Die Methode des „Kooperativen Lernens“ fördert die unterschiedlichsten personalen, sozialen und interkulturellen Kompetenzen und eignet sich als Herangehensweise in diversen Unterrichtskontexten und Settings, vom Sprachunterricht bis hin zur politischen Bildung. So werden nicht nur sachliche Inhalte vermittelt,
sondern die Lernenden schaffen gleichzeitig ein Miteinander, das zum positiven Lernklima und zum Angstabbau beiträgt. Durch die unterschiedlichen Settings und Aufgaben werden die TeilnehmerInnen ermutigt, sich kritisch und dialogisch mit neuen Inhalten auseinanderzusetzen. So können Lerninhalte nachhaltig erfasst, verarbeitet und integriert, als auch in die Praxis transferiert werden.
Die Methode versteht sich als Gesamtkonzept für erfolgreiches Unterrichten und ist somit mehr als eine Form von Gruppenunterricht, wie oft fälschlich angenommen. Die einzelnen Unterrichtsformen – wie Einzelarbeit, Kooperation, Ergebnispräsentation und Unterrichtenden-Input – stehen miteinander in einem ausgewogenen Wechselspiel und fördern so individuelles und kooperatives Lernen. Dadurch kann es besser gelingen, dass sowohl die Voraussetzungen, Bedürfnisse und Ziele der Einzelnen als auch gemeinsame Gruppeninteressen und -ziele berücksichtigt werden.
Beim Konzipieren einer Unterrichtseinheit bewährt es sich, im Viererschritt „Denken – Austauschen – Präsentieren – Festigen“ vorzugehen.
So wird in einem ersten Schritt zunächst (kurz) in Einzelarbeit gearbeitet. Die Konzentration auf sich selbst ermöglicht es den TeilnehmerInnen, ihre eigenen mentalen Wissensnetze abzurufen und so Vorwissen oder sogenanntes träges Wissen zu aktivieren. Gleichzeitig können sie neue Informationen mit ihren bisherigen Kenntnissen verknüpfen und eigene Lösungen finden. Diese Gedanken und Überlegungen sollten auch möglichst schriftlich festgehalten werden, wodurch Gedankengänge noch klarer werden und gleichzeitig die individuelle Verantwortung für die Produktion von Eigenständigem stärker spürbar wird.
In einem zweiten Schritt, der Kooperationsphase, erhält zunächst jede/jeder die Chance, den anderen seine/ihre individuellen Wissensnetze mitzuteilen. Die Herausforderung liegt vor allem darin, diese so zu formulieren, dass die Überlegungen für andere nachvollziehbar dargestellt werden. Unklarheiten und Widersprüche werden durch Rückmeldungen oder Fragen rasch sichtbar. Sie müssen ausverhandelt werden, damit sie zu gemeinsamen Wissenskonstruktionen zusammengeführt werden können und auch das individuelle Wissen hinterfragt, korrigiert und/oder ergänzt wird.
Die Diskussion in Kleingruppen unterstützt die direkte Interaktion aller TeilnehmerInnen. Das wirkt sich zumeist auch positiv auf die sozialen und personalen Kompetenzen wie Akzeptanz, Empathie, Flexibilität, Offenheit oder die Kommunikationsfähigkeit aus, die so auch gefördert werden.
Manchmal empfiehlt es sich, im Rahmen von längeren Aktivitäten bzw. Aktivitätsfolgen, bestimmte Rollen zu definieren. So werden zum Beispiel ZeitmanagerInnen, PlanerInnen, MaterialbeschafferInnen etc. nominiert, die so Verantwortung für einen klar definierten Bereich übernehmen und die Gelegenheit erhalten, Situationen aus unterschiedlichen Perspektiven zu erleben.
Im dritten Schritt werden die in der Gruppe erarbeiteten Ergebnisse im Plenum präsentiert. Hier gilt es, die wichtigsten Inhalte zusammenzufassen und mitzuteilen. Unstimmigkeiten können entweder sofort in einem fragend entwickelnden Unterrichtsgespräch aufgeklärt oder in einer weiteren Lernschleife an die Gruppen zurückgespielt werden. Das regt das eigenständige Erkennen von Fehlern oder Mängeln an und ermöglicht selbstbestimmtes Lernen.
Am Ende der Unterrichtseinheit erfolgt die Ergebnissicherung durch die Lehrperson. Lerninhalte werden mit dem allgemeinen Unterrichtsprozess und dem übergeordneten Thema verknüpft. Eigene Wissenskonstrukte können im Gesamtzusammenhang gesehen und in Folge noch besser abgerufen werden. Auf diese Weise kann der Lernzyklus geschlossen werden, bevor die Inhalte etwa im Rahmen einer weiteren Einheit nochmals aufgefrischt und/oder erweitert werden. Diese unterschiedlichen, daran anschließenden Lernanlässe sind notwendig, damit das neue Wissen auch transferiert und in der konkreten Praxis umgesetzt werden kann.
