Seit zehn Jahren gibt es auch das Institut für Interkulturelle Pädagogik in der VHS OÖ. Alle Aktivitäten dieser Abteilung stehen unter dem Motto „Gelebte Vielfalt“ und werden vom Land Oberösterreich und von Gemeinden finanziert. Zielgruppe sind Personen, die aufgrund sozioökonomischer Faktoren und/oder ihres kulturellen Hintergrunds benachteiligt sind. Die Projekte zielen vor allem auf Frühförderung, Sprachförderung, Lernförderung und Elternarbeit ab. Es werden pro Jahr mehr als 150 Maßnahmen mit etwa 5.000 TeilnehmerInnen in Gemeinden regional vor Ort durchgeführt.
Bedingt durch die große Fluchtbewegung ab dem Jahr 2015 veränderten sich die Anforderungen in dem Bereich rasant. Vor allem zur Beginn, als seitens des Bundes und der Länder noch kein Integrationspaket zur Finanzierung des Spracherwerbs von Geflüchteten geschnürt war, führte die VHS OÖ im Auftrag des Landes OÖ Workshops für ehrenamtliche Sprachgruppenleiterinnen zum Thema „Die Rolle des SprachgruppenleiterInnen“ durch. Dabei sollte die Frage „Wofür bin ich alles verantwortlich und wie inwieweit ist das ein Deutschkurs?“ behandelt werden, um so den Betroffenen ein Werkzeug an die Hand zu geben und gleichzeitig etwas den Druck zu nehmen.
Wir haben eine Workshopleiterin, Mag.a Nicole Kroiß, zu einem kurzen Interview gebeten:
VHS: Frau Kroiß, mit welchen Erwartungen kommen die Ehrenamtlichen in den Workshop?
N.K.: Viele TeilnehmerInnen kommen mit ganz vielen methodischen und didaktischen Fragen zum Workshop und sind am Anfang etwas verwirrt und auch enttäuscht, wenn ich mit Gruppenprozessen und dem Rollenverständnis beginne. Mit der Zeit wird dann aber klar, dass die Reflexion zu diesem Thema genauso wichtig ist, wie die Frage nach Materialen und Methodik.
VHS: Was sind denn die größten Herausforderungen für die ehrenamtlichen SprachgruppenleiterInnen, abgesehen von Methodik und Didaktik?
N.K.: Ein großes Thema ist sicher der Punkt „Abgrenzung“. Ich erlebe immer wieder, dass die WorkshopteilnehmerInnen am Ende der Veranstaltung regelrecht erleichtert sind. Sie verspüren oft viel Verantwortung und Druck, und das möchte ich ihnen im Gespräch und in der Reflexion zu einem großen Teil nehmen. Ehrenamtliche Arbeit sollte doch Spaß machen und genau das wäre ja auch für die Lernenden so wichtig. Ungezwungenes Lernen und gemeinsames Sprechen, und nicht nur die Vorbereitung auf eine Deutschprüfung, das würde ich mir wünschen.
VHS: Welche zukünftigen Herausforderungen sehen Sie für die Ehrenamtlichen im Bereich Deutschlernen?
N.K.: Durch die gestrichenen Deutschkurse für AsylwerberInnen bekommt das ehrenamtliche Lernen wieder eine größere Bedeutung. Leider wird dann auch wieder die Verantwortung für das Sprachenlernen der Flüchtlinge in die Hände der Ehrenamtlichen gelegt. Das ehrenamtliche Lernen darf den Deutschkurs nicht ersetzen und sollte immer ein Zusatzangebot sein!
VHS: Danke für das Interview!
Ab März 2016 standen dann „endlich“ die entsprechenden Fördermittel für die Durchführung von Sprachkursen in Bildungseinrichtungen zur Verfügung. Die Volkshochschule Oberösterreich übernahm umgehend die Verantwortung und Herausforderung, möglichst rasch ein oberösterreichweites Deutschkursangebot für die Zielgruppe bereitzustellen.
Insgesamt wurden bis Ende 2017 flächendeckend 798 Kurse (Alphabetisierung bis Sprachniveau B1) mit 9.230 Teilnahmen im Rahmen des Sprachförderpakets für Asylwerber in ganz Oberösterreich organisiert. Dies konnte nur aufgrund der langjährigen Erfahrung, der bereits gut ausgebauten regionalen Angebotsstruktur, der guten Kontakte zu beteiligten Organisationen sowie dem außerordentlichen Engagement unserer VHS Regional- und NebenstellenleiterInnen gelingen.
