Erwachsenenbildung als Themenbereich der Regionalentwicklung? Bildung und somit auch die Erwachsenenbildung sind wichtige Standortfaktoren für Regionen. Aus diesem Grund ist das Thema „Wissen und Ausbildung“ auf Landesebene in der „Landesentwicklungsstrategie AUF LANGE SICHT Steiermark 2030+“ verankert: So ist es ein strategisches Ziel, maßgeschneiderte regionale und kommunale Erwachsenenbildungsangebote partizipativ zu gestalten (Community Education). Auch die Ausrichtung der Wissenschafts-, Forschungs- und Bildungslandschaft der Steiermark an den Stärkefeldern und Leitthemen der steirischen Wirtschaft wird als weiteres Ziel in diesem Themenfeld angeführt. (Vgl. Amt der Steiermärkischen Landesregierung: 2019, 119 f.). Auf Basis der Landesentwicklungsstrategie sind die steirischen Regionen beauftragt, die regionalen Entwicklungsstrategien ab 2021 zu erarbeiten. In der Region „Südoststeiermark. Steirisches Vulkanland“ wurde die regionale Entwicklungsstrategie (RES) im Frühjahr 2021 verabschiedet. Der Mehrwert des Zusammenspiels von Bildung und Regionalentwicklung wird im steirischen Vulkanland schon seit Jahrzehnten erkannt und unter der Vision „menschlich – ökologisch – wirtschaftlich“ auch in die aktuelle RES als eigenes Aktionsfeld „Lebensbegleitende Bildung und Beruf“ aufgenommen. „Alle SüdoststeirerInnen sollen die Möglichkeit zur lebensbegleitenden Bildung haben, um ihre individuelle, persönliche, berufliche, soziale und damit auch die regionale Entwicklung zu fördern“. (Lenz et al.: 2021a, 5). Ziele sind Bewusstseinsbildung für lebensbegleitendes Lernen, bestehende Angebote zu identifizieren und zu kommunizieren, um damit auch eine Weiterbildungsbeteiligung zu erreichen. Der Bildungsbegriff wird dabei ganzheitlich angelegt und reicht von formalen, non-formalen und informellen Bildungsmöglichkeiten. (Vgl. Lenz et al.: 2021b, 70). Letztere haben lange Tradition in der Region und werden im Rahmen diverser Initiativen wie der „Omas-Opas-Universität“ oder der „Vulkanland Akademie“ umgesetzt. Insbesondere mit diesen Formaten wird es ermöglicht, regionales, traditionelles Wissen an die nächsten Generationen bzw. an Interessierte zu vermitteln. Hintergrund ist, dass die Kenntnis über die bildungsspezifischen Möglichkeiten in der Region sowie die Inanspruchnahme dieser Bildungsangebote zu einer Identifikation mit der Region führt, Regionsbewusstsein erhöht und in weiterer Folge auch Abwanderung vermindern kann. (Vgl. Lenz et al.: 2021b, 70). Jedem strategischen Aktionsfeld der RES sind Leitprojekte, Projekte und Schlüsselinitiativen zugewiesen, die sich in einem jährlichen Arbeitsprogramm der Region „Südoststeiermark. Steirisches Vulkanland“ widerspiegeln. Die Projekte der Regionalentwicklung legen dabei den Fokus nicht nur auf die schulische Bildung im Kindes- und Jugendalter, sondern auch auf die Erwachsenenbildung, wodurch die Südoststeiermark eine Vorreiterrolle einnimmt. Gerade in ländlichen Regionen wie die Südoststeiermark ist es grundlegend, Bewusstsein für lebensbegleitende Bildung zu schaffen. Denn Weiterbildung wird insbesondere im ländlichen Raum oftmals mit einer beruflichen Höherqualifizierung in Verbindung gebracht und nur dann in Anspruch genommen, wenn es beruflich notwendig ist. Betrachtet man die Bildungslandschaft des steirischen Vulkanlandes, zeichnet sie sich durch eine Vielzahl an Möglichkeiten und Angeboten der Weiterbildung aus. Diese Angebote sind oft nur im lokalen Umkreis oder Bildungsinteressierten bekannt. Ein Ansatz der Initiativen der Regionalentwicklung ist es daher, für lebensbegleitende Bildung zu sensibilisieren und die regionalen Möglichkeiten sowie Chancen aufzuzeigen.
