Radiopreise der Erwachsenenbildung

Radiopreise der Erwachsenenbildung

Für den Radiopreis 2018 wurden so viele Produktionen wie noch nie, nämlich 159, eingereicht. Die Vorjury konnte nur mit Hilfe des von der FH St. Pölten entwickelten elektronischen Jurytools aus allen Einreichungen 18 Produktionen nominieren. In der Vergabejury waren 16 Personen tätig, davon fünf Journalistinnen und Journalisten von: APA, Die Furche, Die Presse, Profil und Der Standard sowie elf VertreterInnen der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs und des Büros Medienpreise. Die nominierten Sendungen wurden von Martin Haidinger, Wissenschaftsredakteur und Producer des „Salzburger Nachtstudios“, vorgestellt. Ernst Sandriesser vom Forum Katholischer Erwachsenenbildung eröffnete originell und mit einem tiefgründigen Statement die Festveranstaltung.

Begrüßung zur Radiopreisverleihung

Ernst Sandriesser

„Als die Athener einmal in einer Volksversammlung den Redner Demosthenes am Sprechen hinderten, sagte er: Ich will euch eine kurze Geschichte erzählen.

Als sie endlich schwiegen, begann er:

Ein Jüngling mietete sich zur Sommerzeit einen Esel, um von der Stadt Athen nach Megara zu reiten.

Als es Mittag war und die Sonne unbarmherzig brannte wollten sich der Eseltreiber, aber auch der junge Mann in den Schatten des Esels setzen.

Sie suchten sich nun gegenseitig daran zu hindern, wobei der eine darauf hinwies, er habe zwar den Esel, nicht aber dessen Schatten vermietet, und der andere erwiderte, er habe den Esel mitsamt seinem Schatten gemietet.

Nach diesen Worten schickte sich Demosthenes an fortzugehen.

Als ihn nun die Athener zurückhielten und ihn baten, ihnen doch die Geschichte zu Ende zu führen, rief er:

Wie? Wenn es um eines Esels Schatten geht, wollt ihr zuhören, wenn einer aber über ernsthafte Dinge spricht, wollt ihr nicht zuhören?“1

Die glorreichen Zehn (Einrichtung der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreich) unterbrechen alljährlich im Jänner das Geplappere über Esel und welche Schatten sie werfen, und welche Esel größere Schatten werden und öffnen einen Raum für Hirn und Herz, entführen sich ins Reich der Qualität, laden sie ein, ernsthaften Dingen zuzuhören, glauben an die humanisierende Kraft des Wortes, vertrauen dabei stur wie ein Esel auf das Medium Radio und tun dies zum 21. Mal hier im Radiokulturhaus.

Fußnote: Friedrich Dürrenmatt schrieb in Anlehnung an den antiken Stoff das Hörspiel „Der Prozeß um des Esels Schatten“, mit dem er 1951 beim Schweizer Rundfunk als Hörspielautor debütierte. //

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Gruppenbild der PreisträgerInnen
Foto: Michaela Obermair

Radiopreis für Kultur an Roberta Hofer für „Die vergessenen Bergwerke Höttings“

Gemeinsam mit Peter Gstrein, dem Geologen, Lagerstättenkundler und Bergmann horcht Roberta Hofer in den Berg hinein und setzt sich radiophon anspruchsvoll mit der bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte der Bergwerke in Hötting an der Innsbrucker Nordkette auseinander.

Roberta Hofer hat in Innsbruck Lehramt für Deutsch und Englisch studiert. Von 2005 bis 2007 war sie als Radio- und Fernsehredakteurin für den ORF Tirol tätig. Seit 2018 produziert und moderiert sie als freie Journalistin hauptsächlich Kulturbeiträge und -sendungen für FREIRAD, das freie Radio Innsbruck. Neben ihrer journalistischen Tätigkeit unterrichtet und forscht sie seit 2015 als Assistentin am Institut für Amerikastudien der Universität Innsbruck zu Filmwissenschaft, Theater- und Performance Studies, Puppentheater. Weiters entwickelt sie Heftseiten, Hörübungen und Songs für die Lernunterlagen für Kindergarten und Schule, die der Jungösterreich-Zeitschriftenverlag publiziert.

