Klar und vereinfacht
Ein Verhältnis kann man beziffern, berechnen, vergleichen.
Eine Beziehung beinhaltet miteinander zu kommunizieren, gemeinsame Ziele zu setzen, einander zu vertrauen, aufeinander zu bauen, einfühlsam die Emotionen anderer wahrzunehmen, produktives Teamwork zu leisten, gemeinsame Interessen und Werte anzustreben und sogar – miteinander zu lachen und humorvoll umzugehen. Klar und vereinfacht.
Schule „für alle“ entwickelt sich seit dem 18. Jahrhundert Top-down. Erwachsenenbildung entfaltet sich seit dem 18. Jahrhundert Bottom-up. Klar und vereinfacht.
Schule will Haltungen und Wissen vermitteln. Haltungen und Wissen, die in Zukunft, so haben andere, Ältere, entschieden, den Lernenden, Jüngeren und der Gesellschaft nutzen und dienen sollen. Für eine gewisse Anzahl von jugendlichen Lebensjahren ist „unterrichtet werden“ verpflichtend.
Erwachsenenbildung ermöglicht, sich neues Wissen anzueignen, neue Fähigkeiten zu erlernen, Schulabschlüsse nachzuholen, Hobbies zu pflegen, mit anderen Erwachsenen sich emotional und intellektuell auszutauschen, Haltungen und Verhalten zu reflektieren. Davon erwarten sich die Lernenden unmittelbaren und erkennbaren Nutzen. Die Teilnahme erfolgt freiwillig, wenn auch in manchen Berufsbereichen und -situationen verpflichtende Atmosphäre besteht. Klar und vereinfacht.
Wenn Kinder und Jugendliche – auch mit Hilfe langjähriger Schulbesuche – ihre Abhängigkeiten hinter sich lassen, sind Bildungsprozesse gelungen.
Wenn Erwachsene nicht alles hinnehmen, sondern sich lernend mit Problemen und Herausforderungen beschäftigen, um selbstbestimmt zu denken und zu handeln, ist von gelungener Selbstbildung zu sprechen. Klar und vereinfacht.
„Klar und vereinfacht“ mag gefallen. Doch die gesellschaftlichen Verhältnisse und ihre Zusammenhänge, die sozialen Konstellationen mit ihrem Konflikt- und Erfolgspotenzial, die unterschiedlichen Interessen und Notlagen erweisen sich komplex und differenziert. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen Erwachsenenbildung und Schule.
„Klar und vereinfacht“ soll im nachfolgenden Text Leitlinie bleiben – mit dieser Sichtweise werden einige Verflechtungen, Vergleiche, historische und aktuelle Bezüge aber auch Perspektiven und Ziele vorgestellt.
Der Begriff Schule wird verallgemeinernd, der Begriff Erwachsenenbildung synonym mit ähnlichen Begriffen verwendet.
Fleißig, gehorsam, untertan
Ende des 18. Jahrhunderts bekamen Schul- und Unterrichtspflicht zunehmende gesellschaftliche Bedeutung. Eine gute Ausbildung der Bevölkerung sollte die staatliche Macht und somit die Herrschaftsverhältnisse stärken. Unter Maria Theresia, sie regierte von 1740–1780, wurde der allgemeine Besuch von Grundbildung mit der „Allgemeinen Schulordnung“ von 1774 zur Pflicht. Vor allem im Winter, sonst mussten die größeren Kinder ja in der Landwirtschaft mitarbeiten. Unter Federführung des katholischen Geistlichen, Ignaz von Felbiger (1724–1788), ging es auch darum, die noch teilweise protestantische Bevölkerung „nachhaltig“ auf katholisch umzupolen. Fromme, fleißige, gehorsame, kaisertreue Untertanen sollten den Staat innenpolitisch, wirtschaftlich und militärisch sichern. Schule galt als „Politicum“, also als wichtige Angelegenheit des Staates.
Strategisch und wegen der politischen Bedeutung ging die Reform des Militärs der Bildung voraus. Die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt wurde bereits 1751, also mehr als zwei Jahrzehnte vor der Schulreform, etabliert. Solche organisatorischen Maßnahmen sollten nicht getrennt betrachtet werden. Schule und Militär dienten dazu, die traditionelle ständische Ordnung aufrechtzuerhalten, um eine auf Gottes Gnade beruhende Herrschaft zu stützen, zu verteidigen, zu akzeptieren.
Für den Zeitraum noch bemerkenswert: 1776, nach mehrjährigem Krieg gegen die Briten, erfolgte die Erklärung der Unabhängigkeit und der Menschenrechte in den USA. 1789 begann die Französischen Revolution. Aus Sicht der europäischen Monarchien war die ständische Ordnung in Gefahr. Gegen die Regierenden wurde mit Gewalt revoltiert. Eine „Zeitenwende“, wie man heute gerne die Gegenwart apostrophiert, ging vor sich.
