Initiative Erwachsenenbildung – Policy-Brief

Die Initiative Erwachsenenbildung (IEB) mit ihren beiden Programmbereichen Basisbildung und Pflichtschulabschluss ist ein wichtiger Meilenstein der Bildungspolitik. Sie ist auch ein österreichisches Beispiel guter Praxis, das auf der europäischen Ebene viel Beachtung gefunden hat: Häufig wird über die „Initiative“ im Ausland berichtet und hervorgehoben, wie wichtig dieses kostenfreie Angebot ist, um benachteiligte Zielgruppen zu erreichen. 

Mit der Einführung der Initiative Erwachsenenbildung im Jahr 2012 wurde eine langjährige Forderung der Erwachsenenbildung erfüllt, durch mehrjährige Programme den Bedarfen im Bereich der Basisbildung bzw. der Grundbildung zu entsprechen. Die Ergebnisse der 2013 veröffentlichten PIAAC-Studie, die die grundlegenden Kompetenzen in den Bereichen Lesen, Alltagsmathematik und Problemlösen im Kontext neuer Technologien erhoben hat, erbrachten eine Anzahl von rund einer Million Menschen mit niedrigen bzw. nicht hinreichende grundlegenden Kompetenzen. 

Mit der Initiative Erwachsenenbildung wurden Projekte, die aus unterschiedlichen Quellen finanziert wurden, in eine österreichweite Bildungsmaßnahme transferiert, die gemeinsam mit allen Bundesländern abgestimmt wurde und kostenfrei in Anspruch genommen werden kann. Qualitätskriterien wurden sowohl für die Bildungsträger wie auch für Lehrende und Beratende definiert. Angebote wie Träger müssen akkreditiert sein, um Bildungsmaßnahmen der IEB durchführen zu können. Schließlich ist es mit dem Gesetz für einen erwachsenengerechten Pflichtschulabschluss gelungen, ein Format zu finden, das die Erfahrungen und Kompetenzen von Erwachsenen einbezieht. 

Deckung der Basisbildungs- und Grundbildungsbedarfe

Zur Feststellung der Bedarfsdeckung durch die Initiative Erwachsenenbildung stehen folgende Quellen zur Verfügung: das Programmplanungsdokument für die Periode 2018–2021 mit der Bedarfsabschätzung (getrennt nach Maßnahmenbereichen und aufgeschlüsselt nach Bundesländern), die Evaluationen 2012–2014 und 2015-2017 mit Teilnahmen aus den Programmbereichen Basisbildung und Pflichtschulabschluss und nach Bundesländern sowie die halbjährlichen Monitoringberichte für 2018 und 2019, die nur eine Gesamtdarstellung der Teilnahmen nach den beiden Maßnahmebereichen beinhalten. 

Der sehr eng definierte Bedarf umfasst österreichweit rund 240.000 Personen für die Basisbildung und rund 340.000 für den Pflichtschulabschluss. Wenn wir für das Jahr 2020 eine optimistische Schätzung vornehmen und die Teilnahmen des Jahres 2019 fortschreiben, ergibt sich eine Anzahl von Teilnahmen in der Basisbildung von rund 67.000 und beim Pflichtschulabschluss von rund 26.000. Der ursprüngliche Bedarf in der Basisbildung wäre somit mit rund 28 Prozent gedeckt und der Bedarf beim Pflichtschulabschluss mit rund 8 Prozent. 

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Die Bedarfe gestalten sich nach Bundesländern unterschiedlich. Eine Bedarfsdeckung auf Bundesländerebene kann aufgrund der derzeit veröffentlichten Zahlen nur bis inklusive 2017 dargestellt werden, zeigt aber, dass es in jedem Bundesland noch sehr viel zu tun gibt. 

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Der aktuellste vorliegende Evaluationsbericht (2015–2017) stellt der Umsetzung der Initiative Erwachsenenbildung durch die Bildungsträger ein insgesamt gutes Zeugnis aus:

„Die Bildungsangebote der Initiative Erwachsenenbildung nehmen in der österreichischen (Weiter-) Bildungslandschaft eine einzigartige Stellung ein. […] Bei den Basisbildungs- und Pflichtschulabschlusskursen der IEB handelt es sich von der Konzeption aus betrachtet um sehr niederschwellige Angebote, wo einzig der Bedarf nach Unterstützung das ausschlaggebende Kriterium darstellt. Die Kurse sind zudem konzeptionell von hoher Qualität, da beispielsweise Mindeststundenanzahlen und obligatorische Beratungsangebote einen integralen Bestandteil bilden. […] Der Bedarf nach der Initiative Erwachsenenbildung ist demnach qualitativ-inhaltlich betrachtet groß, aber angesichts von Zielgruppengrößen bis in die hunderttausende Personen auch quantitativ sehr erheblich.“ (S. 89)

