Die Autorin hat mittels eines mehrstufigen qualitativen Forschungsdesigns zwei Repaircafé-Initiativen in Österreich über mehrere Jahre hinweg beforscht. Repaircafés bieten zur Reparatur defekter Gegenstände (z. B. Haushalts-, Gartengeräte, Textilien oder mikroelektronische Gerät wie Handys) fachliche Unterstützung gegen freiwillige Spenden an. (Stichting Repair Café: 2022b). Die Studie hat sich nicht nur mit Lernprozessen der Beteiligten (der Initiierenden, Helfenden und Besuchenden), sondern auch mit der Überführung deren Erkenntnisse in die jeweiligen Lebenskontexte auseinandergesetzt. Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse dargestellt. Der Fokus liegt dabei auf Potenzialen für eine zeitgemäße Erwachsenenbildung, die ökologische Herausforderungen berücksichtigt. Dabei wird der Einfluss des bildungsinstitutionellen Rahmens auf eine der beiden Initiativen beleuchtet. Die kritisch—emanzipatorische Erwachsenenbildung hat sich stets Freiräumen des kritischen, unabhängigen und reflexiven Denkens und Handelns zugewandt. (Lenz: 2004 bzw. 2011). Auch wenn es in den letzten Jahren ruhiger um diesen hinterfragenden Zugang geworden ist, ist er gerade jetzt aktuell im Hinblick auf die globalen ökologischen Herausforderungen. Denn er stellt den respektvollen und sorgsamen Umgang mit Menschen und materiellen Ressourcen und damit die Transformation der neoliberalen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung in den Mittelpunkt.
Repaircafé
Foto: Carolina Gigleitner
Anliegen der Repaircafé-Initiative
Martine Postma gilt als Initiatorin der ersten Repaircafés. Sie wollte damit in den Niederlanden flächendeckend Räume etablieren, in welchen sich Menschen mit Reparatur-Know-how und solchen mit Bedarfen für reparaturtechnische Unterstützung in ihren direkten Nachbarschaften treffen können. Inzwischen existieren Tausende von Repaircafés weltweit. (Stichting Repair Café: 2022a). Über die ursprüngliche Intention der materiellen Ressourcenschonung hinaus, sind nun hunderttausende Menschen ehrenamtlich in Reparaturinitiativen vor Ort für- und miteinander zum Wohle aller tätig. Sie machen den Wert von Reparatur öffentlich sichtbar – und haben eine Menge Spaß dabei! Dass alle Beteiligten dabei freiwillig und selbstbestimmt ihr eigenes Wissen und Können einbringen und erweitern, ist ihnen meist nicht bewusst. Etliche Studien bestätigen jedoch, dass ehrenamtliches Engagement reichhaltiges Lernpotential enthält. (Hollstein: 2015; Erler & Kloyber: 2013, 01.2).
Motivation im Kollektiv zu reparieren
Eine Stärke der Repaircafés ist das persönliche Zusammentreffen verschiedenster Menschen mit dem sachbezogenen Ziel, defekte Sachen zu reparieren, um die Dinge weiter in Verwendung halten zu können und sie somit nicht „vor ihrer Zeit“ entsorgen zu müssen. Mit Mut, Neugier und Ausdauer, so betonen die Mitwirkenden an Repaircafés, wird an die jeweiligen Reparaturversuche herangegangen. Dazu ein reparaturtechnischer Helfer in einem Repaircafé:
„[…] mir macht s Spaß. Und neugierig bin i sowieso, mutig bin i. Ah. Also hahaha, na. […] Dass die dann, ja, wirklich, wenns […] repariert is, wenns funktioniert, sieht ma regelrecht, mei Gott, Danke und mit Freuden gehens (die Besuchenden, Anmerkung der Autorin) dann fort.“ (H2: §229–231).
Dass das eigene Tun unmittelbare Wirkung zeitigt, nicht nur in Form von erfolgreichen Reparaturen, sondern auch als unmittelbar ausgedrückte Dankbarkeit, ist zudem ein hoch motivierender Faktor. Es ist ein selbstgestaltetes Handeln, das für alle Beteiligten einen hohen Sinngehalt aufweist.
