Was sind die unterschiedlichen Faktoren, die den Kursverbleib beeinflussen, und wie kann es Institutionen und Unterrichtenden gelingen, ein klareres Bild von der Thematik zu erhalten? Wo ist institutionelles oder pädagogisches Veränderungspotenzial gefragt, und wo kann eine Entlastung der Institution und/oder der Unterrichtenden stattfinden, da der Abbruch primär aufgrund sozialer oder teilnehmerInnenabhängiger Motive erfolgt?
Der folgende Artikel widmet sich diesen bisher weder empirisch noch theoretisch ausreichend erforschten Fragestellungen. Er zeigt mögliche Hintergründe und deren komplexes Zusammenspiel auf und hinterfragt, inwieweit in der Erwachsenenbildung überhaupt von Drop-out gesprochen werden kann.
Als Unterrichtende oder Kurs-PlanerInnen stellen wir uns häufig die Frage: „Was ist aus Teilnehmerin X geworden?“, „Warum kommt Teilnehmer Z nicht mehr in den Kurs? oder „War die Kursprogression zu schnell für Herrn Y?“
Trotz seiner Brisanz für den Kursalltag zählt der vorzeitige Kursabbruch zu den am wenigsten beforschten Themen der Erwachsenenbildung. Häufig liegen keine vergleichbaren Zahlen vor und weder Institutionen noch Unterrichtende wissen, warum Personen dem Unterricht (plötzlich) fern bleiben. Diese Ungewissheit verunsichert sowohl hauptberufliche MitarbeiterInnen als auch die Lehrenden, da das eigene (Mit-)Verursachen nicht auszuschließen ist.
Im Rahmen der Qualitätssicherung beschäftigen sich Institutionen umfassend mit den möglichen Bedürfnissen und Bedarfen (potenzieller) neuer TeilnehmerInnen. Und auch in der Statistik wird das Augenmerk vor allem auf die Teilnahmen, jedoch kaum auf den frühzeitigen Kursabbruch und mögliche Beweggründe gerichtet, obgleich diese auch für das Entwickeln neuer Angebote und Kursformate von Relevanz wären.
Für den Professionalisierungsdiskurs der Unterrichtenden wären Rückmeldungen von KursabbrecherInnen förderlich, um den Unterricht entsprechend zu adaptieren. Kritische Momente könnten bereits in der Planung berücksichtigt und rechtzeitig angesprochen werden. Außerdem könnten Unterrichtende (und Hauptamtliche) emotional entlastet werden, wenn zum Beispiel abgeklärt werden kann, dass ein Abbruch durch eine Veränderung der persönlichen Lebenssituation oder eine Interessensverschiebung motiviert war.
Das Thema präsentiert sich nicht zuletzt sperrig, weil die Erwachsenenbildung keine einheitliche Definition des Begriffs „Dropout“ kennt. Laut Bernhard Schmidt-Hertha wird der Drop-out-Begriff in der Erwachsenenbildung sehr weit gefasst. Neben Kursabbrüchen beinhaltet er auch das Nichtzustandekommen von geplanten Weiterbildungsaktivitäten sowie die Nicht-Teilnahme bislang sehr bildungsaktiver Erwachsener. Außerdem zeichnet sich die Erwachsenenbildungslandschaft dadurch aus, dass sie äußerst heterogen und vielfältig ist; das gilt für TeilnehmerInnen, Angebote und Anbieter gleichermaßen. (Schmidt: 2011, 203).
Unterschiedliche Daten liegen beispielsweise vor, wenn ein zwei- bis dreijähriger Sprachkurs von A1-B2 mit einem Semesterkurs verglichen wird. Andere Zahlen werden erhoben, wenn die Buchung eines Folgekurses als Kriterium festgelegt wird oder der Kursabschluss etwa nur mit einer formellen Prüfung gewährleistet ist.
Da der organisierte Lernprozess Erwachsener vor allem die Form von „Brücken innerhalb beruflicher, sozialer, emotionaler oder privater Veränderungen bzw. von Veränderungswünschen“ hat (Egger: 2006, 149), stellt sich auch die prinzipielle Frage, ab wann und ob überhaupt von einem Ausstieg gesprochen werden kann. Die TeilnehmerInnen bestimmen in der Regel selbst, ob und wann sie eine Bildungsmaßnahme unterbrechen und ob sie etwa nach längerer Abstinenz wieder einsteigen. Individuelles, selbstgesteuertes Lernen genießt schließlich in der Erwachsenenbildung einen hohen Stellenwert.