In weiterer Folge werden nun beispielhaft Projekte und Initiativen zum Thema „Lebensbegleitende Bildung und Beruf“ in der Südoststeiermark angeführt sowie die Chancen und Herausforderungen der Bildungsinitiativen im ländlichen Raum dargestellt.
Das Projekt „Leben & Lernen in der Südoststeiermark“
Wie bereits erwähnt, gibt es im steirischen Vulkanland eine lange Tradition an non-formalen und informellen Bildungsangeboten. Nicht nur die Gemeinden selbst bieten Bildungsveranstaltung zu regionalen Themen vor Ort an, sondern auch Organisationen der Regionalentwicklung sowie die Sozialpartner. Um eine niederschwellige und lebensbegleitende Bildung in und über die Region zu ermöglichen, das Weiterbildungsbewusstsein sowie die Weiterbildungsbeteiligung zu erhöhen, werden bestehende sowie auch neue Bildungsangebote in einer zwölfteiligen Bildungsreihe zusammengefasst und allen SüdoststeiererInnen kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Inhalte der Bildungsreihe orientieren sich an den sieben Zukunftsthemen der Region, die auch in der RES (Regionalen Entwicklungsstrategie) verankert sind. Grundlegend dabei ist, dass diese Lernformate Wissensvermittlung erlebnisorientiert praktizieren, wie beispielsweise in Form einer Wanderung oder einer Verkostung von regionalen Produkten, die mit Informationen zu Potenzialen der regionalen Landwirtschaft vor Ort in den Betrieben angeboten werden. Damit soll es gelingen, auch bildungsbenachteiligte Personen anzusprechen, Barrieren abzubauen und einen positiven Zugang zu Bildungsangeboten der Region zu schaffen. Als „Anreizsystem“ fungiert ein Bildungspass, der nach Vorbild verschiedener Eltern-Kind-Bildungsangebote der Gemeinden entwickelt wird, um die Beteiligung an den Veranstaltungen zu erhöhen. Besuchen die TeilnehmerInnen mehr als sechs Veranstaltungen, können sie an einem Gewinnspiel mit regionalen Preisen teilnehmen. Evaluierungen der Eltern-Kind-Bildungspässe zeigen, dass mit diesem „Anreizsystem“ Mütter und Väter erreicht werden, die diese Angebote in den Gemeinden in der Regel nicht in Anspruch nehmen. Die Motivation zur Bildungsbeteiligung sowie die Vernetzung untereinander und der gemeinschaftliche Zusammenhalt vor Ort werden damit gefördert. Ein weiterer Fokus des Projekts wird auf das Thema Gleichstellung gelegt: Die Ergebnisse des bereits abgeschlossenen Projekts „Frauen.Kraft“ verdeutlichen den Bedarf, diesen Themenbereich weiterhin aufzugreifen, um die Lebensqualität von Frauen und Männern in der Region zu verbessern. Im Rahmen von sechs Netzwerktreffen werden nach einem inhaltlichen Impuls, Themen wie Frauen im ländlichen Raum, in der Politik oder in der Landwirtschaft gemeinsam mit den TeilnehmerInnen diskutiert und mögliche Handlungsansätze in der Region eruiert. Unter anderem wird im Zuge der Netzwerktreffen auch ein Konzept für Gemeinden entworfen, welches mögliche Maßnahmen zur besseren Integration von Zu- und Rückziehenden auf kommunaler Ebene beinhaltet. Eine weitere Aktivität des Projekts ist es, Bewusstsein für die Themen „lebensbegleitende Bildung“ und „Gleichstellung“ zu schaffen. In kurzen Filmsequenzen, in denen Role-Models der Region über ihre Lebensentwürfe sprechen, können junge Menschen die Diversität von weiblichen Lebensmodellen in ländlichen Regionen kennenlernen.
Als Erfolgsfaktoren der Bildungsreihe „Leben & Lernen in der Südoststeiermark“ sind vor allem die Kooperationsbereitschaft der regionalen AkteurInnen, die große Vielfalt an bereits vorhanden Bildungsinitiativen sowie die Diversität der angebotenen Bildungsformate zu nennen. Die Herausforderungen liegen in der Bildungsbeteiligung der SüdoststeirerInnen über die eigenen Gemeindegrenzen hinweg sowie darin, eine nachhaltige Umsetzung der Bildungsreihe und der Netzwerktreffen sicherzustellen. Denn Ziel ist es, dass die Bildungsreihe jährlich wiederholt wird und dass die Netzwerktreffen auf Initiative von engagierten BürgerInnen fortgeführt werden.