Bildung wurde als Mittel betrachtet und eingesetzt, um die Aufklärung des Volkes zu fördern – aber auch als Mittel, um die Herrschaftsverhältnisse zu erhalten. Der Glaube an die „Erziehung des Menschengeschlechts“ (Lessing: 1780) wurde von der Herrschenden in ihrem Sinne umgemünzt. Das „Politicum“ Schule und eine zensurierte Volksbildung, z. B. in Theateraufführungen oder in Gazetten, wurde zur genau überwachten Einflusszone der Herrschenden (Eisendle: 2020).
Klar und vereinfacht: Die Widersprüche von Aufklärung und Herrschaft, von Macht und Ohnmacht begleiten das institutionalisierte Bildungswesen von Anfang an.
Welt erkennen
Mit den Ideen und Überzeugungen der Aufklärung stellte sich ein neues Konzept der Machtverteilung den herrschenden Eliten aus Adel und Kirche entgegen. Anstelle des „Adel des Blutes“ sollte der „Adel des Geistes“ regieren. Der deutsche Philosoph aus Königsberg, Immanuel Kant (1724–1804), erklärte 1784, was Aufklärung praktisch bedeuten solle: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Anhänger der Aufklärung, unter anderem „Böse Philosophen“, wie sie Philipp Blom (2011) in seinem gleichnamigen Buch beschrieb, kämpften gegen das bestehende hierarchische Gesellschaftsmodell. Wissen, nicht Glauben, sollte zum neuen Machtfaktor werden.
Nicht zuletzt führten Reisen, Beobachten und Vermessen „der Welt“ zu modernisierten Vorstellungen über den Planeten Erde und seine Lebewesen. Aber auch zu neuen Sichtweisen – mehr und mehr zu wissenschaftlichen Deutungen des menschlichen Daseins. So gelang durch geologische Funde und Fossilien eine völlige Neudatierung der Zeitdauer des Bestehens der Erde. Ebenso entstand ein neues Verständnis von der Existenz des Menschen. Es waren z. B. Alexander von Humboldt (1769–1859) der Erfahrungen und Erlebnisse von seinen Reisen als Volksbildner in Berlin vermittelte – oder Charles Darwin (1809–1882), der mit seiner publizierten Forschung beitrug, den Menschen als evolutionäres Wesen zu betrachten. Ein Wissen, das bis heute Befürworter und Gegner findet und dessen Verbreitung teilweise noch immer vehement abgelehnt oder aus Schulbüchern verbannt wird. Ein gut lesbarer Einblick in das gegenwärtige Wissen über das Leben auf unserer Erde, also über die letzten 4,6 Milliarden Jahre, findet sich im Buch des Evolutionsbiologen Henry Gee: „Eine (sehr) kurze Geschichte des Lebens“ (2021).
Die historische Entwicklung ging andere Wege. Europäischer Kolonialismus, Industrialisierung, Streben nach Gewinn und Macht, Widerstand der Unterdrückten und Ausgebeuteten, Befreiung der Bauern formten die Geschichte. Erfindungen wie die Dampfmaschine (1754), kapitalistische Produktionsweise, Entstehung der Arbeiterbewegung, Versklavung kolonialisierter, indigener Völker waren weitere Herde der Unruhe. Anwendung von Gewalt, maximiert in kriegerischen Handlungen, bestimmten den historischen Wandel, in dem sich Schule und Erwachsenenbildung ihren Stellenwert suchten.
Bedingt durch und im Blick auf diese Transformationen (sie gibt es nicht erst seit der Gegenwart), entstanden Schule und Erwachsenenbildung beeinflusst von konfligierenden Interessen und Absichten.
Schule und Lehrerbildung kristallisierten sich als Einrichtungen unter staatlichem Einfluss, staatlicher Kontrolle, Aufsicht und Steuerung heraus. Ein zähes Ringen gegen Dirigismus und parteipolitische Bevormundung zugunsten einer relativen Autonomie zeigt erst in den letzten Jahren Erfolge. Erwachsenenbildung repräsentierte hingegen die gesellschaftlichen Kräfte, die gegen staatliche Vereinnahmung agierten und eine demokratisierte Zukunft anstrebten.
Klar und vereinfacht: „Wissen ist Macht – nein: Macht ist Wissen!“ Und: „Allgemeinbildung ist die Bildung der Herrschenden, Berufsbildung die Bildung der Beherrschten!“
Beide Slogans des 19. Jahrhunderts beziehen sich auf den Kampf für ein allen zugängliches, freies, demokratisches Bildungswesen.
Freiheitsgrade
Erwachsenenbildung basiert stärker auf den unterschiedlichen Interessen einzelner gesellschaftlicher Gruppierungen, die ihre Ansichten und das ihnen bedeutsame Wissen an ihre Klientel weitergeben wollten. Zugleich sollten damit auch, im Sinne der Sozialpolitik, gesündere Arbeits- und Lebensbedingungen sowie politische Mitbestimmung erreicht werden. Die relative Freiheit der Erwachsenenbildung wurde lange als Markenzeichen für unabhängige Bildung kolportiert.
