Basisbildung, community-basierte partizipative Forschung und transformatives Lernen – vorteilhaft verwoben
Der „Forschungskurs Lernen“ als eine Ressource der Hoffnung für Bildung und Forschung

1. Einführung: Lernen gemeinschaftlich gestalten und erforschen

Basisbildung als Erwachsenenbildungspraxis, community-basierte partizipative Forschung als sozialwissenschaftlicher Ansatz und die Theorie des „transformative learning“ können für die Erforschung des Lernens Erwachsener vorteilhaft miteinander verknüpft werden. Alle drei sind durch geteilte Grundwerte verbunden.

Das Konzept der Basisbildung für Erwachsene basiert auf der Arbeit von Freire (1972, 1998) und zielt darauf ab, die persönliche Weiterentwicklung und Emanzipation zu fördern und soziale Gerechtigkeit voranzubringen.
In den letzten 20 bis 25 Jahren wurde hier ein ökonomistischer Diskurs dominant (Yasukawa & Black: 2016; Zeuner & Schreiber-Barsch: 2018, 31–34): Vermeintliche (Bildungs-)Defizite wurden und werden individualisiert, indem die Verantwortung dem Individuum zugeschrieben wird – die gesellschaftlichen Strukturen von Benachteiligung und sozialer Ungleichheit werden damit aktiv verschleiert.

Die Basisbildungspraxis wird dieser Logik folgend primär mit der Wettbewerbsfähigkeit von Wirtschaftssystemen und entsprechender individueller Beschäftigungsfähigkeit begründet. Kritisch emanzipatorisch plädieren Tett und Hamilton (2020) denn auch für die Bedeutung der Berücksichtigung und des Austauschs pädagogischer/andragogischer Grundwerte3, die den neoliberalen Idealen der Kommodifizierung und des Wettbewerbs widersprechen, und dafür, dass die Bildungsforschung als Ressource der Hoffnung für Widerstand und Wandel fungiert, indem sie lokale Erfahrungen dokumentiert und die Perspektiven der Teilnehmer bei der Untersuchung von Forschungsproblemen wertschätzt.

Der hier vorgestellte „Forschungskurs Lernen“ (2016–2018) ist ein solch lokales empirisches Beispiel. Das Vorhaben einer Kooperation zwischen andragogischer Bildungspraxis und akademischer Bildungsforschung wurde von einer Forschungsgruppe gestaltet, deren Mitglieder unterschiedliche Hintergründe haben: Zum Ersten waren es fünf erwachsenenpädagogische Fachkräfte, nämlich zwei Lehrende und drei Programmverantwortliche in der Basisbildung, zum Zweiten waren es neun Erwachsene mit Feldexpertise aufgrund von Basisbildungsteilnahme und zum Dritten waren es zwei Mitglieder mit einem akademischen Hintergrund (die Autorinnen dieses Beitrags).

Ausgewählte Beispiele aus dem Forschungsprozess, die im Zentrum der folgenden Ausführungen stehen sollen, legen das Potenzial eines demokratischen Lernraums nahe. Damit erwies sich der Forschungskurs Lernen für alle Beteiligten als eine Ressource der Hoffnung für Bildung und Forschung, die auf (Selbst-)Ermächtigung, Emanzipation, Partizipation und kollektives Handeln zur Humanisierung, Demokratisierung und sozialen Gerechtigkeit abzielen. Diese Grundwerte stehen im Gegensatz zur Verengung des Lehrplans in der Basisbildung, der da heißt: weg von Emanzipation und hin zu funktionalen Fertigkeiten (Tett, Merrill & Fragoso: 2020, 10).

2. Hintergrund: drei Stränge vorteilhaft verwoben

Nachfolgend werden Überlegungen zur Basisbildungspraxis, zum partizipativen Forschungsstil und zur andragogischen Lerntheorie skizziert, die zeigen, warum und wie sich diese Ansätze ergänzen und überschneiden.

