Management holt so viel wie möglich aus den Menschen heraus – Positive Leadership bemüht sich, das Beste in den Menschen und in der Organisation zu entfalten. Bosse schaffen an. Bosse legen Wege fest. Leader suchen gemeinsam mit ihren Mitarbeiter/innen Strategien und Lösungen. Soweit die klare Botschaft. Und wie kann Positive Leadership gelingen? Wenn Führungskräfte die eigene Haltung reflektieren, die Stärken der Mitarbeiter/innen erkennen und schätzen, so wie drei Aspekte beachten:
- Sinn stiften, indem Bedeutung und Nutzen der Arbeit in einem komplexen Bild gezeigt werden;
- Zuversicht schaffen, kommunizieren, herausfordernde Ziele setzen, Feedback geben;
- Einfluss nehmen durch gemeinsame Vorbereitung von Entscheidungen sowie Delegation von Macht und Verantwortung.
Ruth Seliger versteht sich als Praktikerin, die auf dem Boden der Theorie steht. Ihre praktische Erfahrung beruht auf langjähriger Tätigkeit als Organisations- und Unternehmensberaterin, als Leiterin einer eigenen Beratungsfirma und als Vermittlerin von Wissen über systemisches Führen. Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil bietet die thematischen, konzeptionellen und methodischen Grundlagen für die neue Sicht von Führung. Ruth Seliger leitet die neue Sicht aus dem vorsichgehenden gesellschaftlichen Wandel, aus dem Paradigmenwechsel unserer Weltauffassung ab: Die Welt ist komplex und nicht berechenbar – dies legt ein systemisches Verständnis von Organisationen, Führung und menschlichem Verhalten nahe. Grundlegende Erkenntnisse bieten dafür die Positive Psychologie (Martin Seligman), Glücksforschung, Neurobiologie und neue Ansätze der Wirtschaftswissenschaft – insgesamt also wissenschaftliche Einsichten über lebende und lernende Systeme.
Vielleicht ist es schon an dieser Stelle angebracht, Stil und Layout des Buches zu loben. Die Autorin drückt sich durchwegs klar und verständlich aus, erläutert genau, zum Mitdenken einladend, ihre Position und Argumente. Wohltuend aufklärend wirken auch der sorgsame Gebrauch der Begriffe und der gründliche Nachweis ihrer sprachlichen Herkunft.
Im zweiten Teil, Positive Leadership in der Praxis, lässt uns die Autorin an ihrem reichen Schatz an Erfahrungen teilhaben. Ruth Seliger stellt drei Dimensionen von Führung heraus: sich selbst führen, Menschen führen, die Organisation führen. Viele Beispiele und Hinweise laden ein, die eigenen Führungsaufgaben zu reflektieren und die komplexe Führungsarbeit innovativ zu erproben.
Aber kann man Führen lernen? Nein, meint die Autorin, nicht allein in Seminaren und auch nicht nur durch ihr Buch. Doch dieses Buch gibt viele Anstöße und Anregungen über die Aufgaben von Führung – speziell als Positive Leadership – nachzudenken.
Aus Sicht der (Erwachsenen-)Bildung ergeben sich interessante Zusammenhänge, wie Lernprozesse gestaltet werden sollten. Ruth Seliger erläutert nämlich, welches Lernverhalten sie empfiehlt, wenn es um das Thema Führung geht: Sie spricht von einem „würdevollen Lernen“, bei dem sich die Lernenden nicht unterwerfen, sondern kraft ihres Widerstands Autorität und erste Instanz des Entscheidens bleiben. Damit formuliert sie ein Verständnis von Lernen, das nicht nur auf Führungskräfte beschränkt bleibt.
Für das „Führungslernen“ stellt die Autorin auf der Basis ihrer praxisorientierten Erfahrungen drei Prämissen auf:
- Führungslernen ist eine Führungsaufgabe, das heißt, es bedarf einer eigenständigen Entscheidung auf der Leitungsebene, von wem man sich beraten, coachen, begleiten lässt und von wem man lernen will;
- Führungslernen ist reflektierte Praxis, wobei das Verhalten in diesem komplexen Handlungsfeld reflektiert und Führungsaufgaben, unterstützt durch Berater und Trainer, als Lerngelegenheiten gestaltet werden;
- Führungslernen ist organisationales Lernen, das bedeutet, dass das individuelle Lernen einer Führungskraft nicht ausreicht – übergreifend sollen sich die Mitarbeiter/innen z. B. in Projekt-Teams mit den jeweiligen Fragestellungen der Organisation in Lernsituationen beschäftigen.
Das Buch bietet anregende praxisorientierte Theorie und hilfreiche Unterstützung, um eigenständige Lernprozesse bezüglich Führungsaufgaben zu gestalten. Wobei „Führung“ im weiteren Sinn nicht nur in Unternehmen, sondern auch in anderen Formen menschlicher Organisationen, z. B. Verein, Familie, Beziehungen, stattfindet.
Es stellt sich die Frage, wie Organisationen des Bildungswesens die Einsichten, um „neu“ zu führen, für ihren Bereich fruchtbar machen? So ist es – am Beispiel Schule – nicht ausreichend, der/die Direktor/in zum/zur Manager/in zu erklären oder seine/ihre Autonomie hinsichtlich Personalauswahl stärken zu wollen. Das Bildungswesen retten eben nicht Manager/innen – an den Universitäten wird das ja schon seit einigen Jahren praktiziert – sondern radikales Umdenken tut not! Auch das Bildungswesen braucht Führungskräfte, die ihre komplexe Organisation und die dort Tätigen nicht steuern sollen, sondern in ihren Potenzialen fördern wollen!
Dazu ist über die sich wandelnde Welt aufzuklären und über die eigene Stellung darin zu lernen. Ruth Seligers „Positive Leadership“ bietet dafür eine bereichernde Begleitung, denn: Führung ist keine Position, sondern eine Aufgabe. //
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