Gesellschaftspolitische Überlegungen standen auch im Vordergrund, als 2010 ein weiteres Kooperationsprojekt der Johannes Kepler Universität (JKU) und der VHS Linz, nämlich der Universitätslehrgang „Management und Leadership für Frauen“ im Wissensturm seinen Ausgang nahm. Hintergrund und Zielsetzung des Projekts, das auf einer Initiative des Frauenausschusses der Stadt Linz und des Instituts für Frauen- und Geschlechterforschung der JKU basierte, war und ist die gezielte Förderung von Frauenkarrieren, verbunden mit einer Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsebenen heimischer Unternehmen. Begleitend dazu startete auch eine Vortragsreihe zur Gender-Thematik, die für breite Bevölkerungsschichten öffentlich zugänglich sein sollte.
Ein Universitätslehrgang exklusiv für Frauen
Der Anteil der Frauen im Erwerbsleben hat in den letzten Jahrzehnten zwar stetig zugenommen. Dennoch spiegeln sich ihre qualifizierten Schul- und Studienabschlüsse in den erreichten Berufspositionen nicht wider. Die vertikale geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes ist ungebrochen. Frauen in Führungspositionen sind in den unteren und mittleren Managementebenen noch merklich vertreten, in den oberen Etagen – trotz diverser Fördermaßnahmen – sind nur mehr wenige anzutreffen. (Siehe EIGE: 2015).
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren Organisationen – verkürzt dargestellt – Gebilde, die zum einen meist von Männern gegründet und zum anderen auch von diesen besetzt wurden. Organisationen folgen damit auch heute noch ungebrochen männlich dominierten Strukturprinzipien, die sich besonders um Stärken und Status drehen und in entsprechenden Verhaltensdynamiken ihren Ausdruck finden. Strukturprinzipien in Frauengruppen – so vorliegende Befunde (Krumpholz: 2004, Schwarz: 2007) – orientieren sich vorwiegend an den Erwartungen der anderen und bemühen sich um Gleichrangigkeit. In gemischt- geschlechtlichen Gruppen setzen sich im Alltag in der Regel die männlichen Strukturprinzipien durch, was zu einer Verteilung von Rollen und Funktionen entlang des Geschlechtes führt. (Siehe Krumpholz: 2004). Dieses „doing gender“, das immer wieder Herstellen von Geschlechtsidentitäten und der damit verbundenen Normen, bedeutet für Frauen oft weniger Sichtbarkeit, weniger Einfluss und weniger Führungspositionen in den höheren Managementetagen.2
Blickt man in die Ausbildungsseminare von Kaderschmieden unseres Landes, so muss man feststellen, dass Frauen auch dort nach wie vor kaum vorkommen. Mit dem Absolvieren solcher Weiterbildungslehrgänge ist jedoch meist auch ein Karriereschritt verbunden. Wie können Frauen vermehrt Zugang zu den Kaderschmieden bekommen und damit auch zu den Führungspositionen?
Mit dem Angebot eines Postgraduate Studiums exklusiv für Frauen ist die Idee verbunden, die Anzahl von Frauen mit einem Postgraduate-Abschluss zu erhöhen sowie im Ausbildungsverlauf nachteilige Geschlechtsdynamiken möglichst zu vermeiden. Dabei werden nach Maßgabe freier Studienplätze in begründeten Ausnahmefällen Frauen zum Aufbaustudium zugelassen, die kein abgeschlossenes Studium, aber mindestens vier Jahre Berufserfahrungen nachweisen können und aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit, ihrer Erfahrungen und Leistungen über eine vergleichbare Qualifikation verfügen (Curriculum Aufbaustudium 2015, § 2 Abs. 2). Diese Öffnung des Bildungssystems ermöglicht so, qualifizierten Menschen ohne akademischen Abschluss den Zutritt in die entsprechende Community und damit zu erweiterten Berufskarrieren.
Der Master of Business Administration (MBA) „Management und Leadership für Frauen“ spricht Frauen in (angehenden) Führungspositionen an, die sich mit Fragen und Herausforderungen modernen Managementwissens theoretisch und praktisch eingehend auseinandersetzen und dabei die Realitäten, geprägt von hegemonialen Männlichkeitsmustern, für bestimmte Zeit verlassen wollen. Es geht darum, bewusst aus einer Distanz, begleitet von erfahrenen Lehrenden (Frauen und Männer) aus Wissenschaft und Praxis, genau diese Realitäten (im Mikro- wie im Makrobereich) zu betrachten, zu verstehen, die eigene Position zu erkennen und das Veränderungspotenzial auszuloten.
