Unterrichtsministerium, plante Unterrichtsminister Felix Hurdes, dessen Bruder ehemaliger Lehrer in Hubertendorf gewesen war, die Wiedereröffnung von Hubertendorf, wobei die Leitung nun freilich nicht mehr in den Händen eines Priesters liegen sollte.
Der programmatische Aufgabenbereich des bäuerlichen Volksbildungsheimes sollte fortgeführt werden, vom Lehrplan gestrichen wurden lediglich religiöse Lebensführung, christliche Anstandslehre, Deutsche Kulturkunde und vormilitärische Erziehung.12 Aufgrund der Zerstörungen am Gebäude in Hubertendorf nahm das „Bäuerliche Volksbildungsheim“ als nachgeordnete Dienststelle des Unterrichtsministeriums am 26. Juni 1947 jedoch zunächst im Mathildenheim bei St. Stefan ob Leoben die Arbeit auf, musste aufgrund der katastrophal schlechten Ausstattung aber bereits im Herbst 1948 – nach Räumung durch die britische Besatzungsmacht – in das geräumigere Schloss Graschnitz bei St. Marein im Mürztal übersiedeln.13
Neben Kurzkursen für Kriegsheimkehrer beinhaltete das Programm schwerpunktmäßig wieder hauptsächlich dreimonatige Bauernmädchen- und Bauernburschenkurse sowie landwirtschaftliche Schulungskurse. Ergänzt wurde das Angebot durch Landpädagogische Wochen, einschlägige Dichterlesungen, Brauchtumsfeste oder Vorträge der Katholischen Männerbewegung, des Bauernbundes oder der Landwirtschaftskammer zum Thema Landflucht oder den Folgen beziehungsweise Herausforderungen der Mechanisierung.14
Daneben umfasste das Programmangebot aber bereits in der Frühphase ein weites Spektrum an Aktivitäten wie etwa Tagungen der bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten, Büchereileiter-Tagungen, Tagungen des Volksbildungswerks, Schulungskurse für steirische Nationalräte oder Einmietungen wie etwa durch die Sommerschule des British Councils.
Der freundlich-wohlwollende ministeriale Dirigismus – die Programme von Tagungen und Schulungswochen hatten von Beginn an „zeitgerecht zur Genehmigung vorgelegt“ zu werden15 – wurde durch wiederkehrende lokale Eigenmächtigkeiten des bis 1961 strikt paternalistisch agierenden ersten Direktors Hans Wittmann kaum beeinträchtigt.
Abgesehen vom Problem der hohen Mietkosten stieß das nachgefragte Bildungsangebot auch in Graschnitz bald an Grenzen – so musste etwa die erforderliche Lehrwerkstätte zur Abhaltung der dreimonatigen Bauernburschenkurse in einem adaptierten Kuhstall eingerichtet werden.16 Erst die Verlegung des Bäuerlichen Volksbildungsheimes an den heutigen Standort in St. Wolfgang schuf – nach eineinhalbjährigen Umbau- und Adaptierungsmaßnahmen – für die Bildungsarbeit, für die Unterbringung und für die Bewirtschaftung geradezu ideale Voraussetzungen. Bis 1969 wurden die Kursteilnehmenden allerdings im Rahmen ihrer Ausbildung zu Küchen-, Servier- und Haushaltsdiensten herangezogen, was sich erst mit der Errichtung des neuen Verwaltungs- und Mensagebäudes 1970 ändern sollte.
