Die Europäische Kommission arbeitet im Rahmen der Aktion 8 der Agenda für Erwachsenenbildung mit den Mitgliedsstaaten an einem Konzept von Skills for Life (Lebenskompetenzen). Damit soll die allgemeine und die berufliche Bildung ergänzt und besser verschränkt werden, aber auch die Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung unterstützt werden. Grundlage dafür ist der Aufbau „umfassender, hochwertiger und integrativer Systeme der Erwachsenenbildung“. Solche Systeme der Erwachsenenbildung sollen sich an alle Menschen richten. Explizit werden auch ältere Menschen angesprochen, die mit dieser Strategie besser erreicht werden sollen. Vor allem geht es aber um jene Menschen, die den „Zugang zum Lernen am dringendsten benötigen“. Besonders favorisiert wird nicht-formales Lernen, generationenübergreifendes, interkulturelles Lernen und gemeinschaftliches Lernen. Lokale Lernzentren wie Volkshochschulen, aber auch Bibliotheken, die Gemeinschaft vor Ort und die Zivilgesellschaft sollen zusammenarbeiten, um „Erwachsene zum Lernen zu motivieren und zu befähigen und so die Krisenresistenz zu fördern“. (European Commission o.J., S. 14).
In einer ersten Arbeitsdefinition wird das Konzept als ein breites Spektrum von Fähigkeiten erfasst, die in verschiedenen Lebensbereichen angewendet werden können. Es sind keine explizit beruflichen Fertigkeiten, sie können jedoch auch bei beruflichen Tätigkeiten und bei der Weiterbildung unterstützen. Vorgeschlagen werden sieben Dimensionen: (1) Resilience, empowerment and confidence building to cope with change, especially in times of crisis; (2) Digital skills to keep pace with ICT developments, avoid digital divide and access vital government and personal services, etc.; (3) Media literacy and critical thinking, civic skills to help citizens navigate among “fake news” or cyber fraud, increase the quality of democratic life by understanding how it works; (4) Consumer and financial literacy to help citizens protect themselves against bad financial moves and poverty to avoid a new crisis, manage their household; (5) Environmental literacy to sensitize citizens to sustainable development; (6) Dietary and health literacy: to raise citizens’ awareness about the importance of a healthy lifestyle; (7) Social and emotional literacy: develop self-confidence but also empathy, tolerance and non-violent communication with others, fight xenophobia and racism to better live together. (Bisovsky 2022).
Lebenskompetenzen sind in der Erwachsenenbildung nichts Neues. Insbesondere in der Basisbildung bzw. in der Grundbildung wird dieses Thema umgesetzt und der Beitrag von Mareen Köpnick in dieser Ausgabe zeigt auf, welche Bedeutung den angesprochenen Dimensionen in den Kursen der Basisbildung zukommt.
Die Bedeutung von Lebenskompetenzen ist im Zuge von Krisen immer wieder hervorgetreten. Das ist aktuell wieder mit der COVID-19-Pandemie der Fall. Der Umgang mit Veränderungen, die Bewältigung von Krisen, die Solidarität der Menschen in Krisensituationen, die Teilhabe und die Gestaltung von Gesellschaft und Politik und darüber hinaus sind wichtige Dimensionen von Lebenskompetenzen. Mehrere politische Eruptionen und die Pandemie haben dem Thema Medienkompetenz eine besondere Bedeutung gegeben, aber auch die Finanzkompetenz, finanzielle Grundbildung sowie die Umwelt- und Gesundheitskompetenz haben an Bedeutung zugelegt. Schließlich hängen offene und demokratische Gesellschaften von aktiven BürgerInnen ab, die Informationen aus verschiedenen Quellen wahrnehmen, Quellen unterscheiden, Desinformationen erkennen, fundierte Entscheidungen treffen, widerstandsfähig sind und verantwortungsbewusst handeln. An Bedeutung gewonnen hat auch die bürgerschaftliche Kompetenz, denn Demokratie ist nicht mehr unhinterfragt und partizipative Modelle sind gefragt.
