Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre beginnt sich an den Weiterbildungseinrichtungen eine frauenspezifische Bildungsarbeit zu etablieren – als Aufklärung, Suchbewegung und Emanzipation, eng verbunden mit der Frauenbewegung. Im städtischen Bereich entstehen „Gesprächsrunden“. Emanzipatorische Frauenkurse zielen darauf ab, die Lebenssituationen von Frauen und ihre subjektive Befindlichkeit zu verändern.
Auch die Volkshochschule Linz beginnt, Anfang der 1980er-Jahre, mit der Durchführung jährlicher Frauenwochen. Ausgehend von der Tatsache, dass zum damaligen Zeitpunkt beinahe zwei Drittel der VHS-BesucherInnen Frauen sind, bietet sich die VHS als neutraler Ort an, um einerseits einen Ort der Begegnung für Frauenorganisationen unterschiedlicher weltanschaulicher und parteipolitischer Richtungen zu schaffen, aber auch, um nichtorganisierte Frauen mit diesen in Kontakt zu bringen. Andererseits sollen VHS-BesucherInnen in Gesprächen und durch gemeinsame Aktivitäten für Frauenfragen interessiert, sensibilisiert und aktiviert werden. (Vgl. Stifter: 1997, S. 50 f.)
Die im Rahmen der Frauenwochen durchgeführten Veranstaltungen heben sich nicht nur deutlich von den gewohnten Kursen und Vorträgen ab, sie sind vielmehr auch ein Versuch, auf inhaltlicher und organisatorischer Ebene neue Wege zu gehen. So gibt es von Seiten der VHS keinerlei Programmvorgaben – die Programminhalte der Frauen-woche werden von den Vertreterinnen der unterschiedlichen Frauengruppen erarbeitet. Die Volkshochschule übernimmt Organisation und Koordination. Die Einrichtung des „Frauenforums der Volkshochschule“, im Rahmen dessen Frauenfragen mit Frauenvertreterinnen diskutiert und regelmäßig Kontakte gepflegt werden, ist ein Ergebnis dieser Kooperation. (Vgl. Edhoffer, Janko & Wiesinger: 1984, S. 25). Das „Frauenforum der Volkshochschule“, im Rahmen dessen nun jährlich verschiedene Kurse, Vorträge und Veranstaltungen zu frauenspezifischen Themen abgehalten werden, soll Räume für Frauen schaffen, innerhalb derer unterschiedliche, oft auch provokative Themen zu Frauenfragen diskutiert und referiert werden können.
Frauenforum der VHS Linz
Während sich die Frauenbildung in den 1980er-Jahren institutionalisiert und etabliert, indem neue Veranstaltungsformate geschaffen, spezielle Angebote für Frauen entwickelt und so neue Themenfelder erschlossen werden, kommt es ab Mitte der 1990er-Jahre zu einer Veränderung in den Erwartungen und Orientierungen der Teilnehmerinnen. Im Zuge einer verstärkten Individualisierung gewinnen Interessens- und Anwendungsorientierung in der Auswahl von Bildungsangeboten zunehmend an Bedeutung, vor allem bei jüngeren Frauen. (Vgl. Derichs-Kunstmann: 2001, S. 42 f.). Eine intensive Beschäftigung mit Körperlichkeit (Gesundheitsbildung) und die Nachfrage nach Fachwissen bestimmen die Themen. Die Tatsache, dass Frauen interessensgeleitet entscheiden bedeutet zudem, dass die Bindung der Frauen an die Weiterbildungsinstitutionen schwächer wird. Es kommt zu einem Rückgang der Teilnehmerinnenzahlen.
Auch beim Frauenforum der VHS-Linz ist in den 1990er-Jahren, trotz zahlreicher Angebote, ein Rückgang an Besucherinnen feststellbar. Der Versuch, das Forum mit neuen Themen zu beleben, gestaltet sich als schwierig, sodass zunehmend weniger frauenspezifische Veranstaltungen Eingang ins Programm der Volkshochschule finden. Im Laufe der 1980er-Jahre hat sich zudem eine Vielzahl an Fraueninitiativen etabliert, die ihrerseits frauenspezifisch anbieten und damit Konkurrenz auf den Bildungsmarkt bringen.
Frauenleben.heute
Nach der Übersiedlung der VHS Linz in den Wissensturm kommt es 2011 mit der Installierung einer Vortragsreihe zu Frauenfragen erneut zu dem Versuch, das Frauenthema aktuell zu halten. In Kooperation mit dem Institut für Frauen- und Geschlechterforschung der Johannes Kepler Universität referieren und diskutieren renommierte Vortragende zu gesellschafts- und frauenpolitisch aktuellen Fragestellungen wie den Arbeitsrealitäten von Frauen im globalisierten Europa, Trends in der Geschlechterforschung oder dem Themenbereich „Geschlecht & Pädagogik“. 2014 steht, nun erstmals unter dem Titel „Frauenleben.heute“ – der weibliche Körper und damit verbundene Zwänge im Vordergrund. Die Vortragsreihe stößt zunächst auf starke Resonanz, mit fortschreitender Dauer kommt es allerdings zu einem Rückgang der Teilnehmerinnenzahlen, sodass 2015 eine neue Kooperationspartnerin, die Frauen-initiative MIRABAL der Volkshilfe Flüchtlings- und Migrantinnenbetreuung OÖ gewonnen wird. Damit ist auch die Hoffnung verbunden, ein neues Frauen-Zielpublikum zu erreichen. Es geht um Themen wie das Leben von Frauen in patriarchalischen Systemen oder um die Lebenssituationen von Frauen auf der Flucht, das diesjährige Thema der Reihe. (Vgl. Wildfellner, persönliche Kommunikation, 8.9.2017).