Einigkeit besteht in der Forschung jedenfalls insofern, als das TeilnehmerInnen-Verhalten stark durch kursexterne, individuelle Motive geprägt sein kann, die sich kaum bis gar nicht durch das Kursmanagement oder die Unterrichtsgestaltung regulieren lassen. Im Fokus des vorliegenden Artikels stehen vor allem diese teilnehmerInnenspezifischen Gründe für ein mögliches Fernbleiben. Mögliche institutions- oder kursinterne Ursachen und entsprechende Maßnahmen von Seiten der Institution und/oder der Unterrichtenden werden in der Regel hinlänglich im Rahmen der Qualitätssicherung erforscht und finden hier nur kurz Erwähnung.
Lebensweltliche Parameter
Die familiäre Situation, Berufliches sowie der sozioökonomische Background wirken sich entscheidend auf das TeilnehmerInnen-Verhalten aus. Nicht nur Probleme, Unsicherheiten oder sonstige negative Einflussfaktoren, sondern auch positive Auslöser, wie etwa ein Karrieresprung oder die Geburt eines Kindes, können den persönlichen Habitus rund um den Kursbesuch nachhaltig beeinflussen.
Wie Schmidt-Hertha in seiner Analyse anführt, werden im Adult Education Survey von Rosenblad und Bilger gesundheitliche Gründe als häufigste Ursache für den Kursabbruch verantwortlich gemacht. (Schmidt: 2011, 209). Auch die Gesundheit der Angehörigen zählt – ähnlich wie Alter und Geschlecht – zu möglichen Indikatoren für spezielle Verhältnisse und mögliche Herausforderungen. Gleichzeitig ist nachweisbar, dass Empowerment und Unterstützung durch Familie und Freunde die Persönlichkeit stärken und die Resilienz erhöhen. (McGivney: 2003, 104).
Im engen Wechselspiel mit diesen Faktoren stehen zeitliche und finanzielle Ressourcen. Generell gilt, dass sozio-ökonomische Benachteiligung das Risiko eines frühzeitigen Kursabbruches erhöht. (McGivney: 2003, 98 f.). Gründe dafür finden sich unter Umständen auch beim mangelnden Zugang zu Ressourcen wie Büchern, Computern etc.
Im Adult Education Survey „Erwachsenenbildung in Österreich 2016/17“1 werden auch die Unvereinbarkeit der Ausbildung mit der Arbeitszeit und „keine Zeit aufgrund familiärer Verpflichtungen“ als wichtigste Bildungshindernisse genannt. Frauen werden immer noch überwiegend durch familiäre Verpflichtungen von einer Bildungsteilnahme (formal oder nicht-formal) abgehalten. Es ist zu vermuten, dass ähnliche Gründe auch zu vorzeitigen Kursabbrüchen führen. (AES: 2018, 40).
Wie Egger richtig anführt, prägt der soziale Background das Weiterbildungsverhalten entscheidend. „Hier zeigt sich immer wieder, dass neben den monetären Kosten auch noch ‚soziale Kosten‘ zu entrichten sind, die sich je nach Lebenslage in der Form der Reduktion von Familie, PartnerIn und Freizeit oder einfach nur dem Gefühl des Verlusts der Planbarkeit und Verfügbarkeit über seinen/ihren Tagesablauf ausdrucken.“ (Egger: 2006, 153).
Oben wurde bereits erwähnt, dass nicht nur negative Gründe ausschlaggebend sind. So können TeilnehmerInnen davon überzeugt sein, das für sie Nötige oder Entscheidende bereits gelernt zu haben – etwa, wenn sie eine Sprache in erster Linie auf einer Urlaubsreise anwenden wollen. Oder sie entscheiden sich, ihrem Leben eine neue Wendung zu geben und andere Prioritäten zu setzen. Der Wunsch nach Abwechslung oder Neuem ist vor allem bei langjährigen Lernprozessen, wie dem bereits mehrfach zitierten Fremdsprachenlernen, gut nachvollziehbar und könnte für Unterrichtende wie KursplanerInnen auch ein Indiz dafür sein, ab einer bestimmten Kursdauer neue Formate und/oder Kursinhalte anzudenken.