Jede Person kann sich den eigenen spezifischen Kenntnissen und Zeitressourcen gemäß in Repaircafés einbringen. Es ist ein freiwilliges selbstbestimmtes Engagement. Trotzdem ist kein beliebiges Vorgehen zu beobachten. Die Helfenden gehen mit großer Ernsthaftigkeit und Ausdauer an die jeweils übernommenen Aufgaben heran. Der Reparaturerfolg ist nicht das Wichtigste. Zufriedenheit stellt sich auch dann ein, wenn ein Reparaturversuch zwar nicht gelingt, aber die Ursache des Defekts gefunden wird. Das Recht auf eigenständige Reparatur in Anspruch zu nehmen, hilft, dem Ärger, der sich häufig aufgrund eines frühzeitig aufgetretenen und nicht selbst verursachten Defekts einstellt, konstruktiv zu begegnen. Reparatur ist damit auch der Ausdruck eines Protests gegen bestehende Design- und Herstellungspraktiken, wie es auch in zwei Repair Manifesten zum Ausdruck gebracht wird. (ifixit: 2021; Platform21: 2018).1 Repaircafés, so hat die Studie gezeigt, sind Orte des Rückhalts und Austausches unter Gleichgesinnten2 für nachhaltigkeitsorientiertes und/oder reparaturtechnisch-handwerkliches Handeln. Sie wirken über die Initiative der Repaircafés hinaus in die eigenen vier Wände und in das persönliche Umfeld hinein, indem dort zum Beispiel weiter repariert, oder über die Angebote der Repaircafés diskutiert wird.
Repaircafé
Foto: Carolina Gigleitner
Repaircafés als pluralistisch-dynamische Lernorte
In Repaircafés finden eigenständig gestaltete informelle und non-formale Lernprozesse in vielfältigster Form statt, gut beschreibbar als lösungsorientiertes „learning-by-doing“. Die Rollenaufteilung als „Lehrende“ und „Lernende“ ist dynamisch, denn für alle Beteiligten besteht potenziell die Möglichkeit etwas zu vermitteln und etwas zu lernen. Jede Person kann sich mit eigenem Wissen und Erfahrungen einbringen, wobei das inhaltliche Spektrum von organisatorisch-kommunikativen über technisch-handwerklichen bis zu nachhaltigkeitsbezogen ethisch-moralischen Inputs reichen kann. Viele der handwerklich-technischen Helfenden sind vor allem von der Reparaturtätigkeit an sich fasziniert. Die Besuchenden stoßen sie zum Beispiel bei den, die Reparaturversuche begleitenden Gesprächen mit ihren Anmerkungen und Fragen an, sich darüber hinaus mit (globalen) ökonomischen und ökologischen Bezügen von Reparatur auseinanderzusetzen. Auch bringen sich die Besuchenden mit ihren Reparaturerfahrungen selbst ein und steuern damit neue Zugänge zu Lösungsmöglichkeiten bei. Allerdings thematisieren die Beteiligten ihre Lernerfahrungen kaum – sie sind sich der Fülle an Lernprozessen, die sie in Repair-Cafés erleben und mitgestalten meist gar nicht bewusst.
Dabei werden vor Ort viele im Alltag nützliche Informationen ausgetauscht. Dies können beispielsweise Hinweise sein, wo kostengünstig professionell repariert wird, schwierig erhältliche Ersatzteile beschafft werden können, oder hochwertige Reparaturanleitungen im Internet zu finden sind. Im folgenden Beispiel werden die Auswirkungen eines Repaircafé-Besuchs auf den Lebenskontext des Besuchers zusammenfassend beschrieben.
„B4 hat das Repaircafé in der Zwischenzeit aus Zeitmangel nicht mehr besucht. Nach dem Besuch fühlt er sich in seiner Haltung, so viel wie möglich zu reparieren, bestärkt, und wagt sich an schwierigere Reparaturen heran. […] Er hat nun häufiger Reparaturerfolge, da er die Internet-Tipps für Reparaturanleitungen, die er im Repaircafé bekommen hat, zur Unterstützung heranzieht. […] Aufgrund des Besuchs und des Interviews achtet der Besuchende bei Neukäufen nun auch auf die Erhältlichkeit von Ersatzteilen und auf die allgemeine Reparierbarkeit der Produkte. Er bedauert das Fehlen von reparaturbezogenen Kategorien in den gängigen Testberichten.“ (Gigleitner: 2021, 287).
