1. Einleitung
Lebenslanges Lernen bildet einen Eckpfeiler und ist Bedingung für ein gelingendes Altern. In Gesellschaften der Langlebigkeit sind Lern- und Bildungsprozesse notwendig, um adäquate individuelle Anpassungsprozesse zu gewährleisten, differenzierte soziale und politische Teilhabe zu ermöglichen und Veränderung auf der Basis von Lebenserfahrung voranzutreiben. In einer Wissensgesellschaft ist Bildung zentrales Gut und bestimmt den sozialen Status des Individuums nicht nur in der beruflichen, sondern auch in der nachberuflichen Lebensphase. Dabei geht es nicht nur um erworbenes Wissen und das Erreichen bestimmter Kompetenzniveaus, sondern es geht um Bildung als Mittel von Vergesellschaftung. Um Vergesellschaftung geht es deshalb, weil die soziale Position des Alters weitgehend offen angelegt ist, soziale Rollen – etwa über Freiwilligenarbeit – erst gefunden werden müssen. Die Alter(n)sforschung kann eine Reihe von positiven Effekten der Bildungsteilnahme auf Basis von Längsschnittuntersuchungen im europäischen Kontext nachweisen. (Jenkins & Mostafa: 2015; Wahrendorf & Siegrist: 2009; Siegrist & Wahrendorf: 2010; Wahrendorf & Stoeckel: 2013). Gleichzeitig wurde für Österreich gezeigt, dass die Motivation, an Bildung teilzunehmen, bis ins höhere Alter aufrecht erhalten bleibt (Schneeberger: 2005; Erler & Fischer: 2012; Kolland et al.: 2018).
Im vorliegenden Beitrag wird der aktuelle Stand des Wissens zur Bildung im Alter in Österreich auf Basis aktueller Forschungsergebnisse aufgearbeitet und dargestellt. Daraus abgeleitet fragt der Beitrag in einem zweiten Schritt danach, wie sich das Praxisfeld der Bildung im Alter in Österreich seit 2011 entwickelt hat. Dazu werden Ziele der Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich (2011) dargestellt und danach gefragt, inwiefern diese derzeit umgesetzt sind. Ausgehend von diesen Überlegungen wird abschließend danach gefragt, welche zukünftigen Entwicklungen es im Bereich der Bildung im Alter braucht.
2. Stand des Wissens: Wirkungen und Herausforderungen der Bildung in der nachberuflichen Lebensphase
Wie steht es nun um den Stand des Wissens zur Wirkung von Bildung im Alter? Zunächst bedingt ein hohes Bildungsniveau eine gesunde Lebensweise. Befragte mit einem niedrigen formalen Bildungsabschluss bewegen sich wesentlich seltener, essen ungesünder, rauchen eher und trinken mehr Alkohol als Gleichaltrige mit einem höheren Schulabschluss. Ebenso senkt ein höherer Abschluss das Demenz- und auch das Mortalitätsrisiko, was auf eine Zunahme bildungsbedingter gesundheitlicher Unterschiede im Alter zurückzuführen ist. (Müllegger: 2015). Bildung führt jedoch nicht nur im formalen Sinne zu höherer Gesundheit, sie kann auch durch kontinuierliche mentale Stimulation präventiv der Leistungsfähigkeit dienen. Neurologische Forschungen zeigen, dass mentales Training die intellektuellen Fähigkeiten positiv beeinflusst, indem etwa Gedächtnisverluste verringert bzw. teilweise sogar ganz kompensiert werden können. (Wilson: 2011; Zhu: 2017; Iller: 2018). Für hochbetagte Menschen (85+) bedeutet Bildung das Trainieren von Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Alltagsbewältigung und die Auseinandersetzung mit Gesundheit und Pflege. Bildung hat hier die Aufgabe, die Folgen erhöhter biologischer Vulnerabilität zu mildern. Lernprozesse sind dabei stark von Außenstimulation abhängig. Wichtige Aufgaben haben in diesem Zusammenhang geriatrische Tageszentren, Ergotherapie oder geragogische Interventionsformen, wie z.B. Lernprozesse im Zusammenhang mit der Nutzung neuer technischer Hilfsmittel oder Kommunikationsformen.
Darüber hinaus führt Weiterbildungsteilnahme zu sozialer Integration bzw. verstärkt ein positives gesellschaftliches Altersbild, steigert das physische und psychische Wohlbefinden, erhöht die Antizipation und Verarbeitung kritischer Lebensereignisse und wirkt sich positiv auf bürgerschaftliches Engagement bzw. Freiwilligenarbeit aus. Bildung im Alter trägt zur gesellschaftlichen Teilhabe bei. Es besteht sowohl ein Zusammenhang zwischen Bildungsteilnahme und sozialem Engagement als auch zwischen Lernen und politischer Beteiligung. (Thalhammer & Schmith-Hertha: 2018). Ältere Menschen, die sich weiterbilden, engagieren sich eher ehrenamtlich, sie haben mehr Vertrauen in politische Institutionen und eine höhere politische Partizipation. (Schmidt-Hertha: 2018).
