Am Anfang war eine Supernova – ein Stern implodierte. Aus der dabei entstandenen Gaswolke ging nach Jahrmillionen unser Sonnensystem hervor. Genau genommen war es nicht der Anfang von allem. Es handelt sich um den Anfang, den der britische Paläontologe, Evolutionsbiologe und Wissenschaftsjournalist Henry Gee für seine Zeitreise gewählt hat.
Vor etwa 4,6 Milliarden Jahren hatten sich Mond und Erde bereits geformt. Letztere, mit einer Oberfläche aus glühender, flüssiger Lava, kühlte über Millionen Jahre hin ab. Der entstandene Wasserdampf verwandelte als Regen die Erde in eine Wasserwelt. Der Erdkern aus flüssigem Metall trieb und treibt durch die aufsteigende Wärme die Oberfläche in Einzelteile – die tektonischen Platten – auseinander, saugt sie ein und speit sie vulkanisch wieder aus.
In den Tiefen des Meeres entstanden „als schleimige Membrane“ die ersten Lebensformen. Sie leisteten der Entropie, der Tendenz zu Auflösung und Unordnung, durch Zusammenhalt der Zellen Widerstand. Leben entstand in den Tiefen der Ozeane und arbeitete sich in „nur“ hundert Millionen Jahren zur Oberfläche in Form von Riffen durch. Sehr anpassungsfähige Bakterien besiedelten die ersten zwei Milliarden Jahre die Erde bis sich „eukaryotische“ Zellen (mit Kernen), die sich fortpflanzen und Gene weitergeben konnten, formten. Veränderungen des Klimas durch das Wandern der Kontinente, begleitet von vulkanischen Eruptionen sowie weltumspannenden Eiszeiten bis vor etwa 800–700 Millionen Jahren, brachten Lebensbedingungen für Pflanzen und Tiere mit sich.
Den Rhythmus für die Entwicklung von Lebewesen und größeren Lebensformen gab das Verhältnis von Sauerstoff und Kohlenstoff in der Atmosphäre vor. Fossilfunde und erste mineralisierte Skelette (sie sind etwa 550 Millionen Jahre alt) belegen das Auftreten von Tieren am Ende des Kambriums. In der „Kambrischen Explosion“ vor 541 Millionen Jahren ist das Vorkommen heutiger Tierstämme im Gestein aus dieser Epoche überliefert.
Im Kapitel „Die Wirbelsäule wächst“ berichtet Gee von Lebewesen im Meer. Dazu gehören Vertreter der Knochenfische. Aus einer Gruppe davon, dem „Fleischflosser“, entwickelten sich viel, viel später die Landwirbeltiere und noch viel, viel, viel später wir. Die Landnahme durch Moose, Flechten, baumartige Gewächse und Pilze begann vor 470 Millionen Jahren, die entstandenen Waldböden gaben Nahrung für Tiere wie z. B. Gliederfüßer, Spinnen und Insekten.
Die Geschichte des Lebens ist aber keine sich kontinuierlich fortsetzende, geschweige denn „zu Höherem“ aufsteigende. Immer wieder gab es durch die Veränderungen des Klimas oder durch gigantische Vulkanausbrüche Millionen von Jahren auseinanderliegend Massensterben, nach dem sich aber wieder Lebewesen in neuen Formationen und Gestalten entwickelten. Gee spricht von der „Lotterie des Lebens“, in der sich stets neue, nach solchen „Auslöschungen“ adäquate Bedingungen vorfindende und sich daran anpassende Lebewesen entwickeln konnten.
Vor 200 Millionen Jahren z. B. war es eine riesige Magmablase, die aus der Erdoberfläche brach und ein lebensfeindliches Klima durch Hitze und giftige Gase schuf. Ein Zustand der etwa 600 000 Jahre dauerte. Einige Säugetiere überlebten darunter – die Dinosaurier. In einem eigenen Kapitel beschreibt Gee den „Höhenflug der Dinosaurier“. Die ersten Vertreter erschienen in diesem Zeitraum und besetzten dann alle ökologischen Nischen. Mit ihrem leichten Knochenbau und Gefieder wurden sie zu den Ahnen der Vögel. Der Einschlag eines Asteroiden vor 66 Millionen Jahren – er war schon seit etwa 100 Millionen Jahren unterwegs – und der dadurch ausgelöste Winter setzten der Existenz der Dinosaurier ein rasches Ende. Ihr Zeitalter wurde von den Säugetieren abgelöst.
Wieder bedingt durch die Kontinentalverschiebung mit Folgewirkung für das Erdklima vor etwa 30 Millionen Jahren beschreibt Gee einen Wandel der Erde zu einem „Planet der Affen“. Diesen besiedelten auch grasfressende Huftiere und Raubtiere. Mit den zunehmend aufrecht gehenden Affen begann der lange – oder im Verhältnis zur Dauer der Geschichte des Lebens – kurze Weg zum Menschsein. Die ersten Hominini mit dem Merkmal „aufrechter Gang“ gab es vor etwa sieben Millionen Jahren in Afrika. Sie beginnen Steinwerkzeuge zu verwenden, Fleisch zu essen, sie lernen rennen. Es existierten verschiedene Menschenarten, die aber alle wieder ausstarben. Dem Homo sapiens gelang es als einzigem, sich durchzusetzen – seit etwa 45.00 Jahren begann er nach Europa vorzudringen.
Spekulativ erzählt Henry Gee die Geschichte des Menschen und des Lebens zu Ende. Maximal in einigen tausend oder zehntausend Jahren werden die Menschen ausgestorben sein. Hauptgrund ist „die sinkende Reproduktionsrate der Bevölkerung“, die auch bei Besiedlung anderer Planeten nicht aufgehalten werden kann. Schließlich wird die Sonne sich in maximal einer Milliarde Jahren so weit ausdehnen, dass alles Leben auf der Erde verbrennt.
Außergewöhnlich am Homo sapiens findet der Paläontologe, dass er sich als einziges Wesen, soweit wir wissen, seiner Stellung im Universum bewusst sein kann. Henry Gee folgert daraus, wir sollten „uns bemühen zu erhalten, was wir haben, und unser flüchtiges Dasein auf der Erde so angenehm wie möglich zu gestalten – für uns wie für alle unsere Mitgeschöpfe“ (S. 239).
Unterstützt das Wissen über die lange Geschichte des Lebens und über die kurze des Menschen „gut“ zu sein? Sicherlich können Diskussionen und Kurse in der Erwachsenenbildung anregen, menschliches Potenzial für Reflexion zu nutzen, um ein achtsames Miteinander und angenehme Lebensbedingungen zu fördern und zu schaffen. //
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