Rede zum Axel-Corti-Preis 2021

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Lou Lorenz-Dittlbacher
Foto: ORF

Sehr geschätzte Jury,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Familie, liebe Freundinnen und Freude,
sehr geehrte Damen und Herren!

Mein Vater behauptet immer, eines meiner allerersten Wörter sei ABER gewesen. Und Menschen, die mich gut kennen, können sich das durchaus vorstellen.

Tatsächlich haben mir meine Eltern Widerspruch erlaubt und ihn auch gefördert. Eine einzige Ausnahme gab es in meiner Kindheit. Wenn EIN MANN gesprochen hat, dann musste ich schweigen. Und dieser Mann war Axel Corti. Wenn der Schalldämpfer im Radio lief, dann galt die ganze Aufmerksamkeit meiner Mutter IHM. 

WIE er sprach und WAS er sprach war also, das lernte ich früh in meiner Kindheit, höchste Qualität.

Umso ehrenvoller ist es, dass ich heute mit dieser hohen Auszeichnung, mit diesen so freundlichen und wertschätzenden Worten geehrt werde. 

Dass ich hier eines Tages stehen könnte, war für mich lange unvorstellbar. Aus vielen Gründen. Nicht nur, weil ich ursprünglich Lateinlehrerin werden wollte, sondern auch, weil politischer Journalismus in den 1990er-Jahren, als ich mit diesem Beruf begonnen habe, noch eine Männerdomäne war. Und es hat gedauert, bis ich meinen Platz gefunden habe und mutig genug war, das zu tun, was ich heute mache. Und es so zu tun, wie ich es für richtig halte.

Auch wenn heute viel mehr Frauen im politischen Journalismus sichtbar und sehr erfolgreich sind, so ist das aber dennoch nicht selbstverständlich. Dieser unser Platz muss immer wieder gegen Vorurteile und sexistische Vorhaltungen und Angriffe verteidigt werden.

Eine der Fragen, die ich am häufigsten zu meiner Arbeit gestellt bekomme, ist die, ob mich das nicht nerven würde, wenn meine Fragen nicht beantwortet und manchmal elegant, meistens aber plump umschifft werden.

Ja, das ist unangenehm, aber viel unangenehmer ist es für die hunderttausenden Menschen, die bei diesen Interviews zuhören. Die Antworten wollen. Und die ein Recht auf diese Antworten haben. Für mich ist es Arbeitsleid, unserem Publikum gegenüber oft eine Respektlosigkeit. Ich verstehe, dass in den unsicheren Zeiten, in denen wir leben, Antworten nicht immer möglich sind, aber dann wäre ein „Das weiß ich nicht“ so viel ehrlicher und heilsamer, als langes Ausschweifen oder gar ein Gegenangriff.

Ich kann aber auch uns Journalistinnen und Journalisten nicht aus der Verantwortung nehmen. Wenn etwa das Bundeskanzleramt zwei Stunden vor dem Live-Sommergespräch mit Bundeskanzler Kurz ein Aviso an die Redaktionen schickt, was der Kanzler denn sagen werde, dann ist das zwar ungewöhnlich. Noch viel ungewöhnlicher ist aber, die zwei Stunden nicht abzuwarten, um einfach selbst zu HÖREN, was der Kanzler sagt. Und am ungewöhnlichsten ist, wenn ich am Morgen nach dem Sommergespräch, das ich selbst geführt habe, lese, was der Kanzler dort angeblich gesagt habe – diese Informationen aber einzig und allein aus der Presseaussendung des Kanzleramts stammen.

Gerade in Zeiten von Homeoffice und physischer Distanz sind Politik und auch Journalismus also noch stärker gefordert. Auch wenn Recheck und Doublecheck unter diesen Umständen schwieriger sind: sie sind unerlässlich. Besonders in einem so kleinen und eng verwobenen Land wie Österreich.

Dieses kleine und eng verwobene Land wurde und wird medial von dem Unternehmen geprägt, für das ich seit fast 22 Jahren arbeiten darf. Ich habe dort viele gute Zeiten erlebt, aber auch weniger gute. Und immer wieder sind und waren wir in polarisierten Zeiten mit Vorurteilen konfrontiert: Ich habe gehört, dass ich für den Rotfunk arbeite, für den Türkisfunk, für den Oppositionsfunk und den Regierungsfunk. Nichts davon ist wahr. Der ORF ist seinem Publikum verpflichtet – und bleibt das auch. Und ich kann Ihnen versichern, dass die Redaktion, für die ich arbeiten darf, dass meine Kolleginnen und Kollegen in der ZiB2, sich ausnahmslos diesem Publikum und so sonst niemandem verpflichtet fühlen.

Vor wenigen Wochen wurde ein neuer ORF-Generaldirektor gewählt. Im Vorfeld dieser Wahl, in der ich einige Interviews zu den Sommergesprächen geben durfte, wurde ich oft gefragt, was ich mir vom neuen Generaldirektor oder der neuen Generaldirektorin erwarte. Meine Antwort hat gelautet: Dass er oder sie uns unsere Arbeit machen lässt. Das klingt wenig spektakulär, aber ich denke, dass das durchaus tagesfüllend sein kann: uns unseren Job machen zu lassen. Aber im Sinne des ORF-Publikums, das unsere Informationssendungen mit hohen Einschaltquoten und ebenso hohen Vertrauenswerten belohnt, ist es diese Arbeit und diese Anstrengung wert. 

Und diese Anstrengung ist ganz sicher auch im Sinne des Namensgebers dieses Preises, im Sinne von Axel Corti, dem Namensgeber dieses Preises.

Danke noch einmal der Jury für die große Wertschätzung und die hohe Auszeichnung, Sie haben mir eine riesige Freude gemacht. //

Lorenz-Dittlbacher, Lou (2021): Rede zum Axel-Corti-Preis 2021. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Herbst 2021, Heft 274/72. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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