„Gesellschaft des langen Lebens“ – die Lebenserwartung nimmt stetig zu! Welche Kompetenzen brauchen die Menschen, die zwischen 66 und 80 Jahren alt sind? Mit dieser Frage und mit den Konsequenzen der Antworten für die Erwachsenenbildung beschäftigt sich die in Deutschland durchgeführte Pionierstudie. Kurz gefasst einige Ergebnisse:
– mit dem Alter steigt die Zahl der Personen, deren basale Kompetenzen, Lesen und Rechnen für alltägliche Angelegenheiten sehr eingeschränkt sind;
– bezüglich des Bildungsniveaus bleibt die „Vererbung“ durch die soziale Herkunft bis ins hohe Alter aufrecht;
– die Befunde legen nahe, das gegenwärtige fragmentierte Bildungsdenken aufzugeben und ein Bildungskonzept für den ganzen Lebenslauf zu entwerfen, wobei politische Zuständigkeiten bezüglich der bisher festgelegten Bildungsbereiche (z. B. Kindergarten, Schule, Universität, Weiterbildung) zu überwinden und neu zu identifizieren sind.
Die Herausgeber, Rudolf Tippelt und Bernhard Schmidt-Hertha, etablierte Professoren der Universitäten München und Tübingen, sowie Jens Friebe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung in Bonn, gehen von der Erkenntnis aus, „(…) dass die Entwicklung von Kompetenzen in der späten bzw. in der nachberuflichen Lebensphase heute mit gravierenden individuellen Herausforderungen verknüpft ist und vom gesellschaftlichen Wandel abhängt.“ (S. 11). Mit ihrem Buch wollen die Herausgeber Ergebnisse aus der Weiterbildungsforschung präsentieren, um zur Kompetenzentwicklung im Lebenslauf beizutragen. Kompetenz definieren sie als Fähigkeit, in bestimmten Situationen angemessen zu handeln, Wissen, Strategien, Werkzeuge und Routinen zu nutzen sowie Überzeugungen und Werte zu vertreten.
Die CiLL-Studie lehnt sich zwar an die PIAAC-Studie an, betritt aber mit ihrem Bezug auf die Geburtsjahrgänge 1931–1946, also die Kriegs- und Nachkriegsgeneration, Neuland. Auch insofern, weil sie sich mehr mit Alltagskompetenzen und weniger mit den Anforderungen der Arbeitswelt beschäftigt.
Das Buch stellt detailliert Projekthintergrund, methodisches Vorgehen und die Analyse der Daten vor. Im Einzelnen werden die Ergebnisse zu Lesekompetenz, alltagsmathematische Kompetenz und technologiebasierte Problemlösekompetenz vorgestellt. Fallstudien, die Einblick in die Lebenssituation und Bildungsgewohnheiten Älterer geben, werden in vier Fokusgruppen zusammengefasst: ältere Menschen als Erwerbstätige, im Ehrenamt, als pflegende Angehörige und ältere Migrantinnen und Migranten.
Im abschließenden, die Ergebnisse zusammenfassenden und interpretierenden Kapitel, geben die Herausgeber Hinweise für Übernahme der Erkenntnisse in die Praxis der Weiterbildung und Anregungen für die Forschung. Die Autoren betonen die Heterogenität der Älteren – sie können nicht als konforme Gruppe aufgefasst werden. Auch der Hinweis auf Konsequenzen für Bildungseinrichtungen ist zu beachten. Sie können kollektive Altersbilder positiv beeinflussen und den Mentalitätswandel bezüglich Kompetenzerwerb im Alter in einer „Gesellschaft des langen Lebens“ unterstützen.
Wo es aber um pädagogische Tätigkeit geht, die CiLL-Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, ist die Kompetenz der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders gefordert. Die Autoren sprechen von einem „Kompetenzschub“ und einer „erweiterten Professionalisierungsstrategie der pädagogischen Organisationen und Einrichtungen“. Sie sind erforderlich, um den Bildungsbedarf der älteren Generation zu beantworten.
Die Lektüre ist eine Grundlage, um für die neue Aufgabe – der Bildung im ganzen Lebenslauf – Verständnis zu gewinnen und praktische Konsequenzen abzuleiten. Für die Professionalisierung von Profis der Erwachsenenbildung sowie für Forscherinnen und Forscher in diesem Sektor ein lehrreiches Buch. //
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