Laut AES war die Hauptmotivation der KursbesucherInnen „[…] an nicht-formalen Weiterbildungsaktivitäten de[r] Wunsch, Wissen und Fertigkeiten zu erlangen […]“. (AES: 2018, S. 28) Sobald eine Interessensverlagerung erfolgt, können die Beweggründe der Teilnahme wegfallen, sprich mögliche Motive können sehr raschen Veränderungen unterworfen sein.
„Sieht man beide Seiten (Bildungsmaßnahme und individuelle Interessen) als sich dynamisch entwickelnde und verändernde Faktoren, so wird die Übereinstimmung von Angebot und individueller Nachfrage zur Momentaufnahme und ein Dropout erscheint als eine mit Dauer und Intensität der Maßnahme an Wahrscheinlichkeit gewinnende Option. Berücksichtigt man ferner die der Interaktion der Teilnehmer untereinander und mit den Kursleitern inhärenten Konfliktrisiken, wäre die Frage nach den Ursachen für den Verbleib in der Maßnahme ebenso berechtigt.“ (Schmidt: 2011, 208).
Nicht zu unterschätzen ist auch die komplexe und vielfältige Interaktion mehrerer Faktoren. In einer von McGivney herangezogenen Studie von Beddow (1994) wird gut ersichtlich, dass die Mehrzahl der Kursabbrüche in Abendkursen der Erwachsenenbildung zwar aus persönlichen Gründen erfolgte, allerdings verschärft wurde durch die Bildungsinstitutionen, die in diesen Kursen mit hohen Dropout-Raten rechneten und daher die TeilnehmerInnen-Zahlen erhöhten. Dies führte wiederum zu Unzufriedenheit bei den TeilnehmerInnen, wodurch der vorzeitige Kursabbruch noch verstärkt wurde. (McGivney: 2003, 89).
Vorqualifikationen tragen in der Regel zum längeren Verbleib im Kurs bei. Das heißt, dass der so genannte Matthäus-Effekt auch in diesem Kontext relevant wird. Wenig überraschenderweise fällt es bildungsfernen Personen – ohne entsprechende Unterstützung – schwerer, einen Abschluss zu erzielen. Mangelnde Anschlussfähigkeit an das bisher Gelernte, sowie Gefühle der Unzulänglichkeit oder das Versagen bei früheren Anlässen führen häufig auch bei weiteren Anläufen zu negativen Ergebnissen. Frustrationserlebnisse in der Lernbiographie erzeugen „Narben“ mit negativen Gefühlen, Ängsten und Hemmungen. Sie erschweren den positiven Lernerfolg und verleiten vor allem zu Fehlervermeidungsstrategien (wenn sie nicht zum völligen Abbruch führen). (Egger: 2006, 150).
Wie oben bereits angedeutet, lässt sich das TeilnehmerInnen-Verhalten vielfach auch auf soziale und/oder kulturelle Differenzen zurückführen. TeilnehmerInnen orientieren sich in erster Linie an bisher gewohnten Lernumgebungen oder -settings (etwa klassisch frontal und nicht interaktiv sozial). So fehlt Personen mit anderen kulturellen Hintergründen (wie etwa Personen aus dem Arbeitermilieu oder Menschen mit Migrationshintergrund) möglicherweise das Verständnis für mittelschichttypische Lernsettings. Wie Paul Willis in einer mehrjährigen Studie einer Gruppe von Arbeiterjungen in Großbritannien beobachten konnte, widersetzten sie sich sehr stark einer Akkulturierung ins Milieu der Mittelschicht, da diese für sie keine relevanten Werte, Ziele und Habitusstrukturen transportierte. (Willis: 1979, 14).
Ähnlich wie im schulischen Kontext ist auch die Erwachsenenbildung noch immer von einem relativ einheitlichen, wenig hinterfragten Wertekanon dominiert, der dazu führen kann, dass sich Menschen in diesem Umfeld fremd fühlen. Die kulturelle Distanz zum Bildungsinstitut kann sich etwa durch „falsche“ Kleidung, Bildungserfahrungen, Ausdrucksformen sowie Verhaltensweisen äußern, die zu einem Unwohlfühlen in der Institution und im Kursraum beitragen und einen frühzeitigen Abbruch herbeiführen.
