Carolin Emcke, studierte Philosophin und engagierte Publizistin, beschreibt ihr Entsetzen: wie offen in Deutschland gehasst wird – in Drohbriefen, im Internet, im öffentlichen Diskurs. Muss sich heute schämen, wer anderen Respekt erweist und kann heute jemand stolz darauf sein, wer Vorurteile und Beleidigungen lautstark äußert? Die Autorin will „die neue Lust am ungehemmten Hassen“ nicht akzeptieren. Aber sie versteht Hass nicht als individuelles und zufälliges Geschehen. Sie sieht ihn kollektiv, ideologisch geformt und gezüchtet. Bedrohlich erscheint ihr das Klima des Fanatismus, in dem Menschen, die anders lieben, glauben oder aussehen als eine behauptete Norm vorgibt, abgelehnt werden.
Vor diesem Hass mögen wir zunächst verstummen, wehrlos und gelähmt sein. Aber wir sollen nicht selbst in Hass verfallen, sondern dem Hass damit begegnen, was ihm fehlt: mit genauem Beobachten, nicht nachlassendem Differenzieren und mit Selbstzweifel. Emcke hält für den wichtigsten Gestus gegen den Hass „[…] sich nicht vereinzeln lassen. Sich nicht in die Stille, ins Private, ins Geschützte des eigenen Refugiums oder Milieus drängen zu lassen.“ (S. 20).
Mit ihrem Buch will sie den Blick auf Strukturen lenken und auf verschiedene Quellen, aus denen Hass und Gewalt entstehen – denn Hass ist nicht etwas natürlich Gegebenes, er wird gemacht! Emcke nimmt Vorfälle in Deutschland und in den USA zum Anlass für ihre Analyse. Im ersten Fall wurden Flüchtlinge, die mit einem Bus zu ihrem Quartier gebracht wurden, verbal attackiert. Emcke apostrophiert dies als „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“. Im zweiten Fall, die Autorin spricht von „institutionellem Rassismus“, wird der Tod eines Afroamerikaners bei seiner Verhaftung durch die Polizei geschildert.
In einem eigenen Kapitel erörtert die Autorin die Begriffe „homogen – natürlich – rein“. Sie werden nämlich oft von nationalistischen, fundamentalistischen oder sezessionistischen Gruppierungen genutzt, um sich gegen andere, z. B. gegen MigrantInnen, abzugrenzen und eine eigene homogene und ursprüngliche Gemeinschaft zu beschwören. Doch die Autorin plädiert für ein säkulares, einer offenen Moderne verpflichtetes Europa mit liberaler Öffentlichkeit, um „[…] kulturelle und religiöse und sexuelle Vielfalt nicht nur zu dulden, sondern auch zu feiern.“ (S. 183).
Mit ihrem Buch, es erhielt 2016 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, setzt sich die Autorin für Pluralität ein, die sie für eine Garantie von Freiheit und Individualität hält. Emcke fordert für eine demokratische Gesellschaft eine Diskussionskultur, die dem „Wahrsprechen“ (Parrhesia, Michel Foucault) Raum gibt, in der mutig auch der Macht widersprochen wird. Nicht zuletzt fordert sie auf, in einem „Wir“ ein Potenzial zu erkennen und Geschichten vom gelungenen Leben und Lieben – von der „Möglichkeit des Glücks“ – zu erzählen.
Es ist ein Buch, das anregt politische Bildung engagiert zu erleben und zu erfahren. //
Kommentare