2.1 Eine befähigende und emanzipatorische Praxis: das Handlungsfeld Basisbildung

In Österreich wurde die Basisbildung in den frühen 1990er-Jahren initiiert und hat sich zu einem bedeutenden Teil der Erwachsenenbildungslandschaft entwickelt. 2012 wurde die Initiative Erwachsenenbildung, ein nationales Förderprogramm unter Schirmherrschaft des Bildungsministeriums, implementiert. Davor war die Basisbildung projektförmig entwickelt worden, beginnend mit einem Pilotangebot von 1990 bis 1995 an der Volkshochschule Floridsdorf (Brugger, Doberer-Bey & Zepke: 1997). Dieses erste Angebot begründete eine nationale Konzeption von Basisbildung: Inspiriert durch die kritischen und emanzipatorischen Positionen von Freire und den New Literacy Studies, ergänzt durch den humanistischen Bildungsansatz der Volkshochschulen, ausgerichtet auf (Selbst-)Befähigung durch LernerInnen-Zentrierung und orientiert an lebensbreitem und lebenstiefem Lernen (Cennamo, Kastner & Schlögl: 2018). In den Jahren 2018 und 2019 wurden politisch motivierte Brüche im nationalen Basisbildungsbereich zu Wegweisern einer sich verändernden Landschaft (Cennamo, Kastner & Schlögl: 2020). Zuvor gültige Ansätze wurden geschwächt und breit geteilte Qualitätsstandards in Frage gestellt. Dies fügte sich in das Gesamtbild der Reduzierung von Basisbildung auf bloße Weiterqualifizierung des Humankapitals.

Unter Bezugnahme auf Freires (1972) dialektische Überlegungen zur Rolle von Bildung – Domestizierung oder Befreiung? – und seine Überzeugung, dass Bildung nicht neutral sein kann (ebd., 173), ebnete sich der Weg der Autorinnen für die Wahl eines partizipativen Forschungsansatzes.

2.2 Perspektiven verbinden und gemeinsam forschen: der partizipative Forschungsstil

2015 nahmen die Autorinnen gemeinsam mit BasisbildungsexpertInnen der Volkshochschule Floridsdorf, von ISOP Steiermark und den Kärntner Volkshochschulen die Forschungsarbeit auf. Diese Anbieter hatten bereits über viele Jahre hinweg Basisbildung als ermächtigende und emanzipatorische Praxis entwickelt und umgesetzt und unterstützten die Forschungsidee, die Stimmen von Lernenden und PraktikerInnen einzubeziehen.

Freires Konzeption von Alphabetisierung, wie sie in „Pädagogik der Unterdrückten“ (1998) dargelegt ist, fordert, mit den Unterdrückten (und nicht für sie) in einem dialogischen und problemorientierten Modus zu handeln und zu reflektieren, um Bewusstseinsbildung und kritisches Denken zu fördern. Freire hat (wie auch andere SozialwissenschafterInnen und AktivistInnen aus dem globalen Süden) eine zentrale Rolle bei den Ursprüngen der partizipativen Forschung gespielt (Hall: 1981, 8). Die partizipative Forschung verbindet nach Hall (1992, 16) sozialwissenschaftliche Forschung, pädagogische Arbeit und Lernen sowie soziales Handeln, begünstigt die unterdrückten, ausgebeuteten, armen oder anderweitig marginalisierten Individuen und Gruppen und sieht keinen Widerspruch zwischen den Zielen der kollektiven Ermächtigung und der Vertiefung des sozialen Wissens. Der Zweck partizipativer Bemühungen besteht nicht einfach darin, die Ungerechtigkeiten in der Welt zu dokumentieren, sondern sie zu verändern (Etmanski, Dawson & Hall: 2014, 22).

In Solidarität mit den TeilnehmerInnen und den PraktikerInnen und um ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zu würdigen und einzubeziehen, wurde für den Forschungskurs Lernen folglich die community-basierte Variante gewählt, die eine gemeinsame Sache (Unger: 2014, 27–29) zentral setzt und dem Defizit-Narrativ (Belzer & Pickard: 2015, 259) widerspricht. Partizipativ meinte, dass die Mitglieder einer Community signifikante Kontrolle über einige, wenn nicht sogar alle Teile des Forschungsprozesses haben (Etmanski, Dawson & Hall: 2014, 8), basierend auf respektvollen Beziehungen sowie nicht-dominanten Arten des Denkens, Seins, Handelns und Wissens (ebd., 9). Dies erfordert kommunikative und sichere Räume (Bergold & Thomas: 2012, Abs. 12–16).

