1. Kompetenzanerkennung und -zertifizierung im Kontext europäischer Steuerungsoptionen
Im Zuge der Internationalisierung, vor allem europäischer Dimensionen, spielen Prozesse der Bilanzierung, Anerkennung, Validierung und Zertifizierung von Kompetenzen eine wichtige Rolle. Während einige Länder – wie bspw. England, Finnland, Norwegen, die Schweiz und Frankreich – schon seit vielen Jahren und zumeist verbunden mit Bemühungen um eine allgemeine Bildungsreform über ein ausgefeiltes System zur Anerkennung non-formal und informell erworbener Kompetenzen verfügen (Käpplinger: 2002, S. 7–16; Haase: 2007), wurden die Entwicklungen hierzu in Deutschland und Österreich vor allem extern durch die Europäische Union (EU) induziert. Eine zentrale Rolle dabei spielte die Kopenhagener Erklärung vom November 2002, auf deren Grundlage neue Steuerungs- und Gestaltungskonzepte im Bildungs- und Beschäftigungssystem der Mitgliedsländer forciert wurden. Dazu gehören der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) mit den zu erarbeitenden Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) ebenso wie das europäische Leistungspunktesystem für die Berufsbildung ECVET für den Berufsbildungssektor und das Europäische Netzwerk zur Qualitätssicherung in der beruflichen Bildung (ENQA-VET) sowie der EUROPASS zur Förderung der Transparenz individueller Kompetenzen.
Die Gestaltungsbemühungen der EU fielen vor allem im Bildungssektor der Erwachsenenbildung/Weiterbildung (EB/WB) auf fruchtbaren Boden. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in deren Struktur, die in vielen europäischen Ländern eher staatsfern, wenig verrechtlicht und stark plural ausgerichtet ist. EB/WB fokussiert vielfach auf non-formale Bildungsprozesse – allerdings gewinnen in den letzten zwei Jahrzehnten Bereiche wie der Zweite Bildungsweg, Basisbildung und berufsbegleitende Hochschulbildung sowie hochschulische Weiterbildung an Bedeutung, die auch zu formalen Abschlüssen führen. Inhaltliche Relevanz erhält die Forderung nach Transparenz und Anerkennung von Kompetenzen zum einen durch die zunehmende Pluralisierung individueller Bildungsbiografien und zum anderen durch die bildungspolitische Forderung nach mehr Durchlässigkeit im gesamten Bildungssystem. Auch ein Effekt auf den Sektor der EB/WB selbst sollte nicht außer Acht gelassen werden: Mit ihrer Pionierrolle auf dem Gebiet von Transparenz und Qualitätssicherung verspricht sich die EB/WB einen weiteren Schritt in Richtung Anerkennung als gleichberechtigter Bildungssektor, vor allem neben dem Schulbereich.
Mittlerweile wurden zahlreiche Modelle und Verfahren implementiert, die hauptsächlich beruflich relevante Kompetenzen, aber auch darüber hinaus weisende persönliche und soziale Kompetenzen bilanzieren und anerkennen (vgl. dazu z. B. Erpenbeck & Rosenstiel: 2007; Heyse: 2014). Kennzeichnend für die – teils sehr unterschiedlichen – Verfahren ist das gemeinsame Ziel, Kompetenzen, unabhängig davon wo, wie und warum sie erworben wurden, einschätzbar und vergleichbar zu machen sowie – wenn entsprechende Verfahren vorhanden – diese einer (formalen) Zertifizierung zuzuführen. Die Vorgehensweise beruht auf der Annahme der Gleichberechtigung unterschiedlicher Lernformen, die non-formal und informell erworbenen Kompetenzen eine Gleichwertigkeit zu formal erworbenen Kompetenzen attestiert. In letzter Konsequenz geht es darum, Transparenz und Vergleichbarkeit bei den Lernleistungen zwischen den europäischen Staaten herzustellen, die Durchlässigkeit zu fördern und damit das lebenslange Lernen für alle Bevölkerungsschichten besser zu ermöglichen.
Nun werden einige zentrale Begriffe, die zum Verständnis der komplexen Thematik von Kompetenzanerkennung und -zertifizierung notwendig sind, eingeführt. Der Beitrag endet mit einem Ausblick auf weitere Entwicklungen von Anerkennung und Zertifizierung erwachsenenpädagogischer Kompetenzen und mit dem damit verbundenen Forschungsbedarf.