Trotz dieser vielfältigen positiven Wirkungen der Bildung im Alter nehmen viele ältere Menschen in der nachberuflichen Lebensphase nicht regelmäßig an Bildungsangeboten teil. Damit das Programm des lebenslangen Lernens auch im Alter greift, braucht es eine lebenslaufsensible Infrastruktur wie z. B. gute räumliche Erreichbarkeit, barrierefreie Zugänge und entsprechende Angebote.
Wie wirken sich diese Herausforderungen der Bildung im Alter auf die Teilnahme an Bildung im Alter aus? Es ist ein häufig wiederholtes Forschungsergebnis zur Bildung im Alter, dass diese von den Bildungsbenachteiligungen gekennzeichnet ist, die ältere Menschen erleben oder erlebt haben. (Kolland & Wanka: 2016). Die heute älteren Menschen verfügen über durchschnittlich niedrigere Bildungsabschlüsse als jüngere Generationen. (Statistik Austria: 2020). In diesem Sinn kann von relativer Bildungsbenachteiligung im Alter gesprochen werden. Als bildungsbenachteiligt bzw. bildungsarm werden jene Personen bezeichnet, die als höchsten Schulabschluss Pflichtschule angeben. Ein geringes Schulbildungsniveau wirkt sich auf die Weiterbildungsbeteiligung im Alter aus. Es sind eher die jungen Alten, Personen mit höheren Schulbildungsabschlüssen und höherem Einkommen, BewohnerInnen größerer Wohnorte und Personen, die sozial integriert sind, die Kurse und organisierte Bildungsveranstaltungen besuchen. (Gallistl et al.: 2017).
3. Bildungsbeteiligung im Wandel: Stellenwert und Praxisfeld der Bildung im Alter in Österreich
Eine wesentliche politische Leitlinie für die Bildung im Alter ist neben dem Bundesseniorenplan die Aktionslinie 9 der Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich. (Republik Österreich. 2011). In dieser nationalen Strategie sind vier Ziele zur Bereicherung der Lebensqualität durch Bildung in der nachberuflichen Lebensphase genannt. Anhand dieser Ziele sollen in der Folge die Entwicklungen zwischen 2010 und 2020 dargestellt werden:
1. Weiterbildungsbeteiligung: Die Weiterbildungsbeteiligung von Menschen in der nachberuflichen Lebensphase steigt sukzessive auf mindestens zwölf Prozent an.
2. Qualitätssicherung: Die Angebote für Menschen in der nachberuflichen Lebensphase sind flächendeckend qualitätsgesichert, und alle in der Bildungsarbeit mit älteren Menschen tätige Fachleute verfügen über eine einschlägige Grundkompetenz.
3. Information und Beratung: Der Zugang von älteren Menschen zu altersgruppenspezifischer Information und Beratung hinsichtlich aller relevanten Weiterbildungsmöglichkeiten ist gesichert.
4. Infrastruktur, Intergenerationelle Lernformen und IKT: Es existiert eine bildungsfördernde Infrastruktur für eine niederschwellige, wohnortnahe Beteiligung älterer Menschen an Bildungsangeboten, insbesondere auch im Bereich intergenerationeller Projekte und Angebote im IKT-Bereich, die weiter ausgebaut wird.
3.1. Weiterbildungsbeteiligung
Im Allgemeinen zeigt sich für Österreich eine ausreichende Dokumentation der Weiterbildungsbeteiligung und -barrieren älterer Menschen anhand europäischer Erhebungen, die in Österreich national durchgeführt wurden. Zu nennen sind hier vor allem die fünfjährig durchgeführte Erhebung über Erwachsenenbildung [Adult Education Survey (AES)], an deren Durchführung sich Österreich in den Jahren 2007, 2011 und 2016 beteiligt hat, sowie der Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE), der in Österreich bislang in sieben Wellen (2004, 2006/07, 2008/09, 2011, 2013, 2015, 2017) durchgeführt wurde. Zusätzlich wurde 2011/2012 erstmals ein Erwachsenenbildungssurvey (Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC)) durchgeführt, der in Österreich vom damaligen Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) und vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) finanziert wurde.
Werden die Daten der SHARE-Erhebung der Wellen zwei bis fünf herangezogen, dann zeigt sich ein Anstieg der Bildungsbeteiligung in der nachberuflichen Phase. Im Längsschnittsample der Befragung lag die Bildungsbeteiligung (formal und non-formal) von pensionierten Personen in Österreich in der fünften Welle bei 14,4 Prozent, in der vierten Welle bei 10,5 Prozent und in der zweiten Welle bei 6,2 Prozent. Im internationalen Vergleich mit den Nachbarländern Deutschland und der Schweiz fällt die Bildungsbeteiligung bei ÖsterreicherInnen über 50 Jahren geringer aus (Deutschland: 16 Prozent, Schweiz: 20 Prozent).
