Jacques Delors 1993
Bild: Wikipedia
Am 27. Dezember 2023 ist Jacques Delors im Alter von 98 Jahren verstorben. Delors war von 1985 bis 1995 Präsident der Europäischen Kommission und hat wesentlich zur Vertiefung der Europäischen Integration beigetragen. Er setzte die Sozialpolitik auf die Tagesordnung der Europäischen Union und 1989 wurde die „Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer“1 und 1992 das „Sozialprotokoll“ beschlossen. Unter seiner Führung wurde der Binnenmarktprozess entscheidend vorangetrieben.
Der Name Jacques Delors ist jedoch auch mit Bildung verbunden. Bereits 1971 hat er als sozialpolitischer Berater der damaligen gaullistischen Regierung das Gesetz für berufliche Weiterbildung, das ein Recht auf bezahlten Bildungsurlaub einführte, mitgestaltet. Eine besondere Bedeutung für das Bildungsverständnis kommt dem 1996 von der UNESCO publizierten Delors-Report „Learning the treasure within“ zu. In diesem Bericht wird ein ganzheitliches Verständnis von Bildung entwickelt, die aus vier Säulen besteht: „learning to know“, „learning to do“, „learning to live together“ und „learning to be“.
Learning to know: Ein ausreichend breites Allgemeinwissen mit der Möglichkeit kombinieren, sich mit einzelnen Themen eingehend zu beschäftigen. Das bedeutet auch, dass man lernen muss, zu lernen, um die Möglichkeiten, die die Bildung bietet, ein Leben lang zu nutzen.
Learning to do: Hier geht es nicht nur darum, eine berufliche Fähigkeit zu erwerben, sondern auch im weiteren Sinne die Kompetenz, mit vielen Situationen umzugehen und in Teams zu arbeiten.
Es bedeutet auch, dass das Lernen im Rahmen der verschiedenen sozialen und beruflichen Erfahrungen stattfindet, die informell sein können oder formell, was Kurse, abwechselndes Lernen und Arbeiten beinhaltet.
Learning to live together: Verständnis entwickeln für andere Menschen und eine Wertschätzung der gegenseitigen Abhängigkeit, indem man gemeinsame Projekte durchführt und lernt, Konflikte zu bewältigen, und zwar im Geiste der Achtung der Werte des Pluralismus, des gegenseitigen Verständnisses und des Friedens.
Learning to be: Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, um mit immer größerer Selbstständigkeit, Urteilsfähigkeit und Eigenverantwortung handeln zu können. In diesem Zusammenhang darf die Bildung keinen Aspekt des Potenzials einer Person außer Acht lassen: Gedächtnis, Denkvermögen, ästhetischer Sinn, körperliche Fähigkeiten und Kommunikationsfähigkeit. (S. 37).
Delors war der Vorsitzende einer Kommission, die aus 14 weiteren Wissen-schafter*innen, Diplomat*innen und (ehemaligen) Politiker*innen bestand, die aus allen Teilen der Welt kamen. Der Report ist das Ergebnis weltweiter Konsulationen und Forschungen und er schließt mit der Forderung nach mehr internationaler Kooperation und mehr Ressourcen für die Bildung. //
Gerhard Bisovsky
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