Im Jahr 1995 wurde in Wien eine Studie veröffentlicht, die sich aus pädagogischer Perspektive mit den Anforderungen an Bildungsbauten befasst und die gesetzlichen Rahmenbedingungen berücksichtig.1 Die Studie wurde vom Pädagogischen Referat des Verbandes Wiener Volksbildung2 unter der Leitung von Elisabeth Brugger in Auftrag gegeben und sollte dazu dienen, Grundlagen für die Errichtung und Sanierung von Volksbildungsbauen zu erstellen. Ähnliche Studien in der Zweiten Republik in Österreich, die pädagogische Bedarfe mit architektonischen Möglichkeiten und Rahmenbedingungen verbanden, wurden zuletzt gegen Ende der 1950er-Jahre durchgeführt.3 Diese Studie markiert eine Trendwende, denn das Thema Raumorganisation wurde nun stärker zugunsten der Bedürfnisse von Lehrenden und Lernenden betrachtet.
Um die Anforderungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu erheben, wurden von den Studienautorinnen Gesprächsrunden mit VHS-Direktor*innen, Pädagogischen Assistent*innen4 und Verwalter*innen durchgeführt. Im Besonderen ging es darum, die Bedürfnisse von Kursteilnehmer*innen und Kursleiter*innen zu erheben, was über Interviews mit Fachgruppenleiter*innen5 geschah. Einbezogen wurde auch eine Befragung von Kursteilnehmer*innen zur Zufriedenheit mit den Räumlichkeiten, die an der VHS Hitzing durchgeführt wurde. Die befragten Teilnehmer*innen wünschten sich körpergerechte Tische und Sessel und andere Böden, kritisierten das „kalte“ Neonlicht, die weißen Wände und die schmucklosen Räume. Weiters wünschten sie sich mehr Kommunikationszonen und ein Kaffeehaus.6
Die Autorinnen führten auch Begehungen in den Volkshochschulen durch.
Erarbeitet wurde ein detaillierter Anforderungskatalog an den Bau und an die Sanierung von Volkshochschulen. Viele der damals erhobenen Anforderungen und Bedürfnis sind heute noch relevant und werden im Folgenden auszugsweise wiedergegeben.
Standortkritierien
Neue Volkshochschulen sollten idealerweise in einer zentralen Lage errichtet werden, eine leichte Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln soll gegeben sein. Gute Anlieferungs- und Parkmöglichkeiten sollten möglich sein. Problematisiert wird die Unterbringung von Volksbildungseinrichtungen in Wohnhäusern, hier können sich insbesondere bei größeren Veranstaltungen Konflikte mit Anrainer*innen ergeben. Bei der Unterbringung von Volkshochschulen in Einkaufszentren ist darauf zu achten, dass keine lautstarke Dauerberieselung mit Musik stattfindet, um einen ungestörten Kursbetrieb zu ermöglichen.
Entwurf und Planung des Gebäudes
Eine durch „durchdachte und markante Architektur“ sollte städtebauliche Akzente setzen. Im Vordergrund muss die praktische Nutzbarkeit stehen. Volkshochschulen als „Zentren von geistigen und körperlichen Aktivitäten“ sind „Orte der Begegnung mit hohem sozialem Engagement“. Diese inneren Schwerpunkte sollten durch „architektonische Akzente nach außen“ transportiert werden. (S. 65). Die Errichtungen von neuen VHS-Bauten sollten den Grundregeln energie- und ökologiebewussten Bauens folgen.
Planung der Funktionsbereiche und Räumlichkeiten
Der Eingangsbereich soll leicht auffindbar sein und bereits nach außen signalisieren, was im Inneren stattfindet. Eine großzügige Gestaltung des Eingangsbereichs ist wesentlich. Es soll genug Platz zum Abstellen von Kinderwagen vorhanden sein sowie ausreichend Präsentionsmöglichkeiten für Infomaterial.
Das Foyer ist in erster Linie Informations- und Kommunikationszone und die Gestaltung soll so sein, dass sich auch Erstbesucher*innen leicht zurechtfinden. Hinweisschilder sollten möglichst auch in tastbarer Reliefschrift ausgeführt werden. Bodenbeläge sollten rutschfest sein. Im Foyer sollte es Sitzgelegenheiten zur Kontaktpflege mit kleinen Tischen geben, die auch zum Schreiben benutzt werden können. Sitzgelegenheiten mit stabilen Armlehnen unterstützen auch ältere Menschen.