Laut Daten des AES geht die Bildungsbeteiligung an formaler und non-formaler Bildung mit steigendem Alter stetig zurück, gleichzeitig ist die Bildungsbeteiligung von Personen bis 65 Jahren gesamt in den letzten Jahren gestiegen. Im Jahr 2011/2012 haben 47,7 Prozent der ÖsterreicherInnen zwischen 45 und 54 Jahren und 35,2 Prozent jener zwischen 55 und 64 Jahren an non-formaler Weiterbildung teilgenommen. Diese Daten zeigen im Vergleich zu den Umfragedaten von 2006/07 einen leichten Anstieg in der Altersgruppe der 45-54-Jährigen (+5,2 Prozent) und einen stärkeren Anstieg in der Altersgruppe der 55-bis-64-Jährigen (+10 Prozent). Anhand der neuesten Daten deutet sich eine lineare Entwicklung an: In der Erhebung 2016/2017 geben 59,5 Prozent der 45- bis 54-Jährigen und 41,3 Prozent der 55- bis 64-Jährigen an, an nicht-formalen Bildungsaktivitäten in den letzten zwölf Monaten teilgenommen zu haben (Statistik Austria, 2020). Das entspricht gegenüber der Erhebung von 2011/12 einem Anstieg von 11,8 Prozent bzw. 6,1 Prozent (Tabelle 1).
Tabelle 1: Teilnahme der ÖsterreicherInnen an non-formaler Weiterbildung in den letzten zwölf Monaten nach Altersgruppe 2006–2017
Der Strukturindikator lebenslanges Lernen beschreibt den Anteil der an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmenden Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, diesen regelmäßig zu erheben. Der Strukturindikator wird über die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in den letzten vier Wochen vor der Befragung erhoben und ist in Österreich in der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung inkludiert (Statistik Austria, 2016). Laut diesem Strukturindikator beteiligten sich ältere Menschen 2015 über 60 Jahren zu 5,3 Prozent an Weiterbildung, 2019 zu 5,9 Prozent (Jahresdurchschnitt). Die Bildungsteilnahme nimmt auch hier mit steigendem Alter ab, wobei diese bei älteren Frauen höher liegt als bei älteren Männern.
Dieses Ergebnis bedeutet allerdings nicht, dass das Lebensalter als erklärender Faktor herangezogen werden kann, d.h. wir weniger an Bildung teilnehmen, weil wir älter werden. Denn es ist nicht primär das Lebensalter, sondern es sind andere Faktoren (z. B. der Bildungsstatus), die den Rückgang ursächlich erklären. Es zeigen sich Bildungsbarrieren für ältere Menschen, die weniger auf dem Alter als auf Wohnort, Geschlecht und Gesundheitszustand beruhen. Herausforderungen an die Förderung des lebenslangen oder lebensbegleitenden Lernens bestehen damit nach wie vor im Bereich des ungleichen Zugangs zu Weiterbildung von Menschen in der nachberuflichen Lebensphase. Die Schulbildung älterer Menschen ist im Zugang zu Bildung ein zentrales Differenzierungskriterium, das sogar noch stärker als das monatliche Haushaltseinkommen die Teilhabechancen beeinflusst. So nahmen im Jahr 2013 2,7 Prozent der PflichtschulabsolventInnen über 50 Jahren an Bildungsangeboten teil, während dies ein Viertel der Befragten mit Matura oder tertiärer Ausbildung taten. In multivariaten logistischen Regressionsmodellen zeigen Personen mit tertiärem Bildungsabschluss eine etwa zehnmal höhere Chance an Bildung teilzunehmen, als Personen mit Pflichtschulabschluss. Weitere wichtige Determinanten der Bildungsteilnahme sind der subjektive Gesundheitszustand und das monatliche Haushaltseinkommen. Personen bei guter subjektiver Gesundheit haben eine etwa viermal höhere Chance an Bildung teilzunehmen als jene mit schlechtem Gesundheitszustand. Personen mit hohen Einkommen haben eine doppelt so hohe Chance auf eine Bildungsteilnahme als jene im unteren Einkommensdrittel. (Kolland et al.: 2017).
Das Geschlecht spielt als Determinante zur Bildungsteilnahme in der nachberuflichen Phase ebenfalls eine besondere Rolle. Ist Bildung im Erwerbsleben noch männlich dominiert, zeigen sich Frauen in der nachberuflichen Bildung wesentlich aktiver. So ist es auch zu erklären, warum Frauen Männer in der Bildungsbeteiligung über den gesamten Lebenslauf ab einem Alter von etwa 55 bis 60 Jahren überholen und danach bis ins hohe Alter bildungsaktiver bleiben als Männer. (Kolland et al.: 2014).