Aktuell sind schulische Bestrebungen für erhöhte Autonomie vor allem aus Gründen einer effizienten Schulentwicklung nicht zu übersehen. Den Hohen Schulen – den Universitäten – wurde Autonomie mit dem Universitätsgesetz 2002 – zugestanden. Diese Selbstverwaltung inklusive Finanzhoheit bezeichnen kritische Geister allerdings als „Verwaltung des Mangels“. Schulen agieren im Rahmen einer „relativen Autonomie“. Um diese zu nutzen, um Schulentwicklung und Schulqualität zu gewährleisten, bedarf es kooperativer Strukturen in der Schule. Die dafür notwendige „Vereinbarungskultur“, als Schlüssel einer erfolgreichen Zusammenarbeit, ist allerdings noch unterentwickelt (Potzmader: 2020).
Erwachsenenbildung hingegen verliert mit zunehmender gesellschaftlicher Bedeutung und daraus resultierender Integration in die staatliche Bildungspolitik ihre Freiheit. Der Historiograph der österreichischen Erwachsenenbildung, Wilhelm Filla, beschreibt dieses Paradox (2014, S. 213): „Der gesellschaftlichen Aufwertung der Erwachsenenbildung entspricht ihre abnehmende Freiheit.“ Als jüngster Beleg für diese Tendenz erweist sich die Kritik von Evers (2022) an den Vorgaben der Leistungsvereinbarung des Bundes für Volkshochschulen durch das Bundesministerium.
Anfang 1980 stellte der deutsche Theoretiker und Praktiker der Erwachsenenbildung, Hans Tietgens (1922–2009) fest: „Seit eh und je ist die Erwachsenenbildung bestrebt gewesen, sich von dem abzuheben, was für die Schule als üblich galt.“ (Tietgens: 1980, S. 177). Angesichts zunehmender „Verschulung“ der Weiterbildung – übrigens auch des Hochschulsektors –, ist das wohl heute nicht mehr uneingeschränkt gültig.
Erwachsenen-, Weiter- und Fortbildung ziehen wie die Schule die Aufmerksamkeit politischer Interessen auf sich. Diese sind, beginnend in den 1980er-Jahren, vom Neoliberalismus geprägt. Der Kampf um Freiheit oder um Freiheitsgrade wird noch immer fortgeführt. Er wird überschattet und verdeckt durch diverse Krisen, in der sich die Gegenwartsgesellschaft befindet oder die für sie diagnostiziert und kolportiert werden.
Klar und vereinfacht: Bildung war und ist nicht unpolitisch. Ständig wechselnder Krisenmodus lähmt. Soll er lähmen?
Defizite bleiben
Schule ist eine Institution, die man verlässt. Schule misst man daran, was sie mitgibt und was davon bleibt. Eine Institution, auf die man „ausgelernt“ zurückblickt. Vielleicht betritt man sie wieder zu einer Jahresfeier, als Lehrender oder als Elternteil. Nie mehr als Schüler*in, die/der die Schulbank drückt. Obgleich – seit 1997 können Schulen im Rahmen von Teilrechtsfähigkeit Fort- und Weiterbildung anbieten. Doch davon abgesehen: Schule ist darauf angelegt, sie zu verlassen.
Dank kann man der Schule schulden, wenn es ihr gelingt, die Freude am Lernen, die Neugier an Wissen und Zusammenhängen zu fördern. Wenn sie Lernen in positiver Erinnerung behalten lässt und dadurch motiviert, weiterem Lernen nicht auszuweichen.
Richtet man den Blick auf die dokumentierten Misserfolge der Schule, muss man zur Kenntnis nehmen: Etwa 20% der Fünfzehnjährigen tun sich mit sinnerfassendem Lesen, mit Rechen- oder Schreibfähigkeit schwer (Sandner & Ginner: 2021). Apropos Ökonomisierung: Das Produkt Bildung ist in ökonomischer Betrachtungsweise in etwa 20 Prozent der Fälle beschädigt – was würden wir sagen, wenn das beim Kauf von Lebensmitteln, Textilien, Autos, Fahrrädern auch so wäre. Dass etwa Hälfte der Personen, die ein Studium an Universitäten beginnen, dieses vorzeitig aufgibt und nicht abschließt, ist kein Trost – allerdings auch kein besonders Qualitätsmerkmal des österreichischen Bildungssystems.
Wie viel individuelles Leid sich hinter Schulversagen verbirgt, hat wohl noch niemand aus den diversen Messstationen im Bildungswesen versucht in Zahlen auszudrücken? Schule als Ort von Kränkungen – wer organisiert, wer finanziert ein entsprechendes Forschungsprojekt?
Mit Blick auf muslimische Schüler*innen hat die Lehrerin und Journalistin Melisa Erkurt ein eindrucksvolles Buch verfasst: „Generation haram“ (2020). Die Autorin dokumentiert den Leidensweg und die Frustrationen, die Versagungen und Zurückweisungen durch die Schule – besonders für Frauen. Die Erwartung, für künftiges Lernen motiviert zu werden, hält sich bei diesen Schüler*innen in überschaubaren Grenzen.
Eine Antwort auf Defizite bei den Abgänger*innen von Schulen, auf den wenig erfolgreichen Beitrag der Schule für Kompetenzen bezüglich Lesen, Schreiben und Rechnen, gibt die Erwachsenenbildung mit Angeboten zu Grund- und Basisbildung (Heiglauer & Plattner: 2022).