 2.3 Die Kraft des „transformative learning“: ein theoretischer Rahmen und ein Fundament für andragogische Praxis und Forschung

Dialog, Reflexion, Perspektivverschränkung und Ko-Produktion von Wissen in der partizipativen Forschung schlugen eine Brücke zu Mezirows „desorientierenden Dilemmata“ und seinem Konzept der Perspektiventransformation (nach wie vor zentrale Bestandteile der „transformative learning theory“). Zudem bestand in Österreich eine vergleichsweise frühe Referenz (siehe Kokkos: 2012, 293 zum Beginn der Debatte in Europa), die „transformative learning“ und Basisbildung miteinander verband. In der Dokumentation des Pilotangebotes an der VHS Floridsdorf verwies Brugger nämlich auf Mezirows Theorie der Perspektiventransformation als Heuristik zur Erklärung der Entscheidung, an Basisbildung teilzunehmen (Brugger, Doberer-Bey & Zepke: 1997, 104–106). Eine hier aufgrund der gebotenen Kürze nicht ausführlich darstellbare, aber im Originalbeitrag nachlesbare Literaturübersicht (Kastner & Motschilnig: 2021, 6 f.) zeigt transformative Lernergebnisse in der Basisbildung auf, die von tiefgreifenden Veränderungen im Denken, Fühlen und Handeln zeugen (Wright, Cranton & Quigley: 2007; Cranton & Wright: 2008; King & Heuer: 2009; Johnson, Duckworth, Apelbaum & McNamara: 2010; Duckworth & Ade-Ojo: 2016; Walker: 2017; Tett: 2019).

Mezirow (2006, 26–28) begründete, aufruhend auf konstruktivistischen, humanistischen Elementen und jenen der kritischen Theorie, „transformative learning“ als positive Veränderung von begrenzenden Bezugsrahmen (Denkweisen, Denkgewohnheiten, Bedeutungsperspektiven), Annahmen und Erwartungen. Desorientierende Dilemmata setzen „transformative learning“ in Gang, wobei Transformationen epochal sein können, also plötzliche und größere Umorientierungen, oft verbunden mit Lebenskrisen, oder auch Ergebnisse von kumulativen Prozessen sein können mit einer progressiven Abfolge von Einsichten. Die „transformative learning theory“ wurde von Mezirow selbst und vielen anderen über die Jahre weiterentwickelt. Aktuell steht sie als umfassendes Theoriegebäude bereit, das danach strebt, Dualismen zu überwinden und rationale und extrarationale Prozesse, individuelle Veränderung und soziale, kollektive Veränderung, autonomes und relationales Lernen in den Blick zu nehmen (Cranton & Taylor: 2012, 3; so auch Hoggan, Mälkki & Finnegan: 2017, 54–56). Wenngleich Taylor (2007, 188) die einzigartige Kompatibilität zwischen Aktionsforschung und transformativem Lernen hervorhebt, so wird später festgestellt, dass es kaum Studien gibt, die dann stattfinden, wenn sich transformatives Lernen vollzieht, oder Studien vorliegen, die dem kritischen Paradigma entsprechen, und damit fragen, was sein könnte oder sein sollte (Taylor & Cranton: 2013, 42). Hierfür werden partizipative Ansätze als vielversprechend vorgeschlagen, denn im Mittelpunkt von Mezirows Theorie steht die persönliche Transformation, während für Freire das Ziel der Bildung darin besteht, sich durch kritische Reflexion und Handeln (Praxis) der verschiedenen unterdrückerischen Kräfte in der Welt bewusst zu werden, um sie zu verändern (Merriam & Kim: 2012, 65 f.).