Kategorie Information an Claudia Gschweitl

Die Sendung „Ich bin der, den jeder Politiker kennt“ über den syrischen Flüchtling, der sich so soweit integriert, dass er selbst der steirischen Sprache mächtig wird und sich dem Kernöl verschreibt, setzt sich mit dem schweren Thema Flucht augenzwinkernd auseinander. Der Humor trifft sowohl die Bevölkerung des Aufnahmelandes als auch den Geflüchteten.

Claudia Gschweitl studierte Publizistik, Germanistik und Philosophie in Wien und Den Haag. In ihrer 2009 publizierten Diplomarbeit „Gehört – verstanden“ befasst sie sich mit einem sehr wichtigen Thema, nämlich der Verständlichkeit von Hörfunknachrichten. Seit 2008 ist sie bei Ö1 tätig. Sie gestaltet Beiträge und Features für die Sendungen „Leporello“, „Ex libris“, „Tonspuren“, „Talentebörse“ und „Gedanken“ und ist außerdem in der Ö1-Online-Redaktion beschäftigt.

Vor wenigen Tagen wurde ihr Porträt des Barocklyrikers Daniel Caspar von Lohenstein gesendet, der gleichermaßen bedeutend war wie sein Zeitgenosse Johann Sebastian Bach.

Kategorie Bildung/Wissenschaft – Eduard-Ploier-Preis an Julia Hofbauer

Die von Radio Orange 94.0 ausgestrahlte Sendung „Mir lebn ejbig“ beleuchtet das Thema jüdische Musik und Konzentrationslager durchaus umfassend und aus der Perspektive und dem starken Willen des Überlebens.

Julia Hofbauer hat das Bakkalaureat der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien absolviert. Seit 2010 ist sie Mitglied der Redaktion von „Radio Stimme“, dem Radiomagazin der „Initiative Minderheiten“. Das Besondere an Radio Stimme ist für Julia Hofbauer die Kombination aus sachlicher Berichterstattung, politischem Aktivismus und Kreativität. Weiters war Hofbauer Teil der „Gehörgänge“-Redaktion, die von 2014 bis 2016 radiophone Stadtspaziergänge an Orten in Wien gestaltet hat, an denen Kämpfe um gleiche Rechte stattgefunden haben. Julia Hofbauer engagiert sich bei der Lokalen Agenda 21 auf Bezirksebene, hauptberuflich ist sie derzeit an einem Institut der TU Wien für Öffentlichkeitsarbeit, Forschungsmarketing und Vertrieb zuständig.

Kategorie Interaktive und experimentelle Produktionen

Der Radiopreis 2018 ging an die Lehrerin Katharina Scharinger und die Redakteurin Carla Stenitzer vom Jugendradio der Radiofabrik – Freier Rundfunk Salzburg für die von Schülern der 7. Klasse Privatgymnasium Borromäum gestaltete Sendung „Fake News“. Die Jury hat sich, trotz einiger technischer Mängel für die originell gestaltete Sendung ausgesprochen, die das Thema von verschiedenen Seiten untersucht hat.

Katharina Scharinger ist seit 2016 Lehrerin für Deutsch, Psychologie und Philosophie am Privatgymnasium Borromäum Salzburg. Ihr Lehramtsstudium Deutsch und Psychologie und Philosophie schloss sie ein Jahr zuvor an der Universität Salzburg ab, wo sie auch eine Zusatzausbildung absolvierte, nämlich „Deutsch als Fremdsprache – Deutsch als Zweitsprache“. Unterrichtserfahrungen hat sie auch in Australien gesammelt, und als Freiwillige hat sie Asylsuchende unterrichtet.

Carla Stenitzer ist seit 2009 bei der Radiofabrik tätig. Neben der Produktion eigener Beiträge und Auftragsproduktionen für Salzburger Kultureinrichtungen fasste sie schnell in der Aus- und Weiterbildung Fuß und übernahm die Leitung der Ausbildungsabteilung. Bald darauf gesellte sich das Bild zum Ton und Carla Stenitzer leitet zusätzlich den Workshopbetrieb des Community TV Senders FS1 in Salzburg. Sie konzipiert und hält Workshops für Schüler, Kinder und Jugendliche und ist als Referentin in der Erwachsenenbildung tätig: an der Pädagogischen Hochschule, am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung, an der Universität Salzburg und an der Fachhochschule Salzburg. Mit dem Salzburger Kinderrechtspreis, dem Media Literacy Award des Bildungsministeriums, dem Landes-Jugend-Medienpreis 2016 des Landes Salzburg wurden Produktionen, an denen sie mitgewirkt hat, ausgezeichnet. Ein besonderes Anliegen ist ihr die Vermittlung kritischer Medienkompetenz.

