Die deutschen Volkshochschulen im Spiegel der Statistik: thematische Trends und aktuelle Revision

Thematische Trends bei den deutschen Volkshochschulen

Exemplarisch für die Trends bei den deutschen Volkshochschulen wird in der folgenden Grafik die Entwicklung der Kursveranstaltungen (offene Kurse und Auftrags- und Vertragsmaßnahmen) für die letzten zehn Jahre dargestellt.

Die Gesamtzahl der Kurse an deutschen Volkshochschulen ist zwischen 2001 und 2014 mit leichten Schwankungen von 559.692 auf 590.850, also um 5,6 Prozent gestiegen. Seit 2009 finden die meisten Kurse (2014: 33,7 Prozent aller Kurse) im Programmbereich Gesundheit statt, in den Jahren davor lag der Sprachenbereich noch etwas höher (2014: 30,3 Prozent). Die Steigerungsrate bei Gesundheitskursen beträgt im betrachteten Zeitraum 36,4 Prozent, die der Sprachkurse (in einer wellenförmigen Entwicklung) 9,3 Prozent. In der Grafik weniger auffällig ist, dass sich im betrachteten Zeitraum die Kurse im Programmbereich Grundbildung/Schulabschlüsse mit 16.530 mehr als verdoppelt haben (um 107,8 Prozent).

Mit knapp unter 100.000 Kursen im Jahr bewegt sich der Programmbereich Kultur-Gestalten annähernd über die Zeit stabil, während Rückgänge der Kurse im Programmbereich Politik/Gesellschaft/Umwelt auf 41.133 um 10,1 Prozent zu beobachten sind. Auffällig ist der Rückgang von Kursen im Programmbereich Arbeit/Beruf um 40,7 Prozent auf 60.748 Kurse im Jahr 2014.

Während Steigerungen im Gesundheits-, Sprachen- und Grundbildungsbereich gesellschaftlich wünschbare Tendenzen widerspiegeln – z.B. gibt es in Deutschland ein wachsendes Bewusstsein über Grundbildungsbedarfe Erwachsener, in deren Zuge 2015 eine nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung ausgerufen wurde – mag es verwundern, warum bei der Wertigkeit, die beruflicher Bildung in allen Diskussionen um Lifelong Learning und Förderung von Employability zugewiesen wird, die Kurse im Bereich Arbeit/Beruf stark abnehmen.

kurse in de vhs 01-14

Abbildung 1: Entwicklung der Kurse in deutschen Volkshochschulen nach Programmbereichen, 2001–2014
Quelle: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, 2015, eigene Berechnungen.

Berufliche Weiterbildung in der Statistik der deutschen Volkshochschulen

Der Programmbereich Arbeit/Beruf ist differenziert in zehn Fachgebiete, welche PC-Kurse auf verschiedenen Anwenderniveaus sowie Büropraxis, Rechnungswesen, kaufmännische und technische Lehrgänge, Organisation/Management und zwei allgemeinere Fachgebiete beinhalten. (Huntemann & Reichart: 2014, Tabelle 10). Der Schwerpunkt liegt also im Bereich PC/Wirtschaft/Technik. Berufsbildende Kurse mit anderen Themen werden in der Statistik bei ihrem jeweiligen inhaltlichen Programmbereich eingetragen. Daraus folgt, dass die statistischen Daten derzeit den Anteil der beruflichen Weiterbildung an der VHS unterschätzen, auch wenn sie bisher der einzige Indikator sind, mit dem überhaupt eine Annäherung an diesen Bereich von VHS-Kursen möglich ist. Dass dies lediglich eine grobe Annäherung darstellt, zeigt sich darin, dass einerseits dem Programmbereich Arbeit/Beruf häufig alle Lernangebote zur Computernutzung (inklusive Smartphones, Tablets und Social Media) zugeordnet werden, die nicht notwendig berufsbezogen sind, sodass die Aussagekraft des Programmbereichs als Indikator für die berufliche Weiterbildung zunehmend geringer wird. Andererseits liegt bei Einbezug aller Programmbereiche mit Ausnahme von Grundbildung – Schulabschlüsse der Anteil von berufsbildenden Kursen am Gesamtangebot höher, als wenn man nur den nominalen Anteil des Programmbereichs Arbeit/Beruf betrachtet. (Kahl: 2014).

Der Wunsch nach besserer Sichtbarkeit der Leistungen der deutschen Volkshochschulen im Bereich der beruflichen Weiterbildung – und zwar quer durch alle Programmbereiche – war ein Antriebsmoment für die derzeit laufende Revision der Statistik.