Potenzial hinsichtlich der weiteren Förderung der Bildungstätigkeit älterer Menschen zeigen Formen des informellen Lernens. Während das non-formale Lernen wie z. B. der Besuch von Kursen im Alter stark zurückgeht, zeigt sich hinsichtlich des informellen Lernens ein geringer Alterseffekt. (Kolland et al.: 2014). Informelles Lernen ist stärker in den Alltag bzw. in die Freizeit integriert. (Thalhammer & Schmith-Hertha: 2018). Informelles Lernen bezieht sich auf alle Lernprozesse in der Alltags- und Lebenswelt von Personen, die nicht organisiert und nicht notwendigerweise bewusst stattfinden und sowohl als soziales als auch individuelles Lernen erfolgen können. (Dohmen: 2001). Anhand der österreichischen PIAAC-Daten (2011/2012) zeigt sich, dass informelle Lerntätigkeiten über den Lebenslauf im Unterschied zu formalen und non-formalen Lernformen keine alterskorrelierte Abnahme aufweisen. So bleibt die Aktivität von alltagsbegleitendendem, informellem Lernen auch nach dem Alter von 50 Jahren vergleichsweise hoch. (Kolland et al.: 2014). Ältere Menschen lernen damit stärker informell im Alltag als in organisierten Kontexten.
Besonderer Bildungsbedarf im Alter ergibt sich im Zusammenhang mit der „Digital Divide“, d. h. die „neuen“ Medien der Kommunikation sind im Alter – mit Ausnahme der Mobiltelefonie – noch wenig verbreitet. Ältere können weder adäquat mit den Werkzeugen der digitalen Welt umgehen, wie sich dies z. B. am Internet zeigt, noch verfügen sie über die entsprechende apparative Ausstattung und technische Unterstützung und zum Teil können sie sich einen PC bzw. Internetzugang nicht leisten.
3.2. Qualitätssicherung
In den letzten zwei Jahrzehnten kommt es in Österreich zu einer langsamen Ausweitung und Vervielfältigung des Bildungsangebotes für ältere Menschen. SeniorInnenbildung ist in verschiedenen Organisationen angesiedelt und nicht auf Angebote der Erwachsenenbildung beschränkt. Dies macht es nötig, sich stärker mit Strategien der Qualitätssicherung in der SeniorInnenbildung auseinanderzusetzen. Unter anderem findet dies durch die seit 2005 regelmäßig stattfindende Auszeichnung von innovativen und kreativen Projekten in der SeniorInnenbildung durch das Projekt „Good Practice in der SeniorInnenbildung“ statt. Im Auftrag des BMSGPK wurden Kriterien entwickelt (Kolland: 2005; Köster et al.: 2008), aus denen Qualitätsdimensionen abgeleitet werden. Jene Projekte, die österreichweit als besonders innovativ und kreativ identifiziert werden und darüber hinaus den zu Grunde liegenden Qualitätskriterien entsprechen, werden am Ende des Projektes vom BMSGPK ausgezeichnet. (Abbildung 1).
Abbildung 1: Absolute Häufigkeit der Bewerbungen und Auszeichnungen im Projekt „Good Practice in der SeniorInnenbildung“ 2005–2018
Quelle: Eigene Berechnungen
Trends in den Bewerbungen verweisen in den letzten Jahren dabei zum einen auf eine Zunahme kultureller und künstlerischer Projekte in der SeniorInnenbildung. Zum anderen wird ein stärkerer Fokus auf die Vermittlung digitaler Kompetenzen in der SeniorInnenbildung gelegt. Damit einhergehend zeigt sich eine Veränderung des pädagogischen Zuganges weg von einer klassischen, vermittelten Methode hin zur Beratung älterer Menschen, was vor allem alltagsbezogenes, praxisorientiertes Lernen bedeutet. (Kolland et al.: 2016 bzw. 2019). Darüber hinaus finden sich in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen zur Verbreitung von geragogischem Grundwissen an Menschen, die in der Bildungsarbeit mit älteren Menschen tätig sind. So veröffentlichte etwa die Abteilung V/A/6 des BMSGPK Leitfäden zu geragogischem Grundwissen, Selbstevaluation und Projektmanagement und Qualitätskriterien für Weiterbildungsangebote, die frei zugänglich sind und fördert auch Weiterbildungsveranstaltungen verschiedener Anbieter.
Auf der Ebene der wissenschaftlichen Untersuchung von Qualitätskriterien der SeniorInnenbildung sind die Studien „Geragogisches Grundwissen. Untersuchung zur Qualitätssicherung für Bildung in der nachberuflichen Phase“ (Simon & Gerdenitsch: 2012), „Qualitätssichernde Maßnahmen in der erwachsenenpädagogischen Bildungsarbeit in Österreich unter Berücksichtigung der nachberuflichen Phase“ (Brünner: 2015) sowie die „Qualitätskriterien für senior/innengerechtes Lehren und Lernen mit digitalen Technologien“ (ÖIAT: 2016) zu nennen.