Der neue Name verzichtete auf die Nennung der Bauernschaft als Zielgruppe und lautete nun amtlich-sperrig: „Bundesstaatliches Volksbildungsheim St. Wolfgang des Bundesministeriums für Unterricht“. Obwohl vermehrt Weiterbildungsveranstaltungen für Mitarbeitende diverser Bildungseinrichtungen ins Programm genommen wurden und seit 1956 zum „Zweck der Völkerverständigung“ jährlich die sechswöchige Sommerhochschule der Universität Wien stattfand17 und nach wie vor stattfindet, blieben der edukative Aufgabenbereich und die inhaltliche Programmatik aber weitgehend unverändert, das heißt, der Schwerpunkt lag in der Hauptsache auf der Persönlichkeitsbildung der Landjugend.18
In seiner Eröffnungsansprache am 12. Juli 1956 unternahm Unterrichtsminister Heinrich Drimmel den Versuch eines ideellen bildungspolitischen Brückenschlags, indem er die Tradition ländlicher Volksbildung im Sinne Leopold Teufelsbauers mit der „Wissens- und Bildungsvermittlung in den Arbeitervierteln der Großstadt Wien“ in Zusammenschau brachte.19 De facto war der bildungspolitische Antagonismus nach dem gescheiterten Anlauf für ein Volksbildungsgesetz 1947 trotz des konkordanzpolitischen Schulterschlusses der Großen Koalition zwischen ÖVP und SPÖ auch im Bereich der Erwachsenenbildung längst wieder aufgeflammt, diesmal allerdings hauptsächlich hinter verschlossenen Flügeltüren. Wie Oliver Rathkolb hervorstreicht, förderte Minister Drimmel wie seine Vorgänger hauptsächlich die Erwachsenenbildung in den von der ÖVP kontrollierten Bundesländern, um ein Gegengewicht zu den sozialdemokratischen Volksbildungsaktivitäten in Wien zu setzen. In diesem Kontext hatte auch das bundesstaatliche Volksbildungsheim in St. Wolfgang mit der Konzentration auf mehrwöchige Kurse für die Landjugend ganz klar eine ideologische Zielsetzung.20
Die parteipolitische Instrumentalisierung der Bildungsarbeit in den ersten Dekaden der Zweiten Republik sowie restaurative, gegen Urbanisierung und Industrialisierung gerichtete Tendenzen gehen auch aus den wenigen internen BIFEB-Akten zum Teil sehr deutlich hervor. Ungeachtet des Bemühens um eine Modernisierung des Bildungsprogramms und der Absicht einer integrativen Wirkung der eigenen Bildungsaktivitäten auf die gesamte Erwachsenenbildungslandschaft sah man sich bildungspolitisch dennoch im Kampf gegen die „Gegner der Idee des Volksbildungsheimes in Österreich“21. Die bildungspolitische Positionierung richtete sich klar und ausdrücklich gegen die vermeintliche „Durchmechanisierung, Kommassierung und Vergenossenschaftlichung“ im Osten des Landes. Mit der Eröffnung von Haus Rief „als einer Art Heimvolkshochschule“ durch den Verband Österreichischer Volkshochschulen im Jahr 1955 wurde die von Wittmann und dem Unterrichtsministerium gleichermaßen geteilte Abgrenzung von all jenen Volksbildungsideen, die „sich vom Fachwissen allein das Heil erwarten“, mit der irrealen und didaktisch unzeitgemäßen Hoffnung aufgeladen, dass sich das „Betonen des gemeinsamen Erlebnisses, die Abkehr von der reinen Wissensvermittlung“ nun erfreulicherweise auch unter den urbanen Abendvolkshochschulen herumgesprochen hätte.22
Spätestens Mitte der 1960er-Jahre hatte sich aber die gesellschaftliche Realität – nach dem wirtschaftlichen Wiederaufbau und der von Seiten des Europarats zunehmend geforderten Modernisierung der Erwachsenenbildung – unter anderem auch im Hinblick auf das Freizeit- und Konsumverhalten deutlich verändert. Nachdem traditionelle Kursangebote wie die „Volkskunstwochen“ oder die „Landpädagogischen Wochen“ bereits Anfang der 1960er-Jahre eingestellt worden waren und auch die Nachfrage nach Langzeitkursen für die Landjugend eklatant einzubrechen begann, wurde unter Direktor Louis Oberwalder 1966 schließlich ein auf Entideologisierung angelegter Modernisierungsprozess des Bildungsprogramms samt der Lockerung der bis dato streng internatsförmigen Hausordnung eingeleitet. 1972 wurden die mehrmonatigen Kurse für Nachwuchskräfte aus dem ländlichen Raum schließlich eingestellt, die Weiterbildungsseminare des daraufhin gegründeten Absolvent*innen-Vereins finden aber nach wie vor statt.23