Wenig Literatur fand sich zum Thema Alter und zu einem möglichen geschlechterspezifischen Verhalten. Untersuchungen aus den 1990er-Jahren in Großbritannien orten etwa eine Tendenz, dass ältere Lernende in der Erwachsenenbildung eher einen Kurs abschließen als ihre jüngeren KollegInnen:
„In adult education, several investigations have found that younger students are more likely than older ones to leave courses before completion. A study of adult classes at Luton College of Higher Education (Hibbett 1986) suggested that increasing age meant increased livelihood of completing. […] In the 1994 MORI poll conducted for NIACE, younger people were considerably more likely to admit to giving up courses than older age groups.“ (McGivney: 2003, 69).
Ebenso scheinen Frauen tendenziell mehr Durchhaltevermögen aufzuweisen als Männer, obgleich sie etwa immer wieder Betreuungspflichten nachkommen müssen. (McGivney: 2003, 70 f.). Und die Resonanz innerhalb der jeweiligen Kursgruppe sollte nicht unterschätzt werden. So zeigte eine kleinere Studie, dass Männer reine Männer-Gruppen zu favorisieren scheinen, Frauen hingegen gemischte Gruppen. (McGivney: 2003, 72). Hierzu passt auch ein Ergebnis des AES:
„Einen deutlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern gab es beim Beweggrund »Um Leute kennenzulernen/aus Spaß«. Er war für 58,5 % der Frauen bei ihrer Entscheidung für eine Weiterbildungsaktivität relevant, aber nur für 46,9 % der Männer. Männer (41,8 %) besuchten eher als Frauen (29,7%) Weiterbildungsaktivitäten aufgrund organisatorischer/technischer Veränderungen am Arbeitsplatz.“ (AES: 2018, 28).
Reagieren, aber wie? Handlungsspielraum für Institutionen und Unterrichtende
Wenn von institutionell beeinflussbaren Faktoren gesprochen wird, ist zunächst zwischen dem Unterrichtsgeschehen und den damit verbundenen didaktisch-methodischen Anforderungen einerseits, und der Struktur und Beschaffenheit der Bildungsangebote andererseits, also der allgemeinen Organisation, sehr klar zu unterscheiden. Zudem sollten auch Faktoren wie Verbindlichkeit, beziehungsweise Abschlussorientiertheit oder Relevanz für den Beruf in die nähere Betrachtung einbezogen werden.
Auch zwischen den Fachbereichen oder den Formaten2 scheinen große Unterschiede erkennbar. In den MINT-Fächern3 präsentieren sich die Verbleibzahlen generell schlechter als in den Sozialwissenschaften oder im berufsbildenden Zweig. (McGivney: 2003, 62). In Online-Kursen sind die Dropout-Raten im Allgemeinen höher als in Präsenzformaten. Zusätzlich ist die Verbindlichkeit in abschlussorientierten Kursen oder Lehrgängen in der Regel höher.
Rudolf Egger betont, dass die „Bindung an die Bildungsmaßnahme dann am höchsten ist, wenn der Grad der Freiwilligkeit hoch und wenn das Gefühl der Selbstbestimmung einen Rahmen für diese […] Bildungsarbeit entstehen lässt“. (Egger: 2006, 152). Das deckt sich mit Untersuchungen aus der Selbstbestimmungstheorie zum Lernverhalten von älteren Personen, wo sich Autonomie, Kompetenz und Beziehung entschieden für den Kursverbleib verantwortlich zeichneten. (Edlinger: 2016, 110–112).