WEITERplusBILDUNG – die Weiterbildungsmesse für Erwachsene in der Südoststeiermark
2021 wurde erstmalig in der Steiermark eine Messe rund um das Thema Weiterbildung für Erwachsene in der Region „Südoststeiermark. Steirisches Vulkanland“ durchgeführt. Vorbild ist dabei das seit Jahren bestehende Format der AK Oberösterreich „Weiter mit Bildung“. Zur Ausgangslage: In der Region hat sich die Messe für „Bildung & Beruf“ mit Fokus auf Jugendliche gut etabliert. Es wurden in den Vorjahren Aktivitäten gesetzt, um auch die Zielgruppe der Erwachsenen mit dem bestehenden Format zu erreichen. Jedoch wurde dieses Angebot kaum angenommen. Um die Zielgruppe der Erwachsenen in Phasen der beruflichen Um- oder Neuorientierung, Wiedereinstieg, Höherqualifizierung oder Weiterbildung zu erreichen, wurde ein eigenständiges Messeformat in Kooperation mit regionalen AkteurInnen erarbeitet. Dabei stehen die Sichtbarmachung von (über-)regionalen Angeboten der Erwachsenenbildung und der Bildungsberatung für Erwachsene, die Sensibilisierung für Weiterbildung in der Region sowie die Förderung der Vernetzung von regionalen AkteurInnen in der Erwachsenenbildung im Vordergrund. Aufgrund der Covid-Situation wurde die Weiterbildungsmesse im März 2021 als Online-Format umgesetzt. Trotz der Einschränkungen waren die Formate und Angebote vielfältig: eine neue Online-Plattform mit Informationen zu allen regionalen Weiterbildungs- und Beratungseinrichtungen, ein Impulsvortrag sowie Webinare rund um Arbeitsmarkt, Weiterbildung, Fördermöglichkeiten, Online-Beratungen innerhalb der Messetage sowie eine Bildungszeitung, die alle Haushalte der Südoststeiermark erreichte. Ab 2022 wird die Messe als Präsenzformat mit den regionalen AnbieterInnen umgesetzt. Neben den regionalen Erwachsenenbildungsangeboten, werden, in Abstimmung mit dem regionalen Bedarf, auch überregionale AnbieterInnen eingeladen. Angebote vor Ort werden damit aufgezeigt und die regionale Weiterbildungsbeteiligung erhöht, wodurch auch lange Pendelwege zu urbanen Bildungsangeboten wegfallen. Das Angebot der Weiterbildungsmesse stärkt auch die Maßnahmenumsetzung der steirischen Strategie, die Bildung und Berufsorientierung als Schlüsselthemen der Arbeit in ländlichen Regionen postulieren. Ein besonderer Mehrwert der Messe ist die Vernetzung der AnbieterInnen von Erwachsenenbildung. Im Vergleich zu den Pflicht- und Bundesschulen, wo es eine regionale Qualitätssteuerung durch die Bildungsregionen gibt, gibt es im Bereich der Erwachsenenbildung keine regionale Struktur der Zusammenarbeit bzw. Vernetzung. Ein gemeinsamer Austausch bzw. eine Abstimmung soll durch die Umsetzung der Messe gefördert und damit ein regionales Netzwerk der Erwachsenenbildung aufgebaut werden. Eine Herausforderung wird es in Zukunft sein, dass sich das Angebot einer Weiterbildungsmesse in der Region etabliert und von der Bevölkerung angenommen wird. Die Erfahrungen aus Oberösterreich zeigen, dass dieser Prozess mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Da in der gesamten Steiermark ein Bedarf besteht, Bildungs- und Berufsorientierung im Erwachsenenalter zu forcieren, planen auch weitere steirische Regionen Angebote für die Zielgruppe der Erwachsenen umzusetzen. Hier kann die Messe in der Südoststeiermark als Pilotprojekt fungieren und damit Herausforderungen und Gelingensbedingungen für die Umsetzung solcher Formate an weitere Regionen übertragen werden.