Wie Julia Müllegger bereits dargelegt hat, ging es bei der Reduzierung der volkstümlichen Veranstaltungen strategisch um eine Kurs- und Imagekorrektur,24 die 1968 im neuen Namen „Bundesheim für Erwachsenenbildung des Bundesministeriums für Unterricht“ vorerst allerdings nur wenig verdeutlicht wurde. Neben neuen Themen wie Altenbildung samt Ausbildungsprogrammen für Mitarbeitende in der Altenbildung, Mitarbeiterseminaren zu „Politischer Bildung als Aufgabe der Erwachsenenbildung“, Seminaren für „Lehrkräfte als Mitarbeitende in der Erwachsenenbildung“ oder ersten Seminaren zu Management in der Erwachsenenbildung wurde eine Vielzahl weiterer Themen in Seminarform behandelt. So etwa Seminare zu „Erziehung und Demokratie“ unter Einbeziehung des jungen Politikwissenschafters Anton Pelinka, themenspezifische Maturant*innen-Seminare (etwa zu „Der Intellektuelle als Leitbild“), Seminare zur Weiterentwicklung der Bücherei-Leiter-Kurse oder hochrangig besetzte, erstmalige Seminare zu „Hörfunk und Fernsehen“. Als frühe Form der Qualitätssicherung wurde darüber hinaus auch neue Methoden der internen Kursevaluation über Fragebögen implementiert.25
Unter Einbeziehung von Vertretern der Erwachsenenbildungsverbände wurde 1969 zudem auch der Versuch einer Präzisierung der Aufgabenstellung des BIFEB unternommen: Der unikale Charakter des Hauses wurde allgemein darin gesehen, durch den subsidiären Auftrag Aufgaben für die Erwachsenenbildung zu erfüllen, welche die Verbände selbst nicht leisten können; so etwa durch kostenintensive, gesamtösterreichische Tagungen zu Spezialfragen sowie repräsentative, internationale Tagungen.26
Eine weitere zentrale Aufgabe, neben der Ausrichtung von Tagungen für das Unterrichtsministerium, sah man in einer einheitlichen Aus- und Weiterbildung von Mitarbeiter*innen in der Erwachsenenbildung – angefangen vom Leitungspersonal bis zu programmplanerisch-administrativem Personal, wobei von Beginn an die Vergabe von Zertifikaten in die Diskussion einbezogen wurde.27
Zur Erarbeitung künftiger Schwerpunktprogramme sollte dem Bundesheim für Erwachsenenbildung zudem ein überregionaler Programmbeirat, dem Delegierte der Arbeiterkammer und des Berufsförderungsinstituts (BFI), der Volkshochschulen, der Massenmedien, der Bildungsheime, des Büchereiwesens und der Universität angehören sollten, jährlich zwei- bis dreimal beratend zur Seite stehen.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen und Diskussionen hatte Ende der Sechzigerjahre eine dienstleistungsorientierte Positionierung des Bundesinstituts stattgefunden, die sich mit kürzer dimensionierten Angebotsformen und Ansätzen zeitgemäßer gruppendynamischer Konzepte an die gesamte österreichische Erwachsenenbildung als Klientel richtete und inhaltlich an aktuellen Themen- und Aufgabenstellungen orientiert war, die lose an rezente Diskurse in der Bundesrepublik Deutschland anknüpften.
Ausgelöst durch einzelne UNESCO-Berichte,28 den 1970 formulierten bundesdeutschen „Strukturplan für das Bildungswesen“ sowie Überlegungen der OECD zu einer prononcierteren Bildungsplanung verstärkte sich vor dem Hintergrund der erforderlichen Anhebung des Qualifizierungsniveaus auch in Österreich auf bundespolitischer Ebene die Forderung nach einem gezielten Ausbau der allgemeinen und beruflichen Erwachsenenbildung.
Der bildungspolitischen Stagnation in der Großen Koalition von ÖVP und SPÖ, die grundlegende Reformen lange Zeit undurchführbar machte, folgte unter der Alleinregierung von Bruno Kreisky eine breit angelegte Bildungs- und Universitätsreform. Im Hinblick auf die von Bundeskanzler Bruno Kreisky und Unterrichtsminister Fred Sinowatz erwünschte Kooperation und Modernisierung im Bereich der Erwachsenenbildung spielte das Unterrichtsministerium sowie insbesondere der im Mai 1971 neubestellte Abteilungsleiter Hans Altenhuber eine entscheidende Rolle bei der Überwindung des Lagerdenkens, bei der österreichweiten Zusammenarbeit und dem Abbau tiefsitzender Befürchtungen seitens der Erwachsenenbildungsverbände gegenüber jeder als ‚unziemlich‘ gewerteten staatlichen Einmischung in die „Freiheit“ der Erwachsenenbildung.
Das 2024 zu feiernde Jubiläum bezieht sich auf die zu Beginn des Jahres 1974 erfolgte Umbenennung des Bundesheims in „Bundesinstitut für Erwachsenenbildung“, die mit dem ein Jahr zuvor, nämlich am 21. März 1973, vom Nationalrat beschlossenen Bundesgesetz über die „Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln“ im Zusammenhang stand. Mit diesem für die österreichische Erwachsenenbildung wichtigen Gesetz, das die bereits bisher geübte Praxis der Bundessubventionierung legalisierte, ohne die komplexe verfassungsrechtliche Grundlage anzutasten, verpflichtete sich der Bund erstmals zur Förderung der Erwachsenenbildung, jedoch ohne jede Bindung an eine Subventionshöhe.