Inhalt und Ausgestaltung des Universitätslehrganges
Ziel des Universitätslehrganges ist es, Frauen in der Planung und Umsetzung ihrer beruflichen Karriere als Führungskraft zu unterstützen. Vier Semester haben die Teilnehmerinnen berufsbegleitend die Möglichkeit, theoriegeleitet und praxisbezogen jene Kompetenzen zu stärken, die sie für ihren Führungsalltag benötigen und die in ihrem Managementalltag eine Herausforderung für sie darstellen. Für die Zulassung zum Universitätslehrgang ist entweder der Abschluss eines facheinschlägigen Bachelor-, Master- bzw. Diplomstudiums oder – neben entsprechender Berufserfahrung – eine vergleichbare Qualifikation nötig.
Achtzehn dreitägige Ausbildungsmodule, die zu sechs thematischen Schwerpunkten zusammengefasst sind, spannen einen Bogen zwischen modernstem Managementwissen und persönlichkeitsbildenden Kompetenzen. Geht es bei „Personal Mastery“ beispielsweise um das persönliche Führungsverständnis und daraus abgeleitete Handlungsalternativen, erarbeiten die Teilnehmerinnen im Schwerpunkt „Leadership“ Strategien, um als Führungskraft Menschen und Organisationsprozesse erfolgreich zu steuern und zu begleiten. In den Bereichen „Management Basic Principles“ und „Excellence“ werden Management-Tools wie Unternehmensrechnung, Bilanzanalyse, Finanzmanagement oder Controlling vermittelt. Darüber hinaus setzen sich die Teilnehmerinnen mit der Gestaltung von Strukturen und Prozessen in Organisationen sowie mit Anforderungen an moderne Führung, wie z. B. Nachhaltigkeits-, Diversity- oder Change- Management auseinander. Mechanismen von Märkten und Gesellschaften stehen im Zentrum des fünften Themenbereichs. „Wissenschaftliche Kompetenz“ vervollständigt die Themenbereiche und umfasst jene Module, in denen die Teilnehmerinnen sowohl in der Erstellung ihrer Masterthesis unterstützt und begleitet werden als auch die für die Initiierung von Unternehmensprozessen nötigen empirischen Methoden und Analyse-Tools kennen und anwenden lernen.
Begleitend dazu fördern Peergruppen, Kamingespräche und Mentoring-Gespräche mit erfolgreich führenden Frauen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Öffentlichkeit die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Handlungs- und Denkstrukturen sowie die Vernetzung der Teilnehmerinnen. Die Masterthesis und die schriftlichen Semesterprüfungen bilden die formale Grundlage für den akademischen Abschluss eines Master of Business Administration, kurz MBA.
Kooperation von Universität und Volkshochschule
In der Konzeption und Durchführung des Universitätslehrganges bringen Universität und VHS gleichermaßen ihre Kompetenzen ein. Während die inhaltliche, curriculare Gestaltung des Lehrganges der Universität obliegt, übernimmt die Volkshochschule die organisatorische Abwicklung. Das inkludiert neben der Durchführung auch Beratungsleistungen, die Bewerbung des Lehrgangs, die Akquisition von Teilnehmerinnen sowie die inhaltliche Unterstützung der wissenschaftlichen Lehrgangsleitung. Inhaltliche Transparenz sowie eine gut funktionierende Abstimmung zwischen den Verantwortlichen von JKU und VHS sorgen für ein Gelingen der Kooperation. Obendrein steht den Lehrgangsverantwortlichen ein jährlich tagender und aus Mitgliedern der JKU und der Stadt Linz bestehender Lenkungsbeirat zur Seite, der die Entwicklung, Durchführung und Evaluierung des Lehrganges beratend begleitet.
