Heidi Schrodt: Sehr Gut oder Nicht Genügend? Schule und Migration in Österreich.

Heidi Schrodt: Sehr Gut oder Nicht Genügend? Schule und Migration in Österreich.
Wien-Graz-Klagenfurt: Molden Verlag 2014. 208 Seiten

Die langjährige Direktorin des Gymnasiums Rahlgasse in Wien und erfahrene Lehrerin für Englisch und Deutsch, Heidi Schrodt, hat ein leicht lesbares, mit guten Argumenten und fundierten Daten versehenes Buch über die Schule in Österreich geschrieben.

Gleich in der Vorbemerkung spricht die Autorin Initiativen im Bereich der Erwachsenenbildung und der Freiwilligenarbeit an, wie etwa „Mama lernt Deutsch“ oder das mit dem Staatspreis für Erwachsenenbildung ausgezeichnete Projekt „Kulturdolmetscher/innen“ oder die „Lerntafel“ der Caritas in Wien. Leider kann sie sich in diesem Buch nicht ausführlicher mit diesen Initiativen befassen. Allerdings fordert Schrodt einen Gesamtplan, der „mit der frühkindlichen Förderung beginnt und bei der Erwachsenenbildung endet“ (S. 129). Diese fehlende durchgängige Verbindung zur Erwachsenenbildung, die in vielen Bereichen der Erstausbildung vorhanden ist, wenn wir etwa an die „Initiative Erwachsenenbildung“ denken, ist auch der Kritikpunkt an diesem Buch.

Bei dem Thema dieses Buches kommt die „Vererbung der Bildung“ zwangsläufig zur Sprache. Der Bildungshintergrund der Eltern ist von zentraler Bedeutung für die weitere Bildungswegentscheidung: „70 Prozent der angehenden AHS-Schüler/innen haben Eltern mit mindestens Matura“ (S. 51). Dabei ist die Armutsgefährdung nicht zu unterschätzen: 8,7 Prozent der Kinder und Jugendlichen wachsen in Österreich in sozialer Armut auf, deutlich weniger sind es in den skandinavischen Ländern. Allerdings, und auch das führt Schrodt an, ist die Zahl der jugendlichen Schulabbrecher/innen in Österreich um einiges geringer und auch die Jugendarbeitslosigkeit ist im europäischen Vergleich in Österreich sehr niedrig. Aber die Tatsache, dass Österreich ein Land der „Bildungsungerechtigkeit“ ist, lässt sich nicht mehr „schönreden“ (S. 46), das wurde und wird ja laufend durch mehrere internationale Studien bestätigt.

Die Ungleichheiten zeigen sich stark an den Übergängen und Schnittstellen: vom Kindergarten in die Schule, von der Sekundarstufe I in die Sekundarstufe II. Viele Kinder werden bereits beim ersten Übergang zurückgelassen (S. 90). Schrodt begrüßt das Regierungsübereinkommen, das eine Schuleingangsphase vorsieht, die vom letzten Kindergartenjahr bis in das zweite Jahre der Volkshochschule reicht.

Problematisch ist die fehlende Förderung von Kindern mit Benachteiligungen. An die Stelle einer Förderung tritt die Verfestigung der Benachteiligung: „Hast du in Österreich als Kind eine benachteiligte Startposition, so sorgt das Schulsystem dafür, dass du auch weiterhin unter deinesgleichen bleibst“ (S. 92). Praktisch wird der Bildungsauftrag an die Familien ausgelagert, was besonders Familien mit Migrationshintergrund betrifft, und das verfestigt die soziale Ungleichheit, meint der Soziologe Kenan Güngör (S. 115). Eine besondere Bedeutung kommt dem Kindergarten zu. Problem ist, dass es je Bundesland eigene Regeln gibt. Als großen Sündenfall kritisiert Schrodt, dass im Zuge der Pädagog/innenbildung Neu die Elementarpädagogik nicht berücksichtigt wurde (S. 74).

Schrodt stellt in Österreich eine „Reformunfähigkeit“ fest und bezieht sich auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, nach der Österreich nur eine mittelmäßige Zukunftskompetenz besitze und insbesondere in der Pensions-, Bildungs- und Migrationspolitik vielen europäischen Ländern hinterher hinke (S. 49)1.

Das Buch liest sich gut und sehr spannend. Viele wissenschaftliche Befunde werden gut verständlich zusammengefasst. Expert/innen kommen zu Wort und viele Praktiker/innen. Mehrere Beispiele guter Praxis werden angeführt. Alles in allem: Sehr empfehlenswert, auch und gerade für Erwachsenenbildner/innen, da sich beim Erwachsenenlernen vieles aus der Schule fortsetzt. //

1  Sustainable Governance Indicators. Zu Österreich siehe: http://www.sgi-network.org/2014/Austria [12.01.2015]

Bisovsky, Gerhard (2014): Heidi Schrodt: Sehr Gut oder Nicht Genügend? Schule und Migration in Österreich. Wien-Graz-Klagenfurt: Molden Verlag 2014. 208 Seiten. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Dezember 2014, Heft 254/65. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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