Lernen fungiert „[…] als Sammelbezeichnung für eine Vielfalt unterschiedlicher Vorgänge […], die mit der Veränderung von Personen zu tun haben“ (S. 52). In seiner Beschreibung zeigt es sich abhängig von der wissenschaftlichen Form der Beobachtung. Von diesen Ansichten ausgehend verweist der Autor auf zwei Verschiebungen seines Blickfelds. Zum einen geht es nicht um die Gestaltung von Bildungsveranstaltungen, sondern um die Situationen des Lernens Erwachsener, zum anderen stehen dessen Formate im Vordergrund, in zweiter Linie erst ihre pädagogische Gestaltung, also ihre professionelle Begleitung. Diese Verschiebung zum Lernen folgt, so der Autor, einer vor sich gehenden Abkehr vom Bemühen Erwachsenenbildung/Weiterbildung als einen öffentlich verantworteten, systematisch strukturierten Teilbereich des Bildungssystems zu etablieren.
Begründet wird dies
- mit dem im gesamten Bildungswesen vor sich gehenden Wandel vom Lehren zum Lernen: „Das Lernen selbst wird aber als etwas verstanden, was sich im Lebenszusammenhang der Lernenden ereignet und wesentlich durch die Lernenden selbst strukturiert und gestaltet wird“ (S. 15);
- mit Entgrenzungen, die soziale Situationen entgegen bisheriger Usancen in Freizeit, Beruf oder Familie als Lernsituationen festlegen;
- mit biographischen Studien, aufgrund derer sich die Frage nach einem wissenschaftlichen Bezugsrahmen stellt, in dem die vielfältigen Situationen des Lernens sinnvoll differenziert und miteinander in Bezug gesetzt werden können.
Dieser Pluralität des Lernens Erwachsener widmet sich das Buch, das in einführender Form und als Sammlung offener Fragen vorgelegt wird.
Der theoretische Hintergrund des Autors besteht im Rückgriff auf Forschungen der Erziehungswissenschaft, die Wissen hervorbringt und zugleich als Instanz der Reflexion apostrophiert wird. Die Selbstbeschränkung auf eine fachinterne Selbstreflexion kann leider weder dem „Lernen“ noch dem „Erwachsenen“ gerecht werden. Die erweiterte Perspektive, die der Autor einnimmt, würde für einen erweiterten trans- und interdisziplinären wissenschaftlichen Zugang sprechen, der differenzierte reflexive Resonanz bieten könnte. Zugleich fällt auf, dass der Begriff „Bildung“ amputiert, völlig ausgeblendet, als Reflexionsinstanz gar nicht erwähnt wird. Er wäre ja von Bedeutung, wenn dem Subjekt mögliches Nachdenken über Sinn, Ziel oder Zweck des Lernens zugestanden würde. Der Autor, Professor für Erwachsenenbildung/berufliche Weiterbildung (sic!) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, vollzieht die Trennung von der Bildungsthematik kommentarlos.
Bescheidenes Fazit des Kapitels über „das Feld des Lernens Erwachsener“, das der Autor bezüglich der von ihm angestrebten Systematisierung zieht, ist, dass sie unvollendet und nicht erschöpfend ist. Der Grund: Dazu seien nicht nur die „erziehungswissenschaftliche Erschließung des Feldes“ zu jung, sondern auch die ständigen Wandlungsprozesse des Lernens Erwachsener zu störend.
Im Abschnitt über „Formate“ werden exemplarisch behandelt: Mediale Wissensvermittlung, Lernstätten, Bildungsveranstaltungen, Beratung, biographische Krisen und Zertifikate. Ausgehend von einem Fallbeispiel werden die Besonderheiten des jeweils spezifischen Lernens sowie damit zusammenhängende pädagogische Aspekte dargestellt.
Das Buch spricht erziehungswissenschaftlich versierte Leserinnen und Leser an. Es konfrontiert u. a. mit der offenen Frage, inwieweit es neue Lernsituationen immer schwieriger machen, das Lernen in Kindheit und Jugend vom Lernen als Erwachsener zu trennen. Letztlich verblüfft bei der Lektüre, wie dieses lebensübergreifende, „lebensbreite“, lebensintegrierte und lebensbegleitende „Lernen Erwachsener“ ganz ohne bildungstheoretische Implikationen abgehandelt werden kann. //
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