Volkshochschule und Universität
Gedanken zum 70. Gründungsjubiläum der Volkshochschule Tirol

Aus Anlass dieses Jubiläums ist es mir ein Bedürfnis, einige Überlegungen zu den Beziehungen zwischen der Volkshochschule und der Universität anzustellen. Beide Institutionen bezeichnen sich als Hochschulen. Sie sind Bildungsinstitutionen, die sich der Verbreitung und Vertiefung des wichtigsten Gutes einer Gesellschaft widmen. Bildung ist unteilbar. Sie ist eine Grundvoraussetzung, dass in einer Gesellschaft Wohlstand und ein friedliches Zusammenleben entstehen. Spitzenbildung und Breitenbildung bedingen sich gegenseitig: Ohne Breitenbildung gibt es keine Spitzenbildung, ohne Spitzenbildung keinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt.

Universitäten stellen ein konzentriertes und spezialisiertes Bildungsangebot bereit, das sie in erster Linie an die jüngere Generation richten. Im Vordergrund stehen die Vermittlung bestimmter Berufsfähigkeiten und die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die universitäre Ausbildung ist zeitlich limitiert und verlangt in unserer sich rasch verändernden Zeit kontinuierliche Weiterbildung. Die universitäre Bildung ist untrennbar mit der Forschung verbunden. Durch ihre Forschungsergebnisse leisten Universitäten einen unverzichtbaren Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung.

Die Volkshochschulen haben sich dem Konzept „Bildung für alle“ verschrieben. Jede Frau und jeder Mann soll einen offenen Zugang zu ihren Bildungsangeboten haben; und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht, Beruf, Vorbildung und Herkunft. Das Angebot der Volkshochschulen ist daher vielfältig und breit. Es muss sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden orientieren und mit der Aktualität der Zeit Schritt halten. Das stellt hohe Anforderungen an eine reichhaltige, flexible und anpassungsfähige Programmgestaltung.

Ein besonderer Vorzug der Volkshochschulen besteht darin, dass sie bemüht sind, ihr Angebot flächendeckend und kleinräumig zu den Kunden zu bringen. In Städten sind sie in Bezirken, Stadtteilen und rasch wachsenden Randgebieten vertreten. Auf dem Land tragen sie ihre Angebote in kleine Dörfer, in entlegene Gebiete und gebirgige Täler. Damit erfüllen sie eine wichtige bildungspolitische Aufgabe, da sie viele Menschen erreichen, die sonst nicht in der Lage wären, sich weiter zu bilden.

Nicht zu unterschätzen ist die große Bedeutung der Volkshochschulen für die gesellschaftliche Integration. In ihren Veranstaltungen begegnen sich Menschen in unterschiedlichem Alter, mit verschiedenen Berufen, unterschiedlicher Vorbildung und Herkunft. Die Erfahrung zeigt, dass daraus oft ein sehr lebendiger Unterricht entsteht. Es bilden sich Bekanntschaften und manchmal sogar Freundschaften. Es werden Erfahrungen und Probleme ausgetauscht. Im Falle persönlicher Schwierigkeiten werden Ratschläge erteilt und mitunter Hilfestellungen geleistet.

Universitäten und Volkshochschulen ergänzen sich in ihren Aufgabenstellungen. An der Gründung der Tiroler Volkshochschule waren namhafte Rektoren und Professoren der Universität beteiligt. Sie haben die bildungspolitische Bedeutung der Volkshochschulen erkannt und waren sich bewusst, dass Wissenschafter auch eine Aufgabe haben, universitäres Wissen in verständlicher Form einer breiteren Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Angehörige der Universität waren daher immer wieder als Lehrende in der Volkshochschule vertreten. Die Universität Innsbruck und die Volkshochschule Tirol sind besonders stolz, dass sie im Jahre 2007 eine vertragliche Vereinbarung getroffen haben, die eine institutionalisierte Zusammenarbeit vorsieht. In einem eigenen Programm tragen Lehrende der Universität in leicht verständlicher Form aus ihren Fachgebieten vor. Seit 2013 ist auch die Medizinische Universität dieser Vereinbarung beigetreten.

Die Politik des Landes Tirol verfolgt mit hoher Priorität das Ziel, den Hochschulstandort Tirol auszubauen und zu fördern. Dafür werden großzügig finanzielle Mittel bereitgestellt. Leider wird die bildungspolitische Bedeutung der Volkshochschule im Vergleich dazu viel zu wenig anerkannt. Bildung darf keine Einbahnstraße sein. Die Politik sollte die gesellschaftliche Aufgabe der Bildungspolitik anerkennen und sich bemühen alle Menschen zu erreichen, gleich in welcher Position und an welchem Ort sie sich befinden. //

Smekal, Christian (2015): Volkshochschule und Universität. Gedanken zum 70. Gründungsjubiläum der Volkshochschule Tirol. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Dezember 2015, Heft 257/66. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien

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