Obwohl Basisbildung, community-basierte partizipative Forschungsansätze und „transformative learning“ als Praxis- und Theorieperspektive perfekt zusammenzupassen scheinen, sind bislang nur wenige entsprechend ausgerichtete Vorhaben ausfindig zu machen (Johnson, Duckworth, Apelbaum & McNamara: 2010 sowie Tulloch et al.: 2017).

3. Gemeinsam lernen, partizipativ zu forschen: Aktion und Reflexion

In diesem Abschnitt wird in der gebotenen Kürze der „Forschungskurs Lernen“ skizziert. Als co-gestalteter Erfahrungs- und Lernraum wird an ihm die vorteilhafte Verwobenheit von Basisbildungspraxis, partizipativem Forschungsstil und andragogischer Lerntheorie sichtbar.

3.1. Co-Gestaltung des Forschungskurses Lernen: Vorbereitung und Umsetzung

Folgende Prinzipien wurden in der Vorbereitungsphase von den Berufswissenschaftlerinnen und den professionellen Fachkräften als handlungsleitend festgelegt:

  • Prozessorientierung und Ergebnisoffenheit des Forschungsvorhabens.
  • Reziprozität von „Lernenden“ und „Lehrenden“/Thematisieren und Reflektieren von Machtverhältnissen.
  • Transparente Entscheidungsprozesse und geteilte Verantwortung mithilfe des dialogischen Prinzips, konstanter Reflexion und Sicherstellung von Beteiligung.
  • Spiegeln von didaktischen Prinzipien und der Arbeitsatmosphäre in der Basisbildung: förderlich und wertschätzend und auf bewährte Methoden der Erwachsenen(basis)bildung zurückgreifend, wie z.B. Storytelling, Visualisierung, demokratische und transparente Entscheidungsfindung, Verwendung einfacher (Fach-)Sprache u.Ä.
  • Aufwandsentschädigung in Form eines Werkvertrages für die ForscherInnen mit Feldexpertise aufgrund von Basisbildungsteilnahme.

Um ForscherInnen mit Feldexpertise, d.h. (ehemalige) Basisbildungsteilnehmende für den Forschungskurs Lernen zu gewinnen, wurde eine Einladung in der örtlichen Volkshochschule verteilt. Während des ersten eintägigen Treffens im Mai 2017 wurden die Forschungsidee und die handlungsleitenden Prinzipien erklärt. Neun Personen, die die Einladung angenommen hatten, gaben ihre informierte Zustimmung, im Projekt als ForscherInnen mitzuarbeiten. Das zweite zweitägige Treffen fand im Juni 2017 statt. Gemeinsam wurden vier Forschungsfragen formuliert: Warum lernst du? Was hilft dir beim Lernen? Was hilft dir nicht beim Lernen? Wie veränderst du dich durch Lernen? Eine Vorauswahl an Forschungsmethoden wurde vorgestellt, und die Gruppe entschied sich für Einzel- und Gruppeninterviews sowie Photovoice. Wir übten gemeinsam das Führen und Aufzeichnen von Interviews, erstellten einen schriftlichen Leitfaden und testeten Photovoice. Gemeinsam erstellten wir einen Forschungsplan. Während der Sommermonate erhoben alle ForscherInnen Daten und tauschten Audiodateien und kommentierte Fotos über unsere WhatsApp-Gruppe aus. Im September 2017 wurde die Datenanalyse während des dritten eintägigen Forschungstreffens durchgeführt. Die von Jackson (2008) entwickelte Methode zur gruppenbasierten Analyse von qualitativen Daten wurde für Audiodateien und Photovoice adaptiert. In vier Kleingruppen wurde die Datenanalyse durchgeführt, wobei jede Gruppe eine der vier Forschungsfragen analysierte. Die Ergebnisse wurden anschließend präsentiert und diskutiert. Im September 2018 traf sich die Gruppe erneut für zwei Tage, um zu reflektieren und Bilanz zu ziehen. Alle ForscherInnen waren sich einig, dass eine Fortsetzung der Forschung auf partizipative Weise wünschenswert und notwendig ist. Unter den gegebenen Bedingungen dieses Pilotprojekts (zeitliche und budgetäre Einschränkungen) war es nicht möglich, gemeinsam als Forschungsgruppe einen Forschungsbericht zu verfassen und Ergebnisse zu kommunizieren. Gardner (2018) berichtete über Strategien für kollaboratives Schreiben, die für künftige partizipative Forschungsprojekte in der Basisbildung inspirierend und hilfreich sein könnten.