Vielfältig und neuartig waren dabei die Herausforderungen. Die Regionalleiterin der VHS Kirchdorf, Christa Kaineder, berichtet:
„Das, was mir sicherlich immer an dieser Arbeit in Erinnerung bleiben wird, ist der äußerst zuvorkommende, respektvolle Umgang der Asylwerber gegenüber allen Deutschlehrkräften im Allgemeinen und mir im Besonderen. Dazu kam auch immer wieder große Dankbarkeit seitens der Asylwerber für unsere Arbeit, unsere Unterstützung betreffend ihre Anliegen und besonders für die Gespräche, die ich/wir mit ihnen geführt haben. (…) Viele Asylwerber konnten ihre Deutschkenntnisse, die sie in den verschiedenen Kursen erworben haben, durch eine A1, A2, B1 und manche sogar durch eine B2 Prüfung belegen und somit eine Grundlage für ein zufriedenes Leben in Österreich schaffen. Dazu kam, dass durch die intensive Arbeit zu vielen Familien, Frauen, Männern ein besonderer Kontakt entstanden ist, mit ihnen gemeinsam gefeiert (leider auch oft geweint) wurde und man ihnen bei der Wohnungs-, Lehrplatz- oder Arbeitssuche selbstverständlich auch geholfen hat. So konnten wir mit unserer VHS Arbeit auch ein wenig mithelfen, diesen Menschen den Start in ein neues Leben zu erleichtern, sodass sie eine neue Zukunft hoffen können.
Der zeitliche und schriftliche Mehraufwand, der naturgemäß bei solchen Unternehmungen anfällt, wäre an und für sich nicht das Problem gewesen. Probleme tauchten nur durch die vielen bürokratischen Hürden auf, die uns gestellt wurden. Und dazu passt leider auch die Tatsache, dass die Unterstützung des Landes OÖ und des Bundes so abrupt geendet hat, dass vielen Asylwerbern es nicht mehr möglich war, ihre bereits begonnenen Module zu beenden, geschweige denn, dass sie mit einer Prüfung zu einem Abschluss kommen konnten. Dies war dann nur mehr in Einzelfällen durch Kraftakte von Sponsoren und Unterstützern möglich. Eigentlich schade, dass die humane Form, wie Österreich diesen Menschen vorerst entgegen getreten ist, nicht mehr weiter geführt und somit die sprachliche Grundlage, verbunden mit dem verpflichtenden Werteteil, entzogen wurde.“
Christa Kaineder, hinten Mitte, im Kreise einer der ersten Asylwerberkursgruppen in Kirchdorf
Ganz besonders wichtig war von Anfang an das Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure: Betreuungseinrichtungen, ehrenamtlich Engagierte, Gemeinden und Fördergeber.
Veronika Zweimüller, Regionalleiterin der Caritas Innviertel, schildert die Kooperation mit der Volkshochschule aus ihrer Sicht:
„Im Herbst 2016 wurden die ersten geförderten Deutschkurse für AsylwerberInnen im Bezirk Ried von der Volkshochschule Ried durchgeführt. Anfangs fanden viele Kurse in den Gemeinden statt, es zeigte sich jedoch schnell, dass die zentrale Durchführung an der VHS Ried zu befürworten war.
Im Bezirk Ried werden die meisten AsylwerberInnen durch die Caritas betreut – entweder in eigenen Flüchtlingshäusern oder durch die mobile Betreuung in privaten Quartieren – aber auch die Volkshilfe und das Rote Kreuz betreiben eine Flüchtlingsunterkunft. Trotz der unterschiedlichen Betreuungskonzepte sollten alle AsylwerberInnen Zugang zu den Deutschkursen bekommen. Diese organisatorische Herausforderung war nur durch gemeinsames Handeln mit der VHS und gleichzeitigen intensiven Austausch möglich. Bei der Planung eines einzelnen Kurses mussten viele Faktoren berücksichtigt werden: öffentliche Verkehrsmittel (die im Innviertel ja eher spärlich sind), Kursräume, geeignete TrainerInnen, bürokratische Anforderungen des Fördergebers usw. Die Volkshochschule unterstützte uns, wo sie nur konnte, und so es wurde möglich, dass wir eine große Anzahl an Kursen starteten. Mit der Zeit lernten sich alle Beteiligten der VHS, der Caritas, des Roten Kreuzes und der Volkshilfe besser kennen, die Aufgaben und Möglichkeiten der handelnden Personen wurden klarer und somit konnten bis Anfang 2018 mehr als 60 Kurse in den Niveaus Alpha bis B1 durchgeführt werden. In regelmäßigen Gesprächen wurde der Bedarf erhoben