Norbert Kutalek (1933-2014)

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Prof. Dr. Norbert Kutalek, Dr. Kurt Scholz
© Dr. Paul Kral

Am 5. Oktober 2014 verstarb im 82. Lebensjahr der Bildungssoziologe und Mitbegründer der Pädagogischen Soziologie in Österreich, Prof. Dr. Norbert Kutalek. Kutalek war lange Jahre in der Erwachsenenbildung tätig und hat die erste österreichische empirische Studie zur Erwachsenenbildung verfasst, in der eine Kursprogrammanalyse und eine Teilnehmer/innen-Analyse durchgeführt und das Einzugsgebiet der Wiener Volkshochschulen untersucht wird. Diese Studie und ihre Ergebnisse sind auch heute noch, mehr als 40 Jahre nach Ihrem Erscheinen, nicht nur bloß lesenswert, sondern gut für weitere Analysen verwendbar.1

Kutalek war nach dem Besuch der Bundes-Lehrerbildungsanstalt Erzieher in einem Kinderheim und anschließend zehn Jahre lang Lehrer an Volks- und Hauptschulen in Wien und unterrichtete nebenberuflich in den Wiener Volkshochschulen, unter anderem in der Lebensschule und zu politischer Bildung (siehe Kurs- und Vortragsdatenbank des Österreichischen Volkshochschularchivs). Daneben studierte Kutalek Anthropologie, Psychologie und Philosophie an der Universität Wien und promovierte 1961 zum Dr. phil. In den Jahren 1963 bis 1964 war Norbert Kutalek Pädagogischer Referent des Verbandes Wiener Volksbildung.

1965 legte er die Lehramtsprüfung an Lehrerbildungsanstalten (LBA) ab und unterrichtete auch Pädagogik an der LBA. Von 1966 bis 1993 war Kutalek Professor für Pädagogische Soziologie und Politische Bildung an der Pädagogischen Akademie des Bundes in Wien (heute: Pädagogische Hochschule). Von 1986 bis 1993 leitete er die Sozialakademie der Arbeiterkammer Wien, nachdem er ein Jahr zuvor ein neues pädagogisches Konzept entwickelt hat.

1967 erhielt Kutalek den Förderungspreis für Volksbildung (heute: Staatspreis für Erwachsenenbildung), 1970 den Förderungspreis der Stadt Wien für wissenschaftliche Leistungen und 1994 den Josef-Luitpold-Stern-Preis des ÖGB und der AK für Erwachsenenbildung.

In den Zeiten der Bildungsreform unter Minister Sinowatz war Kutalek die Leitfigur für eine fortschriftliche Bildungspolitik. 1976 war er einer der Begründer der seither erscheinenden pädagogischen Taschenbuchreihe Schulheft, viele Jahre war Kutalek Mitglied des Redaktionskomitees.

Norbert Kutalek ist vor allem durch seine Arbeiten im schulischen Bereich bekannt, er hat aber ebenso wichtige Beiträge für die Erwachsenenbildung geleistet. Die erwähnte empirische Studie über die Wiener Volkshochschulen war eine wichtige Grundlage für die weitere Arbeit der Volkshochschulen in Wien und mit der Umsetzung seiner Erkenntnisse hat Kutalek einen Beitrag zur Erfolgsgeschichte der Wiener VHS geleistet. Das neue pädagogische Konzept von Kutalek für die Sozialakademie hat zu einer Änderung der Prüfungssystematik geführt. Die Aufnahmeprüfung wurde durch eine „Reflexion über den vorhandenen Kenntnisstand“ ersetzt, die Abschlussprüfung fand „in Form einer sektorenübergreifenden Projektarbeit“ statt und wurde in Teamarbeit durchführt.2

Norbert Kutalek hat sich Zeit seines Lebens gegen Benachteiligungen eingesetzt. Bereits sehr früh, in den 1960er-Jahren, hat Kutalek den empirischen Nachweis geliefert, dass bei „gleichem Intelligenzquotienten die Bildungsabschlüsse je nach sozialer Schichtzugehörigkeit sehr stark differenzieren“ (Falter Nr. 42/13, S. 20).

Kutalek hat beständig in Erinnerung gerufen, welches progressive Erbe Österreich in der Bildungspolitik aufzuweisen hat. „Wider den Alzheimer in der Bildungspolitik“ titelt die Wiener Zeitung „Falter“ den 2013 erschienen Bericht zum Erscheinen des Bandes Norbert Kutalek: Spuren und Positionen linker Bildung. //

1  Kutalek Norbert (1969): Die Wiener Volkshochschulen. Kursprogramm, Kurzbesucher und Einzugsgebiet. Ein empirischer Beitrag zur Soziologie der Erwachsenenbildung. In: Norbert Kutalek, Hans Fellinger: Zur Wiener Volksbildung. Wien-München: Jugend & Volk.

2  Haberzettl Wilhelm (2013): Erwachsenenbildung im Interesse der Arbeitnehmer. In: Norbert Kutalek: Spuren und Positionen linker Bildung. Herausgegeben von Oskar Achs. Berlin-Münster-Wien-Zürich: Lit-Verlag. S. 175 f.

Bisovsky, Gerhard (2014): Norbert Kutalek (1933-2014). In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Dezember 2014, Heft 254/65. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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