3.2. Desorientierende Dilemmata – und ihr Potenzial

Desorientierende Dilemmata sind als fruchtbare und kreative Triebkräfte in partizipativen Forschungsprozessen zu begreifen. Denn solche Irritationen provozieren neue Perspektiven und Bewegungen im Denken über gewohnte Standpunkte, Einstellungen und Wahrnehmungen (Kastner, Motschilnig & Cennamo: 2018, 367). Weil der Prozess von allen ForscherInnen mitgestaltet und das Wissen gemeinschaftlich generiert wird, können grundsätzlich alle Beteiligten desorientierende Dilemmata erfahren. Damit ist ein community-basierter partizipativer Forschungsprozess im Feld der Basisbildung ein gemeinsam geschaffener Raum für individuelles und kollektives (möglicherweise transformatives) Lernen für alle beteiligten ForscherInnen (siehe auch Anderson & Braud: 2011).

Es folgt eine Skizze, die auf der kritischen Selbstreflexion der beiden Berufswissenschafterinnen (den Autorinnen) beruht, gefolgt von einer Skizze, die auf Daten aus dem Forschungsprozess beruht und die Stimmen von Forschungskolleginnen einschließt (mehr dazu in Kastner & Motschilnig: 2021, 11–13).

  • Ernsthafte Zweifel in eine produktive Erinnerung verwandeln: Ricarda beobachtete und problematisierte mehrfach, dass wir, die beiden Berufswissenschafterinnen, die Zügel in der Hand hielten (nicht zuletzt aus Zeitgründen), wenn es um die Vorbereitung, Leitung und den Abschluss von Gruppenarbeiten ging. Es war das ihr Ringen um den Einbezug aller ForscherInnen in alle Entscheidungen. Das verbindende Element zwischen der Einhaltung wissenschaftlicher Standards und sozialer Aktion in partizipativ angelegten Forschungsprojekten ist der individuelle und kollektive Aufbau von Kapazitäten bei allen Beteiligten. Um ihre ernsthaften Zweifel in eine produktive Erinnerung umzuwandeln, würde Ricarda mehr Zeit damit verbringen, gemeinsam über Machtpositionen und Hierarchien innerhalb der Forschungsgruppe und allgemein über soziale Machtverhältnisse in Lern-/Forschungssituationen nachzudenken und zu fragen, was sein könnte oder sein sollte (Taylor & Cranton: 2013, 42). Es braucht Zeit, Bereitschaft, Unterstützung und Gelegenheit für das Erkunden von Optionen für neue Rollen, Beziehungen und Handlungen und für den Aufbau von Fähigkeiten und Selbstvertrauen in neuen Rollen und Beziehungen (Mezirow: 2006, 28).
  • Neue Dinge in einer unterstützenden Gruppe ausprobieren: Wir forschen gemeinsam! Als wir die Verfahren zur Datenerhebung übten, wurde deutlich, dass einige von uns zum ersten Mal als ForscherIn tätig werden würden. Während es einfach war, unsere gemeinsam formulierten Forschungsfragen zu beantworten, war es eine Herausforderung, selbst ein Interview zu führen. Bei der Besprechung und Festlegung unseres Forschungsplanes kam es zu einem Moment der Irritation (wahrnehmbar als Überraschung, Unsicherheit, Zögern und Nervosität), gefolgt von der Erkenntnis, dass wirklich alle Beteiligten Daten erheben würden. In unserer abschließenden Sitzung reflektierten wir die empirische Arbeit, die wir erfolgreich geleistet haben. Mehrere ForscherInnen schilderten ihre anfängliche Ratlosigkeit angesichts der ungewohnten Aufgabe. Rückblickend stellten sich mit der Erfüllung dieser Aufgabe Sicherheit, Zuversicht und schließlich Freude und Stolz ein. Eine Forscherin (die anonym bleiben möchte) schloss: „Es ist so viel Aufbauarbeit. Und dann ist man soweit, wo es richtig starten könnte und es [das Projekt] ist dann aus. Dies ist ein Hinweis auf Veränderungen in ihrem emotionalen Selbst, ihrer Beziehung zu anderen, ihrer Selbstwahrnehmung und ihren Zukunftsvorstellungen“ (Tett: 2019, 164) und zeigt die Behauptung des eigenen Wachstums und der eigenen Stimme (King & Heuer: 2009, 179).