Solche und ähnliche Initiativen, durch Weiterbildung kompensatorisch zu wirken, haben nicht nur sehr lange Tradition, sie haben eine ökonomische Komponente: ausnutzen aller Begabungsreserven. Sie vertreten aber auch humane Absichten. Human betrachtet geht es darum, soziale Chancen, unabhängig von der sozialen Herkunft und den ersten enttäuschenden Erfahrungen im Bildungswesen, zu bewahren.
Generell bleibt aber die Erkenntnis, Erwachsenenbildung allein kann soziale Defizite nicht ausgleichen, nicht egalisieren (Luksisk: 2021). Aber sie ist ein unverzichtbarer Beitrag zur individuellen Hilfe.
Hier soll nicht „die Schule“ diffamiert oder „schuldig“ gesprochen werden. „Die Schule“ mit ihren vielen engagierten Lehrer*innen, mit ihren vielen kompetenten Leitungspersonen, mit ihrem professionellen Verwaltungspersonal kann auf sich allein gestellt eben nicht soziale Ungleichheiten beseitigen – ihre strukturellen Reformen, um sozial unterstützender zu wirken, stehen zudem noch aus.
Aber im Zusammenhang mit Erwachsenenbildung sollte klar sein, dass Schule auch Defizite verstärkt, die langfristige Konsequenzen bezüglich Bildungsbereitschaft und Bildungsmotivation verursachen. Empirische Daten aus der PIAAC-Studie (2014, die nächsten Daten sind 2024 zu erwarten) belegen: Personen mit niedriger formaler Ausbildung, mit niedriger Schulbildung, mit anderer Erstsprache als Deutsch und/oder Eltern mit geringem Bildungsgrad haben schwache Lesekompetenz und nehmen mit geringerer Wahrscheinlichkeit an Weiterbildung teil (Gruber & Lenz: 2016, S. 88).
Problematisch erweist sich deshalb die seit Jahren bestehende bildungspolitische Abstinenz gegenüber diesen Defiziten. Das negative Erscheinungsbild reicht von „Systemsprengern“ bis zu den meist schweigenden Abgänger*innen. Abgesehen von einer Strukturreform der Schule könnten verschiedene Formen des Supports Erleichterung schaffen. Dies betrifft z. B. individuelle Begleitung durch Coaches, Etablierung von „Community Colleges“ oder intensivierte „Community Education“ – der passende deutsche Begriff ist erst zu finden!!! Kooperativen Einrichtungen und kooperativen Angeboten zwischen Schule und Erwachsenenbildung öffnet sich ein attraktives Tätigkeitsfeld.
Klar und vereinfacht: Schule grenzt aus – Erwachsenenbildung soll wieder integrieren! Schule, in ihrer derzeitigen Formation, scheint überfordert, allen ihren Besucher*innen einen adäquaten Entwicklungsraum zu bieten.
Für strukturelle Änderungen im Bildungssystem gibt es derzeit keine politische Mehrheit. Daran ist zu arbeiten.
Bitte nicht stören
Das Bildungswesen sollte nicht für sich allein betrachtet werden. Es ist von den jeweiligen gesellschaftspolitischen Machtverhältnissen, von den herrschenden Interessengruppen und ihren Mainstream-Überzeugungen abhängig – es wird politisch dirigiert und kontrolliert. Seit den 1980er-Jahren wird diese vorherrschende gesellschaftlich Macht unter der Bezeichnung Neoliberalismus zusammengefasst. Die Konsequenz im Bildungswesen ist seine Ökonomisierung (Lenz: 2012).
Zugleich erleben wir eine Situation, in der unsere bisherigen Lebensformen, unsere Sicherheit, unser Vertrauen in Frieden und Wohlstand in Frage gestellt werden. Auch Analysen unserer Gegenwartsgesellschaft stimmen besorgt. Sie bezeichnen unser Auftreten als „externalisiert“ – wir verlagern unsere Probleme in andere Länder, z. B. Müll und Stellvertreterkriege – und als „kannibalisch“ (Ziegler: 2018; Lessenich: 2016).
Menschen, die unter Kriegen, ökonomischem Mangel oder klimatischen Veränderungen leiden, drängen nach Europa. Wir würden gerne filetieren: ihre Qualifikationen, ihre Bereitschaft für „niedere“ Tätigkeiten, ihre Unauffälligkeit, ihre saisonale Arbeitsleistung, ihre Pflegeleistung, ihre Steuerabgaben.
Wir lehnen den Kontext, den sie mitbringen, ihre Kultur, ihre Werte, ihre Familienformen, mehr oder weniger ab. Wir delektieren uns am Fremden vorzugsweise kulinarisch, möchten über andere religiöse Überzeugungen und schreckliche Fluchterfahrungen gar nicht so genau Bescheid wissen – wir wollen in unserem Dasein nicht gestört, geschweige denn in unserer Lebensart kritisiert oder verunsichert werden.