Besonders interessant an dem Konzept der Lebenskompetenzen ist, dass es nicht ausschließlich auf das Inidividuum fokussiert, wie das streckenweise beim Konzept der Resilienz der Fall ist, sondern auch die Gesellschaft und die Umwelt miteinbezieht und auf Veränderungen setzt. Daher ist es auch wichtig, dass Veränderungen in der Gesellschaft und in der Umwelt erkannt werden und dass Entwicklungen in Gang gesetzt werden, die sowohl den einzelnen wie auch alle Menschen betreffen. Daraus ergibt sich, dass das Wissen laufend zu erweitern ist, dass soziale Netze aufgebaut werden sollen, dass entsprechende Handlungsoptionen sichtbar werden und umgesetzt werden, um die Umwelt zu schützen und die Gesellschaft weiterzuentwickeln. Das Konzept der Lebenskompetenzen hat so gesehen eine politische und eine kritische Dimension und es schließt an ein Bildungsverständnis an, das den Menschen als Individuum wie auch eingebettet in eine Gemeinschaft sieht. Bildung beinhaltet die „Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung und Solidaritätsfähigkeit“, die „Subjektentwicklung“, im Kontext des Verhältnisses zu sich selbst und zur Welt und meint auch die „veränderndproduktive Teilhabe an der Kultur“. Individualität und Gemeinschaftlichkeit sind zwei gleichwertige Dimensionen von Bildung. (Vgl. Gudjons 2008, S. 200).
Lebenskompetenzen umfassen verschiedene Fähigkeiten: Verstehen der Gesellschaft und der Umwelt, die uns umgibt; Erkennen von Veränderungen in der Gesellschaft und der Umwelt; rechtzeitig und erfolgreich in Hinblick auf solche Veränderungen tätig werden; Umsetzung früherer Erfahrungen in neuen Situationen; Wissensaneignung, Aufbau eines eigenen sozialen Netzes und Schutz der Umwelt (Javrh et al. 2017, S. 36).
Life skills for Europe
Zum Thema Lebenskompetenzen fand im April 2022 eine EPALE-Konferenz statt, bei der das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wurde und Beispiele aus Österreich vorgestellt wurden.1 Präsentiert wurden auch die Ergebnisse des Projektes „Life skills for Europe“, das 2018 abgeschlossen wurde. Besonders interessant ist an diesem Projekt, dass es sich explizit auf die Erwachsenenbildung bezieht und dass das entwickelte Rahmencurriculum über die Basisbildung hinausgeht. Denn es werden für alle definierten Arten von Fähigkeiten drei Stufen vorgeschlagen: Foundation, Developing und Extending, die als Grundlage für ein Lernmodell gesehen werden, das eine Entwicklung vom Individuum über die Gemeinschaft zum aktiven Engagement ermöglicht, wie diese Darstellung zeigt:
Quelle: Life Skills for Europe: Learning Framework, S.2: https://eaea.org/wp-content/uploads/2018/06/LSE-Capabilities-Framework-FINAL-WITH-CC.pdf (18.6.2022)
Die Beschreibung des dreistufigen Rahmencurriculums ist hier am Beispiel der „Personal and Interpersonal Capability“ dargestellt:
A.a.O, S. 5
Die Lebenskompetenzen werden offen und kontextbezogen definiert: „Lebenskompetenzen sind ein wesentlicher Bestandteil der Fähigkeiten für das Alltagsleben und die Arbeit in einem bestimmten sozialen, kulturellen und Umwelt-Kontext. Die Arten von Lebenskompetenzen ergeben sich als Reaktion auf die Bedürfnisse des Einzelnen in realen Lebenssituationen.“ (https://eaea.org/project/life-skills-for-europe-lse/?pid=10220).
Wie zuvor erwähnt umfasst das Rahmencurriculum acht Arten von Fähigkeiten: Persönliche und zwischenmenschliche Fähigkeiten; Lese- und Schreibfähigkeit sowie Sprachkompetenz; Rechnen; Finanzkompetenz; digitale Kompetenz und Medienkompetenz; Gesundheitskompetenz; Umweltkompetenz sowie die Bürgerkompetenz. In der folgenden Grafik werden diese acht Fähigkeiten kurz beschrieben und ihr Nutzen für die einzelnen und für die Gesellschaft wird dargestellt.