Zusätzlich zu diesen auf Bundesebene initiierten Maßnahmen zur Qualitätssicherung finden in Österreich zahlreiche Weiterbildungsmaßnahmen für SeniorInnenbildnerInnen in oder in Kooperation mit unterschiedlichsten Organisationen statt. Dazu gehören etwa Schulungen für freiwillig engagierte Personen (Salzburger Bildungsnetzwerk, Land Vorarlberg) und MultiplikatorInnenschulungen (Land Vorarlberg). Als qualitätssichernde Maßnahmen wurden auch Netzwerkaufbau und regelmäßige Netzwerktreffen, etwa im Land Steiermark oder Salzburg, genannt. Neuere Entwicklungen zeichnen sich dabei in der Ausbildung von alterssensiblen BeraterInnen ab.
3.3. Bildungsinformation und Beratung
Im Bereich der Bereitstellung von alterssensibler Information und Beratung für ältere Menschen wurden seit 2010 österreichweit (Pilot-)Projekte durchgeführt, die von der Erstellung von Informationsbroschüren und Flyern über Informationsveranstaltung bis hin zur Erprobung einer alterssensiblen Bildungsberatung reichen. Das BMSGPK hat eine Arbeitsgruppe zum Thema Bildungsberatung für Menschen in der nachberuflichen Phase eingerichtet und fördert Forschung und Modellprojekte zur Beratung älterer Menschen. Zusätzlich wurden im Zeitraum 2013 bis 2016 zwei Forschungsprojekte durchgeführt, die vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz finanziert wurden und sich mit der wissenschaftlichen Fundierung von Möglichkeiten alterssensibler Bildungsberatung auseinandersetzen.
Mittels einer repräsentativen Telefonumfrage wurde im Jahr 2013 (n=700) das Weiterbildungs- und Beratungsinteresse von 55- bis 75-jährigen Personen in der Nacherwerbsphase in Österreich erhoben. In der Befragung gaben 44 Prozent der Befragten an, sich zwar für Weiterbildung in einem der vorgeschlagenen Themenfelder zu interessieren, aber sich in den letzten zwölf Monaten nicht aktiv an formaler oder non-formaler Bildung beteiligt zu haben. Diese Realisierungslücke besteht konstant über alle befragten Altersgruppen zwischen 55 und 75 Jahren hinweg. Als Gründe für das nicht-realisierte Bildungsinteresse stellen sich vor allem eine kleine Gemeindegröße und schlechte Bildungsinformationen heraus. Die Infrastruktur ist damit ein zentraler Faktor in der Realisierung des Bildungsinteresses. (Kolland et al.: 2018).
Zusätzlich zu diesen Forschungsprojekten wurden seit 2010 auch verstärkt (Pilot)-Projekte zur Bildungsberatung älterer Menschen mit dem Fokus auf der nachberuflichen Phase durchgeführt. Hier ist vor allem das in der Steiermark durchgeführte, vom Bildungsnetzwerk Steiermark realisierte und von der Abteilung V/6/A des BMSGPK geförderte Projekt „Menschen in der nachberuflichen Phase – Lifelong Learning und Lifenlong Guidance“ (2011–2014) zu nennen, in dem zahlreiche Aktivitäten zur Bereitstellung einer Infrastruktur zur Bildungsberatung älterer Menschen realisiert wurden. Zielsetzung waren dabei einerseits die Erhöhung der Bildungsbeteiligung älterer Menschen und die Entwicklung, Erprobung und Durchführung von Bildungsberatungsangeboten für die Zielgruppe der Personen in der nachberuflichen Phase anhand von innovativen Beratungsansätzen. Dieses Projekt ist deswegen herauszustellen, weil die „BildungsBeratung 50+/60++“ in Hartberg/Steiermark 2014 den Betrieb aufgenommen hat und somit das erste Praxisbeispiel für die Bildungsberatung von Menschen in der nachberuflichen Phase darstellt. Anzumerken ist hier, dass der Betrieb dieser Beratungsstelle in den darauffolgenden Jahren eingestellt wurde, die Beratungstätigkeit jedoch an anderen Orten fortgesetzt wird. Um wissenschaftliche Erkenntnisse mit Erfahrungen aus der Beratungspraxis auch weiterhin verknüpfen zu können, ist eine weitere Förderung von innovativen Modellprojekten zur Erprobung unterschiedlicher Konzepte nachberuflicher Beratung wünschenswert.
3.4. Infrastruktur, Intergenerationelle Lernformen und IKT
Entsprechend der Fokussierung auf informelles Lernen als neue, alltagsnahe Lernform älterer Menschen und der Bedeutung der wohnortnahen Bildungsinfrastruktur für ältere Menschen etabliert sich in den letzten Jahren eine verstärkte Diskussion rund um den Begriff Community Education. Der Fokus der Community Education liegt darauf, eine Infrastruktur aufzubauen, die insbesondere bildungsbenachteiligten Gruppen formales, non-formales und informelles Lernen ermöglicht und damit neue Zielgruppen für Weiterbildung erreicht. Community Education ist ein theoretisch noch wenig spezifizierter Begriff, als zentrale Elemente können aber identifiziert werden, dass sich Community Education häufig mit dem Lernen in sozialräumlicher Perspektive auseinandersetzt und dabei auf den Abbau von Bildungsbarrieren, Inklusion und der Schaffung von Communities, die dem Wohnraum entspringen, abzielt. (Wagner et al.: 2013).