Ihre Kinder sollen zur Schule gehen und die Landessprache sprechen. Im Bildungswesen heißt die damit verbundene Aufgabe Inklusion und Integration. Um diese öffentliche Aufgabe zu erfüllen, ist notwendig: Professionalisierung – genaue Vorbereitung auf die Herausforderungen, kombiniert mit Fort- und Weiterbildung, mehrsprachige Lehrende, Supervision, wissenschaftliche Begleitung und Forschung, gezielte Berufsorientierung, Elternbildung, Kooperation mit außerschulischen Supporteinrichtungen wie Jugend- und Familienämtern oder Sportvereinen. Aber sehr wichtig ist Akzeptanz durch öffentliche Meinungsträger, politischer Rückhalt auf allen gesellschaftlichen Ebenen, mediale Unterstützung …
Klar und vereinfacht. Emotionale Kälte dominiert.
Wann beginnt Erwachsenenbildung?
Im Zeitalter lebensbegleitender Bildung und lebenslangen Lernens lockern sich die strengen Grenzen zwischen Schule und Erwachsenenbildung. Viel mehr sind es Übergänge und Verschränkungen, die die Trennung von Unterrichts-/Schulpflicht von Erwachsenenbildung markieren. Wo schulisch-berufliche Angebote ihr Ende erreichen, beginnen Fort- und Weiterbildung. Wenn systematische, (selbst)organisierte Bildungs- und Lernprozesse vor sich gehen, bewegen wir uns am, wenn nicht auf dem Grenzweg. Auch wenn man noch nicht erwachsen ist – man befindet sich, ob man will oder nicht – in Prozessen des Heranwachsens, des Erwachsenwerdens.
Was auffällt – es gibt große Unterschiede in der Dauer des Schulbesuchs. Für Absolvent*innen von Pflichtschulen kann dieser mit etwa 15 Jahren enden, für Hochschulabsolvent*innen mit etwa 23 bis 25 Jahren. Je nach Schulabschluss treten junge Menschen mit bis zu zehn Jahren unterschiedlicher Dauer des Schulbesuchs in ihre potenzielle Phase der Erwachsenenbildung ein. Zehn Jahre Zeit der Entwicklung, die völlig unterschiedliche Voraussetzungen für weiteres Lernen schaffen.
Der empirische Nachweis sozialer Ungleichheit im Bildungswesen ist sattsam bekannt (Sandner & Ginner: 2021). „Bildung wird vererbt“, findet sich inzwischen im geläufigen Vokabular medialer Berichterstattung. Aus Sicht des Lehrlings Georg Klein erklärt sich im „Niemandsland“ der Bildungsabstand (Wolfgruber: 1980, S. 25 f.): „Bei den Gymnasiasten genügte es anscheinend, bei einer Prüfung einmal etwas gewusst zu haben, überhaupt sich im Gebäude des Gymnasiums ein paar Jahre aufgehalten zu haben, und schon machte man ihnen überall die Türen sperrangelweit auf…“.
Klar und vereinfacht. Erwachsenenbildung findet statt, wenn an einem Angebot einer für Weiterbildung legitimierten Einrichtung teilgenommen wird. Das schließt Schulen, die aufgrund der Teilrechtsfähigkeit seit 1997 Weiterbildung anbieten können, nicht aus – auch nicht Selbstbildung, die in diversen Formen möglich ist.
Schule entlässt – Erwachsenenbildung begleitet
Schule entlässt uns. Wir lassen sie zurück – ein Leben lang. Erwachsenenbildung begleitet – lebenslang.
Erwachsenenbildung will rasche Antworten auf aktuelle Herausforderungen der Gegenwart geben, für Beruf und Alltag, für politische und spirituelle Bereiche, für fast alles! Erwachsenenbildung lebt davon, auf unmittelbare Bedarfe und Bedürfnisse zu reagieren – Schule nicht. Drei Beispiele, in welchen Zeiträumen Schule Innovationen „implementiert“:
- Um die Wende zu diesem Jahrtausend begann das „Digitale Zeitalter“. Erst aufgrund der mit der Pandemie unübersehbar gewordenen Welle der Digitalisierung reagierte Schule mit der Einführung des Pflichtgegenstands „Digitale Grundbildung“ ab Herbst 2022. Danke Wirtschaftslobby!
- Aufgrund der schon über ein Jahrzehnt alten Diskussion über die „tägliche Bewegungseinheit“ realisiert sich nun ein Pilotprojekt in Form eines „3-Säulen-Modells“1. Daran nehmen etwa 1.100 Gruppen/Klassen von Kindergarten und Grundschule teil – das erreicht etwa 20.000 Kinder. Insgesamt gibt es in Österreich aber etwa 14.500 Klassen mit knapp 350.000 Schüler*innen in der Volksschule und etwa 240.000 Drei- bis Fünfjährige in Kinderbetreuung. Danke Wartende, Bewegung ist in langsamer Bewegung!
- Curricula für verschiedene Schultypen, seit 2018 durch mehrere Kommissionen vorbereitet, wurden im Sommer 2022 präsentiert. Das Ergebnis fand so laute, ablehnende Kritik und so heftiges Kopfschütteln bei den Lehrenden, dass die Phase des Neubearbeitens nahtlos angeschlossen werden musste – revidierte Fassungen wurden nun, Anfang 2023, mit Wirkung Schuljahr 2023/24 erlassen. Danke an alle Steuerzahlenden!