Im Wortlaut des Erwachsenenbildungsfördergesetzes wird in Paragraf 11 nur allgemein und unspezifisch festgehalten, dass der Bund „Institute zur Aus- und Fortbildung von Erwachsenenbildnern und Volksbibliothekaren errichten und erhalten“ kann, mit der angefügten Einschränkung, dass diese Institute über Unterkünfte und Verpflegungseinrichtungen für die Benützung durch Kurs- und Seminarteilnehmende zu verfügen haben.29 Allein aus den in den stenografischen Protokollen des Österreichischen Nationalrats publizierten „Erläuterungen“ zum Gesetz geht hervor, worauf dieser Paragraf konkret gemünzt ist und welche Aufgaben und Ziele der Bund hier zu setzen gedachte. So heißt es mit Bezug auf Paragraf 11 des Gesetzes, dass die „Bestimmungen im Wesentlichen dazu dienen, in erster Linie dem »Bundesheim für Erwachsenenbildung St. Wolfgang« als nachgeordnete Dienststelle des Unterrichtsministeriums die nötige einwandfreie gesetzliche Grundlage zu schaffen.“30
In Kenntnis existierender Ängste und Befürchtungen im Feld der österreichischen Erwachsenenbildung vor staatlicher Einflussnahme heißt es weiter, dass damit „keineswegs die Absicht verbunden (ist), diesem Sektor der Erwachsenenbildung eine Monopolstellung zu verschaffen.“31
Die Umbenennung des bisherigen „staatlichen Bundesheims“ in „Bundesinstitut für Erwachsenenbildung“ war offenkundig ohne vorausgehenden, intensiveren Diskussionsprozess erfolgt – jedenfalls lässt sich dies nirgendwo ersehen. Abgesehen von Hans Altenhubers grundsätzlicher Überzeugung von der Relevanz wissenschaftsbasierter Zugänge in der Erwachsenenbildung sowie einer gesetzlich abgesicherten Grundlage der Einrichtung war das Unterrichtsministerium hier lediglich dem rahmenrechtlichen Wortlaut des Erwachsenenbildungsfördergesetzes gefolgt. In einer vom damaligen Sektionsrat Dr. Heinz Pruckner unterfertigten ministeriellen „Neufassung der Dienstanweisung“ vom 8. Jänner 1974 [im Original mit „1973“ falsch datiert], die erstmals an die „Direktion des Bundesinstituts für Erwachsenbildung St. Wolfgang“ adressiert wurde, findet sich nur an drei von insgesamt 13 Stellen handschriftlich „Bundesheim“ durch „Bundesinstitut“ ersetzt.32
Implizit dokumentiert diese aktenkundige Beiläufigkeit, mit der der neue Institutsname ohne formellen Gründungsakt oder konzeptuell ausgearbeitete Grundlage Einzug hielt, dass die nunmehrige zentrale Aufgabenstellung auf gesetzlicher Grundlage zwar durch eine begriffliche Präzisierung im Namen Ausdruck verliehen wurde, diese aber keineswegs als Bruch mit der bisherigen Tradition der Bildungsarbeit angesehen wurde. Auch wenn unter dem neuen Institutsnamen der von der Regierung Kreisky angestrebte Ausbau der Erwachsenen- und Weiterbildung auf Basis fachlich-methodischer Qualifizierung nunmehr auch durch ein österreichweites Institut vorangetrieben werden sollte, war die nachfolgende Entwicklung doch durch mindestens ebenso viel Kontinuität wie Neubeginn gekennzeichnet. Hierzu einige Beispiele. Bereits vor 1974 war die Aus- und Weiterbildung ein zentrales Element des Programmangebots, bereits vor 1974 war Strobl Austragungsort österreichweit wichtiger Debatten und zentraler strategischer Veranstaltungen mit führenden Vertreter*innen der Erwachsenenbildung. Und es ist kein Zufall, dass sowohl die Gründung der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs als auch grundlegende Überlegungen für das Erwachsenenbildungsfördergesetz an diesem speziellen Lern- und Verständigungsort nicht nur maßgebliche Impulse erhielten, sondern hier Animositäten beseitigt, „Neue Wege der Zusammenarbeit“ beschritten und im Oktober 1971 schließlich die finale Einstimmigkeit zur Gründung der „Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs“ (KEBÖ) als unabhängiges kooperatives Organ der (damals) zehn Verbände der österreichischen Erwachsenenbildung erzielt werden konnte, die im Mai 1972 – ebenfalls in Strobl – durch einhelligen Beschluss gegründete wurde.
