Die klassische Definition der allgemeinen Erwachsenenbildung1 bezieht sich auf die individuelle oder kollektive, jedenfalls von den AkteurInnen ausgehende Gestaltungskompetenz gesellschaftlicher Entwicklung. Ziel der allgemeinen Erwachsenenbildung ist es, zur Auseinandersetzung mit den Folgen des wissenschaftlich-technischen und sozialen Wandels zu befähigen. Die Erwachsenenbildung soll dabei behilflich sein, Einsicht in das politische, wirtschaftliche und kulturelle Geschehen, spezifische Kenntnisse und Kompetenzen auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung sowie allgemeine Fähigkeiten und Fertigkeiten (wie z. B. intellektuelle und kommunikative Kompetenzen) zu vermitteln, die ein sachkundiges, engagiertes und verantwortungsvolles Handeln in verschiedensten Lebensbereichen ermöglichen. (Vgl. Stangl: 2016).
Dagegen wird unter beruflicher Bildung oft nur „die Vermittlung theoretischen und praktischen Wissens, das zur Ausübung eines Berufs befähigt“ verstanden. So einfach ist die Definition, die das Online-Lexikon Wikipedia zur Abgrenzung beruflicher Bildung vorschlägt. (Vgl. Wikipedia: 2016, Schlagwort berufliche Bildung). Andere Zugänge sprechen von beruflich notwendigem Fachwissen oder von dem für Unternehmen wichtigen Wissen. (Schneeberger: 2007, S. 04/1 f.) Rosenbladt betont die Schwierigkeit der Zuordnung und benennt einige Kriterien:
- die Selbsteinschätzung oder Motivation zur Bildungsteilnahme der TeilnehmerInnen,
- den Bezug auf spezifische berufliche Funktionen von Weiterbildung, etwa beruflicher Aufstieg, Anpassung an neue berufliche Anforderungen usw.,
- die Inhalte der Bildungsmaßnahme (Thema, Fachgebiet),
- den Träger der Maßnahme (z. B. der Betrieb, ein berufliches Bildungswerk). (Rosenbladt: 2007, S. 23 f.).
Insbesondere die ersten beiden Definitionen stellen eine reduzierte Version einer emanzipatorischen Tradition der Berufsbildung dar, die ausgehend von Problemlösung und der Gestaltung der unmittelbaren Lebensumwelt, staatsbürgerliche Kompetenzen und vor allem die Idee einer durch die Menschen gestaltbaren Welt vermittelt. Gegenbegriff war hierzu die im Alltag unbrauchbare allgemeine Bildung. (Vgl. Kerschensteiner: 2013; Dewey: 1986; Oestreich: 1923).
Der die Diskussionen um das lebensbegleitende Lernen der letzten Jahre dominierende Begriff der Employability, ins Deutsche mit Beschäftigungsfähigkeit übersetzt, geht über die Vermittlung von (beruflichem) Wissen und Fertigkeiten hinaus. Fragen von Grundkompetenzen, sozialen Fertigkeiten, Anpassungsfähigkeit, Engagement und Lernbereitschaft bis hin zu Gesundheit und Ausdrucksfähigkeit rücken in den Fokus eigenverantworteter beruflicher Integration und Verwertbarkeit.
Historisch gab es in der Einschätzung österreichischer Erwachsenenbildung eine klare Zuordnung der Volkshochschulen zum Bereich der „Allgemeinen Erwachsenenbildung“, was nicht heißen sollte, die Volkshochschulen würden keinerlei beruflich relevante Bildung anbieten. Doch angesichts der aktuellen Neu- und Umdefinitionen von Bildung, die eine klare Brauchbarkeit und Verwertbarkeit aus Sicht „der Wirtschaft“ immer und überall fordern, wird es nicht leichter und macht es zunehmend weniger definitorischen Sinn, diese Zuordnungen ernst zu nehmen. (Zur Zuordnung: vgl. Meissner: 1974; Monsheimer: 1952; Bisovsky: 1995; Ribolits: 1990; Diekmann 1991).
Verwertbare Bildung?
