Ein Großer der deutschsprachigen Erwachsenenbildung ist tot. Am 27. Jänner 2016 starb im 69. Lebensjahr Professor Peter Faulstich. Er hinterlässt nicht nur ein äußerst umfangreiches und vielschichtiges Werk erwachsenenpädagogischer Wissenschaft, mit ihm ging auch ein engagierter bildungspolitischer Denker und herausragender Kollege. Mit Betroffenheit haben wir auch in Österreich die Nachricht von seinem Ableben aufgenommen.
Peter Faulstich wurde am 12. Juni 1946 in Frankfurt am Main geboren. Von 1967 bis 1976 studierte er an der Technischen Universität Berlin Stadt- und Regionalplanung, Bildungsökonomie, Pädagogik und Soziologie. In dieser Zeit der 1968er Jahre erfolgte seine Sozialisation als kritischer Intellektueller, die er all die Jahre in den unterschiedlichsten Funktionen und Aufgabenbereichen wahrgenommen hat. Sein erstes akademisches Berufsfeld fand er in der wissenschaftlichen Weiterbildung, der er übrigens bis weit über seine Emeritierung treu blieb. 1978 bis 1992 war Peter Faulstich Leiter der Kontaktstelle für wissenschaftliche Weiterbildung an der Gesamthochschule Kassel. Besonders schmerzlich ist es, da im März dieses Jahres der 31. DGFE-Kongress in Kassel ohne Peter Faulstich stattfand. Er widmete sich dem Thema Räume in der Bildung – Bildung der Räume und hatte damit eine für Peter Faulstich über die Jahre wichtige Problematik zum Thema. Von 1992 bis 1995 folgte eine Leitungstätigkeit des Zentrums für Wissenschaftstransfer ebenfalls in Kassel, wo er auch eine außerplanmäßige Professur innehatte. Seit 1995 war Peter Faulstich Professor für Erwachsenenbildung und Weiterbildung an der Universität Hamburg. Sein wissenschaftliches Werk ist nicht nur sehr umfangreich, sondern auch thematisch vielschichtig. Es nimmt weite Bereiche der Erwachsenenbildung/Weiterbildung, der Bildungsgeschichte und -ökonomie sowie des beruflichen und betrieblichen Lernens in den Blick. Seine Publikationstätigkeit reicht von Einzelschriften, Lehrbüchern und Herausgeberschaften über Artikel in Fachpublikationen bis hin zu Kommentaren und Essays in öffentlichen Medien. Peter Faulstich war wohl einer der fleißigsten und profundesten Rezensenten aktueller Literatur in unserem Fachbereich. Außerdem war er bis zu seinem Tod geschäftsführender Redakteur und Vorsitzender der Redaktionskonferenz der Hessischen Blätter für Volksbildung, die unter seiner Leitung in den letzten Jahren – mit neuem Profil – zu einem wichtigen Publikationsorgan der deutschsprachigen Erwachsenenbildung wurde. Bei all der Fülle an Forschungs- und Publikationstätigkeit fand Peter Faulstich immer auch Zeit, sich für die Scientific Community der Erwachsenenbildungswissenschaft einzusetzen. Von 1995 bis 1999 war er Vorsitzender der Kommission Erwachsenenbildung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft und von 2002 bis 2008 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung. Ich erinnere mich noch an viele Tagungen der Sektion Erwachsenenbildung und DGFE-Kongresse, wo Peter Faulstich stets präsent war, wach und aufmerksam die Diskussion verfolgte und sich einbrachte. Besonders imponiert hat mir immer sein Blick auf das Wesentliche und sein Einstehen für bildungspolitische Zielsetzungen, die mittlerweile im Wissenschaftsbetrieb häufig unterbelichtet und oft unbedankt bleiben. Auch der wissenschaftliche Nachwuchs konnte von Peter Faulstich profitieren, viele seiner HabilitantInnen und DoktorandInnen besetzen heute Lehrstühle der Erwachsenenbildung und begleiten wichtige Funktionen im Bildungs- und Wissenschaftsbetrieb. Unbedingt erwähnen muss man auch Peter Faulstichs jahrelange enge Zusammenarbeit mit Arbeit und Leben und dem DGB. Vor allem in der IG Metall fand er seine geistig-gewerkschaftliche Heimat. Als kritischer Intellektueller war ihm Solidarität und Partizipation ein wichtiger Wert, den er auch in seine universitäre Umwelt einzubringen versuchte. Aus der Kooperation mit der IG Metall gingen zahlreiche Beiträge zur Entwicklung der Berufs- und Weiterbildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland hervor.
Auch in Österreich hat Peter Faulstich Spuren hinterlassen. So war er maßgeblich an der Tagung „Wissenschaftliche Weiterbildung im Hochschulraum Europa“ beteiligt, die 2006 in Wien stattfand. Besonders zu erwähnen sind auch einige seiner erwachsenenpädagogischen Einführungsbücher wie z.B. Weiterbildung 2003 und – verfasst mit Christine Zeuner – Erwachsenenbildung 1999. Sie gehören mittlerweile zur Pflichtlektüre im Studium der Erwachsenenbildung/Weiterbildung ebenso wie seine in den letzten Jahren verfassten Bände zum Lernen Erwachsener (z.B. Menschliches Lernen 2013 und Lerndebatten 2014). Hier hat er prononciert den Ansatz des expansiven Lernens ausgeführt und damit dem in den letzten Jahren sehr dominanten Ansätzen einer konstruktivistischen Lehr- und Lernforschung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung eine kritische Sichtweise gegenüber gestellt.
Wir werden Peter Faulstich vermissen.
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