Von der KEBÖ als partnerschaftlichem Beratungsorgan des Ministeriums, deren Jahrestagungen bis 1987 nahezu durchgängig in Strobl stattfanden, wurden mit Unterstützung des Ministeriums umgehend eine Vielzahl an Themen und Konzepten erarbeitet, die unter Einbeziehung und zum Teil auch Federführung des BIFEB umgesetzt werden konnten. So etwa die Erarbeitung einer einheitlichen „Terminologie der Erwachsenenbildung“ oder – als Fortsetzung und Ausbau des seit 1970 laufenden dreigliedrigen Zertifikatslehrgangs – im Bereich der österreichweiten Mitarbeiterausbildung das Konzept des „Grundlehrganges für Erwachsenenbildung“, der im April 1975 startete, bis 1992 lief und anschließend unter dem Titel „Eb-Profi“ als Lehrgang eine verbandsübergreifende berufsbegleitende Ausbildung für pädagogische Mitarbeitende offerierte. Seit Februar 2007 erfolgt die Akkreditierung über die neugeschaffene Weiterbildungsakademie, die zunächst auch vom BIFEB getragen wurde. Erfolgreich komplettiert wurde dieser kooperativ vorangetriebene Prozess einer einheitlichen Qualitätssicherung 2012 durch die Zertifikatsvergabe durch Ö-Cert, den durch Bund und Länder getragenen Qualitätsrahmen für Erwachsenenbildungs¬organisationen in Österreich.
Bereits Ende der 1970er-Jahre wurden im BIFEB erste Seminare zu „Bildungsmanagement“ gestartet, die auf Initiative des Bundesministeriums für Unterricht nachfolgend zu Pilot-Lehrgängen der ARGE Bildungsmanagement führten und 1994 schließlich im Start eines eigenen Diplomlehrgangs mündeten, dem schließlich eigene Universitätslehrgänge an der Universität Klagenfurt oder an der Donau-Universität Krems folgten. Bildungsmanagement, bestehend aus Grundlagenseminaren, Qualitätsmanagement, Personalmanagement, Bildungsmarketing, Controlling und evidenzbasierte Planung und Steuerung von Lehr-Lernprozessen bildet heute einen der zentralen Programmbereiche des Bundesinstituts für Erwachsenenbildung.
Auch Bildungsberatung wurde bereits 1974 verstärkt als notwendige Orientierungsmaßnahme erkannt, bis 1999 im Kontext der OECD-Ziele zur „Lifelong Guidance-Strategie“ am BIFEB schließlich ein eigener Lehrgang für „Bildungs- und BerufsberaterInnen“ als Teil der österreichischen Lifelong-Learning-Strategie eingerichtet wurde. Der 1999 etablierte zweijährige Lehrgang für Bildungs- und Berufsberater*innen ist Teil der österreichischen Umsetzung der Lifelong-Learning-Strategie. Bis heute ist Bildungs- und Berufsberatung ein weiterer zentraler Programmbereich des Hauses.
Neben der Erschließung bildungsbenachteiligter sowie neuer Zielgruppen wurde des Weiteren bereits 1975 auf Initiative des Unterrichtsministeriums ein Konzept für die Einrichtung eines „Zweiten Bildungswegs“ erarbeitet und erste Veranstaltungen dazu in Strobl abgehalten.
Auch im Bereich der Neubestimmung von „Volkskultur“ und des Begriffs „Heimat“ als neugefasste „regionale Identität“ war das Bundesinstitut zentral miteingebunden: In Zusammenarbeit von BIFEB und dem Ring der Österreichischen Bildungswerke wurde 1979 ein erstes Seminar zu „Gemeinwesenarbeit als Strategie der Erwachsenenbildung“ veranstaltet.33 Bis heute ist die daraus hervorgegangene „Werkstätte Gemeinwesenarbeit“ ein wichtiger Programmbestandteil des BIFEB, der auf die demokratiepolitische Handlungsaktivierung zur Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen zielt.