Quelle: https://eaea.org/project/life-skills-for-europe-lse/?pid=10220
Folgende Schlüsselbegriffe kennzeichnen das Konzept der Lebenskompetenzen bzw. werden verwendet:
Fähigkeiten (capabilities): Fähigkeiten hängen nicht vom Kontext ab. Unabhängig von den jeweiligen Umständen ermöglichen sie funktionale Reaktionen und Handlungen in einem breiten Spektrum unterschiedlicher Aktivitäten auf der Grundlage eines kritischen Urteilsvermögens. Sie sind zwischen verschiedenen Berufen übertragbar und ermöglichen vor allem die Teilhabe an der Gesellschaft und die persönliche Entwicklung.
Kompetenz: Kompetenz ist die Fähigkeit des Einzelnen, seine erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Einklang mit seinen Werten in komplexen, vielfältigen und unvorhersehbaren Situationen anzuwenden. Kompetenz besteht aus Wissen, Einstellung zum Wissen, kritischem Denken und verschiedenen Fertigkeiten.
Fertigkeiten (skills) sind wesentlich für die Integration und Teilnahme am Arbeitsmarkt, im Bildungsbereich und für die Lebensqualität. Fertigkeiten sind ein nützlicher und messbarer Teil einer Kompetenz. Sie sind übertragbar, was ein wichtiges Merkmal ist, da sie in vielen sozialen Kontexten und Arbeitssituationen relevant sind. Sie können erlernt werden, sobald sie Gegenstand von Bildung und Politik sind. Fertigkeiten sind die Grundlage für ein vollwertiges Handeln der wissensbasierten Volkswirtschaften und Gesellschaften im 21. Jahrhundert.
Wissen ist das Ergebnis des Lernens und der Aneignung von Konzepten, Prinzipien, Theorien und Praktiken. Der Erwerb von Wissen findet in verschiedenen Umgebungen statt: im Bildungsprozess, bei der Arbeit und im Kontext des persönlichen und sozialen Lebens. (Javrh et al. 2022, S. 16-22)
Der Lebenskompetenzansatz ist ein umfassender Lernansatz, da er sich sowohl auf die Beschäftigungsfähigkeit bezieht wie auch auf das Alltagsleben in den Familien und in den jeweiligen Gemeinschaften. Das Konzept der Lebenskompetenzen geht über das Konzept der Grundfertigkeiten hinaus, da es mehr als nur eine Grundlage für das Überleben fördert. Die Definition ist offen für Änderungen und für Kombinationen von Kompetenzen. Lebenskompetenzen sollen ein „kompetentes Erwachsenenleben“ ermöglichen. (Vgl. Možina 2022).
Lebenskompetenzen in Österreich
In der österreichischen Erwachsenenbildung lassen sich Beispiele für Lebenskompetenzen als einzelne Angebote finden. Eine kurze Internetsuche nach „Lebenskompetenz & Volkshochschule“ erbrachte Ergebnisse für Gesundheitskompetenz, soziale Kompetenz und Finanzkompetenz:
Durch ein umfassendes Bildungsangebot mit den Bereichen „Gesunde Ernährung“, „Work-Life-Balance und Bewegung“ und „Lebenskompetenz“ wurde die Gesundheitskompetenz von 298 Lernenden, insbesondere Menschen mit Basisbildungsdefiziten, Personen mit Migrationshintergrund und sozial und ökonomisch benachteiligten Menschen gefördert. Sie reflektierten das eigene Gesundheitsverhalten, lernten anhand praktischer Beispiele und theoretischem Input und erhielten so Sicherheit, sich im österreichischen Gesundheitssystem zu Recht zu finden. Die eigene Gesundheit steht wieder im Mittelpunkt.