2013 wurde zuletzt eine größere Studie in Österreich zum Thema der Standortbestimmung der Community Education in Österreich veröffentlicht. In der im Rahmen des Projektes durchgeführten Online-Befragung wurden potenzielle Träger von Community Education in Österreich befragt, sowie Fallstudien recherchiert und ein ExpertInnenworkshop durchgeführt. Knapp ein Drittel der Angebote der Community Education in Österreich waren mit Angeboten der Erwachsenenbildung verknüpft, weitere Tätigkeitsbereiche umfassten etwa Projekte der Regionalentwicklung, Bürgerinitiativen oder Selbsthilfe. Angebote für ältere Menschen zeigen sich im Bereich der Community Education unterrepräsentiert: Nur ein Prozent der Projekte gehört zum Bereich der SeniorInnenbildung und nur 8 Prozent der befragten Projekte fokussierten auf Ältere als spezielle Zielgruppe. (Wagner et al.: 2013).
Zum Aufbau einer wohnortnahen Bildungsinfrastruktur wurden in den letzten Jahren Pilotprojekte durchgeführt, deren Innovationspotenzial in der Kooperation mit regionalen Partnerorganisationen lag. Beispielhaft seien hier etwa sieben Regionaltagungen des Landes Steiermark genannt, in denen unter dem Motto „Lesen kennt kein Alter(n)“ BibliothekarInnen im Umgang mit älteren Menschen geschult wurden.
Projekte zum intergenerationellen Lernen wurden in den letzten Jahren österreichweit erprobt und gefördert. Diese reichten von Projekten von älteren Menschen gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen über die Arbeit von BesucherInnen von Tageszentren für asylwerbende und wohnungslose Menschen bis zu Modellprojekten zu intergenerationellen Lernen. Beispielhaft seien hier die Projekte „MDU – Meine–Deine = Unsere Lebenswelt“ und „Vita Activa“ genannt, die von der Abteilung V/A/6 des BMSGPK gefördert und 2012 im Rahmen des Projektes „Good Practice in der SeniorInnenbildung“ ausgezeichnet wurden. Gefördert vom Land Steiermark führte das Katholische Bildungswerk Steiermark und Andere auch das Projekt „treff.generationen“ durch, in dem ein ortsspezifisches intergenerationelles Aktions- und Bildungsprogramm partizipativ entwickelt und umgesetzt wurde. Durch die generationenübergreifende Erarbeitung wurde die Kommunikation zwischen und über Generationen angeregt. Intergenerationelles Lernen findet zwar in einer Vielzahl von Projekten und Organisationen statt, verfügt allerdings (noch) nicht über einen institutionellen Rahmen, der intergenerationelle Lehr- und Lernarrangements nachhaltig sichern könnte. In diesem Zusammenhang ist auch bedeutend, dass die wissenschaftliche Erforschung oder Evaluierung von intergenerationellen Lernformen in Österreich noch unzureichend ist.
Der „Bundesplan für Seniorinnen und Senioren“ (BMASK: 2015) hat in Bezug auf „Altern und Medien“ zum Ziel, einen flächendeckenden Zugang von älteren Frauen und Männern zu den neuen Medien sowie Informationen zur sicheren Nutzung und Stärkung ihrer Medienkompetenz zu schaffen. Dies soll durch den Ausbau von wohnortnahen, niederschwelligen, barrierefreien und bildungsfördernden Angeboten für Frauen und Männer in der nachberuflichen Lebensphase in ganz Österreich gewährleistet werden. Eine zentrale Herausforderung der SeniorInnenbildung ist dabei die sozial ungleiche Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass die Internetnutzung in einer repräsentativen Befragung von Personen zwischen 55 und 75 Jahren in Österreich 2013 einen zentralen Prädiktor der Realisierung von Bildungsinteresse in konkrete Bildungsbeteiligung darstellt. (Kolland et al.: 2014).
Die nachfolgende Tabelle zeigt Anstiege in der Internetnutzung älterer Menschen im Beobachtungszeitraum 2015–2019, wobei dieser Anstieg in der Altersgruppe 65-74 höher ausfällt als in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen (Tabelle 2).
Tabelle 2: Internetnutzung in den letzten drei Monaten nach Altersgruppe 2015–2019
Bildungsangebote für ältere Menschen mit Bezug auf neue Technologien haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. In ganz Österreich wurden in den letzten Jahren verstärkt sowohl Forschungs- als auch Bildungsprojekte durchgeführt, die einen Einstieg älterer Menschen in Informations- und Kommunikationstechnologien erleichtern sollen. Einerseits liegt der Fokus dabei auf der Durchführung von Computerkursen für ältere Menschen, andererseits auf der Erarbeitung von alterssensibler Didaktik in Bezug auf neue Technologien und der Erstellung von Informationsbroschüren und Ratgebern.