Für die Gründerin der ersten Repaircafés war die soziale Komponente ursprünglich kein vordergründiges Anliegen. Für sie stand die Reparatur, als Beitrag Müll zu vermeiden, im Zentrum. Die Zusammenarbeit zur fachlichen Unterstützung vor Ort hat sich jedoch bald als der Erfolgsfaktor in Repaircafés herausgestellt. Denn bei der Organisation, Gestaltung und Durchführung von Repaircafés, trägt die Zusammenarbeit nicht nur zu höheren Reparaturerfolgen, sondern auch zu mehr Spaß und Freude bei. Dabei kommt das reichhaltige kollektive Wissen im Repaircafé zum Ausdruck. Wenn das eigene Wissen endet, werden andere mit einbezogen und gemeinsam reflektiert, Ideen und Lösungsvorschläge ausgetauscht und ausprobiert.
In meiner Studie ist deutlich geworden, dass vor allem die intergenerative Zusammenarbeit eine bedeutende Rolle im Lernprozess einnimmt. Über Wissen verschiedenster Generationen zu verfügen, ist von unschätzbarem Wert und trägt oft zum Erfolg einer Reparatur bei. So wissen ältere Mitwirkende beispielsweise sehr gut über die Funktion und Reparatur von Röhrenradios oder Plattenspielern Bescheid, während jüngere die mikroelektronischen Geräte wie Handys quasi mühelos reparieren können. Dieser Austausch zwischen den Generationen findet in Repaircafés konsequent und ständig statt.
Repaircafé
Foto: Carolina Gigleitner
Lernerfahrungen der Beteiligten
Rund um die Repair-Cafés habe ich drei Gruppen von Mitwirkenden unterschieden, die alle gemeinsam am Erfolg dieser Initiative beteiligt sind:
Die Initiierenden von Repaircafés brauchen organisatorische Fähigkeiten und Führungsqualitäten um ein Repaircafé dauerhaft erfolgreich zu leiten. Es gilt einerseits, dafür zu sorgen, dass ausreichend organisatorische und reparaturtechnische Helfende mit unterschiedlichster Expertise vor Ort sind. Andererseits müssen die Initiierenden ebenso für sachbezogene optimale Bedingungen sorgen, wie das Vorhandensein von funktionierenden Werkzeugen und einer geeigneten Infrastruktur. Damit sich alle Anwesenden atmosphärisch wohl fühlen und gut arbeiten können, ist ein möglichst reibungsloser Ablauf Voraussetzung. Diesbezüglich konnte bei den teilnehmenden Beobachtungen vor Ort ein durchgängig wertschätzender und konstruktiver Umgang miteinander beobachtet werden. (z. B. Gigleitner: 2021, 166).
Die Helfenden unterstützen reparaturtechnisch und organisatorisch. Sie sind mit verschiedensten Besuchenden und unterschiedlichsten Defekten konfrontiert. Dies bringt auf kommunikativer und fachlicher Ebene stetig neue Herausforderungen mit sich. Es gilt ständig und das in kurzer Zeit unvorhersehbaren Dynamiken zu begegnen und flexibel Lösungsstrategien für die auftretenden Probleme zu finden. Die Helfenden gehen lösungsorientiert und experimentell vor. Dabei ist Raum für innovatives kreatives Vorgehen. Bei Textilien wird zum Beispiel dem Ansatz des „visible mending“ (Rosner & Turner: 2018; Dym: o.J.) folgend sichtbar geflickt. Bei elektrischen und (mikro)elektronischen Geräten ist wiederum das Auffinden der Fehlerquellen der Schlüssel zum Erfolg. Die Gehäuse der jeweiligen Gegenstände zu öffnen, um die Fehlerquelle überhaupt erst finden zu können, kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Reparaturverhinderndes Design wird durch Expertise, Geschicklichkeit und unkonventionelles Vorgehen „überlistet“. Essentiell für viele dieser Reparaturen ist die Möglichkeit, auf den digitalen kollektiven Wissens-Pool der globalen Repair-Community (z. B. iFixit) zurückgreifen zu können. Begleitend zur Reparatur vor Ort werden darin Reparaturvideos zu den jeweiligen Geräten im Internet herausgesucht und Ersatzteilverfügbarkeiten und -preise bereits vor Ort abgeklärt.