Soziale Kompetenz – Mehr Lebensfreude – Lebenskompetenzen
Ein starkes Selbst: Selbstachtung heißt, einverstanden mit sich selbst sein. Handlungskompetenz heißt, umsetzen, was Sie sich vorgenommen haben. Wir stellen uns den Fragen: Was ich NICHT mehr will. – Warum weiß ich nicht, was ich will? Was brauche ich um glücklich und zufrieden zu sein? Zehn Lebensfreudetipps und 88 Tipps für die seelische Gesundheit. Grundsätzlich für Männer und Frauen ab 40+, es sind aber auch jüngere Teilnehmer/-innen willkommen.
Finanzkompetenz als Lebenskompetenz – Workshop 2
Unser Finanz- und Konsumsystem ändert sich dramatisch schnell. Die Digitalisierung beeinflusst unser Kaufverhalten. Rascher Informationszugang und schnelle Zahlungsabwicklung erleichtern einerseits den Erwerb von Waren, andererseits verleitet die Werbeflut zu unüberlegtem Kauf. Gleichzeitig verlieren wir durch Kartenzahlungen, kontaktloses Zahlen etc. immer leichter den Überblick über unser Geld.
In dieser Workshopreihe wird durch Theorie und Praxisaustausch versucht, dieser Entwicklung gegenzusteuern und die eigene Finanzkompetenz zu entwickeln und zu fördern.
Workshop 2: Wie erkenne ich eigene Verhaltensmuster und kann diese gegebenenfalls verändern? Welche Daumenregeln gibt es im Umgang mit Geld? Wie kriege ich mein persönliches Finanzmanagement auf die Reihe? Welchen versteckten Fallen begegne ich im Alltag?
https://www.vhs-burgenland.at/Termine/finanzkompetenz-als-lebenskompetenz-workshop-2/
Eine Strategie „Lebenskompetenz“ findet sich im Kontext von Gesundheit und Resilienz aber auch von Ermächtigung (Empowerment). Für die Umsetzung wurden Schulen gewählt.
Der Fonds Gesundes Österreich definiert Lebenskompetenzen als Fähigkeiten, die Menschen ermöglichen, ihr Leben zu gestalten und zu meistern. „‘Life skills’ geben Menschen die Kraft mit Veränderungen zu leben oder Veränderung in ihrer Umgebung herbeizuführen. Dazu gehört beispielsweise die Fähigkeit, Probleme zu lösen, die Kommunikationsfähigkeit, die Beziehungsfähigkeit oder die Fähigkeit, mit Stress umzugehen und ihn positiv zu bewältigen.“2 Diese „life skills“ sind auch die Basis von Gesundheitsförderung und Prävention. Die Förderung von Lebenskompetenzen ist als Bildungsauftrag in den Lehrplänen der Schulen verankert.3 Eine Evaluation des Impacts dieser Strategie ist nicht bekannt, im Fortschrittsbericht 2021 zur Österreichischen Jugendstrategie wird nur auf Materialien zum Thema life skills verwiesen.4
Für den Bereich der Erwachsenenbildung existiert (noch) kein ganzheitliches Konzept, einzelne Elemente der Lebenskompetenzen sind Themen von Angeboten in der allgemeinen Erwachsenenbildung.
Im Rahmen des Erasmus+ Projektes „Psychosoziale Basisbildung“ wird ein Praxisfeld für die Erwachsenenbildung eröffnet, das die individuelle Ebene mit der gesellschaftlichen und der strukturellen verknüpft und die Aufgaben für die Erwachsenenbildung definiert. Psychosoziale Basisbildung wird vor dem Hintergrund zahlreicher rasanter Entwicklungen und Herausforderungen begründet, die dazu führen, dass sich viele Menschen überfordert und erschöpft fühlen. Daher stellt sich die Frage, wie sich die Menschen trotz schwieriger Umstände als selbstbewusste und als selbstwirksame Individuen wahrnehmen können, die sich proaktiv zu diesen Entwicklungsdynamiken verhalten können. Psychosoziale Basisbildung wird in fünf Dimension verstanden: (1) Begleitung von Menschen auf der Grundlage eines ganzheitlichen Menschenbildes; (2) Erwerb, Erhalt und Erweiterung von fundamentalen Kompetenzen der verantworteten persönlichen Lebensführung und des konstruktiven sozialen Miteinanders; (3) Verfügen von Wissen um Handlungskompetenz zur persönlichen Entwicklung und zur Bewältigung von Krisen; (4) ein niederschwelliges Bildungsangebot, das für alle gesellschaftlichen Gruppen zugänglich ist und (5) ein Lernangebot, das pädagogische, lernpsychologische und neurobiologische Grundlagen des Lehrens und Lernens von Erwachsenen berücksichtigt (Klingenberger und Walter 2021).