Beispielhaft sei hier etwa das transnationale Projekt „ACCESS-Supporting digital literacy and appropriation of ICT by older people“ angeführt, welches ProjektpartnerInnen zum Ziel hat, das Erlernen von digitalen Technologien im Alter länderübergreifend zu erforschen und zu fördern. Es soll so einerseits die Lernsituation für ältere Menschen als sozialer Prozess erfasst werden, welcher sich durch die unterschiedlichen Lernbedürfnisse und Zugangsbarrieren der Teilnehmenden auszeichnet. Andererseits liegt ein Fokus auf den Effekten der Bildungsangebote nicht nur auf das Erlernen digitaler Technologien, sondern auch auf die Auseinandersetzung mit dem Alter.
Als weitere Initiativen können hier etwa Broschüren für SeniorInnen zum Thema „Das Internet sicher nutzen“ genannt werden, die 2015 in aktualisierter Auflage erschienen ist, sowie der Folder für SeniorInnen „Betrug im Internet – so schützen Sie sich“ (2015) und die „A1 Broschüre für SeniorInnen: Internet einfach erklärt“ (2015), die auf der vom Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) erstellte Plattform saferinternet.at veröffentlicht werden. Seit 2010 stehen dort darüber hinaus umfangreiche Unterlagen für TrainerInnen zur Verfügung, die mit älteren Menschen arbeiten. Im Auftrag des BMSGPK organisierte das ÖIAT zudem 2016 bereits zum dritten Mal das Forum „Senior/innen in der digitalen Welt“ und veröffentlichen im selben Jahr einen Leitfaden zu „Qualitätskriterien für senior/innengerechtes Lehren und Lernen mit digitalen Technologien“. (ÖIAT: 2016). Als weitere anwendungsorientierte Forschungsprojekte des ÖIAT zum Thema SeniorInnen können hier das vom FFG und BMVIT geförderte Forschungsprojekt mobi.senior.A (Amann-Hechenberger et al.: 2015) und die vom BMSGPK in Auftrag gegebene Studie „Maßnahmen für SeniorInnen in der digitalen Welt“ (ÖIAT: 2015) und die „Studie zur Praxis senior/innengerechter Produktgestaltung“ (ÖIAT: 2014) genannt werden.
3. Zukünftige Herausforderungen im Handlungsfeld Bildung im Alter
Die zur Verfügung stehenden österreichischen Umfragedaten (AES, SHARE) zeigen eine steigende Bildungsbeteiligung älterer Menschen. Dies lässt sich sowohl bei Personen über 50 Jahren, als auch bei Personen in der nachberuflichen Lebensphase nachweisen. Herausforderungen bestehen weiterhin in drei Punkten: Erstens wird Weiterbildung nach wie vor als berufsbezogene Weiterbildung interpretiert. Mit dem Austritt aus dem Erwerbsleben verändert und verringert sich die durchschnittliche Weiterbildungsteilnahme. Zweitens bestehen nach wie vor hohe Zugangsbarrieren zur Bildung im höheren Alter. Dies trifft besonders auf Personen mit niedrigem Erstausbildungsniveau, gesundheitlich eingeschränkte Personen und Personen mit niedrigen Einkommen zu. Drittens zeigt sich, dass im höheren Alter weniger in formalen und non-formalen Kontexten, sondern stärker informell gelernt wird. Dieses alltagsbegleitende Lernen zeigt Potenzial zur Förderung der Bildungstätigkeit älterer Menschen.
Bildung im Alter ist gesellschaftlich wenig institutionalisiert. Bildung im Alter hat keine formalen Strukturen ähnlich der Bildung im Kindes-, Jugend- und Erwerbsalter. Die Einrichtungen der Erwachsenenbildung fokussieren nicht spezifisch auf Menschen im Alter. Das führt real zu geringen Bildungsquoten von Menschen ab 65 Jahren. Eine Möglichkeit, Bildung im Alter stärker gesellschaftlich zu verankern könnte darin bestehen, diese in die Freiwilligenarbeit oder in die Pflege zu integrieren. Es ginge also darum, Bildung in jene gesellschaftlichen Handlungsfelder einzubringen, die im Alter relevant sind.
Die geringe Bedeutung von lebenslangem Lernen vor und nach der Pensionierung hat aber nicht nur mit der Verschränkung von Bildung und Berufstätigkeit zu tun, sie ist auch von den sozialen Konstruktionen des Alters beeinflusst. Alter ist nicht nur physiologisch und psychologisch bestimmt, sondern es wird sozial hergestellt und ist gesellschaftlich bedingt. Es wirken dabei jene sozialen Konstruktionen des Alters lernhemmend, die Älterwerden mit nachlassender intellektueller Leistungsfähigkeit assoziieren.