Nebenbei gibt es aber inzwischen existenzielle Herausforderungen, die die Zukunft von Schüler*innen „nachhaltig“ beeinflussen. Zum einen fragen Absolvent*innen verschiedener Schulstufen: Was kann ich nun eigentlich? Warum weiß ich nach der langen Lernplackerei so wenig über Rechtsfragen, Gesundheit, den Arbeitsmarkt, das Finanzwesen, das politische Gefüge oder diverse andere Zusammenhänge, die mein Leben bestimmen?
Zum anderen rückt der menschliche Anteil am Klimawandel, an den Ungerechtigkeiten im sozialen Bereich, an der Verteilung von Armut und Reichtum, am Leiden der Tiere, der Zerstörung des Bodens und der Ausbeutung unserer natürlichen, überlebensnotwendigen Ressourcen – bedingt durch Lebensstile und Lebensformen – in den Brennpunkt. Es zeigt übrigens, dass „die Welt zu retten“, nicht eine Aufgabe der jungen Generation allein ist. Das dringende Handeln der jetzigen Generation der Erwachsenen ist erforderlich. In Österreich sind das von insgesamt neun Millionen Einwohner*innen etwa sieben Millionen, die über zwanzig Jahre alt sind. Oder anders: die gesamte potenzielle Klientel der Erwachsenenbildung!
Äußerst unwirsch bemängelt der Lernforscher Kirsten Reich in seiner Streitschrift, „Das nachhaltige Manifest: Lasst uns den Planeten retten!“ (2021, S. 114): „Wie kann es sein, dass Fragen der menschlichen Gesundheit, der Wirtschaft, sozialer Probleme, demokratischer Risiken, der Fake News, der Manipulation von Wissen und Meinungen, vor allem aber auch der Nachhaltigkeit, nicht im Zentrum der Schule stehen?“ Aktualisiert sollte man wohl hinzufügen – Fragen internationaler Sicherheit und Konsequenzen für unsere Lebensformen!
Betreffend Mangel an Lehrpersonal: Würde der Beruf Lehrer*in nicht an Attraktivität – oder wie es marketinggerecht heißt, an „Klasse“ – gewinnen, wenn engagiertes Lehrpersonal den Fachunterricht intensiver und kooperativer „brennend heißen und coolen“ Themen der Gegenwart und der absehbaren Zukunft widmen könnte?
Klar und vereinfacht. Für „heute“ lernen! Schule sollte sich mehr auf aktuelle Fragen der Gegenwart beziehen.
Bildungsaufgaben
Schule verlassen, wie „Hans und Grete im Glück“, aber ohne dann Mühlsteine (bildlich für jede Art von Frustrationen) loswerden zu müssen! Schule verlassen und über eigene Stärken Bescheid wissen, die eigenen Kompetenzen und Potenziale, Wissen und seine Grenzen beurteilen können. Schule verlassen mit der Bereitschaft, wenn weitere (Selbst-)Bildung und weiteres Lernen vonnöten, kürzere oder längere Bildungswege wieder aufzunehmen.
An den existenziellen Herausforderungen zeigt sich, wie komplex und sozial verschränkt – aber sicherlich nicht unmöglich – Antworten mittels Bildung gestaltet sein sollten. Optimistisch betrachtet ist festzustellen, dass Voraussetzungen sehr wohl gegeben sind: Es fehlt nicht an einzelnen Initiativen, nicht an engagierten Einzelpersonen. Es fehlt auch nicht an genauen Analysen und wissenschaftlicher Vorausschau.
Im Nationalen Bildungsbericht 2018 schlagen Wissenschaftler*innen vor, welche Ziele seitens der Schule in einem Szenario bis 2040 anzustreben seien (Eder u. a.: 2018, S. 519 ff.). Einige Beispiele:
- multiprofessionelle Teams einsetzen;
- mehr Vielfalt bezüglich Inhalt, Methoden/Didaktik, sozialer Kommunikation und organisationaler Formen pflegen;
- Beratung und Lernbegleitung als maßgebende neue Aspekte der Berufsrolle von Lehrenden anerkennen;
- angemessene Professionalisierung – Aus-, Fort- und Weiterbildung – für pädagogisches Personal anbieten.
Auffällig ist, dass nur wenig Gewicht auf Fort- und Weiterbildung oder auf die Kooperation mit anderen Bildungs- und außerschulischen Einrichtungen gelegt wird. Für wie notwendig aber Lehrende die Verknüpfung von schulischen Reformen mit der Fort- und Weiterbildung von Lehrenden und Leitenden halten, zeigen Beispiele aus der pädagogischen Forschung, die Bottom-up auf konkrete Reformen zielt (Lenz & Zenz: 2022).
Im Hinblick auf Perspektiven der Erwachsenenbildung können Aussagen des renommierten Historikers Oliver Rathkolb (2022) herangezogen werden. Er empfiehlt, die Erwachsenenbildung sollte sich dringend konzentrieren auf:
- ein Bildungsverständnis propagieren, das über eine zu enge berufliche fachliche Fortbildung hinausgeht;
- die integrative Funktion von Bildung bezüglich der sich verändernden Bevölkerung mehr achten;
- politische Bildung, Civic Education, kritische Medienkompetenz bevorzugt fördern;
- eine gemeinsame Bildungsstrategie, „Bildung ohne Grenzen“, einen europäischen Bildungsraum anstreben.