Die Besuchenden sollen, so sieht es das ursprüngliche Format der Repaircafés vor, nach dem Motto der „Hilfe zur Selbsthilfe“ selbst reparieren und dabei von den Helfenden vor Ort unterstützt werden. Ob und wie dies tatsächlich umgesetzt wird, hängt vom jeweiligen Repaircafé, dem Andrang an Besuchenden, der Art der Reparatur, den Helfenden und der Bereitschaft der Besuchenden selbst ab. Selbst mit zu reparieren ist oft aus mangelnden fachlichen Kenntnissen, fehlendem Interesse oder eigenem Zutrauen der Besuchenden und vom Zeitaufwand her nicht möglich. Daher reparieren vorwiegend die Helfenden. Meistens erklären sie den Besuchenden ihr Vorgehen und binden sie für kleinere Handgriffe ein. Auch wenn sie selbst nicht aktiv mit reparieren, lernen die Besuchenden Verschiedenstes vor Ort. Während der Wartezeiten beobachten sie die Reparaturen von anderen, oder tauschen sich mit anderen aus. Das regt sie wiederum an, nachzudenken, was sie alles noch reparieren (lassen) könnten. Auch wenn programmatisch in den Repaircafés das Reparieren zentral ist, werden über die Auseinandersetzung mit den defekten Gegenständen Bezüge zu sozial und ökologisch bedenklichen Herstellungs- und Designpraktiken bewusst. Während der Reparaturen kommen häufig eindeutige Hinweise zum Vorschein, dass filigrane, unterdimensionierte Bauteile, oder fix verklebte minderwertige Akkus eingesetzt werden, die als bewusst eingesetzte Sollbruchstelle schon nach kurzer Nutzung Dysfunktionen hervorrufen.3
Vergleich zweier Repaircafé-Initiativen
Meine Studie hat sich mit zwei Repaircafé-Initiativen in Österreich befasst, die in ihren Zielsetzungen unterschiedlich sind. Das Repaircafé in Graz wurde als singuläre Initiative im urbanen Raum privat initiiert. Die Repaircafé-Initiative in Tirol hingegen zielte von Beginn an auf den flächendeckenden Aufbau eines Repaircafé-Netzwerks im gesamten Bundesland ab, erfolgte mit institutioneller Unterstützung des „Tiroler Bildungsforums“4 und sollte weltweit erstmals auch den ländlichen Raum einbinden. Zudem erhielt diese Initiative finanzielle Förderungen. Folgend werden die beiden Initiativen vergleichend in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden skizziert und damit exemplarisch verdeutlicht, wie sich eine institutionelle Anbindung auf eine zivilgesellschaftliche Initiative auswirken kann.
Bei beiden Repaircafé-Initiativen sind die intergenerative Zusammenarbeit aller Beteiligten und die positive und wertschätzende Atmosphäre selbstverständlich. Die Besuchenden fühlen sich über die Zuwendung zu ihren defekten Gegenständen auch selbst wertgeschätzt. Die Helfenden wiederum erhalten häufig spontan ausgedrückte Dankbarkeit der Besuchenden als Belohnung für ihren Einsatz. In beiden Repaircafé-Kontexten können sich die Mitwirkenden bei regelmäßigen Austauschtreffen mit ihren Ideen zu Verbesserungen oder Adaptionen aktiv einbringen. Das Engagement im Repaircafés ist niederschwellig zugänglich, egalitär, intergenerativ und weitgehend inklusiv. Denn jede Person ist willkommen, unabhängig von ihrem finanziellen, beruflichen oder bildungsspezifischen Hintergrund.