Ein besonderes Spezifikum für benachteiligte Gruppen ist der „offene Zugang zum Bildungsangebot der IEB. Es gibt keine arbeitsmarktorientierten Beschränkungen, sondern die Teilnahme ist für alle zwischen 15 und 65 ohne Voraussetzungen im formalen Status möglich, die Basisbildungsbedarf haben bzw. denen der Pflichtschulabschluss fehlt. Niederschwelligkeit wird auch von den Trägern auf unterschiedlichen Ebenen umgesetzt: Die Angebote finden (soweit dies möglich ist) zeitlich und örtlich angepasst an die Bedürfnisse der Zielgruppen statt und der Einstieg in das Lernen in einer Gruppe wird vor dem Hintergrund negativer Lernerfahrungen oder defizitärer Selbstbilder langsam, sensibel bzw. flankiert von sozialpädagogischen Angeboten gestaltet, damit eine vertrauensvolle Lernatmosphäre entsteht.“ (S. 26) 

Für eine weitere Ausgestaltung der Initiative Erwachsenenbildung stellen sich folgende Anforderungen:

  • Ausbau der Kursplätze in der Initiative Erwachsenenbildung, um den Bedarfen entsprechen zu können.
  • Österreichweite Sensibilisierungskampagnen zur Enttabuisierung insbesondere von Basisbildung.
  • Förderung von niederschwelligen Strategien wie aufsuchende Bildungsarbeit und Informationsveranstaltungen.
  • Vermehrte Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für TrainerInnen in der Initiative Erwachsenenbildung und Anerkennung von einschlägiger Praxis durch geeignete Validierungsverfahren. 

Dass die Initiative Erwachsenenbildung ein Meilenstein in der österreichischen Bildungspolitik und auch ein europäisches Best-Practice-Modell ist, ist nicht zuletzt auf die hohe Wirksamkeit zurückzuführen. Denn hier „sprechen nicht nur Abschlussquoten von annähernd 80 Prozent eine deutliche Sprache, sondern auch die von den TeilnehmerInnen erzielten Fortschritte im inhaltlichen, lern- und arbeitstechnischen sowie psycho-sozialen Bereich sind bemerkenswert.“ (S. 90) //

1   Für Durchsicht und Hinweise danke ich John Evers, Bereichsleitung IEB der VHS Wien und Leitung der AG Basisbildung im VÖV.

Quellen

Monitoringberichte 2018 und 2019 (Executive Summaries). Verfügbar unter: https://www.initiative-erwachsenenbildung.at/monitoring/monitoringberichte/ [4.6.2021].

Programmplanungsdokument Initiative Erwachsenenbildung. Länder-Bund-Initiative zur Förderung grundlegender Bildungsabschlüsse für Erwachsene inklusive Basisbildung 2018–2021, Stand Mai 2019. Verfügbar unter: https://www.initiative-erwachsenenbildung.at/fileadmin/docs/PPD_2018-2021_Version_Mai_2019.pdf [4.6.2021].

Steiner, Mario, Pessl, Gabriele, Kuschej, Hermann, Egger-Steiner, Michaela & Metzler, Barbara (2017): Evaluation der Initiative Erwachsenenbildung. Endbericht. Studie im Auftrag des BMB. Wien: Institut für Höhere Studien (IHS). Verfügbar unter: https://www.initiative-erwachsenenbildung.at/fileadmin/docs/Endbericht_Evaluierung_IEB_IHS_lekt.pdf [4.6.2021].

Stoppacher, Peter, Edler, Marina Edler unter Mitarbeit von Reinbacher-Fahrner, Karin (2014): Evaluation der ersten Periode der Initiative Erwachsenenbildung. Im Auftrag der Initiative Erwachsenenbildung. Graz: Institut für Arbeitsmarktbetreuung und -forschung (IFA). Verfügbar unter: https://www.initiative-erwachsenenbildung.at/fileadmin/docs/Evaluation_Abschlussbericht.pdf [4.6.2021].

Bisovsky, Gerhard (2021): Initiative Erwachsenenbildung – Policy-Brief. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Frühjahr/Sommer 2021, Heft 273/72. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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