Zunehmend verliert das Credo der 1990er- und 2000er- Jahre von der unbedingten und nicht von den BildungsteilnehmerInnen definierten Verwertbarkeitsnotwendigkeit von Bildung – die oft mit beruflicher Bildung gleichgesetzt wurde – mehr und mehr an Glaubwürdigkeit. Verwertbarkeit hieß damals ja, einflussreiche ökonomische Akteure wie etwa Banken oder Firmen definieren die Anforderungen an Bildungsangebote im Sinne des höher, weiter, schneller und kritikloser. Der vermeintliche Gegenpol freier, nicht unmittelbar verwertungsorientierter Bildung wurde mehr oder weniger entwertet und belächelt.
Mitte der 2010er-Jahre begreifen selbst die ehemaligen Repräsentanten einer rein berufsorientierten Bildung, dass Verwertbarkeit nicht gefordert und von außen definiert werden kann und dass enge Verwertbarkeitsideen niemandem nutzen. Was heute verwertbar ist, kann schon morgen veraltet oder durch die Verlagerung von Wirtschaftszweigen hinfällig sein. Wir zitieren hierfür einen unverdächtigen Zeugen, nämlich Thomas Sattelberger, einen ehemaligen Personalvorstand der Telekom, der auf einer Tagungsankündigung der Universität Bern im April 2016 auf die Frage „Welche Bildung braucht die Wirtschaft?“ folgendes antwortete: „Die gefönten Kens und Barbies in Business-Outfit werden nur auf ökonomische Leistung getrimmt, nicht zur Innovation animiert. Die Manager in spe denken einzig in der Kategorie »höher, schneller, weiter“« (…). Wer nicht performt fliegt raus. Da wird nichts kritisch hinterfragt. Der jungen Elite wird widerspruchsloser Gehorsam eingetrichtert“. Also doch nicht ganz so verwertbar, die nur berufliche, ökonomische, verwertbare Bildung?
Berufliche Bildung im engen Sinne. Der Fachbereich berufliche Bildung an österreichischen Volkshochschulen
Laut Definition einer Arbeitsgruppe Statistik der österreichischen Volkshochschulen sollen Kurse an österreichischen Volkshochschulen, die in folgende Rahmendefinition fallen, dem Fachbereich berufliche Bildung zugeordnet werden. Sie bilden den Fachbereich der „Berufliche[n] und berufsorientierte[n] Bildung“. Der Fachbereich umfasst: „Betriebswirtschaft/alle kaufmännisch-beruflichen Fächer und alle technisch-beruflichen Fächer/EDV/Kommunikation und soziale Kompetenz, personale Kompetenzen (Beruf)“2.
Die konkrete Zuordnung von Kursen obliegt den Landesverbänden der Volkshochschulen, die Definition auf Bundesebene dient dabei als Orientierungsrichtlinie.
In diesem Fachbereich werden jährlich mehrere tausend Kurse angeboten. Quelle der Daten ist der seit 1985 jährlich erstellte Statistikbericht der österreichischen Volkshochschulen.3 (Vater & Zwielehner: 2015).
Quelle: Knowledgebase Erwachsenenbildung, www.adulteducation.at/struktur, eigene Berechnungen.
Der Gipfel der Anteile des Fachbereiches in den frühen 2000er-Jahren ist einerseits der Überbetonung des Fachbereiches in einer Phase der Hoch- oder Überschätzung reiner beruflicher Bildung und dem Glauben an die Kraft unmittelbar verwertbarer Bildung – als brauchbar und Arbeitsplatz vermittelnd ¬– geschuldet, andererseits einem Boom der EDV-Kurse an Volkshochschulen, der in den Folgejahren eine deutliche Anpassung an reale Verhältnisse bzw. eine Abschwächung erfuhr. Als kontextuelle Faktoren seien die „Dotcom-Blase“ der Jahrtausendwende und die Einführung des „Europäischen Computerführerscheins“ 1997 in Österreich in Erinnerung gerufen. Die in dieser Zeit noch vorherrschende Vorstellung der „Elektronischen Datenverarbeitung“ als rein beruflich relevantem Kursbereich kann heute als überholt angesehen werden, was sich im heute gängigen Begriff der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) widerspiegelt.
