Neue Leistungsvereinbarungen für die Erwachsenenbildung
Eine vertane Chance!?

Die gemeinnützige Erwachsenenbildung ist ohnehin bescheiden: Seit Jahren fordern ihre VertreterInnen gerade einmal ein Prozent des Bildungsbudgets für die Förderung der entsprechenden Bildungsinstitutionen zur Verfügung zu stellen. Von einer solchen, bescheidenen Regelung – welche die Bundesmittel für die Erwachsenenbildung aber immerhin mehr als verdoppeln würde – kann allerdings im Rahmen der angekündigten neuen Leistungsvereinbarungen für die Erwachsenenbildung nicht die Rede sein. Lediglich eine Erhöhung um zehn Prozent steht im Raum, angesichts der aktuellen Inflation nicht mehr als eine überfällige Valorisierung. Für die Volkshochschulen bedeutet das, weiter fast zur Gänze auf Teilnehmenden-Beiträge sowie – in höchst unterschiedlichem Ausmaß – auf die Förderungen auf Landes- und Gemeindeebene bzw. Drittmittel angewiesen zu sein. Die Bundessubventionen aus den mehrjährigen Leistungsvereinbarungen machen demgegenüber im Durchschnitt nur zwei Prozent ihrer Einnahmen aus. 

In der inhaltlichen Darstellung von VHS-Arbeit bedeuten die neuen Leistungsvereinbarungen demgegenüber sogar einen deutlichen Rückschritt zum Status quo. Bisher wurde über das gesamte Leistungsspektrum der Volkshochschulen berichtet. Neben verbindlichen Zielen für alle KEBÖ-Verbände, konnten verbandsspezifische Schwerpunktziele formuliert werden. Die einmalige inhaltliche Breite und regionale Verankerung von Volkshochschularbeit ließ sich auf diese Weise realitätsbezogen abbilden. Im Gegensatz dazu gibt die neue Leistungsvereinbarung des Bundes lediglich vier Schwerpunktziele vor, nämlich

  • Up- and Reskilling,
  • Digitalisierung und digitaler Kompetenzaufbau,
  • Teilhabe und Inklusion,
  • Nachhaltigkeit.

Aufgrund des Ausschlusses von Bereichen mit Drittmittelförderung bei der Darstellung (z. B. Initiative Erwachsenenbildung oder Lehre mit Matura), können Volkshochschulen nur die Hälfte ihrer Leistungen bzw. ihres Leistungsspektrums anführen. Die neue Leistungsvereinbarung „verbietet“ darüber hinaus Doppelnennungen, also jeder Kurs bzw. jede Kursteilnahme muss ausschließlich einem der vier Schwerpunktziele zugeordnet werden. Dieser Ansatz entspricht nicht den ­aktuellen Anforderungen von Bildung bzw. der Praxis von Bildungsarbeit, welche in einer komplexen Welt vernetzt zu denken und zu agieren hat. 

Gerade Themen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung sind hier quasi per Definition Querschnittsmaterien. Ihre Behandlung und Verankerung in allen Kursmaßnahmen gilt es zu bewerten und auch entsprechend zu finanzieren. Ebenso macht es wenig Sinn Teilnehmende mit Basisbildungsbedarf oder niedrigem Formalabschluss in nur einem Schwerpunktziel (konkret Up- and Reskilling) zu erfassen, sondern die Arbeit von Volkshochschulen u. a. danach zu bewerten, wie hoch sich die entsprechenden Anteile über alle Maßnahmen gerechnet darstellen. Eine Bewertung und Dotierung von Leistung in diesem Sinne, wäre zeitgemäß und innovativ. Schade um eine vertane Chance. 

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PS: Es freut mich an dieser Stelle mein erstes Editorial als neuer Generalsekretär des VÖV publizieren zu dürfen. Die redaktionelle Leitung der ÖVH liegt weiter bei ­Gerhard Bisovsky, wofür ich mich sehr herzlich bedanke.

Evers, John (2022): Neue Leistungsvereinbarungen für die Erwachsenenbildung. Eine vertane Chance!?In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Sommer 2022, Heft 276/73. Jg., Wien. Druck-Version: Verband Österreichischer Volkshochschulen, Wien.

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