Alte Menschen sind, wenn sie gleichzeitig mehrere Erkrankungen haben, physisch eher verwundbar gegenüber räumlichen Einschränkungen. Dies gilt nicht nur für den ländlichen Raum, ist aber in diesem von größerer Bedeutung. Die Bildungsteilnahme sinkt, wenn der öffentliche Nahverkehr eingeschränkt ist oder die Angebote weit entfernt sind. Wenn wir also von Lebensqualität und gerechten Lebensbedingungen im Alter sprechen wollen, dann ist gleichzeitig von Umweltgerechtigkeit zu sprechen. Eine für kleinere Gemeinden typische, wenig differenzierte Angebotsstruktur und Schwierigkeiten der Mobilität im Alter machen solche Lernformen essentiell, die im Nahraum ausgeübt werden können, wenn nicht sogar im eigenen Haus (z.B. informelles Lernen).
Mit dem lebenslangen Lernen werden sowohl auf gesellschaftlicher als auch individueller Ebene starke Hoffnungen in Richtung sozialer Besserstellung und sozialer Inklusion verknüpft. Allerdings finden sich in diesem Bildungsoptimismus auch Schwachstellen. Eine dieser Schwachstellen besteht in der Vorstellung von Bildung als einem Stufenprozess. Die Bildung des Individuums wird immer vor dem Hintergrund der höchsten erreichbaren Bildungsstufe analysiert und bewertet. Damit werden ganz entscheidend informelle Formen der Bildung und des Lernens unterschätzt und ausgeblendet. Wenn auch das informelle Lernen in internationalen Tests wie PIAAC geprüft und untersucht wird, so hat es im Zusammenhang mit dem Zugang zu Arbeitsmärkten oder im Zusammenhang mit der Einschätzung des sozialen Status einer Person nur eine randständige Bedeutung. Wenn an Bildung gedacht wird und an Weiterentwicklung in der eigenen Bildungsbiographie, dann wird an höhere (akademische) Abschlüsse gedacht. Dieser Ansatz ist völlig unzureichend, um eine Lernkultur für ein langes Leben zu etablieren, die erstens über Qualifizierung hinausgeht, zweitens informelle Lernprozesse einschließt und drittens neue Formen organisierten Lernens forciert.
Herausforderungen bestehen auch in der Messung der Weiterbildungsteilnahme älterer Menschen in Österreich. Erstens braucht es eine Ausdehnung der Untersuchungen über das Alter von 65 Jahren hinaus, um die nachberufliche Phase und die Hochaltrigkeit angemessen abbilden zu können. Zweitens braucht es eine Vereinheitlichung der Messinstrumente, die Veränderungen von Lernbedürfnissen und Lernprozessen im Lebensverlauf berücksichtigt. Es braucht dafür eine Ausweitung von bildungsbezogenen Erhebungen wie z. B. dem Adult Education Survey auf höhere Altersgruppen und eine Ausdifferenzierung der Erhebungsinstrumente zum lebenslangen Lernen in altersbezogenen Erhebungen wie der SHARE-Befragung.
Optimismus in Hinsicht auf die zukünftige Entwicklung des Handlungsfelds Bildung im Alter sehen wir dort, wo der Generationenwandel in den Blick genommen wird. Dabei sind es die Baby-Boomer, auf die sich die Aufmerksamkeit der Bildung im Alter richtet. Als Baby-Boomer werden vereinfacht jene Jahrgangskohorten bezeichnet, die zwischen 1952 und 1972 geboren wurden, d.h. im kapitalistischen Wohlfahrtsstaat mit starkem Wirtschaftswachstum aufwuchsen und eine kulturelle Revolution mitbegründeten. Die Baby-Boom-Generation ist die erste Generation, die mit einer Auflösung traditioneller Familien- und Wohnstrukturen aufgewachsen ist. Für diese zahlenmäßig sehr starken Geburtsjahrgänge lassen sich erhebliche Veränderungen im Vergleich zu ihrer Elterngeneration ausmachen, die auch den Alterungsprozess beeinflussen. Sie profitierten von der Bildungsexpansion ab den 1980er-Jahren, indem sie häufiger eine Fachausbildung oder einen höheren Schulabschluss absolvierten. Sie sind eine bildungsmäßig und ökonomisch begünstigte Kohorte. Sie haben nicht nur einen höheren Bildungsstand, sondern auch ein größeres Vermögen, ein höheres Einkommen als die Vorgängergenerationen. Die Baby-Boomer bzw. eine ihrer Teilgruppen, die heute unscharf als 68er-Generation bezeichnet wird, gelten als jene Generation, die eine „kulturelle Revolution“ und einen Wertewandel in Gang gesetzt hat. Sexualität und Partnerschaft, Erziehung und Politikverständnis, Konsum und Altersbild (Stichwort: „Jugendkult“) wurden in ihrer Jugend neu definiert. Wenn auch die weiter oben beschriebenen sozialstrukturellen Bedingungen wenig Spielräume für eine rasante Entwicklung der Bildung im Alter erwarten lassen, so kann doch vermutet werden, dass die angesprochenen Teilgruppen der Baby-Boomer neue Akzente im lebenslangen bzw. lebensentfaltenden Lernen setzen werden. //
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