Das Konsortium des Life-Skills-for-Europe-Projektes sieht die Fähigkeiten nicht kontextbezogen. Es stellt sich daher die Frage zum Verhältnis von Lebenskompetenzen und beruflichen Kompetenzen. Diese Frage berührt auch die Thematik wieweit Fertigkeiten und Fähigkeiten, die für den einen Bereich gelten, auch auf den anderen übertragen werden können. Diese Fragestellung wurde auch im AMS-Vorhaben „New Skills“5 vor dem Hintergrund der Digitalisierung diskutiert.
Nachdem nicht bekannt ist, wo die Entwicklung genau hingehen wird, ist es sehr wichtig darauf gut vorbereitet zu sein. Eine große Bedeutung wird der Lernfähigkeit und der Lernmotivation zukommen, die aber insbesondere im unteren Segment von Qualifikationen durch entsprechende Strukturen sicherzustellen sind, die den Zugang zum lebenslangen Lernen ermöglichen. Neben der Sicherung der Existenz sind Kommunikationsfähigkeit, Problemlösungskompetenz und soziale Kompetenz als grundlegend zu sehen, wenn es um den Umgang mit unstrukturierten Problemstellungen und um soziale Interaktionen geht. (Bock-Schappelwein 2020).
Qualifikationsanforderungen können heute eher nur kurzfristig prognostiziert werden. Als zukunftsträchtig kann eine gute Kombination aus Allgemeinbildung, Lernfähigkeit und vernetzem Denken gesehen werden, idealerweise in Kombination mit handwerklich-technischer Spezialisierung (Kopf 2020).
Die Digitalisierung führt uns vor Augen, dass die technischen Kompetenzen nur eine Seite der Medaille sind und sie sind wahrscheinlich auch noch leichter zu beherrschen. Nachdem sich im Zuge der Digitalisierung Strukturen, Prozesse und Geschäftsmodelle verändern, die neue Mindsets bei Mitarbeitern und Führungskräften erfordern, werden methodische, soziale und persönliche Kompetenzen eine höhere Bedeutung gewinnen.
Lebenskompetenzen wie auch berufliche Kompetenzen beinhalten auch soziale und transversale Kompetenzen, eine klare Abgrenzung kann nicht ausgemacht werden. Offen ist allerdings, ob ein Transfer von dem einen in den anderen Kontext so ohne weiteres möglich ist. Sicherlich wird es eine entscheidende Frage sein, auf welchem Bildungsniveau aufgebaut werden kann, welche Lernkompetenz und welche Lernmotivation vorhanden sind. Die Herausforderung schlechthin wird es sein, wie die Fertigkeiten und Kompetenzen von Personen mit niedrigen Bildungsniveaus verbessert werden können.
Die Pandemie hat zweifelsohne dazu geführt, dass einzelnen Dimensionen der Lebenskompetenzen eine größere Aufmersamkeit seitens der Politik gewidmet wurde. Vor allem Fragen der Gesundheit, der psychosozialen Gesundheit und der Digitalisierung wird mehr denn je Aufmerksamkeit zuteil. Vor kurzem hat die Österreichische Bundesregierung auf die Warnungen von zahlreichen Experten reagiert und stellt nun Finanzmittel zur Verbesserung der psychosozialen Versorgung von Jugendlichen zur Verfügung.6
Das Thema der Medienkompetenz hat vor dem Hintergrund der zahlreichen Verschwörungstheorien und der ebenso zahlreichen fake news eine hohe Aufmerksamkeit erfahren und neben vielen Buchpublikationen, Beiträgen in seriösen Zeitungen und Medien gibt es dazu auch zahlreiche Veranstaltungen, die von der Erwachsenenbildung durchgeführt werden. Auch wenn es zweifelhaft ist, ob Menschen in ihren bubbles damit erreicht werden können, ist es doch sehr wichtig, dass es diese Veranstaltungen gibt und dass sich seriöse Medien und die Erwachsenenbildung damit auseinandersetzen.
