Alle sechs Jahre wird mit dem „Adult Education Survey“ (AES) die Teilnahme am Erwachsenenlernen in den Ländern der Europäischen Union und darüber hinaus erhoben. Nun wurden die ersten Daten des AES 2022/23 veröffentlicht.
Die Teilnahme an formaler und non-formaler Bildung in Österreich in der Altersgruppe der 25 bis 64-Jährigen ist mit 58,0 Prozent hoch und Österreich liegt damit an sechster Stelle hinter Schweden (73,9 Prozent), den Niederlanden (65,2 Prozent), Ungarn (62,4 Prozent), Deutschland (60,4 Prozent) und Norwegen mit 59,9 Prozent. Gegenüber 2016 weist Österreich einen Rückgang von 1,9 Prozentpunkten auf. Die höchsten Steigerungsraten bei den ersten zehn Ländern haben Schweden (10,1 Prozentpunkte), die Slowakei (8,7 Prozentpunkte), Deutschland (8,4 Prozentpunkte) und Ungarn mit 6,7 Prozentpunkten.
Tab. 1: Teilnahmequote an formaler und non formaler Bildung der 25 bis 64-Jährigen (AES 2022/23)
In Österreich fand die Datenerhebung zwischen Oktober 2022 und März 2023 statt. Gefragt wurde nach den Bildungsaktivitäten in den vergangenen zwölf Monaten. Somit dürfte die Covid-19-Pandemie die Ergebnisse noch beeinflusst haben. An formaler Bildung haben 7,0 Prozent teilgenommen, gegenüber 2016/17 ist eine leichte Zunahme von 0,8 Prozentpunkten zu verzeichnen. An non-formaler Weiterbildung sind 55,5 Prozent angefallen, gegenüber dem vorhergehenden AES ist das ein Rückgang von 2,9 Prozentpunkten. Das informelle Lernen ist mit 74,2 Prozent hoch, hat allerdings einen Rückgang von 5,1 Prozentpunkten.
Im Folgenden werden einige Ergebnisse aus der Teilnahme an non-formalen Bildungsaktivitäten beleuchtet. Diese beziehen sich auf die Weiterbildung in Kursen, Seminaren, Workshops, Vorträgen, Schulungen am Arbeitsplatz oder in Privatunterricht. Bei der Teilnahme an non-formaler Bildung gibt es gegenüber 2016/17 einen Rückgang von 2,9 Prozentpunkten gegenüber dem AES 2016/17.
Männer wie Frauen nehmen zu annähernd gleichen Teilen an non-formalen Bildungsaktivitäten teil: 55,0 Prozent Männer und 56,0 Prozent Frauen. Während die Teilnahmequote bei Frauen um 1,3 Prozentpunkte gesunken ist, ist sie bei Männern beträchtlich niedriger geworden, nämlich um 4,6 Prozentpunkt gesunken.
Bei den Altersgruppen zeigt sich eine annähernd gleiche Teilnahmequote: 61,3 Prozent bei den 25 bis 34-Jährigen, 60,7 Prozent bei den 35 bis 44-Jährigen und 58,7 Prozent bei den 45 bis 54-Jährigen. Die Altersgruppe der 55 bis 64-Jähren rückt mit 42,6 Prozent deutlicher ab. Interessant ist, dass die letztgenannte Gruppe gegenüber 2016/17 um 1,3 Prozentpunkte zugelegt hat, während alle anderen abgenommen haben: am stärksten die 35 bis 44-Jährigen mit 5,4 Prozentpunkten, gefolgt von den 25 bis 34-Jährigen mit 4,1 Prozentpunkten. Bei den Erwerbstätigen ist ein Rückgang von 3,6 Prozentpunkten auffällig und bei den Arbeitslosen von 2,4 Prozentpunkten. Hier zeigen sich neben den Effekten der Pandemie vermutlich die geänderte Bereitschaft von Unternehmen, in die Weiterbildung zu investieren, wie das schon bei der Erhebung zur betrieblichen Weiterbildung (CVTS)1 sichtbar wurde, aber auch geänderte Arbeitsmarktpolitiken. Diese These wird in der deskriptiven Statistik zusätzlich dadurch gestützt, dass gegenüber dem AES 2016/127 die Weiterbildung durch Arbeitgeber*innen bzw. zukünftige Arbeitgeber*innen um 3,8 Prozentpunkte weniger finanziert wurde.