Neben dem persönlichen und/oder beruflichen Mehrwert prägen gesetzliche Vorgaben das Teilnahmeverhalten entscheidend. Verpflichtende Deutsch-Integrations- und Basisbildungskurse stellen einen sehr speziellen Bereich dar. Der Kursabbruch ist in diesem Setting häufig mit massiven finanziellen und persönlichen Konsequenzen verbunden. Die „Symptome“ im Vorfeld des Abbruchs ähneln allerdings Tendenzen in anderen Maßnahmen: So kommt es zunächst etwa zu unregelmäßigem Kursbesuch, dann zu Lücken, die nur noch mit großem Mehraufwand geschlossen werden könnten und in Folge zum Aufgeben. Die Evaluation „Bildung für junge Flüchtlinge“ scheint eines der wenigen aktuellen Beispiele für näher erfasstes Dropout-Verhalten. So zeigte sich, dass 10,3 Prozent die Kursmaßnahme vorzeitig verließen. Bei 41,2 Prozent sind die Motive mit dem Übertritt in weiterführende Bildungsangebote oder der Annahme einer Lehrstelle vornehmlich positiv zu bewerten. Abschiebung, Quartierwechsel oder mangelnde Mobilität sind mit 15,9 Prozent zumeist nicht selbst verursacht. 41,6 Prozent der Austritte erfolgten aus persönlichen Gründen, und wie angeführt wird „mangelnder Motivation und Fernbleiben, disziplinären Problemen und kulturellen Barrieren“. Leider fehlen speziell zu diesem letzten Punkt genauere Informationen. (Steiner, Egger-Steiner & Baumegger: 2018, 29 f.).
Auch im zweiten Bildungsweg beziehungsweise speziell in der Basisbildung gelten besondere Bedingungen. Wie Sanders (McGivney: 2003, 77) anführt, spielen hier Faktoren wie ein TrainerInnen-Wechsel, Einstellungen des/der Unterrichtenden, mangelndes Selbstvertrauen und entsprechend langsames Vorankommen eine noch gravierendere Rolle als in anderen Kursen. Zugleich stehen berufsbezogene Gründe oder häusliche Probleme bei dieser eher lernungewohnten Gruppe häufig im Mittelpunkt. Und wie Kathriona McHugh in ihrem Artikel zu den Bedürfnissen dieser Zielgruppe anführt, müssten Fragen der mentalen Gesundheit ebenfalls im Rahmen der Kurse verstärkt in den Fokus gerückt werden. (McHugh: 2015, 61).
Sie beruft sich in ihrer Forderung auf Berichte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Europäischen Kommission. Erstere prognostizierte bereits 2012, dass depressive Verstimmungen im Jahr 2030 das größte Gesundheitsproblem darstellen könnten und dass dann 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen von mentalen Krankheiten betroffen sein könnten. Auch die Europäische Kommission berichtete bereits 2012, dass psychische Krankheiten bei Schulkindern zunehmen würden. (McHugh: 2015, 63).
Um einen erfolgreichen Lernprozess zu ermöglichen, appelliert McHugh für eine besonders wertschätzende, fürsorgliche („caring“) und unterstützende Lernumgebung. Am Beispiel eines irischen Jugendprogrammes zeigt sie auf, wie der Fokus auf die persönliche Entwicklung der TeilnehmerInnen, deren Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl gelegt wird. Auch Egger appelliert im Rahmen des zweiten Bildungsweges dafür, „[…] ein Klima der Geborgenheit, des Schutzes und der Wohlberatenheit zu erzeugen, was sich wiederum in der Bereitschaft zum gegenseitigen Verständnis niederschlägt“. (Egger: 2006, 155).
SchulabbrecherInnen sind häufig mit sozialer Ausgrenzung, Ablehnung durch Gleichaltrige, Armut, Isolation und geringem familiären Rückhalt konfrontiert. Sie zeigen sehr viel Skepsis gegenüber einer hegemonialen Kultur, in der verallgemeinerte Partikularinteressen dominieren und in der sie mit ihren Interessen und Bedürfnissen kaum wahrgenommen werden. In der Arbeit mit diesen Personen muss somit der Schwerpunkt auf dem Lernprozess, einer offenen Haltung und pluralistischen Ansätzen liegen, die im dialogischen Prinzip erschlossen werden. Formelle und verpflichtende Prüfungen sowie Leistungsdruck aufgrund der Forderung nach messbaren Outputs und quantifizierbaren Wirkungsnachweisen können in diesem Kontext wertvolle Lernerfahrungen rasch zunichtemachen. (Egger: 2006, 150).
Aber auch in anderen Angeboten, wie etwa in Sprachkursen, können emotionale Gründe die Ursache für einen frühzeitigen Abbruch darstellen. Einer Studie zufolge scheinen 90 Prozent der TeilnehmerInnen zu fürchten, dass sie dem Unterricht nicht mehr folgen können, wenn sie eine Stunde versäumen. Diese Ängste konnten auch nicht beseitigt werden, als entsprechende Unterlagen und Informationen zur Verfügung gestellt wurden. (McGivney: 2003, 89 und ähnliche Berichte aus dem VHS-Alltag etwa der VHS Linz, die deshalb eigens einen Moodle-Kurs zur Verfügung stellte.).