Auch wenn die meisten Helfenden sowohl in Graz als auch in Tirol ihr Wissen und Können aktiv mit den Besuchenden teilen, scheint der bildungsinstitutionelle Rahmen in Tirol die Helfenden in ihrer wissensvermittelnden Rolle zu bestärken. Wie ich bei meinen Feldstudien festgestellt habe, waren die Tiroler Helfenden besonders bemüht, sich für die „Hilfe zur Selbsthilfe“ der Besuchenden Zeit zu nehmen und sie auch selbst reparieren zu lassen. Ökologisch-nachhaltige, solidarische, gemeinwohl- und bildungsspezifische Anliegen werden in Tirol sowohl persönlich angesprochen als auch beispielsweise auf Roll-Up’s zentral im Raum positioniert. Sie plakatieren konkret handlungsorientiert, was jede Person täglich zur Ressourcenschonung beitragen kann. Der Rahmen einer Bildungsinstitution nimmt zudem Einfluss auf die rasche Ausbreitung der Repaircafés, nicht zuletzt weil das Bildungsforum eine finanzielle Förderung der Tätigkeit einer Koordinatorin erwirken konnte. Mithilfe des umfassenden Netzwerks des Tiroler Bildungsforums wurden in nur wenigen Monaten viele Initiierende von und Mitwirkende an Repaircafés durch persönliche Ansprache oder Vorträge gewonnen. Es wurde ein umfassendes Startpaket erstellt und an Durchführende von Repaircafés verteilt. Binnen knapp zwei Jahren wurden so am Land und in der Stadt über das gesamte Bundesland verteilt fast hundert Repaircafés abgehalten.
Wenn durch eine institutionelle Unterstützung die Initiierung und Durchführung von Repaircafés erleichtert wird, besteht die Gefahr, dass Personen Repaircafés initiieren, die selbst kein persönliches tieferes Interesse daran haben. Aus meinen Beobachtungen und den Gesprächen mit Teilnehmenden konnte ich jedoch feststellen, dass die Atmosphäre während der Repaircafés selbst davon nicht beeinflusst wurde und die charakteristische rege positive Kommunikations- und Arbeitsatmosphäre sich immer wieder einstellte. Dies offenbart eine weitere Stärke des Formats „Repaircafé“, nämlich unabhängig vom örtlichen und organisatorischen Rahmen, seine ihm eigene positive anregende Dynamik zu entfalten.
Im Vergleich dazu sind in Graz vertieftes technisch-handwerkliches Können in vielen Fachbereichen, Selbstbestimmung und -gestaltung und das Recht auf Reparatur anders positioniert. Es wird unabhängig von finanziellen Fördermitteln und damit verbundenen Anforderungen ausschließlich auf Spendenbasis der Besuchenden agiert. Es finden regelmäßige Austausch- und Reflexionstreffen nach jeder Veranstaltung statt und die darin gesammelten Ideen werden umgehend umgesetzt. Workshops von Helfenden für Helfende werden zu häufig vorkommenden Themen wie beispielsweise Handy- oder Kaffeemaschinenreparatur angeboten. Im Vordergrund stand die Konsolidierung des einen Repaircafés und nicht, wie in Tirol, die rasche Etablierung eines umfassenden Repaircafé-Netzwerks. Dennoch erhielten Interessierte, die sich mit der Bitte um Unterstützung für den Aufbau eigener Repaircafés an das Grazer Repaircafé-Team wandten, stets tatkräftige Unterstützung. So entstand ein im Vergleich zu Tirol zwar langsamer wachsendes, jedoch im Verlauf von einigen Jahren dennoch umfassendes Netzwerk von eigenständig initiierten und geleiteten Reparaturinitiativen im gesamten Bundesland.
Repaircafés – Bildungsangebote für Erwachsene
Als die spätere Hauptinitiatorin der Repaircafés in Tirol, Michaela Brötz, sich an das Bildungsforum Tirol wandte und der Geschäftsführerin Ringler von der Idee, Repaircafés als Bildungsveranstaltung in ihrer Erwachsenenschule anbieten zu wollen, war diese sofort begeistert. Einige Jahre später und durch den Aufbau eines umfassenden Repaircafé-Netzwerks in Tirol um viele Erfahrungen reicher, ist Ringler überzeugter denn je, dass Repaircafés die Bildungschancen für alle erhöhen.
„Da haben die Repaircafés glaub i, a […] Möglichkeit Personen einfach mit […] dem, was sie können, einfach a wahrzunehmen“ (I4: §192).