Neben der Vortragsreihe kommt es ab 2011 wieder zu einer Zunahme frauenspezifischer Bildungsangebote. Eines davon ist der „Interkulturelle Frauenkreis“, ein Begegnungsort für Frauen aus verschiedenen Kulturen. Ziel des Frauenkreises ist es, einen Raum zu schaffen, in dem sowohl Österreicherinnen als auch Frauen mit Migrationshintergrund einander kennenlernen und sich miteinander austauschen können. Die monatlichen Treffen beinhalten jeweils einen thematischen Schwerpunkt, der je nach Interesse der Teilnehmerinnen von diesen ausgewählt wird. Das Themenspektrum reicht dabei von kulturellen oder gesellschaftspolitischen Themen über Fragen des Alltagslebens wie beispielsweise landestypischer Küche oder Erziehungsfragen bis zu kulturellen Unterschieden und Gemeinsamkeiten. Dabei sollen die Frauen voneinander und ihren Unterschieden lernen. Zum einen, indem Sie einen Einblick in andere Kulturen erhalten, zum anderen, indem sie in der Kommunikation mit Menschen anderer kultureller Herkunft sich selbst und andere besser kennenlernen und sich persönlich weiterentwickeln können. Ein gemeinsames Fest, das unter dem Motto „Alles, was uns verbindet“ steht, bildet den Abschluss jedes Frauenkreises. (Diwischek, persönliche Kommunikation, 8.9.2017). Obwohl das Thema der Begegnung mit anderen Kulturen und das daraus erwachsende Verständnis füreinander – nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Migrationsbewegungen – aktueller und notwendiger denn je ist, hat das Interesse am Frauenkreis in den letzten Jahren abgenommen, sodass aktuell keine Veranstaltung geplant ist.
Neue Konzepte für die Zukunft
Frauenbildung, wie sie sich im Kontext der autonomen Frauenbewegung entwickelt hat, hat eine Vielzahl an Frauen für Geschlechterfragen sensibilisiert und ihnen neue Zugänge zu Weiterbildung, Berufstätigkeit und politischer sowie gesellschaftlicher Teilhabe und Handlungsfähigkeit ermöglicht. Heute sieht sie sich mit neuen Anforderungen konfrontiert, auf die Anbieter von Frauenbildungsangeboten eine Antwort finden müssen. Erbe (2009, S. 2) nennt in diesem Zusammenhang verändertes Teilnehme-rinnenverhalten als Resultat des sich ändernden gesellschaftlichen Klimas. Es herrscht der Eindruck, Gleichberechtigung von Männern und Frauen sei längst erreicht und müsse nicht mehr thematisiert werden – nicht zuletzt verursacht durch eine Gleichheitsrhetorik, die Missstände und Benachteiligung von Frauen für weitgehend behoben erklärt. Außer Acht gelassen werden dabei die nach wie vor bestehenden Ungleichheiten und verdeckten Formen der Diskriminierung von Frauen.
Weitere Herausforderungen, denen sich die Frauenbildung gegenübersieht sind nach Kaschuba (2005, S.7 f.) zum einen die Bedeutung aktueller theoretischer Gender-Diskurse für Frauenbildungskonzepte, insofern, als Differenzen unter Frauen stärker sichtbar gemacht und Konstruktionen von Frausein reflektiert werden können. Zum anderen die Frage nach der Positionierung von Frauenbildung in Zeiten von Gender Mainstreaming und Diversity-Diskussionen und die daraus resultierende Entwicklung entsprechender Bildungsangebote.
Welche Wege muss Frauenbildung in Zukunft gehen, um Frauen – und hier vor allem auch junge Frauen – zu erreichen und gleichzeitig den Ansprüchen an eine kritische Bildungsarbeit gerecht zu werden? Welcher Konzepte, Themen und Formate bedarf es, um sie zum Diskurs, zur Partizipation zu ermutigen? Welche (Frei)räume muss sie zur Verfügung stellen, in denen Frauen ihre eigenen Themen setzen, diskutieren, reflektieren und gemeinsam weiterentwickeln können?
Frauenbildung an Volkshochschulen wird sich, wenn sie auch in Zukunft noch relevant sein will, diesen Fragen stellen müssen. Dabei geht es um neue, zeitgemäße Formate, die zur Partizipation anregen und ungeachtet aller Heterogenitäten unter den Frauen, gemeinsame Ziele in den Vordergrund stellen. Und vielleicht bedarf es im Hinblick auf gegenwärtige gesellschaftspolitische Entwicklungen auch wieder ein wenig jener Gesinnung der 1970er-Jahre, als Frauen sich solidarisierten, um gemeinsam für ihre Anliegen einzutreten, auch über parteipolitische und weltanschauliche Grenzen hinweg. //
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