Das ist nicht allzu verwunderlich, da Emotionen und Stimmungen zu einem Gutteil unser gesamtes menschliches Verhalten prägen. Wenn wir uns als Lernende mit der Institution identifizieren, beziehungsweise wenn wir uns als Teil der Lerngruppe, von den anderen Teilnehmenden und der Kursleitung angenommen fühlen, steigt der Wohlfühl- und Zugehörigkeitsfaktor (im Englischen wird vom „sense of belonging“ gesprochen). Eine gesunde Gruppendynamik innerhalb der Kursgruppe fördert diesen Zusammenhalt.
Aber auch so simple Marketinggags, wie werbewirksame kleine Gadgets, Kugelschreiber oder Stofftaschen etc., dienen dazu, die Verbundenheit mit dem Veranstalter zu fördern und so den Verbleib im Kurs und in der Institution positiv zu beeinflussen, und dürfen somit auch nicht ganz außer Acht gelassen werden.
Methodisch-Didaktisches
Um genauer auf methodisch-didaktische Potenziale einzugehen, die den Verbleib im Kurs positiv unterstützen können, ist der Umfang dieses Artikels zu knapp gefasst. Auch die äußerst wichtige Rolle der Motivation (sowohl der Eigen- als auch der Fremdmotivation) und das Eingehen auf unterschiedliche Lerntypen sollen hier nicht näher beleuchtet werden. Dazu wurde in unterschiedlichsten Aspekten sehr viel geforscht und geschrieben, was den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.
Erwähnung soll nur noch ein möglicherweise wenig beachteter Faktor bei der Kursevaluation finden. Viele TeilnehmerInnen-Befragungen werden vor allem in schriftlicher Form mit standardisierten Fragebögen und geschlossenen Fragen durchgeführt. Diesen Evaluationsbögen ist mit einiger Vorsicht zu begegnen, da sie speziell in puncto Lehr-Lern-Situation leicht zu falschen Ergebnissen beziehungsweise zu Fehleinschätzungen der Situation führen können.
Wie Nuissl und Sutter bereits 1979 feststellten, können die Lernenden mit der Bewertung der Angebote beziehungsweise der Unterrichtenden häufig überfordert sein. Schmidt hebt hervor, dass es bei der Analyse standardisierter TeilnehmerInnen-Befragungen zu falschen Schlüssen kommen kann, wenn sich die Fragen primär auf das Kursgeschehen beziehen. So erhalten die Befragten im standardisierten Bogen häufig keine Möglichkeit, externe, persönliche Begründungen anzukreuzen oder selbst anzuführen. Somit wird nur ein Teilaspekt erhoben und wissenswerte Beweggründe bleiben unerwähnt. (Schmidt: 2011, 209).
Zusammenfassend kann nochmals betont werden, dass der Begriff „Drop-out“ in der Erwachsenenbildung viel vorsichtiger verwendet werden sollte, als das etwa im Kontext der Schule der Fall ist. Erwachsene TeilnehmerInnen bestimmen selbst ihr Lernverhalten und entscheiden selbst über den Verbleib in Kursmaßnahmen. Der frühzeitige Kursabbruch erscheint vor allem problematisch, wenn ein vorhandenes Weiterbildungsinteresse aus persönlichen, sozialen und/oder kursimmanenten Gründen nicht weiter realisiert werden kann und/oder wenn damit ein grundsätzlicher Rückzug aus dem System Weiterbildung eingeleitet wird.
Prinzipiell wurde dem Themenbereich „Dropout – Kursverbleib“ bisher in Forschung und Praxis zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Daran knüpft sich die Forderung, dass er als eine zentrale Fragestellung der Erwachsenenbildung gesehen werden sollte. Auch das Zusammenspiel der diversen Einflussfaktoren auf das Abbruchverhalten ist bisher weder empirisch noch theoretisch ausreichend geklärt. In diesem Zusammenhang kann noch auf ein aktuelles Forschungsprojekt der Universität Tübingen verwiesen werden, das in den nächsten Jahren spannende Erkenntnisse liefern könnte.4 //
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