Revision der DIE Anbieter- bzw. Angebotsstatistiken (StaRe)

Neben der Abbildung der Berufsbezogenheit waren vor allem auch die Erweiterung des Leistungsspektrums und veränderte Rahmenbedingungen Gründe, die Statistik einer Revision zu unterziehen (ähnlich wie dies auch für die Weiterentwicklung der Leistungsstatistik der Österreichischen Volkshochschulen stattgefunden hat. (Zwielehner: 2015).

Im Projekt „Revision der DIE Anbieter-/Angebotsstatistiken (StaRe)“, das durch Mittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert wird, beteiligen sich neben dem Deutschen Volkshochschul-Verband (DVV) auch drei weitere Verbände der Erwachsenenbildung: der Bundesarbeitskreis ARBEIT UND LEBEN (BAK AL), die Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (DEAE) und die Katholische Erwachsenenbildung Deutschland – Bundesarbeitsgemeinschaft (KEB).

Das Revisionsprojekt wurde Anfang 2014 gestartet und wird in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden durchgeführt. Für die VHS-Statistik ist geplant, dass 2019 die Daten für das Berichtsjahr 2018 nach der neuen Systematik erhoben und veröffentlicht werden.

Aktuell liegt ein Entwurf für den neuen Berichtsbogen vor, der bis Mitte November 2015 in einem Pretest mit einer Stichprobe von Volkshochschulen getestet wurde. Dieser wird in den nächsten Monaten unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Pretestes noch einmal überarbeitet. Allerdings lassen sich bereits einige Grundlinien für Veränderungen beschreiben.

Berufsbezogene Veranstaltungen

Bei den berufsbezogenen Veranstaltungen musste eine Lösung dafür gefunden werden, dass der Programmbereich „Arbeit – Beruf“ diese nur unvollständig abbildet. Um dies zu ermöglichen, können in der VHS-Statistik nun alle Veranstaltungen zusätzlich als „berufsbezogen“ zugeordnet werden. Mit dieser Form der Erfassung können alle Veranstaltungen sowohl inhaltlich einem Programmbereich zugeordnet als auch der Anteil der berufsbezogenen Angebote unabhängig davon ausgewiesen werden.

In einem weiten Verständnis von beruflicher Weiterbildung zählen dazu laut Schrader „alle Veranstaltungen, die der Herstellung, Sicherung und Weiterentwicklung von Beschäftigungsfähigkeit dienen“. (Schrader: 2011, S. 229). Teilnehmende sollen in diesen Veranstaltungen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, um ihre Beschäftigung zu sichern, zu verbessern oder um einen (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden. (Schrader: 2011, S. 230). Berufliche Bildung wird demnach aus der Teilnehmenden-Perspektive definiert, wie es auch im Europäischen Adult Education Survey gebräuchlich ist, wo nach Teilnahme aus überwiegend beruflichen oder überwiegend privaten Gründen unterschieden wird.

Für die VHS-Statistik ist eine solche Perspektive nicht geeignet, da Angebote nach „beruflich“ oder „nicht-beruflich“ differenziert werden müssen. Im selben Kurs können Teilnehmende mit unterschiedlichen Teilnahmemotiven sitzen (z. B. lernt eine Teilnehmerin Sprache für einen beruflichen Auslandseinsatz, jemand anders für eine Urlaubsreise). Dies erfordert eine Definition von beruflicher Weiterbildung, die sich an Kriterien der Veranstaltung orientiert. Im aktuellen Fall werden Angebote als berufsbezogen definiert, deren didaktische Planung sich schwerpunktmäßig auf die berufliche Verwendung der Veranstaltungsinhalte bezieht (erkennbar z. B. an Beschreibung der Veranstaltung im Programm, mit oder ohne Zertifikat) oder die Veranstaltungen richten sich an bestimmte Zielgruppen mit einer definierten beruflichen Qualifikation oder Tätigkeiten (z. B. Fortbildung für Tagespflegepersonen). Dazu zählen auch Firmenschulungen und die berufsbezogene Sprachförderung.

Bisher nicht erfasste Leistungen

Ein weiterer Bereich der Revision ergibt sich daraus, dass die Einrichtungen in den letzten Jahren ihr Leistungsspektrum deutlich erweitert haben. Diese neuen Leistungen werden in den bisherigen Erhebungen nicht erfasst. Deshalb ist es notwendig, ganz neue Merkmale in die Erhebung aufzunehmen, um das Leistungsspektrum der Einrichtungen weiter adäquat abbilden zu können.