Kategorie Sendereihen

Der Radiopreis der Erwachsenenbildung wurde für Betrifft:Österreich an Rosemarie Burgstaller, Hanna Ronzheimer, Michael Liensberger und Robert Weichinger verliehen.

Betrifft: Österreich

Diese Spezial-Sendereihe war eine von zahlreichen Radio-Aktivitäten zum Gedenkjahr. Am 12. März 2018 wurden alle fünf Minuten vor jeder vollen Stunde die Ereignisse des sogenannten Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland beleuchtet. Dies geschah zwölf Stunden hindurch. Historikerinnen und Historiker taten dies anhand von historischen Zeitzeugen-Interviews und Originaltonmaterial aus 1938. Die Sendereihe Betrifft: Österreich ist nicht nur vom Inhalt und Format her sehr gut gelungen, sie ist auch zeithistorisch und rundfunkgeschichtlich sehr wertvoll. Denn viele der verwendeten O-Ton-Dokumente wurden erst 2017 im Deutschen Rundfunkarchiv entdeckt und nach Österreich zurückgebracht.

Alle zwölf Folgen der Sendereihe „Betrifft: Österreich“ sind im Internet dauerhaft abrufbar. Darüber hinaus werden auch Hinweise für den didaktischen Einsatz gegeben inklusive der Verwendung des kostenlosen Online-Tools Thinglink. Zusätzlich zu den Radiosendungen wird auch ein Film mit Zeitzeugen-Interviews geboten, der Analysen des Medienwissenschafters Fritz Hausjell beinhaltet. Alle Sendungen stehen unter einer freien Lizenz zur Verfügung und eignen sich für die Verwendung in Schule und Erwachsenenbildung.

https://oe1.orf.at/artikel/650637

Rosemarie Burgstaller ist Zeit- und Kunsthistorikerin. Sie hat mehrere Projekte betreut und Ausstellungen kuratiert, wie zum Beispiel jene über Kunst und Widerstand im Ghetto Theresienstadt. Sie ist freie Mitarbeiterin bei Ö1, Projektmitarbeiterin an der Akademie der Wissenschaften und unterrichtet am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien. 2012 hat sie den Theodor-Körner-Preis für Wissenschaft und Kunst erhalten. Im Campus Verlag erscheint heuer das Buch „Inszenierung des Hasses. Feindbild-Ausstellungen im Nationalsozialismus“.

Die aus Ostfriesland stammende Hanna Ronzheimer studierte Sozial- und Kulturanthropologie, Anglistik und Deutsch als Fremdsprache in Wien und gestaltet für Ö1 Beiträge in den Bereichen Kultur und Wissenschaft. Zahlreiche Beiträge gestaltete sie für „Betrifft: Geschichte“, zu Themen wie dem Untergang des Aztekenreiches oder über Troja sowie auch zu zeithistorischen Themen wie „Frauen in der österreichischen Rätebewegung“ oder „Demokratie und Revolution“. Sie ist auch die Autorin und Gestalterin der Sendereihe über Weißrußland „Terra incognita im Schatten Russlands“. Für die nominierte Sendereihe „Hundert Häuser“ erarbeitete sie mehrere Portraits von Häusern.

Der aus Brixen in Südtirol kommende Michael Liensberger studierte in Wien Zeitgeschichte und spezialisierte sich auf Mediengeschichte in einem zeithistorischen Kontext. Während der Studienzeit absolvierte er Praktika in unterschiedlichen Archiven, unter anderem im ORF-Archiv.

Seit 2014 arbeitet Michael Liensberger im Multimedialen ORF-Archiv in der Abteilung Audio und betreut vorwiegend Hörfunkproduktionen durch die Recherche von zeithistorischen Originaltönen. Seiner Meinung nach gibt es kaum einen anderen Bereich, in dem die Verbindung zwischen der Speicherung, Verarbeitung und Wiederverwendung von Medieninhalten so eng miteinander verknüpft ist. Im Archiv finden sich die Materialien für Geschichten, die auf verschiedene Arten erzählt werden müssen.