Bei den digital skills wäre es gut und notwendig, ein niederschwelliges und kostengünstiges Angebot in die Umsetzung zu bringen. Damit könnten auch Querschnittsthemen wie beispielsweise die media literacy gut verbunden werden, ebenso auch die health literacy, u.a.
Die Veranstaltungen zu den Dimensionen Resilienz und soziale Kompetenz, die von den Volkshochschulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung im Kontext der sogenannten Persönlichkeitsbildung durchgeführt werden, zeigen, dass auch diese Dimensionen der skills for life in der Öffentlichkeit angekommen sind und dass durchaus eine Auseinandersetzung stattfindet. Allerdings stellt sich die Frage, wer diese Angebote in Anspruch nimmt. Dazu gibt es Hinweise, dass es vor allem Mittelschichten sind, die an diesen Veranstaltungen teilnehmen.
Im Herbst 2021 wurde die Österreichische Finanzbildungsstrategie präsentiert, die sich über acht Lebensphasen erstrecken soll, in denen Bürgerinnen und Bürger mit konkreten Finanzbildungsinitiativen unterstützt werden sollen.7 Als ein Beispiel guter Praxis ist der Finanzführerschein anzugeben, der bereits in Wien umgesetzt wird.8
Können Lebenskompetenzen erlernt werden?
Auf eine abstrakte und theoretische Weise können Lebenskompetenzen nicht erlernt werden, denn sie bauen auf Erfahrungen auf, die im realen Leben gemacht werden. Die Menschen können jedoch durch viele Angebote, die es in den Volkshochschulen und in der Erwachsenenbildung bereits gibt, in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützt werden. Eine Kombination mit Beratungsangeboten und auch Erfahrungsgruppen bietet sich an.
Der Gruppenunterricht, der für die Volkshochschulen konstitutiv ist, eignet sich gut. Durch Bildung in Gruppen werden Emotionen und die empathische Fähigkeit sich in andere Personen einzufinden, und die damit einhergehende „Weltoffenheit“ der Menschen, unterstützt. Gruppenarbeit ist anregend, weil jedes Gruppenmitglied andere Vorkenntnisse, Ideen oder Erfahrungen mitbringt. Gruppenarbeit eignet sich gut zur Ideenfindung und zur Problemlösung. Argumentieren und Diskutieren wird in Gruppen gelernt, ebenso die Fähigkeit sein eigenes Wissen strukturiert und verständlich vorzubringen. Dies führt auch zu einer Festigung des eigenen Wissens. In Gruppen lernen Menschen, dass es verschiedene Perspektiven und unterschiedliche Standpunkte gibt, was im Idealfall zu mehr Toleranz und zur Klärung von Missverständnissen beitragen kann. Gruppen motivieren das Wir-Gefühl sich auf Lernprozesse einzulassen, eine gemeinsame Lernbereitschaft kann gefördert werden und Lernen geschieht auch durch Fordern. (Vgl. Klier 2015).
Das vom Konsortium des Life-Skills-for-Europe-Projekt vorgelegte Rahmencurriculum gibt eine gute Grundlage für die Konzeption von Lebenskompetenzen in den Volkshochschulen ab. Gegebenenfalls werden andere Rahmen hinzuziehen sein, wie beispielsweise der Europäische Referenzrahmen für digitale Kompetenzen (DigComp). Diese Rahmen stellen eine Basis dar, denn die Lebenskompetenzen sind in weiterer Folge an die jeweiligen Kontexte anzupassen. Wie spezifisch sie dann tatsächlich sind, das wird sich in der Praxis zeigen.