DorfUni
Eine weitere Initiative in der Region, die Weiterbildung vor Ort und regionale Entwicklung verbindet, ist die sogenannte „DorfUni“. Initiator ist Mag. Franz Nahrada mit dem Verein „GIVE Forschungsgesellschaft – Labor für globale Dörfer“. Ziel ist es, ein Netzwerk an Gemeinden bzw. Bildungsräumen zu schaffen, das miteinander lernt, um den ländlichen Raum zu gestalten und zu stärken. Indem die Lebensqualität vor Ort durch eine vielfältige Bildungslandschaft verbessert wird, wird die Abwanderung von jungen Menschen reduziert und Zuzug gefördert. Befragungen in der Region bestätigen, dass ein Hauptgrund des Wegzugs aus der Region die Inanspruchnahme von Bildungsangeboten im urbanen Raum ist. Genau hier setzt die Initiative an: Urbane, aber auch regionale Bildungsangebote werden mit Hilfe von Videokommunikation in die Kommunen geholt und damit Impulse für eine gemeinsame und nachhaltige Entwicklung vorangetrieben. Die Struktur der DorfUni ermöglicht es, dass Menschen zur selben Zeit, über dasselbe Thema, an unterschiedlichen Orten diskutieren und an die Region angepasste Lösungsansätze finden. Diese „virtuelle Akademie“ kreiert Begegnungsräume, in denen sich die digitalen und analogen Möglichkeiten gegenseitig ergänzen. Dieses gemeinsame Lernen fördert gemeinsames Handeln und partizipative Prozesse, wertet ländliche Lebensräume kulturell und intellektuell auf, ermutigt zu eigenständigem Experiment, Entwicklung und Wissensweitergabe in nachhaltiger Produktion und Lebensraumgestaltung. Die Inhalte orientieren sich an den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und reichen von Hausbau, Umgang mit Sonne, Wind, Boden und Wasser, Lösung von Konflikten und speziellen sozialen Bedürfnissen, Fragen von Gesundheit und Krankheit, neuen dezentralen Produktionsmöglichkeiten bis hin zu Fragen der Kultur als Quelle von kreativer Lebensraumgestaltung. (Vgl. DorfUni: 2021, o. S.). In einem ersten Schritt wird die DorfUni, die im Jahr 2020 startete, in Pilotgemeinden bzw. -orten umgesetzt, die dann als Modelle für weitere Gemeinden fungieren. Zur Etablierung dieser Kompetenzzentren in den Dörfern wird ein Kooperationsnetzwerk von Erwachsenenbildungseinrichtungen, Hochschulen, Themenverantwortlichen in den Gemeinden, AkteurInnen der Regionalentwicklung und weiteren lokalen Stakeholdern aufgebaut. Ein bestehender Bildungsort wie ein Schulzentrum kann dabei als Bildungscampus für verschiedene Bildungsangebote der KooperationspartnerInnen genutzt werden. Grundvoraussetzungen für die Herstellung von digitalen Brücken, um externe Wissensquellen in die lokalen Bildungszentren zu holen, sind nicht nur das entsprechende technische Equipment, sondern vor allem eine adäquate Breitband-Infrastruktur in ländlichen Regionen. Hier gilt es, einen koordinierten Ausbau auf Regions-, Landes- und Bundesebene voranzutreiben, um die digitale Anbindung im ländlichen Raum sicherzustellen. Eine weitere Herausforderung stellt die Etablierung von Bildungsteams in den Gemeinden dar. Eine Umsetzung ist zumeist an das Engagement von (ehrenamtlichen) Personen in der Gemeinde geknüpft. Aus diesem Grund ist es wesentlich, den Mehrwert der Bildung vor Ort aufzuzeigen und Bewusstsein bei kommunalen Themenbeauftragten sowie auch bei den BürgerInnen zu schaffen, damit die Angebote schlussendlich auch angenommen werden.
Die Praxisbeispiele der Südoststeiermark zeigen auf, wie vielfältig die Ansätze sind, um Bildung in der Entwicklung von ländlichen Regionen zu forcieren. Allen angeführten Initiativen ist gemein, dass die Kooperation verschiedener AkteurInnen über die Gemeindegrenzen hinweg und die Nutzung vorhandener Angebote und Potenziale sowie die Kommunikation der regionalen Chancen im Vordergrund stehen. Dabei wird ersichtlich, dass Regionalentwicklungsorganisationen wie die Regionalmanagements der steirischen Region eine wichtige Rolle in der strategisch ausgerichteten Netzwerkarbeit im Bildungsbereich einnehmen, um eine vielfältige Bildungslandschaft für die BürgerInnen zu fördern und damit auch die Lebensqualität vor Ort sowie die Zukunftsfähigkeit einer Region zu sichern. //
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