Erfahrungen aus der Umsetzung
Mehr als 40 berufserfahrene Teilnehmerinnen im Alter zwischen 28 und 55 Jahren (mit und ohne Kinder) und aus unterschiedlichen Branchen sowie mit heterogenen Werdegängen (Technikerinnen, Ökonominnen, Juristinnen, Medizinerinnen, Kulturschaffende oder Naturwissenschafterinnen) haben bisher (Stand: Dezember 2015) die Möglichkeit genutzt, im Rahmen des Lehrganges Managementqualitäten zu erwerben und persönliche Entwicklungsschritte zu setzen. Einmal im Monat (ausgenommen Juli und August), von Donnerstagnachmittag bis Samstag 17.00 Uhr, betreten diese Frauen einen Raum, in dem sie ganz wesentlich mitbestimmen, wie, mit welchen Fragen und aus welcher Perspektive Managementthemen bearbeitet werden. Die anfänglich oft formulierte Skepsis der Teilnehmerinnen gegenüber einer reinen „Frauengruppe“ in einer Managementausbildung – genährt durch entsprechende Äußerungen aus ihrer privaten wie beruflichen Umwelt (so Rückmeldungen unserer Teilnehmerinnen) – ist sowohl bei den Absolventinnen als auch den Lehrenden (gemischt-geschlechtlich) der Überzeugung gewichen, dass dieses „Projekt“ sich bewährt hat, Sinn stiftet und regelmäßig angeboten werden soll.
Aus den regelmäßig durchgeführten Feed-backs wissen wir, dass das Erarbeiten und Reflektieren von Aufgabenstellungen in den Peergroups sowie das für einander Dasein und Unterstützen bei diversen Herausforderungen beruflicher wie privater Art für unsere Teilnehmerinnen enorm wichtig ist. Den Nutzen von Netzwerken haben so manche schätzen gelernt.
Beispielhaft lassen wir an dieser Stelle Frauen aus dem Lehrgang sprechen:
„Die im Rahmen der Ausbildung mögliche Selbst- und Fremdreflexion hat mich in meiner Persönlichkeitsentwicklung einen großen Schritt weiter gebracht, vor allem in Hinblick auf das eigene Führungsverhalten.“
„Ich habe mich zur Teilnahme an dem Masterlehrgang entschlossen, weil meine praktischen Erfahrungen gut ausgeprägt sind, die Theorie aber, weil ich kein Studium habe, ein Update gebraucht hat. Meine Erwartungen wurden erfüllt und ich kann auch Frauen mit langer Berufserfahrung jedenfalls raten, diesen zu besuchen.“
Herausforderung: Finanzierung
An seine Grenzen stößt der Anspruch nach breitem Zugang zu dieser karrierefördernden Weiterbildungsmöglichkeit allerdings dann, wenn es um die Teilnahmegebühren geht. Die Volkshochschulen haben sich in ihren Grundsätzen als einer ihrer Qualitäten der Kostengünstigkeit verpflichtet. Die Teilnahmegebühren für den „MBA Management und Leadership für Frauen“ liegen, wie auch die vergleichbaren universitären Managementlehrgänge, weit über dem Niveau der Volkshochschulangebote. Ein Grund dafür ist, dass sich der Lehrgang gänzlich aus den Teilnahmegebühren finanziert. Das setzt zum einen eine bestimmte Mindestteilnehmerinnenzahl pro Lehrgang voraus, zum anderen erschwert es den Zugang für Frauen, die nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen. Die Förderung über das Bildungskonto des Landes Oberösterreich ist zwar möglich, macht aber nur einen kleinen Teil der erheblichen Kosten für Privatzahlerinnen wett. Stipendien (wie z.B. der Stadt Linz, der JKU oder vom Land OÖ) sowie eine verstärkte Ansprache von Unternehmen, ihre weiblichen Potenzialträger zu dieser besonderen Art von Führungskräfteausbildung zu entsenden, sollen hier Abhilfe schaffen.
Das Spannungsverhältnis zwischen Lehrgangsbeitrag, Qualität und Leistbarkeit ist eine der großen Herausforderungen der Lehrgangsgestaltung. Zum einen erleben wir, dass von Seiten mancher Unternehmen, neben dem Curriculum und den Vortragenden auch der Preis als Qualitätsmerkmal herangezogen wird, nach dem Motto „Was nichts kostet, kann auch nichts wert sein.“ Zum anderen sehen wir uns mit der Tatsache konfrontiert, dass Frauen – wie „Gender-Pay-Gap“ und „Equal Pay Day“ es eindeutig belegen – nach wie vor um rund ein Viertel weniger verdienen als Männer (Statistik Austria: 2015, S. 1) und damit weniger finanzielle Ressourcen z.B. auch für Weiterbildungen zur Verfügung haben. Ein höherer Lehrgangsbeitrag verstärkt diese Ungleichheit und erschwert die Zugangschancen.