Last but not least zählen auch die von Beginn an gemeinsam mit dem Verband österreichischer Volksbüchereien – dem heutigen Büchereiverband Österreichs – entwickelten zweigliedrigen Ausbildungskurse für ehrenamtliche und nebenberufliche Büchereimitarbeiter*innen zum traditionellen Programmangebot am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung. Zur weiteren Professionalisierung in diesem Berufsfeld wurde darüber hinaus 1988 ein abschlussorientierter, beständig nachgefragter Lehrgang für hauptberufliche Bibliothekar*innen an öffentlichen Büchereien eingerichtet, dessen angeschlossenes, auf neueste Trends hin orientiertes Fortbildungsangebot für bereits ausgebildete Bibliothekar*innen stark nachgefragt wird.34
Zusätzlichen Aufschwung und Impulse für eine modernisierte, professionalisierte und damit insgesamt aufgewertete Erwachsenenbildung ergaben sich durch die von der Abteilung Erwachsenenbildung und ihrem damaligen Leiter Karl Dillinger initiierte „Entwicklungsplanung für ein kooperatives System der Erwachsenenbildung in Österreich“. Dabei wurde – unter Einbeziehung der Förderstellen und des Bundesinstituts für Erwachsenenbildung – auch ein Anlauf zu einer systematischen und kontinuierlichen Verbesserung der Organisationsstrukturen, der Personalsituation, der Mitarbeiterqualifikation sowie der Inhalte und Methoden unternommen.35
Infolge der Fokussierung auf Pilotprojekte ohne adäquate Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen für den Transfer in den praktischen Regelbetrieb blieb die auf Erneuerung und Weiterentwicklung zielende kooperative Zusammenarbeit – nicht zuletzt auch angesichts massiver Budgetkürzungen in den Jahren zwischen 1987 und 1991 – allerdings auf halbem Wege stecken. Die Bildungsreform blieb letztendlich blockiert und die Erwachsenenbildung – trotz oder gerade wegen zunehmender Konkurrenz und Marktorientierung im Anbieterfeld – weiterhin „Stiefkind der Bildungspolitik“, wie Gerhard Bisovsky zutreffend konstatierte.36
Neue Aufgabenstellungen für die Erwachsenenbildung ergaben sich insbesondere mit dem EU-Beitritt Österreichs 1995 durch die zunehmende Ökonomisierung, den europaweiten Aufschwung beruflich verwertbarer, qualifikatorischer Kompetenzen sowie durch ansteigende Privatisierungstendenzen bei schleichendem Rückgang staatlicher Förderausgaben. Angesichts dieser Herausforderungen, die sich unter anderem in vermehrten internationalen Projektaktivitäten niederschlugen, setzte das BIFEB bildlich gesprochen Segel und leistete als Impulsgeber und als Austragungsort österreichweiter Projekte und Angebote einen kaum zu überschätzenden Beitrag für eine reflexiv gesteuerte Professionalisierung der Erwachsenenbildung.
Neben einer von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie von allen Unterrichtenden gelebten „Didaktik der Achtsamkeit“, einer ausgeprägten Teilnehmer*innenorientierung, die über unmittelbare Seminar- oder Kurszusammenhänge weit hinausgeht, wurden im Bundesinstitut spätestens seit Ende der 1970er-Jahre zunehmend auch methodische beziehungsweise didaktische Innovationsmöglichkeiten geprüft und umgesetzt.
Nicht zuletzt war es eine an sozialwissenschaftlichen Methoden und rezenter Theoriebildung geschulte jüngere Generation an pädagogischen Kräften, die unter dem von Hans Altenhuber 1981 bestellten Direktor Ernst Gattol in hohem Maße dazu beitrug, dass Wissenschaftlichkeit, Methodenvielfalt, Interdisziplinarität, Experimentierfreude, Vernetzung auf nationaler und europäischer Ebene, Stärkung des Professionsbezugs sowie ein über unmittelbare Projekte hinausgehender kollegialer Austausch zu einem selbstverständlichen Standard in der österreichischen Erwachsenenbildung wurden.
Ab Ende der 1990er-Jahre erweiterte sich das wissenschaftliche Wirkungsfeld des Bundesinstituts, indem durch eine Reihe von Analysen, Studien, Erhebungen und Dokumentationen zur Situation der Erwachsenenbildung in verstärktem Maße anwendungsorientierte Forschung betrieben wurde, die sich auch für die Schwerpunktsetzung des Programmangebots auf Vermittlung und Entwicklung von didaktischen Kompetenzen auf Unterrichts- und Programmebene fruchtbringend einsetzen ließ.