4. Community-basierte partizipative Forschung in der Basisbildung: eine Ressource der Hoffnung

Die in diesem Beitrag behauptete und anhand eines Beispiels umrissene Verwobenheit von Basisbildungspraxis, partizipativem Forschungsstil und „transformative learning“ als Praxis- und Theorieperspektive muss in jedem neuen Forschungsvorhaben auf dialektische, beteiligungs- und problemorientierte Weise gemeinschaftlich verhandelt und begründet werden. Die Verbindung ist nicht festgeschrieben und nicht stabil – vielmehr sollte das Ringen und Aushandeln eine beständige Erinnerung daran sein, dass Forschung im Feld der Basisbildung stets mit Fragen von Macht und Hierarchie und andragogischen Grundwerten verwoben ist. Diese Art der sozialen Aktion mit den Zielsetzungen der demokratischen Wissensproduktion verbunden mit der (Selbst-)Befähigung von Individuen und einer ganzen Forschungsgruppe und des Strebens nach sozialer Gerechtigkeit kann einen (wie auch immer gestalteten) Basisbildungslehrplan bereichern, weil diese Form der sozialen Aktion weit über die Zielsetzung der Vermittlung rein funktionaler Grundfertigkeiten hinausreicht.

Community-basierte partizipative Forschung bietet die Möglichkeit, Transformationen auf individueller und kollektiver Ebene von innen heraus zu untersuchen. Für die Wahrnehmung, Reflexion und (empirische) Fassung solcher Phänomene ist die von Hoggan (2016) vorgeschlagene Typologie dienlich. Sie würde die Fähigkeit einer Forschungsgruppe fördern, die Stimmen, also die Expertise, von TeilnehmerInnen und Basisbildungsfachkräften in die Wissensproduktion über Lernprozesse und Lernergebnisse in der Basisbildung einzubeziehen, um deren Breite und Tiefe herauszuarbeiten und gut sichtbar zu machen.4 Im Hinblick auf die Zielsetzung der sozialen Veränderung, des Strebens nach sozialer Gerechtigkeit, soll mit einem Hinweis von Hoggan, Mälkki und Finnegan (2017, 58) auf Mezirow geschlossen werden, der tiefe Formen der kritischen Reflexion von Individuen mit dem aktiven Aufbau von demokratischen Lernräumen verbunden hat. Community-basierte partizipative Forschung in der Basisbildung kann einen solchen Raum für soziales Handeln schaffen und wird damit zu einer Ressource der Hoffnung auf Veränderung. //

1   Der Beitrag ist über folgenden Link abrufbar: https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/07417136211044154 [30.5.2022].

2   Der offene Zugang zu wissenschaftlichem Wissen spiegelt die Begründungen für eine partizipativ angelegte Wissensproduktion und das Bemühen um Wissenschaftskommunikation (die an Universitäten sogenannte „dritte Mission“) wider: Wissenschaft soll der Gesellschaft dienlich sein und diese gedeihlich voranbringen.

3   Die Übersetzungen wurden in Form von Paraphrasen (als sinngemäße Wiedergabe) vorgenommen.

4   Ein entsprechend ausgerichtetes Forschungsprojekt ist in Planung. Zur Vorbereitung dieses Vorhabens wurde bei der „International Transformative Learning Conference 2022“ eine „Experiential Session“ zum Thema „Deepening the understanding of transformative learning processes and outcomes“ eingereicht und umgesetzt (Kastner: 2022).

Literatur

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