Vergleichen macht unglücklich, lehrt die Glücksforschung. Im Hinblick auf Bildung tragen vergleichbare Daten dazu bei, die jeweiligen Strukturen, Investitionen oder die Effektivität des nationalen Bildungssystems zu reflektieren. Da jedes Land aufgrund seiner historischen Entwicklung ein spezifisches Bildungswesen hervorgebracht hat, sollten die Nutzer*innen der umfangreichen Publikation die Lektüre nicht mit der Schärfe des Vergleichs, sondern mit dem Interesse an Orientierung beginnen. Dabei ist zu erfahren, welche politischen Bedingungen die Qualität von Lernergebnissen beeinflussen und welche Investitionen zu den jeweiligen individuellen und gesellschaftlichen Erfolgen im Bildungswesen führen.
Die „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) umfasst 38 „entwickelte“ Länder und kooperiert in der vorliegenden Publikation mit Partnerländern wie Brasilien, China, Indien, Indonesien, Saudi-Arabien und Südafrika. Mit den Analysen sollen Regierungen unterstützt werden, „die Bildungssysteme effektiver zu machen und so zu gestalten, dass sie allen offen stehen“ (S. 3).
Die auf wissenschaftlichem Konsens beruhenden Indikatoren und die entsprechenden Folgerungen strukturieren die Publikation in vier Kapitel. Das Erste beinhaltet „Bildungsergebnisse und Bildungserträge“ mit Aussagen zum Bildungsstand der Bevölkerung und ökonomisch-gesellschaftlichen Auswirkungen. Kapitel zwei, „Bildungszugang, -beteiligung und -verlauf“, beschreibt Voraussetzungen, um in die nächst höheren Bildungslevel einzutreten und gibt der Politik Hinweise, wie sie Chancengerechtigkeit oder internationale Mobilität fördern könnte. Das dritte Kapitel analysiert die „investierten Finanzressourcen“, die z. B. Ausgaben für die einzelnen Teilnehmer*innen als Kennzahl angeben, aber auch Lernbedingungen in der Klasse oder Lernumgebung von Schulen betreffen. Kapitel vier, „Lehrkräfte, das Lernumfeld und die Organisation von Schulen“, thematisiert ebenfalls den Input nationaler Bildungssysteme. Es handelt sich z. B. um die Unterrichtszeit der Lernenden, die Arbeitszeit von Lehrenden und Schulleitungen.
Der Schwerpunkt der Publikation liegt auf dem Tertiärbereich. Das begründet sich, weil ein Abschluss im Sekundarbereich oder postsekundär „für die erfolgreiche Teilhabe an einer modernen Wirtschaft und Gesellschaft entscheidend geworden“ ist (S. 50).
Zugleich lässt sich ein Konnex zu Erwachsenenbildung/Weiterbildung herstellen. Aufgrund des demographischen Wandels treten immer weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt ein – Digitalisierung und Automatisierung erleichtern die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Deshalb ist es dringend notwendig, die Kompetenzen der vorhandenen Arbeitskräfte zu erweitern. Vordringliches Ziel der Mitgliedsländer, empfiehlt die OECD, sollte es sein, neue Bildungssysteme zu entwickeln, die sich durch Kooperation mit Arbeitgebern und mit Unternehmen von Bildungstechnologie auszeichnen. Besonders die traditionellen tertiären Ausbildungsmodelle eignen sich nicht länger.
Sogenannte Microcredentials, sie beziehen sich auf kurze Angebote (bis zu 200 Stunden) und meinen den entsprechenden Bildungsgang oder die dadurch vermittelten Qualifikationen, bieten sich als neue Formate an. Zu berücksichtigen ist auch, dass Personen mit geringerer formaler Bildung oder generell ab einem Alter von etwa vierzig Jahren weniger an Weiterbildung teilnehmen.
Schließlich wird hervorgehoben, dass aufgrund der Pandemie digitale Kompetenzen inzwischen Voraussetzung geworden sind, um an Bildungsangeboten teilzunehmen. Dabei geht es nicht nur um Berufsbezug, sondern auch um persönlichkeitsbildende Aspekte. „Erwachsene ohne Abschluss im Tertiärbereich sind am wenigsten auf den Nutzen durch digitalen Wandel vorbereitet“. (S. 141). Neue Bildungsmodelle, innovative Strategien traditioneller Anbieter oder neue Anbieter sind gefordert.
Die jährlich erscheinende Publikation der OECD lädt zum Schnuppern oder zum gezielten Auswerten von Daten ein. Für diese Zwecke sollte das Werk in Bildungsinstitutionen oder Bibliotheken aufliegen. Sie ist unter folgendem Link aber auch zum Download frei verfügbar: wbv-open-access.de //
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