Der Kulturwissenschafter, Publizist und Radiomacher Robert Weichinger wurde für seine Arbeiten bereits mehrfach ausgezeichnet: Mit dem Premios Ondas in Barcelona und dem Andreas-Reischek-Preis, beide gemeinsam mit Ludwig Fels, und dem Rudolf-Henz-Ehrenring, den er zusammen mit Peter Klein erhalten hat. Den Radiopreis der Erwachsenenbildung hat er 2009 erhalten, und zwar gemeinsam mit Martin Adel für die Sendung „Betrifft: Geschichte“. Weichinger verfasst Feuilletons, Kritiken, Dokumentationen, Features und Reportagen über soziokulturelle und wissenschaftliche Themen. Er hat zahlreiche Artikel veröffentlicht und Filme gestaltet und ist neben anderem einer der Herausgeber des Sammelbandes über Geheimbünde in Österreich mit dem charakterisierenden Titel „Mächtig. Männlich. Mysteriös.“

Überreicht wurden die Preise von: Michael Aichholzer, Ring Österreichischer Bildungswerke, Christian Deutsch, Vorstandsmitglied im Verband Österreichischer Volkshochschulen, Alice Fleischer, Wirtschaftsförderungsinstitut Österreich, Peter Härtel, Volkswirtschaftliche Gesellschaft Österreich, Christian Jahl, Vorstandsvorsitzender des Büchereiverbandes Österreich, Bernhard Keiler, Geschäftsführer des Ländlichen Fortbildungsinstitutes, Günther Lengauer, Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bildungshäuser Österreich, Pia Lichtblau, Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung, Ernst Josef Sandriesser, Geschäftsführer des Forum Katholischer Erwachsenenbildung und Michael Sturm, Geschäftsführer des Berufsförderungsinstitut Österreich. //

Nominierte Produktionen

Kultur

„Die vergessenen Bergwerke Höttings“ von Roberta Hofer, Freies Radio Innsbruck – FREIRAD, Hörlabor. „Das Lexikon der österreichischen Popmusik“ von Walter Gröbchen, Thomas Mießgang, Al Bird Sputnik, Astrid Schwarz; ORF, Ö1, Radiokolleg. „200 Jahre Ciao. Über das Grüßen und Abschiednehmen“ von Christoph Radinger; Freies Radio B138, KV138 Classical.

Dokumentation

„Mit einem Warmen kein Pardon“ von Jürgen Pettinger; ORF, Ö1, Hörbilder spezial. „Ich bin der, den jeder Politiker kennt“ von Claudia Gschweitl; ORF, Ö1, Tonspuren. Blumen gegen Panzer – 50 Jahre nach dem Ende des Prager Frühlings“ von Michael Koch, ORF-Radio NÖ, Nahaufnahme spezial. „Smarter leben mit Künstlicher Intelligenz? Wie KI die Gesellschaft konfiguriert“ von Sarah Kriesche; ORF, Ö1, Radiokolleg. „Wo die Frauen fehlen – die Landflucht ist weiblich“ Astrid Plank, Barbara Gansfuß-Kojetinsky, ORF, Ö1, Journal Panorama.

Bildung/Wissenschaft

„Neuer Blick auf alte Knochen. Was ‚Alte DNA‘ über die menschliche Urgeschichte verrät“ von Birgit Dahlheimer, ORF, Ö1, Dimensionen. „Mir lebn ejbig“ von Julia Hofbauer; ORANGE 94.0, Das Freie Radio in Wien, Radio Stimme. „Überschenken“ von Alexander Tschernek, ORF, Ö1, Philosophie Pur.

Kategorie Interaktive und experimentelle Produktionen

„Fake News“ von Schülern der 7. Klasse PG Borromäum, Katharina Scharinger (Lehrerin), Carla Stenitzer (Radiofabrik); Radiofabrik – Freier Rundfunk Salzburg, Jugendradio. „Das ABC der Finanzwelt“ von Juliane Nagiller, BA (Gestalterin), Ina Zwerger (Gestalterin und Sendungsverantwortliche); ORF, Ö1, Radiokolleg. „Hilft die Hilfe? Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit auf dem Prüfstand“ von Monika Maria Kalcsics; ORF, Ö1, Hörbilder.

Kategorie Sendereihen

„Hundert Häuser“, ORF, Ö1. „Im Gespräch“ ORF, Ö1. „Betrifft: Österreich“ ORF, Ö1 und „Passionswege“ radio klassik Stephansdom

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1   Pseudo-Plutarch, Moralia 848A/B. Vitae decem oratorum, Kapitel 8: Demosthenes.

Bisovsky, Gerhard (2019): Radiopreise der Erwachsenenbildung. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Winter 2018/19, Heft 266/69. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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