2. Professionalitätsentwicklung des Weiterbildungspersonals als Hintergrund
Eine zunehmend wichtigere Rolle bei der Qualitätssteigerung in der EB/WB nehmen die dort Tätigen ein (Kommission der Europäischen Union: 2006, S. 7–8). Sie vertreten ein in den letzten Jahrzehnten permanent gewachsenes, heterogenes und sich auch künftig stark wandelndes Berufsfeld mit einem umfangreichen und sich häufig überschneidenden Aufgaben- und Tätigkeitsmix, der mittlerweile weit über die „klassische“ Rolle einer Trainerin bzw. eines Trainers oder einer Dozentin bzw. eines Dozenten hinausgeht und Management- sowie Beratungstätigkeiten ebenso wie bspw. Kompetenzbilanzierung und forschungsgestützte Lernarrangementplanung mit einschließt (vgl. u. a. Gruber & Wiesner: 2012, S. 10; Kade et al.: 2007; Faulstich & Zeuner: 2008). Seitter ( 2009) charakterisiert diese Entwicklung im erwachsenenpädagogischen Berufsfeld treffend als „aufgabenbezogene Tätigkeitserweiterung“ (ebd., S. 11) und verweist damit auf eine wesentliche Ursache dieser Entwicklung, die in der individuellen wie gesellschaftlichen Bedeutungszunahme und Ausweitung von Lernprozessen über die gesamte Lebensspanne liegt. Dieser Veränderungsprozess hat freilich wenig zur Klärung des Berufsbildes von in der EB/WB Tätigen beigetragen. Im Gegenteil: mit Blick auf die Professionalitätsentwicklung werden zunehmend gegenläufige Tendenzen von Professionalisierung und De-professionalisierung konstatiert, wobei letztere Zuschreibung vor allem mit der zunehmenden Prekarisierung bestimmter Teilarbeitsmärkte der EB/WB in Verbindung gebracht wird (Alfänger et al.: 2014).
Prinzipiell setzt Professionalisierung auf zwei Ebenen an: auf der individuellen, die den Einzelnen und seine Kompetenzentwicklung in den Blick nimmt, und auf der kollektiven, die das gemeinsame Eintreten der Berufsangehörigen für Professionalisierung sowie die Schaffung bzw. Festigung von Rahmenbedingungen des Berufsfeldes – wie Einkommen, Beschäftigungsstatus, Ausbildung und soziale Absicherung – vorantreibt. Beide Perspektiven gilt es im Sinne gelingender Professionalitätsentwicklung zu verschränken (Gieseke: 2010; Kraus: 2012). Betrachten wir die individuelle Ebene der Professionalisierung, d. h. die Anstrengungen des Individuums, Professionalität aufzubauen, zu erhalten und zu erweitern, kommen die veränderten Kompetenzanforderungen des Weiterbildungspersonals in den Blick. Kleinster gemeinsamer Nenner ist die Feststellung eines tief greifenden Wandels, der einen fachlichen Überblick, erwachsenenpädagogische Grundkompetenzen sowie diverse Schlüsselqualifikationen erforderlich macht. Über deren Ausprägung, Themenauswahl und Tiefe sowie die damit verbundenen Aneignungsmodi gehen die Ansichten freilich auseinander – sie können hier leider nicht weiter ausgeführt werden.
Tatsache ist, dass die Personen, die in der EB/WB arbeiten, unterschiedlichste Quellberufe, verschiedenste Aus-, Fort- und Weiterbildungen sowie differente Berufserfahrungen aufweisen. Vielfach sind ihre Lebensentwürfe und -wege weniger geradlinig als die von Angehörigen anderer Berufsgruppen (vgl. u. a. Gruber: 2006; Schlüter: 2011; Kraus et al.: 2013). Das führt zu einer individuell sehr unterschiedlichen Ausgangslage an Kompetenzprofilen, die sich in ihrer Diversität und ihrem geringen Formalisierungsgrad bisher zwar kaum förderlich auf die Ausprägung und Anerkennung des Berufsfeldes EB/WB ausgewirkt hat (Gieseke & Nittel: 2014; Nittel: 2014), die aber mit Blick auf künftige multiple Herausforderungen des Berufsfeldes im Rahmen des lebenslangen Lernens durchaus eine Ressource darstellt, die für die erwachsenenpädagogische Professionalitätsentwicklung stärker genutzt werden sollte. Geht man vom Professionalisierungsmodus einer „biografischen Kompetenzaufschichtung“ (Seitter: 2009, S. 11) aus, dann steht die These im Raum, dass Kompetenzanerkennungs- und zertifizierungsverfahren ein sinnvolles Modell für eine moderne Professionsentwicklung sind.
Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um ein Ersetzen von Professionalisierung durch Studiengänge und Studien an Universitäten und Hochschulen sowie auch nicht formaler und non-formaler Bildungsprozesse der jeweiligen Bildungsträger und -institutionen. Bedeutsam ist vielmehr die Frage nach einem zeitgemäßen Modus der Anerkennung bisher erworbener Kompetenzen als Voraussetzung einer Zertifizierung. Umso mehr verwundert es, dass die Anzahl solcher Anerkennungs- und Zertifizierungsverfahren, die explizit die Gruppe der in der EB/WB Tätigen adressiert, bisher überschaubar ist. Manche der Verfahren zielen nur auf eine spezielle Zielgruppe des Berufsfeldes – beispielsweise Lehrende (z. B. „Validation of Informal and Non-Formal Psycho-Pedagogical Competencies of Adult Educators“ [VINEPAC] oder Trainerinnen und Trainer in der beruflichen Weiterbildung, z. B. „Stakeholderkonsultationen zur Validierung der Kompetenzmatrix für TrainerInnen in der beruflichen Weiterbildung“ [Certi4Train]) – ab, andere fokussieren lediglich auf ein Bundesland (wie beispielsweise KOMPASS auf Sachsen) oder sind auf einen bestimmten Verband („Lehren in der Volkshochschule“ des DVV) begrenzt. Auch gibt es Verfahren, die eine Bilanzierung ohne anschließende Zertifizierung anbieten (vgl. dazu u. a. die Übersicht in: Strauch: 2012, S. 158–159).
Mit dem Schweizer modularen Baukastensystem namens „Ausbildung der Ausbildenden“ (AdA) und der „Weiterbildungsakademie Österreich“ (wba) haben sich in den letzten Jahren zwei Modelle etabliert, die beides – Kompetenzbilanzierung und -zertifizierung – in unterschiedlicher Weise miteinander verbinden. Dabei decken sie nicht nur eine gewisse Breite des Berufsfeldes ab, sie agieren auch bundesweit. Beide Modelle finden europaweit Aufmerksamkeit (Egetenmeyer: 2011) sowohl in der eigenen Community als auch darüber hinaus als Modell für einen zeitgemäßen Anerkennungsmodus in anderen Bildungsbereichen. Das Projekt „Grundlagen für die Entwicklung eines trägerübergreifenden Anerkennungsverfahrens für die Kompetenzen Lehrender in der Erwachsenen- und Weiterbildung“ (GRETA) nimmt diese Erfahrungen nun auf und entwickelt ein Modell für Deutschland, in dessen Mittelpunkt die Lehrenden in der EB/WB stehen.
3. Zentrale Begriffe im Zusammenhang mit der Anerkennung und Zertifizierung von Kompetenzen
Ein Blick auf die zentralen Begriffe im Kontext von Kompetenzanerkennung und -zertifizierung lässt den genuin internationalen Ursprung dieser Verfahren erkennen. Im Unterschied zum deutschsprachigen Raum, wo lange Zeit Bildungswege und -abschlüsse mit hohem Formalisierungsgrad als Garant für erfolgreiches Lernen galten, fungierten in anderen Ländern (bspw. in Afrika, in Lateinamerikas, teilweise auch in Europa) auch non-formales und informelles Lernen als wichtiger, anerkennungs- und zertifizierungswürdiger Teil beruflicher und persönlicher Entwicklungsprozesse (Yang: 2015). Analog dazu – und im Hinblick auf die jüngsten Steuerungsbemühungen der EU zur Validierung und Anerkennung (Rat der Europäischen Union: 2012) – kommen viele Begriffe aus dem Englischen. Die Tatsache der Übersetzung sowie die Mehrdeutigkeit vieler Begriffe führen dazu, dass deren Verwendung in der deutschsprachigen Literatur häufig nicht einheitlich ist und die Begriffe auch nicht immer trennscharf verwendet werden. Es zeichnen sich aber gewisse Linien ab, die anhand des typischen Verlaufes eines Anerkennungs- und Zertifizierungsprozesses kurz erläutert werden sollen.