Auf Ebene der Bundesländer spielt der Fachbereich eine unterschiedlich wichtige Rolle, je nach Ausrichtung der Kurstätigkeit auf Landesebene. Insgesamt wird von rund 60 Prozent der Volkshochschulen ein Kursangebot zur beruflichen Bildung gemeldet.
Einschätzung der Verwertbarkeit des VHS- Kursbesuchs durch VHS- TeilnehmerInnen
Was die Einschätzung der Verwertbarkeit aller VHS-Bildungsangebote durch die VolkshochschulteilnehmerInnen in Österreich betrifft, die in repräsentativen Erhebungen seit Mitte der 1990er-Jahre regelmäßig durch die Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen (VÖV) erhoben wird, kann festgehalten werden: rund zwei Drittel der KursteilnehmerInnen, also rund 70 Prozent der Befragten (nach einer 2005 vom VÖV beauftragten repräsentativen Studie des Market Institutes), die Kurse an Volkshochschulen besuchen, fanden die belegten Kurse verwertbar oder sehr verwertbar, obwohl nur rund fünf Prozent die VHS-Kurse wegen direkten beruflichen Anforderungen besuchen. (Vgl. Filla: 1993 bzw. 2007).
Quelle: unveröffentlichte Daten einer repräsentativen Market-Erhebung – teilveröffentlicht bei Filla: 1993 bzw. 2007.
Beruflich relevant ist mehr als berufliche Bildung
Neben dem Fachbereich 4, der die berufliche Bildung im engsten Sinn umfasst, können die verschiedenen anderen Fachbereiche im weitesten Sinn als beruflich relevant verstanden werden. Forschungen und Analysen zeigen deutlich, dass keineswegs nur berufliche Bildung im engsten Sinn für die TeilnehmerInnen verwertbar ist. (Vgl. Filla: 1993 bzw. 2007; Nussbaum: 2012; Vater: 2007; Lederman: 2009). Eine Schätzung der beruflichen Relevanz mit einem etwas breiteren Verständnis derselben, als es noch vor einigen Jahren opportun erschien, ergibt einen Anteil von rund 65 Prozent aller Angebote und Teilnahmen der österreichischen Volkshochschulen als beruflich relevant.
Der Fachbereich Politik, Gesellschaft und Kultur ermöglicht unter diesem Gesichtspunkt das Verständnis der eigenen Kultur, fördert in Kursen zur Geschichte, Persönlichkeitsbildung und vielen anderen Kursen die Kreativität und Innovationskraft im beruflichen Alltag. In konservativer Schätzung werden rund 30 Prozent der Kurse und Teilnahmen als beruflich relevant eingeschätzt. Der Fachbereich 2, also Basisbildung und zweiter Bildungsweg, ist wohl unbestritten von beruflicher Relevanz und wird zu 100 Prozent eingerechnet. Der Fachbereich 3 der naturwissenschaftlichen und technischen Bildung zu 50 Prozent , zumal die Inhalte sehr stark divergieren. Der Fachbereich 4 umfasst den Kern der beruflichen Bildung und wird eingerechnet. Für die Sprachen wird eine berufliche Relevanz von 90 Prozent kalkuliert. Kreativität und Gestaltungskompetenz spielt in der modernen Wirtschaft eine große Rolle, der Fachbereich Kreativität und Gestalten soll zu 50 Prozent einberechnet werden, um den Vorwurf der Hobbyorientierung nicht allzu groß werden zu lassen. Im Fachbereich 7, dem Bereich Gesundheit und Bewegung, findet sich eine Vielzahl an ausgleichenden, teils explizit dem Arbeitsbereich gewidmeten Kursen – etwa 50 Prozent der Kurse und Angebote werden als unmittelbar beruflich relevant eingestuft und in diese Schätzung einbezogen.
Beruflich relevant ist mehr als berufliche Bildung im engeren Sinne, der Beitrag versuchte diese These anhand von empirischen Daten und Exkursen klar zu machen. //
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