Grenzen und Herausforderungen
In den Aktivitäten dieser Methode nimmt die Lehrperson eine zentrale Stellung ein. Sie gibt den Rahmen vor, leitet die Aufgaben an, steuert und kontrolliert sie. Spontanität oder Eigeninitiativen der TeilnehmerInnen außerhalb des vorgegebenen Settings sind nicht bzw. kaum vorgesehen und können leicht zu Konflikten mit den Unterrichtenden oder innerhalb der Lerngruppe führen.
Gleichzeitig werden alle TeilnehmerInnen zur aktiven Partizipation aufgefordert. Das kann für sensible Personen, für Ältere oder Personen mit anderen Lernbiographien eine große Herausforderung darstellen oder ist manchmal auch (etwa nach einem intensiven Arbeitstag) schlichtweg anstrengend.
Da die einzelnen Aktivitäten genau getaktet sind (mit präzise vorgegebenen Zeitangaben), entsteht Zeitdruck, der von TeilnehmerInnen teils als unterstützend, teils aber auch als belastend erlebt wird und wie oben bereits angeführt, sehr wenig Spielraum lässt.
In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der Erfolg einer Aktivität sehr stark von der präzisen und verständlich formulierten Anleitung abhängt. So können unzureichende oder zu komplexe Arbeitsaufträge zu Verwirrung führen und wertvolle Ressourcen binden (etwa um herauszufinden, was der genaue Arbeitsauftrag ist oder wie viel Zeit zur Verfügung steht).
Die Lehrperson sollte daher vorab genau klären, wie und wann die Methode eingesetzt wird, ob sie den individuellen Lernhintergründen entspricht, beziehungsweise welche Adaptionen oder Vorinformationen angemessen erscheinen.
Weiterentwicklungen: in alle Richtungen offen
Die Methode „kooperatives Lernen“, die sich unter anderem auf die Arbeit von Philosophen und Psychologen wie John Dewey, Kurt Lewin oder Morton Deutsch beruft, wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren unter anderen von Spencer Kagan entwickelt und entspricht auch in Vielem den damals gegebenen Voraussetzungen und Möglichkeiten.
Heute steht uns nicht zuletzt dank digitaler Technik eine Vielzahl neuer Optionen offen und Lernprozesse können weit individueller und kreativer angestoßen, gestaltet und begleitet werden als das noch vor 15 oder 20 Jahren möglich war.
Ideen des miteinander und voneinander Lernens wurden und werden laufend auf unterschiedlichste Art und Weise weiterentwickelt und ausgebaut. So verwandeln etwa Methoden oder Ansätze wie „Art of Hosting“, (digi) Barcamps, (Sprach)Lerntandems oder „Dritter Ort“-TeilnehmerInnen in aktive „Teil-GeberInnen“. Die Grenzen zwischen Unterrichtenden und Unterrichteten verschwimmen. Lehrende werden immer mehr zu LernbegleiterInnen, ModeratorInnen oder Software-EntwicklerInnen in einem oft wechselseitigen, mehrdimensionalen Prozess.
Die Bindung an einen analogen Lernort oder das Einhalten fixer Unterrichtszeiten ist großteils nicht mehr gegeben und die Interaktionen gestalten sich immer flexibler, modularer und multimodaler.
Zuletzt lieferte das #ebcamp 2018 ein gelungenes Beispiel dafür, wie ErwachsenenbilderInnen aus ganz Österreich im Aushandlungsprozess spontan offen gestaltete Workshops initiierten. Sie organisierten sich größtenteils selbst, diskutierten miteinander, tauschten Erfahrungen und Wissen aus und hatten auch die Möglichkeit online mit ExpertInnen aus dem Ausland in Kontakt zu treten.
Der Dialog auf Augenhöhe und das Lernen von und miteinander in bisher wenig bewussten oder kaum genützten Möglichkeitsräumen haben noch vielgestaltiges Potenzial. Dieses könnte von einer emanzipatorisch denkenden und demokratiefördernden Erwachsenenbildung noch weit mehr aufgegriffen werden, als das bisher der Fall ist.
Kurzum: Es bleibt spannend und es ist noch gar nicht absehbar, wohin uns die neuen Möglichkeiten noch führen werden! //
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Post scriptum: die Autorin nahm 2018 an einer Erasmus+ Mobilität zum Thema „Verbleib im Kurs“ teil, wo das Thema Kooperatives Lernen als unterstützende Methode im Zentrum stand.
Zum Weiterlesen:
Kagan, Spencer & Kagan, Miguel (2009): Kagan Cooperative Learning. San Clemente: Kagan Publishing.
Klaus, Konrad & Traub, Silke (2016): Kooperatives Lernen. Theorie und Praxis in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung. Hohengehren: Schneider Verlag.
https://medienpad.de/p/ebcamp18_1D [14.12.2018].
https://allesauszucker.wordpress.com/# [14.12.2018].
https://www.dritte-orte.de/ [14.12.2018].
https://medienpad.de/p/ebcamp18_1D [14.12.201
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