Im Kern fokussieren alle Verfahren auf die Erfassung und Anerkennung von Kompetenzen. Kompetenz wird in diesem Zusammenhang als ein Schlüsselbegriff moderner Bildungsbemühungen gesehen. Bei aller Unterschiedlichkeit der Definitionen geht es bei der Kompetenz immer um eine dynamische Fähigkeit zur Bewältigung komplexer Anforderungen in spezifischen Situationen. Selbstständiges und vor allem antizipatives Handeln in bisher vielfach unbekannten Situationen nehmen dabei eine wichtige Rolle ein. Laut Erpenbeck und Rosenstiel (2003) handelt es sich bei Kompetenzen um „Selbstorganisationsdispositionen“ (ebd., S. XII), die an Personen gebunden und vom Kontext abhängig sind, in dem sie sich schließlich beweisen müssen. Kompetenzen umfassen nicht nur Wissen, sondern auch Können, das über einen längeren Zeitraum und gebunden an Erfahrungen angeeignet wurde – sie sind entwicklungs- und ausbaufähig. Während Kompetenz auf die gesamte Fähigkeit einer Person – also auf ihr Potenzial – verweist, bezieht sich Performanz auf den Teil der Fähigkeiten, der in bestimmten Handlungen sichtbar wird. Das heißt, nur die Performanz kann man erfassen und messen – Kompetenz nicht. Allerdings kann von der Performanz auf die Kompetenz geschlossen werden (Gnahs: 2010, S. 19).
Ein weiterer wichtiger Begriff im Zusammenhang mit der Handlungsorientierung von Kompetenzen ist der Outcome. Allgemein bezeichnet dieser „Positive or negative longer-term socioeconomic change or impact that occurs directly or indirectly from an intervention’s input, activities and output“ (Cedefop: 2011, S. 117). Bezogen auf Bildungsprozesse werden damit „mittel- und langfristige Effekte von Bildungsmaßnahmen bezeichnet, i. d. R. bezogen auf berufliche Verwertung von Bildungsabschlüssen“ (Tenorth & Tippelt: 2007, S. 539). Kurz gefasst: Es geht beim Outcome um Lernergebnisse, d. h. darum, was Lernende nach dem Abschluss von wie immer gearteten Lernprozessen wissen, verstehen oder tun können.
Prinzipiell handelt es sich bei Anerkennungsmodellen um mehrstufige Verfahren, die einen geregelten Ablauf aufweisen, verschiedene Beteiligte mit einbeziehen und mit unterschiedlichen Methoden arbeiten (Geldermann et al.: 2009, S. 141–142). Sie fokussieren auf eine Einzelperson und nehmen deren Lernergebnisse in den Blick. Kriterien der Qualität und Verlässlichkeit bilden das Fundament des gesamten Anerkennungsprozesses, der zumeist auch verschiedene Beratungsschleifen sowie eine unabhängige Begutachtung über den gesamten Prozessverlauf einschließt. Die Grundstruktur gliedert sich allgemein in drei Phasen: Orientierungsphase, Bewertungsphase und Validierungsphase (Cedefop: 2009, S. 62–64). Die folgende Abbildung zeigt die einzelnen Elemente eines Anerkennungsprozesses im Überblick (Abb. 1):
Abb. 1
Ablauf eines Anerkennungs- und Zertifizierungsprozesses (eigene Darstellung)
Bezogen auf den Prozessablauf einer Kompetenzanerkennung sind neben Information und Beratung – auf die in diesem Beitrag nicht näher eingegangen wird – Kompetenzerfassung und Bilanzierung, Bewertung und Beurteilung, Validierung und Zertifizierung weitere häufig verwendete Begriffe. Oft wird der gesamte Prozess von der Information und Beratung bis zur Validierung – manchmal auch bis zur formalen Zertifizierung – als Anerkennung bezeichnet. Diese formelle, eher prozesstechnische Bedeutungszuweisung erschließt sich aus dem angelsächsischen Raum. Hier wird zwischen Recognition – für die Anerkennung vor allem formaler – und Accreditation für die Anerkennung non-formaler und informeller Lernleistungen unterschieden (Cedefop: 2011). Über diese prozessuale und normative Fassung von Anerkennung weist deren diskursgeschichtliche Bezeichnung freilich weit hinaus (Schäfer & Thompson: 2010, S. 42–44). Sie