Die Neugestaltung und Erweiterung des Bürglhauses samt Zubau des multifunktional angelegten „Bürglsaals“, der 1986 erfolgte Neubau des Wiesenhauses sowie die Generalsanierung und Neugestaltung des Seehauses im Jahr 1998 schufen eine moderne Infrastruktur für den Tagungs- und Seminarbetrieb sowie für eine adäquate Unterbringung einer steigenden Zahl an Nächtigungen. Die mit rezenter Fachliteratur gut ausgestattete und professionell geführte Studienbibliothek komplettiert das lokale Studien- und Reflexionsangebot seit langer Zeit in optimaler Art und Weise.
Trotz des wohl nicht immer gänzlich friktionslosen Zusammenspiels37 mit der allerdings zumeist weitblickend agierenden ministerialen Abteilung Erwachsenenbildung und den KEBÖ-Verbänden gelang die Konsolidierung der Aufgabenstellungen des Bundesinstituts als weithin anerkannte zentrale Qualifizierungsanbieterin, als eigenständige wissenschaftsbasierte Ideen- und Entwicklungswerkstatt samt perfekt geführtem Beherbergungs- und Einmietungsbetrieb mit Flair und Erholungsfaktor. Für die auf solidem Management beruhende, qualitätstestierte Lern- und Bildungsdienstleistung erhielt das BIFEB im Oktober 2013 die Auszeichnung mit dem Umweltzeichen für „Tourismus“ sowie für „außerschulische Bildungseinrichtungen“.
In die „Ära Gattol“ fiel aber unzweifelhaft eine der schwersten Krisen des Hauses, indem es 2002/03 die im Zuge der neoliberalen Einsparungs- und Entstaatlichungswelle während der „Regierung Schüssel I“ bereits eingeleitete Umwandlung des BIFEB in eine private GmbH abzuwehren galt, was durch couragierten, persönlichen Einsatz glücklicherweise gelang38 – die sieben bundesstaatlichen Erwachsenenbildungsförderstellen wurden mit Dezember 2002 allerdings aufgelöst, wodurch eine wichtige Struktur des Bundes für die Koordinierung der Erwachsenenbildung auf Länderebene wegbrach.
Mehr Planungssicherheit und eine Verbesserung des finanziellen Handlungsspielraums ergaben sich schließlich mit der im Dezember 2003 in Kraft getretenen Verordnung „über die Bestimmung des Bundesinstituts für Erwachsenenbildung St. Wolfgang als Organisationseinheit mit ‚Flexi-Klausel‘“, wodurch die eigenständige wirtschaftliche Gestaltung der Aufgaben auf Basis eines zugewiesenen Detailbudgets und der Möglichkeit, Rücklagen zu bilden, verbessert werden konnte.39
Nachdem sich das Bundesinstitut bereits ab der letzten Jahrhundertwende programmatisch als „Zentrum für Kompetenzerweiterung“ positioniert hatte, und damit den Schwerpunkt klar auf die sozialwissenschaftlich-pädagogisch untermauerte Förderung von Potenzialen, Fähigkeiten und Dispositionen legte, wurde der spezifische Qualifizierungsauftrag des BIFEB im Dezember 2006 qua Bundesverordnung auch rechtlich verankert. In der Verordnung wird das BIFEB dezidiert als „Kompetenzzentrum für Erwachsenenbildung“ apostrophiert und als dessen Aufgabe die Beteiligung an Programmen der Europäischen Union, der Ausbau internationaler Kooperationen, der verbands- und länderübergreifenden Entwicklungs- und Grundlagenarbeit sowie die Auslastung der Infrastruktur im Sinne eines kostendeckenden Wirtschaftsbetriebes angegeben. Das bildungspolitische Ziel des BIFEB wird in der Verordnung dadurch definiert, „qualitativ hochwertige Programme zur Aus- und Weiterbildung hauptberuflicher, nebenberuflicher und ehrenamtlicher Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung und im öffentlichen Bibliotheksbereich unter Beachtung ökonomischer Kriterien“40 anzubieten. Darüber hinaus soll die bundesstaatliche Organisationseinheit dazu beitragen, das „Weiterbildungsbewusstsein und die Auseinandersetzung zum Thema des »Lebensbegleitenden Lernens« durch Information und Beratung zu erhöhen und zu intensivieren.“41
Wie aus einer von Claudia Schume konzise angelegten Analyse des Veranstaltungsangebots des BIFEB in den Jahren von 1974 bis 2007 klar hervorgeht, hat das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, auch wenn der Verberuflichungsprozess der Erwachsenenbildung noch lange nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann, auf Ebene des Programms, des Unterrichts, der Zielgruppen und der inhaltlichen Schwerpunktsetzungen maßgeblich zur Professionalisierung der österreichischen Erwachsenenbildung beigetragen und damit implizit auch die intendierte Weiterentwicklung des Berufsfeldes vorangetrieben.42
Im Rahmen der bewährten partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Ministerium, Bundesinstitut und den Erwachsenenbildungsorganisationen ließen sich anfängliche Gegensätze wiederholt durch gemeinsame, kooperativ vorangetriebene Projekte und Aktionen überbrücken und gemeinsame Schritte in Richtung Innovation, wissenschaftsbasierter Modernisierung und Professionalisierung unternehmen. Die beständige Suchbewegung, die überinstitutionelle „Schrittmacherfunktion“ sowie die „Dienstleistungsfunktion für die österreichischen Erwachsenenbildungsorganisationen“ haben sich als spezifische Qualitäten des Bundesinstituts als Kompetenzzentrum und kulturellem Begegnungsort, wo neben einem ganzheitlichen, immer kritisch gewendeten Bildungsbegriff auch Muße seinen Platz hat, bis in die Gegenwart unzweifelhaft weiter verstetigt und analog zu den jeweils aktuellen gesellschaftlichen Aufgabenstellungen diversifiziert.
