Wirkungsforschung zur politischen Bildung gibt es erst in Ansätzen. Es ist schwierig „Messungen“ von politischer Bildung vorzunehmen. Es sind aber auch kaum Forschungsdesigns entwickelt, die individuelle Veränderungen im Hinblick auf Festigung, Verstärkung oder Performanz in Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen bringen können. Mit dieser Einsicht in die bisherige Forschungslage führten Peter Straßer, pädagogischer Mitarbeiter an der Heimvolkshochschule Hustedt, und Isabell Petter, sozialwissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hannover, eine Machbarkeitsstudie durch, die „[…] die Wirksamkeitsrekonstruktion der Teilnehmer retrospektiv aus biografischer Sicht berücksichtigt.“ (S. 26). Entstanden ist ein mehrdimensionales Forschungsdesign, das Perspektiven der Lernenden und Lehrenden sowie der Bildungsinstitution einbezieht. Ort der Untersuchung ist die Heimvolkshochschule Hustedt, an der in der Tradition der Arbeiterbewegung ein sechswöchiger „Akademiekurs“ seit Anfang der 1950er-Jahre durchgeführt wird.
Ziel der Studie war es nicht, Beobachtungen von außen anzustellen, beabsichtigt waren Beschreibungen subjektiver Wirkungen. Methodisch eingesetzt wurden deshalb thematische Leitfragen und narrative Interviewstrategien. Dadurch sollten „individuelle Wirkungsbeschreibungen“ erreicht werden, nicht aber Wirkungen im Sinne „objektiver kausaler Zusammenhänge oder ‚Zweck-Mittel-Relationen‘“. Die methodische Vorgangsweise beruht auf der Überzeugung, dass bei den Lernenden nicht etwas „bewirkt“ wird, sondern dass Sinn und Bedeutung, „individuell auf den Hintergrund vorausgegangener Erfahrungen und damit verbundener biographischer Prägungen aktiv im Sinne eines Verstehens- bzw. Einordnenwollens konstruiert“ (S. 28) werden.
Als methodische Instrumente dienten Interviews mit elf TeilnehmerInnen und drei DozentInnen sowie eine zweitägige teilnehmende Beobachtung des Akademiekurses. Die rekonstruktive und inhaltsanalytische Auswertung zeigte die Teilnehmenden als bereits länger politisch interessiert, in Betrieben gewerkschaftspolitisch und in entsprechender Weiterbildung engagiert.
Dies stellt einen Zusammenhang mit einem Ergebnis der Untersuchung her. Der Akademiekurs wirkte als „Katalysator“, „als Bestätigung und Bekräftigung des eigenen politischen Engagements“. (S. 108). Erhöhtes Vertrauen in die eigene Lernfähigkeit, in die Kraft sich zu orientieren und der Aufbau tragfähiger Netzwerke waren weitere Erfolge. Dazu trug, nach Meinung der Teilnehmenden, auch die sechswöchige Dauer des Kurses bei, wobei intensive Denk- und Kommunikationsprozesse, aber auch neue Beschaffungsformen von Information und ihrer Verarbeitung sowie das Erstellen eigener Texte ermöglicht wurde.
Für die Praxis der politischen Bildung kann als bedeutsam gesehen werden, dass die Teilnehmenden Wirkung nicht in einzelnen Wissensaspekten, sondern im Kontext – im Zusammenspiel verschiedener Wissensbereiche sehen. Politische Bildung soll helfen, sich zu orientieren, Neues zu ordnen und einen „Möglichkeitssinn“ zu entfalten. Der Kurs wirkt als Auslöser, als Anstoß für selbstorganisiertes Lernen.
Das Buch bietet ein Beispiel, wie praxisorientierte Bildungsforschung zur Bedeutung politischer Bildung beitragen kann. //
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