Der Einschreibebereich sollte sich in der Nähe des Eingangs im Erdgeschoß finden, er soll leicht auffindbar sowie einladend, offen und transparent sein. Die Gänge sollen ebenfalls einladend, hell und so breit sein, dass auch Kontaktzonen mit Sitzgelegenheiten möglich sind. Wandschienen eignen sich zur Anbringung von Bildern, und eine entsprechende Beleuchtung der Wände sollte vorhanden sein.
Ein Zimmer für die Kursleiter*innen ist einzuplanen, das zur Vorbereitung dient.
Veranstaltungssäle sind am besten im Erdgeschoß unterzubringen, ihre Ausstattung sollte zeitlos und flexibel sein. Ein hochwertiger Schwingboden ist hier wichtig, ebenso Depotflächen für Tische und Sessel.
Die Kursräume sollten von starker Sonneinstrahlung und Verkehrslärm möglichst verschont bleiben. Für den Flächenbedarf ist ein Richtwert von 2m2 pro Person anzunehmen. Sie sollen sowohl Gruppensettings als auch Frontalunterricht ermöglichen. Die Raumhöhe sollte mindestens 3,3 Meter betragen.
Musik- und Bewegungsräume benötigen eine gute Schall- und Trittdämmung. Der ideale Flächenbedarf für Gymnastikräume bewegt sich zwischen 3 und 4m2 pro Kursteilnehmenden. Gymnastikräume sollten möglichst natürlich belüftbar und mit einem Parkettboden
ausgestattet sein. Depotbereiche für verschiedene Materialien sind vorzusehen.
Ausstattung der Räumlichkeiten
In der Innenraumgestaltung sollten ökologische Aspekte beachtet werden. Eine besondere Bedeutung kommt Farben zu. Drei Faktoren spielen hier zusammen: die sinnlich-optische Wirkung, die sinnlich-psychische Wirkung und die intellektuell-symbolische Wirkung. Für das „Fühlen“ von Farben ist die Wand von besonderer Bedeutung. Sie kann „enger oder weiter, wärmer oder kälter wirken“, ein Raum kann durch entsprechende Farbwahl enger oder weiter erscheinen. Hingegen wird die Farbe von Fußböden vom „natürlichen Bodenerlebnis“ her beurteilt, „wobei die stoffliche Beschaffenheit von größerer Bedeutung als die Farbe ist“. (S. 77).
Bei der Gestaltung der Böden sind neben Gesundheits- und Umweltaspekten die Fußwärme zu berücksichtigen, die Trittschalldämmung und das Schallschluckvermögen, das elektrostatische Verhalten und selbstverständlich auch der Pflegeaufwand. Massivparkett und Linoleumbeläge werden für die Böden in den Kursräumen und Büroräumen empfohlen, Natursteinplatten eignen sich für Eingangsbereiche und Verkehrswege.
Weiters sollte der Lichtplanung eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
In diesem Beitrag wurden auszugsweise Empfehlungen aus dem Anforderungskatalog der Studie wiedergegeben. Viele dieser Empfehlungen haben auch heute noch ihre Gültigkeit, sie basieren auf den Bedürfnissen und Erfahrungen vieler Leiter*innen von Volkshochschulen, Programmplaner*innen und Verwaltungspersonal, vor allem aber begründen sie sich auf den Bedürfnissen und Wünschen der Kursleiter*innen und auch der Kursteilnehmer*innen.
Die Studie wurde im Jahre 1995 fertiggestellt, ihr fehlen daher auch jene Anforderungen, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten aus der Nutzung digitaler Technologien und digitaler Geräte durch die Volkshochschule, durch Kursleitende und Lernende ergeben haben. Nichtsdestotrotz enthält sie wesentliche Anforderungen für einen guten Präsenzunterricht. Nicht nur für Neubauten, sondern auch für die Sanierung und Modernisierung bestehender Bauten und Räumlichkeiten für die Volkshochschule könnten diese Empfehlungen herangezogen werden. Eine Adaptierung auf gegenwärtige und zukünftige Erfordernisse wäre eine hilfreiche Serviceleistung. //
Lieber Gerhard,
vielen Dank für den sehr aufschlussreichen Artikel!
LG, Leo