Mit der Flüchtlingskrise 2014 wurde Migration – keinesfalls zum ersten Mal in der Geschichte des Hauses – neuerlich zu einem herausfordernden Thema. Durch Erarbeitung von „Leitlinien für die Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft“ wurden unter maßgeblicher Mitwirkung des BIFEB, die Potenziale von Migration für das breite Feld der Erwachsenenbildung benannt und allen diskriminierenden sowie rassistischen Ansätzen entgegengetreten.
Bald nach Einführung der „Initiative Erwachsenenbildung“ im Jahr 2012 – kürzlich umbenannt in „Level Up – Erwachsenenbildung“ – stieß die Abteilung Erwachsenenbildung im Bildungsministerium durch eine Reihe an Fachtagungen und Fokusgruppen auch am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung in St. Wolfgang die Auseinandersetzung mit Basisbildungsbedarfen und Bildungsbenachteiligung an.
Angesichts der Verbreitung und des enormen Einflusses der sogenannten Sozialen Medien rückte ab 2016 auch Kritische Medienkompetenz im Sinne der „Critical Media Literacy“ zunehmend ins Zentrum der Bildungsarbeit, wobei auch erste Kooperationen mit Freien Radios entstanden. Angetrieben und beschleunigt durch die Corona-Pandemie erfolgte schließlich auch eine vertiefte innerorganisatorische Auseinandersetzung mit kritischer Medienkompetenz und neuen Formen des Lehrens und Lernens samt einer Neugestaltung der BIFEB-Homepage. Gegenwärtig ergänzen hochaktuelle Angebote zu den Einsatzmöglichkeiten, Herausforderungen und Gefahren der Künstlichen Intelligenz für die Erwachsenenbildung das medienpädagogische Angebot des Bundesinstituts.
Nach den letzten baulichen Sanierungsschritten – 2008 erfolgten die Renovierung und der Umbau des Berghauses sowie 2013 der Ausbau in Richtung Barrierefreiheit – scheint die duale Konzeption von Seminar- und Tagungsbetrieb einerseits und Gästebeherbergungsbetrieb andererseits mit all den hohen Qualitätsansprüchen an Konzeption, Organisation und Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen zu einer in jeder Hinsicht gut funktionierenden Einheit verschmolzen.
Möge der, wie gezeigt, in mehrfacher Hinsicht singuläre Ort der österreichischen Erwachsenenbildung auch in den nächsten Jahrzehnten ein inspirierender, kreativer und zusammenführender Lern- und Verweilort der österreichischen Erwachsenenbildung bleiben und – eine ernstgemeinte Anregung – seine vielgestaltige Kultur- und Zeitgeschichte samt den dunklen Kapiteln des Areals hier auf dem Gelände sichtbar und begehbar dokumentieren und in produktive Erinnerung bringen.
Abschließen möchte ich mit den Worten der früheren Direktorin Grete Wallmann aus der Festschrift zum 40-Jahr-Jubiläum:
„Das BiFEB schöpft seinen Geist und seine Kraft aus dieser Vielfalt an Gedanken und Ideen und aus der Dynamik, die sich aus seiner Position zwischen bildungspolitischen EntscheidungsträgerInnen und Institutionen, aus seiner neutralen und offenen Haltung gegenüber unterschiedlichen Interessen entwickelt, aber auch aus seiner immer wieder kritischen Position, wenn es darum geht, Stellung zu beziehen.“43 //
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