„Mir ist so fad!“ Was tun? Nachdenken, studieren und ein Buch über Langeweile verfassen. So erklärt, kurzgefasst, die Autorin ihre Motivation zu schreiben. Silke Ohlmeier, gelernte Industriekauffrau, Soziologin, Langeweileforscherin und nicht zuletzt Mitglied der International Society for Boredom Studies, stellt Langeweile im gesellschaftlichen Zusammenhang dar. Die Autorin meint, solange wir nicht den großen gesellschaftlichen Kontext verstehen, können wir unsere kleine Langweile nicht verändern.
Das will dieses Buch vermitteln: Langeweile ist kein individuelles, selbstverschuldetes Gefühl, sondern resultiert aus gesellschaftlichen Normen, Zwängen und Machtverhältnissen.
Das Thema Langeweile, das hat die Soziologin selbst in ihrer Scientific Community erfahren, wird in der Forschung zu wenig beachtet und respektiert. Die Autorin unterscheidet eine „normale“ Langeweile, die alle Menschen treffen kann, von einer chronischen. Letztere bringt negative Zustände wie Müdigkeit, Stress, Unruhe aber auch Mortalität mit sich. „Ich langweile mich zu Tode“, ist keine bloße Redensart.
Als Arbeitsdefinition bietet Silke Ohlmeier: Wer sich langweilt, erlebt die unangenehme Erfahrung, einer befriedigenden Tätigkeit nachgehen zu wollen, aber es nicht zu können. Man spürt einen Widerwillen gegen einen Zustand, kann ihn aber im Moment nicht verändern. Es handelt sich eben nicht um ein individuelles Phänomen, erklärt die Autorin, sondern es gibt unterschiedliche gesellschaftliche Voraussetzungen, um ein Leben zu führen, das nicht langweilig ist. Wie alles, ist auch Langeweile politisch.
Ohlmeier schildert und entkräftet Alltagsmythen über Langeweile: sie macht kreativ, regt zur Kriminalität an, alles Nichtstun ist langweilig, intelligente Menschen langweilen sich nie, Kinder brauchen Langeweile. In diesem Zusammenhang empfiehlt die Autorin, genau und differenziert mit Sprache umzugehen. Muße, Nichtstun, Faulheit oder Entspannung grenzt sie umsichtig von Langeweile ab.
Sogar zu viel zu arbeiten und gestresst zu sein, erzeugt Langeweile – trotz oder wegen medialer Betäubung. „Busybored“, lautet der Fachbegriff. Sinnleere Arbeitstätigkeit oder ein als sinnlos erlebter Autonomieverlust können als langweilig, als unbefriedigter Wunsch nach einer befriedigenden Tätigkeit, empfunden werden. Die Folgen sind unter anderem Müdigkeit, Passivität, Lethargie oder ein verändertes Zeitgefühl.
Ohlmeier bringt Beispiele aus dem Bereich der „disability“ und von Kindern, seien sie unter- oder überfordert. Sie richtet ihr Augenmerk auch auf Personen mit Migrationserfahrung, auf Randgruppen aber auch auf die große Gruppe der Frauen. Die Autorin registriert Widerstand gegen Langeweile, wobei sie im studentischen Milieu das Motto gefunden hat: Um langweilige Arbeit zu verrichten, haben wir nicht studiert! Allerdings erkennt sie auch Langeweile z. B. bei Rechtsanwält*innen, die ihrer Tätigkeit zu wenig Sinnvolles abgewinnen, sie aber wegen ihres Statusdenkens nicht aufgeben wollen.
Gegen Ende des Buches wiederholt Silke Ohlmeier, bestärkt durch ihre Forschungsergebnisse, ihre gesellschaftspolitische Position. Sie regt an, die Umstände und Bedingungen, unter denen „lange Weile“ aufkommt, neu zu beurteilen. Sie meint, wir sind ihr nicht hilflos ausgeliefert. Soweit es im Auge der Betrachtenden liegt, wann Langweile besteht, liegt es auch bei ihnen, Mut und Widerstand zu aktivieren, um Sinn und Alternativen zu schaffen.
Für Veranstaltungen im Rahmen politischer Bildung sowie für wissenschaftliche Bibliotheken als Basis für weitere Forschungen zu empfehlen. //
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