Jährlich investieren Eltern in Kärnten bis zu 14 Millionen Euro in den Förderunterricht ihrer Kinder. Der hohe Aufwand für private Angebote ist oftmals eine unzumutbare Belastung für Familien. Zudem sind sowohl private Anbieter als auch Lerninstitute teurer geworden. Private Nachhilfe in Kleingruppen kostet im Schnitt 20 Euro pro Stunde. Für Mathematik, Deutsch und Englisch können die Preise auf bis zu 35 Euro pro Stunde klettern. Wer sich für ein Lerninstitut entscheidet, zahlt für Einzelunterricht bis zu 46 Euro, für Kleingruppen-Unterricht fast 25 Euro.
Darüber hinaus waren die vergangenen zwei Schuljahre geprägt von Schulschließungen, Distance Learning, Klassen-Quarantäne und Gurgeltests.
Schüler*innen und ihre Familien stehen nach wie vor unter einem enormen Druck, Defizite aus dieser Zeit auszugleichen. Bereits 16 Prozent der Volksschüler*innen nehmen Nachhilfe in Anspruch. Dabei geht es in dieser Altersgruppe jedoch vor allem darum, möglichst gute Noten zu erhalten, um sich einen Platz am Wunschgymnasium zu sichern. Jedes dritte Kind ist mit dem Lernstoff überfordert, es gibt kaum Zeit für Verschnaufpausen. Generell steht nur noch bei 20 Prozent der Nachhilfeschüler*innen das Verhindern bzw. Ausbessern einer negativen Note im Fokus. Lerndruck und Stress führen oftmals zu psychischen Belastungen.
Nicht nur Kinder, auch Eltern sind oft maßlos überfordert. Die Mithilfe der Eltern wird im österreichischen Schulsystem immer noch stark vorausgesetzt. 75 Prozent der Erziehungsberechtigten beaufsichtigen ihre Kinder zumindest gelegentlich beim Hausaufgabenmachen, Lernen und Vorbereiten auf Schularbeiten und Tests. Mit einem Viertel lernen die Eltern sogar täglich. 25 Prozent der Elternteile, die ihre Kinder in schulischen Belangen unterstützen, sagen, dass es für sie generell schwierig ist, bei den Hausaufgaben zu helfen bzw. Wissen vor Tests oder Schularbeiten zu überprüfen. Vier von fünf Eltern äußern eine mehr oder weniger spürbare zeitliche Belastung, etwas mehr als zwei Drittel eine zumindest spürbare Betroffenheit von damit verbundenen Konflikten und Ärgernissen. In zwei Dritteln der Fälle übernimmt diese Aufgabe, trotz Vollzeitjob, die Mutter. Je jünger das Kind, desto höher der Aufwand.
Im Schuljahr 2021/22 haben 16 Prozent der Schüler*innen bezahlte Angebote in Anspruch genommen und dafür durchschnittlich 630 Euro bezahlt (ein Fünftel mehr als vor Beginn der Pandemie). Die Kompensation von Lerndefiziten fällt Eltern mit höheren Einkommen zumeist leichter – sie können sich die benötigte Nachhilfe für ihre Kinder leisten. Doch gerade da, wo Nachhilfe zum Massenphänomen wird, ergibt sich ein massives Problem – es besteht die große Gefahr, dass Bildung mehr und mehr zur Privatsache wird.