Das Vorhandensein einer funktionierenden Struktur der Erwachsenenbildung ist jedenfalls eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung von Strategien wie die der Lebenskompetenzen.
Eine gut aufgestellte Erwachsenenbildung baut auf lokale und regionale Vernetzungen, auf einen laufenden Austausch von Erfahrungen auf allen Ebenen (lokal, national und international) und mit allen Stakeholdern und Akteuren. Bei den Lebenskompetenzen kommt der non-formalen Erwachsenenbildung eine große Bedeutung zu, daher sind ihre Strukturen unbedingt zu stärken. //
Taat voor het Leven/Language for Life
Das LSE-Konsortium präsentiert in seinem Report mehrere Beispiele guter Praxis. Auf ein Besipiel aus den Niederlanden soll hier aufmerksam gemacht werden. Es eignet sich auch für eine Umsetzung in Österreich, da es gut an vorhandenen Strukturen ansetzen kann.
Das Programm Language for Life wird in einer Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und Veranstaltern von Niederländischkursen umgesetzt. Das Programm repräsentiert und schafft regionale Netzwerke und Infrastrukturen für die Bildung von Menschen mit erklärten Defiziten (z. B. die Gruppe der Migranten und älteren Migrantengesellschaften). Dieses Netzwerk besteht aus Gesundheits-, Wohlfahrts- und Sprach-Organisationen sowie Bibliotheken, regionalen Ausbildungszentren (ROCs) Unternehmen usw. Sein Ziel ist es, die Lese-, Schreib- und Rechenkenntnisse und digitalen Fähigkeiten zu verbessern. Weiters ist eine bessere geistige und körperliche Gesundheit das Ziel sowie eine bessere soziale Eingliederung, neue Leute kennenzulernen und einen Job zu finden, der ein besseres Einkommen ermöglicht.
Die SprachdirektorInnen und TrainerInnen dieser Programme können in jeder Region leicht geschult werden, um Personen mit fehlenden Grundkenntnissen zu erreichen. Eine Kombination aus LehrerInnen, geschulten Freiwilligen und gutem Lehrmaterial erzielt die größte Wirkung des Programms. Das methodische Konzept der Alphabetisierungszentren kann leicht auf andere europäische Länder adaptiert werden, ebenso wie die Tatsache, dass die Schulungen in der eigenen Umgebung der Lernenden stattfinden.
Ein Alphabetisierungszentrum ist eine niedrigschwellige Einrichtung in der Nachbarschaft, die Informationen für Menschen mit Lese- und Schreibproblemen bietet sowie für Freiwillige und LehrerInnen. Die Zentren befinden sich in öffentlichen Bibliotheken, in Unternehmen, Arbeitsagenturen und Krankenhäusern.
Der Literacy Screener als Teil des Programms ist ein Online-Tool, das innerhalb von 12 Minuten mögliche Lese- und Schreibprobleme erkennen kann. Das Instrument ist gültig, objektiv und zuverlässig und wurde für Organisationen entwickelt, die einen schnellen Hinweis auf den Alphabetisierungsgrad ihrer KundInnen, KlientInnen oder MitarbeiterInnen wünschen. In fünf Jahren haben mehr als 40.000 Personen den Literacy Screener ausgefüllt, und dank des Screeners haben etwa 40 % der Menschen mit geringen Lese- und Schreibkenntnissen eine Ausbildung begonnen. Mehr als 200 Organisationen in den Niederlanden nutzen den Screener, darunter Arbeitsämter, Gemeinden und Unternehmen. Nach Übersetzung und Anpassung an den lokalen Kontext kann das Screening-Instrument in jedem europäischen Land eingesetzt werden (es ist bereits online als kostenlose Demoversion in Englisch, Türkisch und Rumänisch). Darüber hinaus kann jede/r den entwickelten Numeracy & Digi Screener verwenden, um ihre/seine Rechenfähigkeiten schnell zu überprüfen und digitale Fähigkeiten zu ermitteln.
Weitere Informationen unter:
https://www.taalvoorhetleven.nl/