und die Strukturen reflektiert. Natürlich gab es immer wieder Gesprächsbedarf – die Erwartungen der AsylwerberInnen, BetreuerInnen, TrainerInnen und freiwilligen HelferInnen waren manchmal unterschiedlich und mussten häufig neu erklärt werden. Die administrativen Aufgaben rund um einen Deutschkurs sind vielseitig, vor allem die Abwicklung der Fahrtkosten erforderte viel Zeit. Die sprachlichen Fortschritte der AsylwerberInnen und die Freude über bestandene Prüfungen zeigten jedoch, dass sich der Aufwand lohnt. Es ist schade, dass die Kurse seit dem Frühjahr 2018 nicht mehr weitergeführt werden können. Die AsylwerberInnen fragen oft um neue Kursmöglichkeiten – sie möchten das erlernte Wissen gerne vertiefen und sich weiterentwickeln.“
Die über die Sprachkursteilnahmen entstandenen Kontakte mit den geflüchteten Menschen wurden mancherorts auch im allgemeinbildenden bzw. Freizeitbereich weiter gepflegt. So freut sich zum Beispiel Mag.a Jasmin Walter, Regionalleiterin der Volkshochschule Urfahr-Umgebung, über die Teilnahme von Herrn Ali aus Syrien am laufenden Imkerkurs an der VHS Ottensheim:
„Was wäre einer der letzten VHS-Kurse, die einem beim Schlagwort »Interkulturelles Zusammenleben« in den Sinn kommen? Für mich war das bis Jänner dieses Jahres sicher unser Imkerkurs. Obwohl die Kunst, Bienenvölker zu pflegen und eigenen Honig zu schleudern in den letzten zwei Jahren schon viele KursteilnehmerInnen begeistert hat, war ich nicht ganz sicher, ob sich das Anliegen der Initiative »Willkommen Ottensheim« umsetzen ließe. Mohammad Ali, ein syrischer Asylwerber, der seit gerade einmal drei Monaten in Österreich lebe, hätte die Bitte geäußert, bei Manfred Pointner die Grundzüge der Imkerei zu erlernen. Die anfänglichen Bedenken, ob Herr Ali sprachlich beim Kurs mithalten könne, zerstreuten sich sehr schnell, als klar wurde, dass er besser als so mancher Bienenanfänger verstand, was gemeint war, wenn von Beute, Rähmchen und Oxalbehandlung die Rede war. Direkt am ersten Kursabend, nachdem er sich überschwänglich für die Chance bedankt hatte, am Ottensheimer VHS-Imkerkurs teilnehmen zu dürfen, erklärte Herr Ali, dass in Syrien sowohl sein Großvater als auch sein Urgroßvater Bienen gezüchtet hätten, er schon als Kind bei ihnen »in die Lehre« gegangen sei, und dass es ihm ein Gefühl der Verbundenheit mit ihnen gebe, diese Familientradition nun hier fortzuführen. Die VHS Ottensheim bedankt sich bei Manfred Pointner, Mohammad Ali und »Willkommen Ottensheim« für deren Einsatz im Sinne gelebter Integration und wünscht gutes Gelingen und eine süße Honigernte.“
Kurs-TeilnehmerInnen des VHS-Imkerkurses in Ottensheim, Frühjahr 2018, Mohammad Ali, 1.v.li
In der VHS Perg werden derzeit zwei Schwimmkurse speziell für Asylwerber durchgeführt.
VHS Regionalleiter Robert Nirnberger dazu im Gespräch:
VHS: Wie ist es dazu gekommen, dass die VHS Perg Schwimmkurse für Asylwerber durchführt?
R.N.: Der Anstoß dazu kam von einer Betreuungseinrichtung, der Volkshilfe OÖ. Die finanziellen Mittel stellt das Land OÖ zur Verfügung.
VHS: Wie setzen sich die Gruppen zusammen?
R.N.: Beide Gruppen, 13 und 15 Teilnehmer, sind reine Männergruppen, die meisten davon Afghanen. Die Trainerin hat selbst Migrationshintergrund und spricht Farsi, was im Unterricht von Vorteil ist.
VHS: Ist es kein Problem für sie, sich bei den ausschließlich männlichen Teilnehmern durchzusetzen?
R.N.: Nein, sie ist eine sehr selbstbewusste Frau und selbst Sportlerin, sie spielt Fußball. Einzige Herausforderung bisher war, die Teilnehmer auch während des Ramadan zum Kursbesuch zu bewegen. Aber auch diese konnte mit Unterstützung der Betreuungseinrichtung gelöst werden.
VHS: Danke für das Gespräch.
Selbstverständlich lief auch das Regelkursgeschehen im Deutsch-Sprachunterricht weiter. In den beiden Jahren 2016 und 2017 wurden abseits des Sprachförderpakets des Landes OÖ 902 Veranstaltungen (Kurse von Sprachniveau A1 bis C1 sowie ÖIF-Prüfungen) mit knapp 10.000 Teilnahmen verzeichnet.