Vor allem für Familien mit geringem Einkommen stellt diese Tatsache eine enorme Belastung dar und gerade diese sind durch die aktuelle Teuerung besonders stark getroffen. 27 Prozent aller Eltern des untersten Einkommensquartils hätten sich 2021 eine Nachhilfe für mindestens eines ihrer Kinder gewünscht aber nicht leisten können. Wenn für Familien Schulmaterialien wie z. B. Laptops, Tablets, Bücher oder Nachhilfe und Ausflüge nicht mehr erschwinglich sind, sinken die Teilhabemöglichkeiten der Kinder. Experten sind sich einig, dass die Pandemie die Bildungsungleichheiten noch verstärkt hat. Die langfristigen Folgen auf die Kinder bereiten zudem große Sorgen.1
Um finanziell schwächer gestellten Familien bei der Nachhilfe unter die Arme zu greifen wurde im Jahr 2016 das Projekt AK-Lerncoaching von der Arbeiterkammer Kärnten initiiert und wird seitdem von den Kärntner Volkshochschulen umgesetzt. Gefördert wird die kärntenweite Nachhilfe in Mathematik, Deutsch und Englisch für Schülerinnen und Schüler der Mittelschule und AHS-Unterstufe. Das Angebot ist, bis auf eine einmalige Einschreibgebühr von zehn Euro pro Fach, völlig kostenlos und ermöglicht Kindern aus einkommensschwachen Familien den Zugang zu Nachhilfemaßnahmen, die am freien Markt nicht leistbar wären.2
Im Jahr 2022 konnten in 47 Kursen 557 Unterrichtseinheiten abgehalten und 118 Schülerinnen und Schüler damit unterstützt werden. Das AK-Lerncoaching wird in den Semester-, Oster- und Sommerferien geblockt sowie schulbegleitend angeboten. Am höchsten ist der Nachhilfebedarf in den Sommerferien. Nachprüfungen, den Schulstoff des vorherigen Schuljahres auffrischen oder um gut in das neue Schuljahr zu starten, sind die häufigsten Begründungen dafür. Auch die schulbegleitende Nachhilfe wird sehr oft in Anspruch genommen, da sich die Kinder mit fachlicher Unterstützung gezielt auf Schularbeiten und Tests vorbereiten können. Gearbeitet wird in Kleingruppen mit vier bis sechs Kindern. Für einen speziellen Nachhilfe- und Förderbedarf können auch Einzelcoachings vereinbart werden.
Zur Entlastung von Familien bietet seit 2018 auch das Landesjugendreferat über die Kärntner Familienkarte und in Kooperation mit den Kärntner Volkshochschulen kostenlose Nachhilfestunden für Pflichtschülerinnen und Pflichtschüler von der 1. bis zur 9. Schulstufe an. 2020 wurde das ursprüngliche Kontingent pro Familienkarten-Besitzer*in von fünf auf zehn Stunden erhöht, 2021 erfolgte aufgrund der enormen Nachfrage und des erhöhten Bedarfs eine weitere Anhebung auf 20 Nachhilfestunden pro Jahr. Diese können individuell und je nach Bedarf konsumiert werden. Neben der Sommernachhilfe wird im Rahmen der Kärntner Familienkarte ein mit dem AK-Lerncoaching gut abgestimmtes Angebot in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch für alle schulpflichtigen Kinder in ganz Kärnten umgesetzt. Gearbeitet wird auch hier in Kleingruppen mit vier bis sechs Kindern, um auf die individuellen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler gut eingehen zu können und eine Atmosphäre zu schaffen, die Fragen und Fehler zulässt.3
Im Zeitraum Dezember 2021 bis November 2022 wurden 94 Kurse mit 1.005 Unterrichtseinheiten abgehalten. Mit diesem Angebot konnten 427 Schülerinnen und Schüler unterstützt und damit ein weiterer Beitrag zur Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Nachhilfe im Sinne von Leistbarkeit und Regionalität erzielt werden.
Beate Gfrerer, Geschäftsführerin der Kärntner Volkshochschulen, bringt es abschließend auf den Punkt: „Bildung ist das höchste Gut der Menschen. Wenn nun aber finanzielle Ressourcen darauf maßgeblich Einfluss nehmen und den Zugang zur gesellschaftlichen Partizipation verschließen, bedarf es konkreter Maßnahmen, um dem Ungleichgewicht entgegenzusteuern. Wir sind erleichtert, dass sich die Arbeiterkammer und das Land Kärnten dieser Situation annehmen.“ //
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