Repaircafés vermögen es, bildungsferne Zielgruppen anzusprechen. Die Initiatorinnen Ringler und Brötz haben wiederholt die Erfahrung gemacht, dass für Repaircafés Personen gewonnen werden können, die sonst nicht an einer Weiterbildung oder bei einem Ehrenamt teilnehmen würden. Voraussetzung dafür ist, dass sie persönlich dafür eingeladen werden. Die Bedeutung dieser persönlichen Ansprache für die Entscheidung ehrenamtlich tätig zu werden, ist mehrfach empirisch belegt. (Z. B. Freeman: 1997; Hollstein: 2015, 294). Häufig haben diese Personen negative Erfahrungen mit institutionalisierten Lernangeboten – oft bereits in der Schulzeit – gemacht und wenig Zutrauen in eigene (Lern-)Fähigkeiten. Wenn sie zugesagt haben, bringen sie sich meist höchst engagiert ein, nicht zuletzt, weil sie sich in einer variablen Zeit- und Tätigkeitsstruktur frei entfalten und Wirkungserfahrungen ihres Handelns unmittelbar erleben können. Vormals sozial wenig versierte Helfende können über ihre reparaturbezogene Aufgabe der „Hilfe zur Selbsthilfe“ im überschaubaren Rahmen des Repaircafés ihre kommunikativen Fähigkeiten weiter entwickeln.
Kompetenzen erwerben
Bei näherer Betrachtung des Verständnisses von Kompetenz bei Erpenbeck (2009) entsprechen viele der Vorgänge in Repaircafés einer Kompetenzanwendung und -aneignung. Die Tätigkeiten in Repaircafés führen zu einem Handeln, das sich in herausfordernden und stetig verändernden Situationen bewährt. Sie formen sich insbesondere im engagierten Tun, das Sinne und Gefühle anspricht. Sie sind folglich handlungsermöglichend und -determinierend, denn sie leiten den Transfer von Wissen und von Erfahrungen in die Handlung. Laut Erpenbeck zeichnet Kompetenzen daher aus, „selbstorganisatives, kreatives Handeln in eine offene Zukunft hinein“ (2009, S. 96) zu ermöglichen. Er unterscheidet vier Schlüsselkompetenzen, die einander bedingen: die personale Kompetenz (selbstreflexiv kritisch zu sein), die aktivitäts- und handlungsbezogene (Umsetzung der eigenen Ideen), die fachlich-methodische (Wege zur Lösung zu finden) und die sozial-kommunikative Kompetenz (andere mit ein zu beziehen) (2009, S. 91).
Der Rückgriff auf den Kompetenzbegriff ist im Bildungskontext üblich. Er macht Lernerfolge nachvollziehbar und weist folglich die Erfüllung des Auftrags von Bildungsinstitutionen nach. Die Beteiligten an Repaircafés allerdings dürften selbst wenig Interesse an einer kompetenzorientierten Erfassung ihrer Lernfortschritte haben. Sie spezifizieren oder bewerten ihre Lernerfahrungen von sich aus nicht. Nichtsdestotrotz ermöglicht der Kompetenzbegriff einen erweiterten Zugang zu menschlichen Fähigkeiten, denn er geht über die reine Wissensvermittlung und -verfügbarkeit hinaus. Doch gilt es den berechtigten Einwand von Fischer stets mit zu reflektieren, der ihn als „hypothetisches Konstrukt“ (2009, III) bewertet und dessen Tauglichkeit zur Erfassung der komplexen Könnerschaft bezweifelt. Der Begriff werde insbesondere im politischen Bildungsdiskurs bevorzugt zur vereinfachten Lehrzieldarstellung und zum Lukrieren von Fördergeldern eingesetzt, blende jedoch dessen simplifizierendes Verständnis von Lernerfahrungen und könnendem Handeln aus. (Fischer: 2009, 2). Fischer spricht im Gegenzug von „könnerhaftem Handeln“, das er als eine „Verschränkung von deduktivem und induktivem Vorgehen“, pendelnd zwischen Faktenwissen und praktischer Situationsdeutung und deren Bewältigung als optimales Problemlösungsszenario bezeichnet (ebda). Im Repaircafé-Kontext spielt dieses könnende Vorgehen eine zentrale Rolle, da hier auf Basis von bestehendem Wissen experimentierend und entdeckend vorgegangen wird. Wie dies von kreativen Einfällen begleitet zum reparaturtechnischen Erfolg führt, beschreibt ein Helfer wie folgt.