Dabei besteht Deutschlernen an der Volkshochschule Oberösterreich nicht nur aus theoretischem Pauken: Die ReferentInnen versuchen, stets auch die „Alltagstauglichkeit“ zu gewährleisten:
Praxisnaher Deutschkurs im Modegeschäft in Grieskirchen: Einer der beliebtesten Deutschlehrer der VHS Oberösterreich, Günther Punz, ist allseits bekannt für seinen ideenreichen Unterricht. Immer wieder lässt er sich neue Settings für seine Deutschstunden einfallen. So auch im April 2016: Mit viel Begeisterung ging im renommierten Grieskirchner Damenmodengeschäft Hohensinner ein praxisnaher Deutschunterricht über die Bühne. Die KursteilnehmerInnen des VHS-Deutschkurses B1 durften die in Kursabenden erlernten Verkaufsdialoge praktisch im Geschäft umsetzen. Zwei Verkäuferinnen nahmen sich nach ihrer Dienstzeit wertschätzend und mit viel Geduld für die Integrationswerber Zeit, damit diese die erlernten Deutschkenntnisse auf sehr lebendige und ansprechende Art erproben konnten. Den gut gelaunten Abschluss fand die „Deutschstunde“ in einer gemeinsamen Modenschau.
Kursleiter Günther Punz: 1. von links
Eine besondere Freude für alle Beteiligten ist es, wenn eine Gruppe von TeilnehmerInnen so motiviert ist, dass höhere Sprachniveaus erreicht werden können, wie die engagierte Kursleiterin Eva Maria Hruby-Lehner stolz berichtet:
„C1- an der VHS Braunau: mehr als nur bloßes Deutschlernen: Im diesjährigen Sommersemester findet erstmalig auf vielfachen Wunsch der TeilnehmerInnen früherer Kurse ein Deutschkurs auf dem Niveau C1 (nach dem europäischen GERS-Rahmen) an der VHS Braunau statt. Höchst motiviert starteten die Sprachinteressierten aus den verschiedensten Herkunftsländern wie Kroatien, Mexiko, Montenegro, Polen, Rumänien, Serbien, Slowakei, Syrien und Tschechien und studieren fleißig an zwei Abenden pro Woche die deutsche Sprache. Auch wenn die Augen nach einem langen Arbeitstag oft müde sind, wird mit viel Spaß und Engagement Deutsch „gepaukt“. Keine der Kompetenzen kommt zu kurz: Hören, Lesen, Sprache im Kontext (Grammatik und Wortschatz) sowie Schreiben und Sprechen werden trainiert. So mancher lustige Spruch, Vergleiche von Begriffen aus den Muttersprachen der Studierenden, kleine Exkurse in die vielfältige Dialektlandschaft Österreichs dienen als Merkhilfe für Sprachregulierungen. Ausflüge in Epochen früherer Jahrhunderte, ins Englische und in andere Interessensgebiete lockern den Kursabend auf. Viele Impulse gehen dabei von den KursteilnehmerInnen selbst aus. Für manche TeilnehmerInnen ist der Kursabend ein gesellschaftliches Ereignis, ein Treffen mit den früheren Kursleiterinnen und Basis für weiterführende Kontakte: eine gewisse Vertrautheit stellt sich in diesem Stadium ein. Die gemeinsame Grundlage ist die Kommunikation in deutscher Sprache. Dabei findet ein reger Kulturaustausch ohne Vorurteile statt in einem Klima der Toleranz und des Verständnisses füreinander. Am Ende der Kurse sollen Sprach-Prüfungen und -zertifikate auf dem Niveau C stehen und den SprachlernerInnen dazu verhelfen, ihre akademischen und schulischen Qualifikationen, ihre Berufsabschlüsse aus ihren Herkunftsländern in Österreich und Deutschland anerkennen zu lassen und/oder sich einfach nur besser im Berufs-und Privatleben zu integrieren. Vielleicht findet der C1-Kurs seinen Nachfolgekurs in einem C2-Kurs!“
Die VHS OÖ ist für alle Menschen da, benachteiligte Personen liegen uns aber besonders am Herzen. Mit der langjährigen Erfahrung, dem großen Know-how im Bereich Integration und der organisatorischen Flexibilität und Professionalität ist es der VHS OÖ gelungen, viele Menschen an Deutsch- und Integrationsangeboten teilhaben zu lassen.
Die VHS OÖ wird auch in Zukunft ein beständiges Angebot an Deutsch- und Integrationskursen zur Verfügung stellen. Doch den tatsächlichen Bedarf an diesen Angeboten zu decken und die damit verbundenen Chancen für Personen mit Migrationshintergrund zu erhöhen, hängt von den finanziellen Mitteln ab, die von der Bundes- und Landesregierung zur Verfügung gestellt werden. //
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