findet ihren modernen Ausgangspunkt in der Aufklärung, wo der gesellschaftliche Strukturwandel und die mit ihm einhergehende Fokussierung auf Individualität und Identität die Menschen zwingt, sich auf sich selbst zu beziehen und ihre gesellschaftliche und berufliche Stellung nicht mehr über Familien- bzw. Standeszugehörigkeit zu definieren, sondern durch Verweis auf sich selbst. Kennzeichnend für diese moderne Auffassung von Anerkennung ist Hegels berühmtes Diktum: „Sie anerkennen sich als gegenseitig sich anerkennend“ (Hegel zit. n. Schäfer & Thompson: 2010, S. 44). Es ist Ausgangspunkt für diverse philosophische, programmatische und politische Verwendungen von Anerkennung – die einen gemeinsamen Nenner aufweisen: eine positive Konnotation, sowohl in moralisch-ethischer Hinsicht im Sinne von Wertschätzung und Respekt als auch juristisch im Sinne einer formalen Anerkennung (bspw. im Hinblick auf den Nachweis von Lernleistungen).
Ein wichtiger erster Schritt im Anerkennungsprozess ist die individuelle Standortbestimmung durch Kompetenzerfassung und Bilanzierung. Laut Strauch et al. (2009) umfasst die Kompetenzerfassung „das Erkennen, Einordnen, Bewerten und Dokumentieren von Kompetenzen mithilfe verschiedener qualitativer und quantitativer Methoden“ (ebd., S. 25–27). Diese können summativer/bilanzierender wie formativer/gestaltender Art sein. Methodisch handelt es sich dabei um Befragungen (mündlich und schriftlich), Beobachtungen, Materialanalyse und sogenannte „Mischverfahren“, wie bspw. Assessment-Center, Kompetenzpässe und -portfolios. Grundsätzlich geht es in dieser Phase um die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie im Hinblick auf das Erkunden, Feststellen und Dokumentieren bisher erworbener Kompetenzen. Vielfach sind in diesem Prozess schon bilanzierende Elemente enthalten, d. h. der Abgleich mit dem jeweiligen Kompetenzanforderungsprofil als Referenzrahmen erfolgt oft in verschiedenen Schleifen und auf unterschiedlichen Ebenen. Dieses Abwägen von vorhandenen und geforderten Kompetenzen wird sowohl individuell durch die Person, die ihre Standortbestimmung vornimmt als auch – vielfach begleitend und notwendigerweise abschließend – von einer unabhängigen Stelle vorgenommen.
Ähnlich dem Terminus der Anerkennung charakterisiert der zentrale Begriff der Validierung im Bildungsbereich zum einen ein konkretes, prozessuales Verfahren zur Überprüfung von Lernergebnissen (in diesem Zusammenhang wird er oft auch mit dem oben beschriebenen Prozess der Anerkennung gleichgesetzt). Zum anderen bezeichnet er einen abstrakten Prozess, wo Lernergebnissen ein bestimmter Wert mit Perspektive einer Verwertung zugesprochen wird (Lattke: 2006). Im gegenständlichen Fall wird Validierung als ein Schritt im Prozess der Anerkennung verstanden. Bei diesem werden in einer ersten Phase die dokumentierten und bewerteten Lernergebnisse mit den vorgegebenen Standards – in unserem Falle mit den jeweiligen erwachsenenpädagogischen Anforderungsprofilen – abgeglichen (Beurteilung). In einer zweiten Phase erfolgt eine Bewertung, indem eine „Bestätigung durch eine zuständige Behörde oder Stelle (ausgestellt wird), dass Lernergebnisse (Kenntnisse, Fertigkeiten und/oder Kompetenzen), die eine Person in einem formalen, nicht formalen oder informellen Kontext erzielt hat, gemäß festgelegten Kriterien bewertet wurden und den Anforderungen eines Validierungsstandards entsprechen. Die Validierung führt üblicherweise zur Zertifizierung“ (Cedefop: 2011, S. 201). Allerdings muss sie das nicht – vielmehr werden Validierungsprozesse oft auch als Alternative und/oder Zusatzmöglichkeit der Kompetenzidentifizierung und -anerkennung zu „klassischen“, stark formalistisch geprägten Anerkennungen von Qualifikationen verwendet.
