Hosea Ratschiller/Klaus Ratschiller: Den Vater zur Welt bringen. Eine Unterhaltung.

Hosea Ratschiller/Klaus Ratschiller: Den Vater zur Welt bringen. Eine Unterhaltung.
Wien – Graz: Molden Verlag 2022, 175 Seiten.

Vater und Sohn erzählen ihre Geschichte. Unterhaltsam, liebevoll, nachdenkend bringen sie ein neues Wort zur Welt: vatern. Der Kabarettist, Hosea Ratschiller, selbst schon junger Vater einer Tochter, und sein Vater, der Philosoph, Gymnasiallehrer und ehemalige Alleinerzieher, Klaus Ratschiller, reflektieren über ihr gemeinsames Zusammensein – verschriftlicht fürs Publikum.

Das Buch beginnt klärend. Die Tochter antwortet auf die Frage, was ein Vater ist: „Ein Vater ist ein Mann, der ein Kind sehr liebhat.“ Ganz einfach. Ebenso einfach ist der Grund, warum dieses Buch entstanden ist. Hosea schenkte seinem Vater Klaus zu Weihnachten den Wunsch, mit ihm gemeinsam ein Buch über das Vatersein zu schreiben. Das Geschenk wurde angenommen.

Für ihre Unterhaltung haben Vater und Sohn verschiedene didaktische Formen gewählt. Eingangs sind es Briefe, die die Sicht auf Vater und Familie, auf Zusammenleben und gesellschaftliche Regeln schildern. Dann erfordert ein Spiel eine gewisse Akrobatik des Schreibens. Gegenseitig gestellte sieben Fragen sind schriftlich zu beantworten. Wie z. B.: Wie würdest du einen Vater auf der Bühne darstellen? Was würde ein Geschäft für Väterbedarf verkaufen? Fällt es dir schwer, als Vater Autorität auszuüben? Antworten sind auf 500 Wörter begrenzt. Jeweils eine Zusatzregel kann u. a. verlangen, die Dialogform zu verwenden, eine lebende Sängerin zu zitieren oder in einem Satz zu antworten.

Konzentration gelingt beim gemeinsamen Gehen im Augarten. In diesem Kapitel, „Rausgehen“, wird ein neues Wort erfunden und erklärt: vatern. Vater ist der, der bleibt, sind sich beide Autoren einig. Vater ist, wer die Nachkommenschaft dabei unterstützt, Geschehnisse, Wissen, Bildung – alles, was Welt ist – nicht mit Angst und Vorbehalt ­abzuwehren, sondern mit Interesse aufzunehmen. Der Vater wird demokratisiert. Er ist kein Patriarch mehr. Er verhilft zu Denken, Information, Wissen – unterscheidet davon bloße Meinungen. Vater kann jeder Mensch sein.

Dieses Buch über Vatersein ist ein Buch über Gott und die Welt, über vorher, nachher und über jetzt. Feinfühlig, achtsam, sensibel flanieren die wechselseitigen Briefe und Dialoge durch fast alles, was menschliches Dasein berührt und bewegt. Vordergründig bespricht es den Klimawandel, hintergründig die Scham, zu wenig informiert zu sein. Intensive gesellschaftliche ­Reflexionen betreffen die Arten und Praxis familiären Zusammenlebens. Die beiden schreibenden Väter öffnen ihr Herz und ihren Verstand, sie legen ihre Lebensweise offen. Sie heben den Vorhang ihrer Lebensbühne und zeigen, wie selbstverständlich es ist, anders zu sein. Anders zu sein, ist plötzlich ganz „normal, „anders“ war nur eine historische Episode. 

Das Buch beruhigt, um bewusst einen Stabreim, eine Alliteration (gleicher Anfangsbuchstabe bei zumindest zwei aufeinanderfolgenden Wörtern) – einer der beiden Väter schätzt diese Stilfigur – anzuwenden. Es liest sich leise lächelnd, zustimmend, sicherlich mit Unterbrechungen, weil die jeweils eigene Geschichte in den Sinn kommt. Es ist ein Buch gegen die aktuelle Aufgeregtheit – eine besinnliche, unterhaltsame Unterhaltung. Es vermittelt Lebenskunst, die auf dem Boden der Demokratie für politisches Bewusstsein und menschliches Miteinander sowie für befreiende Bildung eintritt. Es versprüht Lebenskraft für dunkle Stunden, es gibt Mut das Leben lustvoll zu leben, es heitert auf, sich selbst gelassene Geduld zu beweisen. Es gibt Zuversicht.

Echt empfehlenswert: Ein Buch für alle – auch zum Vorlesen! //

Lenz, Werner (2023): Hosea Ratschiller/Klaus Ratschiller: Den Vater zur Welt bringen. Eine Unterhaltung. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2023, Heft 280/74. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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