Zu diesen neu erfassten Leistungen gehören Beratungen, die allerdings sehr unterschiedlich in ihrem Aufwand und ihren Zielen sein können. So erfasst die Statistik der österreichischen Volkshochschulen „Bildungsberatung zur Information/Orientierung bis 10min“, „E-Mail Beratung (á 10min)“ und „Bildungsberatung (nach Beratungseinheiten 1UE)“. (Vater & Zwielehner: 2015, S. 31). Dagegen werden in der deutschen VHS-Statistik Beratungen auf den folgenden Bereich beschränkt: „Beratungen beziehen sich hier auf den Bereich der personenbezogenen Beratung im Sinne einer Orientierungs- und Entscheidungshilfe im Vorfeld einer Weiterbildungsteilnahme. Hierzu gehören nicht die Einstufungsberatung und ebenso nicht die übliche telefonische Kurzberatung. Allerdings sind Beratungen in Zusammenhang mit der Einstufung für Integrationskurse hier anzugeben.“

Auch unterschiedliche Formen von Betreuungsleistungen werden erfasst sowie die Unterstützung bei der Vermittlung in Arbeit und individuelle Lernförderung von Kindern, die staatlich gefördert werden durch das Bildungs- und Teilhabepaket.

Die deutliche Zunahme von digitalen Lernformen in der Erwachsenenbildung wird in der Revision ebenfalls berücksichtigt. Veranstaltungen können nun danach klassifiziert werden, ob sie als Blended-Learning-Angebote oder reine Online-Angebote konzipiert sind. Außerdem werden Selbstlernzentren und Lern-Cafés erhoben.

Erweiterung der institutionellen Angaben und Aktualisierung von bestehenden Erhebungsmerkmalen

Auch bei den institutionellen Daten sind Merkmale neu hinzugekommen. So wird das Qualitätsmanagement der Einrichtungen erfasst oder ob die Einrichtungen anerkannt sind nach dem Erwachsenen- bzw. Weiterbildungsgesetz des jeweiligen Bundeslandes oder Veranstaltungen angeboten werden, die nach dem Bildungsfreistellungsgesetz anerkannt sind. Da Veränderungen in den letzten Jahren auch bisher schon erhobene Merkmale betreffen, werden auch diese einer Prüfung unterzogen und gegebenenfalls angepasst (z. B. bei der Art der Buchhaltung, der Erfassung des Personals, der Bezeichnung von Fachgebieten).

Ziel der Revision ist, dass die Statistik an die heutige Weiterbildungslandschaft angepasst wird und dass gleichzeitig der Vergleich mit den Erhebungen der Vergangenheit möglich bleibt. //

Literatur

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (2015): Elektronische Datenbasis der Volkshochschul-Statistik für die Berichtsjahre 2001–2014.

Huntemann, Hella & Reichart, Elisabeth (2015): Volkshochschul-Statistik. 53. Folge, Arbeitsjahr 2014. Hrsg. v. Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen. Verfügbar unter: http://www.die-bonn.de/weiterbildung/statistik/vhs-statistik/default.aspx [13.11.2015].

Kahl, J. M. (2014): Berufliche Weiterbildung an Volkshochschulen. Eine explorative Analyse von Kursprogrammen einer repräsentativen Stichprobe deutscher Volkshochschulen zur Bestimmung des Anteils beruflicher Weiterbildung am Gesamtangebot. Masterarbeit, Eberhard-Karls-Universität Tübingen.

Schrader, Josef (2011): Struktur und Wandel in der Weiterbildung. (Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung), Bielefeld: Bertelsmann.

Vater, Stefan & Zwielehner, Peter (2015): Statistikbericht 2015 der österreichischen Volkshochschulen für das Arbeitsjahr 2013/14. Wien: Verband Österreicher Volkshochschulen – Pädagogische Arbeits- und Forschungsstelle. Verfügbar unter: http://files.adulteducation.at/statistik/berichte/stat15.pdf [6.11.2015].

Zwielehner, Peter (2015): Die Leistungsstatistik der Österreichischen Volkshochschulen. In: Die Österreichische Volkshochschule, 66 (2), 42–44.

Reichart, Elisabeth/Schön, Torben (2015): Die deutschen Volkshochschulen im Spiegel der Statistik: thematische Trends und aktuelle Revision. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Dezember 2015, Heft 257/66. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien

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