Prinzipiell haben Zertifikate vielfältige Funktionen in der Gesellschaft und speziell im Bildungswesen: Für den Einzelnen sind sie „Wegmarken“ des Lernens (Käpplinger: 2013, S. 4), sie können Zugänge zu weiterführenden Bildungswegen ermöglichen oder auch schließen, sie steuern Selektion, wirken ordnungsstiftend und haben eine große Bedeutung für die Allokation am Arbeitsmarkt (ebd.; Nuissl: 2010). Bei einer Zertifizierung wird mittels eines Zertifikats bestätigt, dass die vorangegangene Beurteilung und Validierung von Lernergebnissen einer Person gemäß des vorgegebenen Standards durchgeführt wurde (Cedefop: 2011, S. 24–25). Kurz gefasst ist die Zertifizierung eine Garantie über die Validierung; für die zertifizierte Person weist sie einen bestimmten Lernerfolg aus. Eine Zertifizierung erfolgt durch eine legitimierte und unabhängige Einrichtung oder Prüfstelle, die im Falle des Sektors der EB/WB neben staatlichen, öffentlichen und korporatistischen vor allem auch private Zertifizierungsstellen umfasst. Ob und wie Zertifikate anerkannt werden, ist höchst unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab. Bisher gilt – insbesondere für Deutschland, Österreich und die Schweiz: Je formalrechtlicher, standardisierter und staatsnaher der Abschluss, umso größer ist – zumindest die Zuschreibung – von Anerkennung.
4. Ausblick
Die Schweizer Modell der AdA3 und die Weiterbildungsakademie Österreich (wba)4 haben sich bewährt und sind anerkannt. GRETA wurde in Deutschland auf den Weg gebracht und will Erfahrungen internationaler Modelle nutzen. Der eingeschlagene Weg einer internationalen Kooperation der Akteure sollte konsequent ausgebaut werden und auch auf andere Bereiche der Professionalisierung übertragen werden. Gleichzeitig stellen sich Fragen der Weiterentwicklung der Anerkennungssysteme, wie etwa der strukturellen Einbindung in das reguläre Bildungssystem, der staatlichen Anerkennung von in Validierungsverfahren erworbenen Zertifikaten, der Übertragbarkeit des Modells auf andere Bildungsbereiche, der Anbindung bzw. Durchlässigkeit zum Hochschulsektor, der Ausdehnung auf neue Zielgruppen des Weiterbildungspersonals, etc. Grundsätzlich geht es aber auch um Fragen gesamtgesellschaftlicher Wertschätzung erwachsenenbildnerischer Tätigkeiten – um ihre bessere monetäre Anerkennung und soziale Absicherung. Kritisch wären die Anerkennungsverfahren zu sehen, wenn dadurch Professionalitätsentwicklungen individualisiert und einseitig den Erwachsenenbildnern und Weiterbildnerinnen auferlegt werden, und demgegenüber die kollektive Professionalisierung, insbesondere die Verrechtlichung (arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen, Einkommenssituation) und Verberuflichung (inkl. Interessens- und Berufsvertretung) der EB/WB in den Hintergrund gerät (Nittel: 2014). Mit der Einführung von Kompetenzanerkennungs- und -zertifizierungsverfahren ergeben sich auch vielfältige Forschungsfragen. Eine ganz wesentliche wird sein, welche Evidenzen an die Verfahrensschritte und Instrumente geknüpft werden und wie diese im Sinne von Objektivität, Validität, Reliabilität und Praktikabilität weiter entwickelt werden müssen. Dazu wurde kürzlich an der Universität Graz ein vom ESF gefördertes Entwicklungs- und Forschungsprojekt gestartet, das unter dem Namen wba-innovativ genau dieser Fragestellung nachgeht. //