Klar und vereinfacht: Erwachsenenbildung und Schule kooperieren punktuell. Das ist großartig. Ein verlässlicher organisatorischer Rahmen, ein Brückenbau ist noch ausständig.
Gemeinsam nicht einsam
Für einen Blick in die Zukunft der Bildung sollten die Perspektiven der OECD (2022a) nicht außer Acht gelassen werden. Aufgrund der Veränderungen in Arbeitswelt und Gesellschaft wird vorgeschlagen, neue Bildungssysteme zu entwickeln. Sie sollten sich durch Kooperation mit Arbeitgebern generell und speziell mit Unternehmen für Bildungstechnologie auszeichnen. Besonders, urteilt die OECD, eignen sich die traditionellen tertiären Ausbildungsmodelle nicht länger. Denn aufgrund des demographischen Wandels treten immer weniger Junge in den Arbeitsmarkt ein. Automatisierung und Digitalisierung erleichtern die Verlagerung von Produktion ins Ausland, wodurch Arbeitsplätze reduziert werden.
Dringend wichtig ist es deshalb, die Kompetenzen bei vorhandenen Arbeitskräften zu erweitern. Passende Tools sind Microcredentials (OECD: 2022b, S. 144). Es handelt sich um Bildungsgänge mit bis zu 180 Stunden – um kürzere Kurse, Module, spezialisierte Ergänzungen, Onlinekurse, berufliche Weiterbildung, die eine Qualifikation oder Kompetenz vermitteln.
Didaktisch wurde das Konzept ja schon längst eingeführt. Modularisierung von Inhalten, Anbieten von MOOCs (Massive Open Online Courses), Individualisierung, Microteaching, Microlearning und zuletzt sogenannte Mini-Aufgaben (Lehner: 2022). Eine Chance für herkömmliche aber auch für private Anbieter, ihren Wirkungskreis zu erweitern.
Innovative und einander ergänzende Bildungskonzepte bedürfen der gemeinsamen Diskussion. Man kann natürlich auf die Konvergenztheorie vertrauen, dass sich Systeme im Laufe der Zeit aneinander angleichen – man kann aber auch konkrete Beiträge für gegenseitiges Verständnis und gemeinsame Aufgaben intensivieren. Ein transdisziplinäres und transorganisationales Verständnis – auch in der Bildungswissenschaft – ist eine wichtige Voraussetzung, soll sich das Verhältnis von Erwachsenenbildung und Schule zu einer Beziehung wandeln.
Klar und vereinfacht: Vorhandene Ideen, vorhandenes Personal und vorhandene Finanzen für gemeinsame Ziele nutzen! Warum nicht?
Demokratisches Bildungskonzept
Seit Jahren wird bedauert, dass es kein einheitliches und auch kein europaweites Bildungskonzept gibt. Ganz nachvollziehbar ist dieses Bedauern nicht, wenn man an das Konzept der lebensbegleitenden Bildung denkt. Vor mehr als einem Jahrzehnt, nämlich 2010, wurde es als „Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich“ (BM, 2011) in Kooperation verschiedener Politikfelder, repräsentiert durch vier Ministerien – Bildung, Wissenschaft, Soziales und Wirtschaft – vorgestellt. Diese Strategie „LLL:2020“ (2011) setzt sich unter anderem zum Ziel:
- geschlechtergerechtes Handeln,
- Durchlässigkeit der Bildungssysteme,
- Professionalisierung der Lehrenden,
- Sicherung von Effektivität.
Die Kooperation zwischen Gemeinden, Ländern, Bund und Sozialpartnern bekommt in diesem Bildungskonzept zentralen Stellenwert. Ebenso kommt der Kooperation der einzelnen Bildungssektoren sowie der Anerkennung non-formal und informell erworbener Kenntnisse und Kompetenzen hohe Bedeutung zu. Verstärkte Community-Education in neuen kommunalen Einrichtungen sollen auch die Zivilgesellschaft stärken.
Warum ist diese europäische und nationale Bildungskonzeption aus dem bildungspolitischen Blick gekommen?
Ihre Vorteile: Sie will die bestehende fraktale Bildungsstruktur überwinden! Sie zielt auf soziale Gerechtigkeit! Sie engagiert sich für gleichberechtigten Zugang zu allen Bildungswegen! Sie fordert zur Kooperation von Bildungseinrichtungen, Lehr- und Leitungspersonal auf! Sie ist eindeutig an einem demokratischen Europa orientiert! Sie beabsichtigt Europa mittels Bildung zu stärken!
An wissenschaftlichen Studien, europäischer Zusammenarbeit und nationalen Abkommen fehlt es nicht. Aber: Eine neue Bildungskonzeption zu implementieren, würde wohl die politischen Einflusszonen auf die bestehende Bildungsstruktur verändern. Politiker*innen in Gemeinden, Bezirken, Ländern bangen um ihren Einfluss! Ihre Kontaktpersonen im Parlament, in den Ministerien und Bildungsdirektionen wissen das.