„[…] Ma braucht des richtige Werkzeug dazu, des is klar. […] Was Spezielles. […] Warum? Weil die Firmen ja hergehen und Spezialschrauben verwenden, die ma ahm nicht aufmachen kann. Also, dass eben kane Reparaturen ah von Fremde gemacht werden, na. (…) Und des war n Schrauben, die so an ovalen Ansatz haben. Ja, was mach i? Haha, bin i hergangen, hab i von meinem Werkzeug […] hab i dann an Schraubaufsatz zsammklopft. Des hat dann genau gepasst. Und seitdem bring i wirklich jeden (ha) Kaffeeautomaten auf. Net.“ (H2: 112–116).
Schlussfolgerungen
Wie die Ausführungen zeigen, sind Repaircafés durch die intensive Beschäftigung mit defekten Dingen des Alltags neue Lernorte mit kritisch-emanzipativem und selbstermächtigendem Potenzial. Meine Studie hat gezeigt, dass die Beteiligten wertvolles, da im eigenen Lebensalltag anwendbares Wissen erwerben. Darüber hinaus entstehen gesellschaftsrelevante kollektive und nachhaltigkeitsorientierte Lernmöglichkeiten, die öffentlichkeitswirkam sind und so zur Akzeptanz von Reparatur beitragen. Es steht nicht die Leistung von einzelnen Personen im Vordergrund, sondern die Freude, in Gemeinschaft zu reparieren und/oder ressourcenschonend nachhaltig zu handeln. Die Beteiligten probieren Neues und loten dabei ihre eigenen Fähigkeiten und Interessen aus. Da es sich um bereits defekte Dinge handelt, dürfen dabei Fehler gemacht werden. So stellen sich Repaircafés als Gegenpol zu den hohen und Großteils fremdbestimmten Leistungsanforderungen im Beruf dar.
Repaircafés sind Inseln der Freiräume, in welchen die Menschen sich ohne Lernziele, didaktische Konzepte und Leistungsbewertungen Wissen in mannigfaltiger Weise aneignen. Es erfolgt indirekt eine eigenständige Bewertung der Lernerfolge durch die unmittelbare Wirkung des Tuns, wie beispielsweise das Gelingen des Öffnens eines Gegenstandes, oder empathische Reaktionen beim gemeinsamen Reparieren wie Dankbarkeit und Freude. Jede Person bestimmt selbstselektiv, wie sie sich einbringt, was sie erfahren und lernen möchte. Dies impliziert auch das Setzen von Grenzen. Daher darf von institutioneller Seite kein Leistungsdruck oder anderwärtiger eingrenzender Einfluss auf diesen offenen, selbstbestimmtem (Lern-)Raum genommen werden, damit sich die positive Atmosphäre, die freudvollen und reichhaltigen Dynamiken, die vielfältigste selbstgestaltete Lernprozesse einschließen, frei entfalten können. Es sind genau dies die Qualitäten, die auch bildungsferne Personen ansprechen.
Klar ist, dass auch Repaircafés die Klimakrise nicht lösen werden können. Doch sie vermitteln, dass es jeder Person täglich möglich ist und Freude machen kann, ressourcenschonend zu handeln und dabei in einer (globalen) Reparatur-Community Rückhalt zu haben. Gerade in zivilgesellschaftlichen Initiativen kann der Umgang mit dynamischen und nicht antizipierbaren Situationen geübt werden.
Institutionelle Bildungsanbieter können und sollen Repaircafés durch ihr umfassendes Netzwerk und ihre infrastrukturellen Möglichkeiten unterstützen. Dafür braucht es die Offenheit für einen neuen Lernort, einen erweiterten Lernbegriff und Vertrauen, dass die Beteiligten ihre Lernchancen vor Ort ohne Anleitung wahrnehmen. Solche Formate ermöglichen der Erwachsenenbildung eine Rückbesinnung, dass und wie Lernen Freude und Spaß bereiten kann und gleichzeitig für sich selbst und andere sinnvoll ist. Sich für dieses Angebot einzusetzen, ist dann nicht nur ein wertvoller Beitrag zu nachhaltigem ressourcenschonendem Handeln, sondern darüber hinaus zur positiven kulturellen Wiederverankerung der sozial und ökologisch relevanten Kulturtechnik Reparatur. //
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