Der Mehrwert der Kooperation
Regine Mickler (2013, S. 45) weist darauf hin, dass Kooperationen in der Erwachsenenbildung den Blick auf Neues erweitern. Innovationen werden durch kooperative Strukturen unterstützt und teilweise auch erst ermöglicht. Der „MBA Management und Leadership für Frauen“ birgt sowohl ein hohes Innovationspotenzial als auch den Bedarf nach einem besonderen Lernumfeld. Ein Lernumfeld, das den Frauen ausreichend Raum und Akzeptanz bietet, sich zu öffnen und ihre persönlichen und beruflichen Potenziale zu entfalten; zugleich aber auch ein Lernumfeld, das es den Frauen ermöglicht, zu experimentieren, zu forschen und sich untereinander auszutauschen. Die Verortung des Lehrganges an einem offenen und demokratischen Ort wie der VHS Linz sichert u. E. dieses Lernumfeld. Gerade die aus dem Universitätsbetrieb herausgenommene Lernumgebung bietet jene Offenheit und Toleranz, die zur Umsetzung eines geschlechtshomogenen Lehrgangskonzepts notwendig ist.
Eine Ausbildung zur Führungskraft beinhaltet auch immer eine Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, mit dem eigenen Rollenverständnis. Die Volkshochschulen sehen es in ihren Empfehlungen als ihren Auftrag, mit Bildungsangeboten „Persönlichkeitsentwicklung im Sinne einer selbstbewussten, kritisch reflexiven, kommunikations- und handlungsfähigen Persönlichkeit zu fördern“. (VÖV: 2015, S. 3). Die Einbindung eines innovativen universitären Weiterbildungsangebots in das Programm der Volkshochschule signalisiert nach außen zudem die Bereitschaft und das Bekenntnis zur Vielfalt im Angebot sowie zur Qualität und wirkt Image bildend. Die VHS Linz bzw. der Wissensturm stärkt damit ihr Profil als „Lernort der Zukunft“3.
Während die VHS vor allem vom Imagetransfer im Hinblick auf Qualität, Vielfalt und Innovationskraft profitiert, geht es auf Seiten der Universität um die Wahrnehmung einer stärkeren Praxisorientierung, um mehr Flexibilität und die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch die Förderung von Frauenkarrieren.
Mit dem Bologna Prozesses und der Einführung der Vollrechtsfähigkeit hat die berufsbezogene Weiterbildung an den Universitäten im Kontext des lebenslangen Lernens einen neuen Stellenwert erhalten. Eine Orientierung am lebensbegleitenden Lernen beinhaltet, im Gegensatz zum Erstausbildungsmodell, auch die Miteinbeziehung unterschiedlicher Lernorte, die Ansprache von Erwachsenen als neue Zielgruppe sowie eine verstärkte Öffnung des Zugangs zur Universität. (V gl. Hanft & Faulstich: 2009, S. 9).
Gornik (2011, S. 70) betont im Zusammenhang mit der Etablierung universitärer Life-Long-Learning-Strategien auch die Herausforderung, Programme an die Lern-, Lebens- und Arbeitserfahrungen der Studierenden anzupassen. Im Universitätslehrgang „Management und Leadership für Frauen“ stehen, neben der Vermittlung der fachlichen Kompetenzen, die realen Berufs- und Lebenssituationen der Frauen im Vordergrund. Erfahrene TrainerInnen aus der Praxis tragen, neben Vortragenden aus der Hochschullehre, durch die Einbindung von Fallbeispielen aus ihren Beratungsfällen und auch aus dem beruflichen Umfeld der Teilnehmerinnen, zu einer stärkeren Praxisorientierung bei.
Die JKU rückt, mit der Verortung des Universitätslehrganges im Wissensturm, wie im Kooperationsabkommen angestrebt, stärker in den Stadtraum von Linz. Damit wird die Universität präsenter und nahbarer. Darüber hinaus öffnet sie sich gesellschaftlichen Anforderungen wie der Karriereförderung von Frauen oder der Ausrichtung des universitären Weiterbildungsangebots an den Anforderungen lebenslangen Lernens. //
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