Klar und vereinfacht: Intellektuell und emotional werden bekannte Defizite im Bildungswesen von den Verantwortlichen in Kauf genommen. Seit Jahrzehnten.
Selbstbildung – für heute lernen
Kinder, in diesem Jahrhundert geboren, haben statistisch durchschnittlich die Chance, hundert Jahre alt zu werden. Für eine „langlebige Gesellschaft“ ist das bestehende industrielle Bildungssystem nicht konstruiert. Die heutige Generation Erwachsener sollte nicht übersehen: Bildungsinhalte und Didaktik, Bildungsziele und professionelles Lehrpersonal, Bildungsorganisation und Bildungsbereitschaft, Bildungsökonomie und Bildungsrecht bestimmen die Zukunft der Heranwachsenden entscheidend mit. Ihre Fähigkeit und ihr Recht auf Selbstbildung sollten wir mehr fördern.
Ein tiefgreifender Paradigmenwechsel geht vor sich. Innovationen, Erwartungen, Hoffnungen können nicht mehr allein auf die nächste Generation verschoben werden. Die jetzige erwachsene Bevölkerung ist gefordert sich zu bilden, zu lernen und zu handeln, wie die Herausforderungen zu bewältigen sind. Sie betreffen den Wandel der Arbeitswelt, den Klimawandel, den sozialen Frieden, die Beziehungen zur Natur, Ernährung und Gesundheit, Kommunikation und Mobilität. Eine „situative Pädagogik“, die sich besonders auf aktuell notwendige Bildung, auf Lernen und Weiterlernen für aktuelle Herausforderungen konzentriert, ist gefordert. Wir lernen für heute. Wir handeln heute.
Was und wie tragen Bildungssysteme bei, um Lebenskompetenzen zu erwerben und einzubeziehen? Diesbezüglich ist Schule nur als ein Ort unter vielen Lernorten zu betrachten, wo man lernen, weiterlernen, sich bilden und weiterbilden kann. Die Bildungsinstitutionen verlieren ihre Monopolstellung, sie öffnen sich, werden Teile der Bildungskette. Sie brauchen allerdings ihr Alleinstellungsmerkmal für bestimmte Lebensphasen nicht aufzugeben. Gemeinsam sollen sie Menschen dienen, Selbstbildung zu erleichtern und Beziehungen „zur Welt“ lernend herzustellen.
Der Sinn von Bildung erschließt sich in Prozessen, die Wissen und Wissenswertes konstituieren, sowie kritische, das heißt beurteilende, begründende, bezweifelnde Auseinandersetzung pflegen. Bildung zielt auf soziale und individuelle Partizipation – sozial, hinsichtlich gesellschaftlicher Produktion von Informationen und die jeweiligen Zusammenhänge, die hergestellt werden; individuell, um zu motivieren, weiterhin zu lernen, sich Wissen zu erarbeiten sowie Urteile und Entscheidungen zu wagen.
Beide Aspekte, sozial und individuell, gehören zusammen. Bildung zielt auf Teilhabe an und auf das Schaffen von Kultur. Bildung, als einmischendes Denken und Handeln, ermöglicht soziale und individuelle Teilhabe am Gemeinwesen und an Gegenwartsgesellschaften (Lenz: 2012).
Aber dafür ist auch ein Wandel im Selbstverständnis des öffentlich finanzierten und mitfinanzierten Unterrichtens angebracht. Leistung und ihre Überprüfung in Ehren, aber grundlegend ist eine tragfähige Beziehungskultur zwischen allen Beteiligten an Bildungs- und Lernprozessen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen in ihren Anliegen und Interessen ernst genommen, in ihren Stärken gefördert, in ihren Schwächen gestützt werden. Sie sollen sich geachtet und respektiert wissen – unterwegs in einer Welt, in der Wissen wichtig ist und Bildung Orientierung gibt.
Das bedeutet einen pädagogischen Paradigmenwechsel, der die Macht über Bildung, Lernen und Weiterlernen von den Institutionen und ihren prüfenden Vollzugsorganen nimmt und den Lernenden überträgt.Damit kann sofort begonnen werden. Dafür kann jede und jeder im weiten pädagogischen Land etwas „leisten“.
Denn: Sich bilden und Lernen umfassen viele Facetten, viele Organisationsebenen und Altersstufen. Wirksam kann beigetragen werden durch: Selbstvertrauen aufbauen, Stärken fördern, sich achtsam verhalten, Argumente begründen, Wissen beurteilen, Vorschläge prüfen, zuhören und hinhören, Vorläufigkeit und Relativität akzeptieren, Widersprüche benennen, Änderungen wagen, Alternativen vorschlagen, Mehrdeutigkeiten erklären, Eigenes erproben, andere achten, zweifeln ohne zu verzweifeln, freundlich sein und hilfsbereit …
Klar und vereinfacht
Es kommt auf jede an. Es kommt auf jeden an.
Werden Sie Bildungsaktivistin. Werden Sie Bildungsaktivist.
Anmerkung
Für aktuelle Informationen zum Schulwesen danke ich Konrad Krainer, Professor an der Universität Klagenfurt. //
Kommentare