Bei Betrachtung der Weiterbildungsteilnahme nach der höchsten abgeschlossenen Schulbildung ist auffällig, dass der Rückgang bei den höchsten Abschlüssen (Universitäten, Fachhochschulen) mit zehn Prozentpunkten sehr hoch ausfällt, ebenso ist das bei jenen Personen, die höchstens über einen Pflichtschulabschluss verfügen, der Fall, die gegenüber 2016/17 um 4,2 Prozentpunkte weniger an Weiterbildung teilnehmen. Hingegen ist der Abstand zwischen den Personen mit höchstens Pflichtschulabschluss und mit Hochschulabschluss gesunken: Während er 2016/17 noch 51,3 Prozentpunkte betrug, sind es beim aktuellen AES 45,5 Prozentpunkte.
Tab. 2: Adult Education Survey – Unterschiede zwischen 2022/23 und 2016/17
Bildung vor Ort und online
Werden die non-formalen Bildungsaktivitäten nach ihrem Format betrachtet, zeigt sich die nach wie vor zentrale Bedeutung von Präsenzformaten. Aber auch das Online-Lernen hat seine Berechtigung. Auf die Frage in welcher Form der Unterricht stattgefunden hat, war das für rund 60 Prozent das Vor-Ort-Angebot. Für rund ein Drittel der Befragten waren es Online-Angebote.
Tab. 3: Nicht-formale Bildungsaktivitäten nach Form
Bedeutung der Bildungsorganisationen für das Erwachsenenlernen
Werden die non-formalen Bildungsprozesse nach ihren Anbietern betrachtet, so zeigt sich – wie schon im AES 2016/17 –, dass neben dem eigenen oder zukünftigen Arbeitgeber (27,4 Prozent) die Erwachsenenbildungseinrichtungen („Bildungsinstitut, das Kurse, Seminare, Vorträge und Ähnliches anbietet“) mit 27,3 Prozent gleichauf liegen, gefolgt von „Andere öffentliche oder private Institutionen“ (25,6 Prozent). Weit danach kommen die Einrichtungen des formalen Systems (Schule, Universität, Fachhochschule) mit 6,7 Prozent.
Motive für das Erwachsenenlernen, Wirkungen und Hindernisse zur Teilnahme
Mehrheitlich nehmen die Befragten überwiegend aus beruflichen Gründen am Erwachsenenlernen teil (75,8 Prozent), aber immerhin 21,3 Prozent geben an, dass sie hauptsächlich aus privaten bzw. nicht-beruflichen Gründen teilnehmen. Wenn wir die Gründe für das Erwachsenenlernen betrachten, zeigt sich ein etwas differenzierteres Bild: Neben vielen berufsbezogenen Motiven spielen auch solche eine Rolle, die der Allgemeinbildung zuzurechnen sind, wie etwa die Wissenserweiterung (83 Prozent), soziale Motive (Leute kennenlernen, Spaß 50,1 Prozent). Auch die Bedeutung des Erwachsenenlernens für die Freiwilligenarbeit ist deutlich sichtbar (15,6 Prozent).
Tab. 4: Gründe für die Teilnahme an nicht-formalen Bildungsaktivitäten (Mehrfachangaben möglich)
Erwachsenenlernen wirkt, und zwar auf eine sehr vielfältige Art und Weise. Im AES haben die Befragten angegeben, welche Fähigkeiten sie im Zuge der Bildungsaktivitäten entwickelt haben. Auch hier wird ein sehr differenziertes Bild an Wirkungen sichtbar: Rund ein Fünftel der Befragten haben technische und praktische Fertigkeiten für den Arbeitsplatz erworben, etwas mehr als ein Zehntel der Befragten sprechen Gesundheit und Sicherheit an, IT-Kompetenzen und personale Kompetenzen bewegen sich zwischen 2,5 und 8 Prozent, Fremdsprachenkenntnisse liegen bei rund 5 Prozent, kreative und musikalische Fähigkeiten bei etwas mehr als 3 Prozent.
Tab. 5: Nicht-formale Bildungsaktivitäten nach Entwicklung von Fähigkeiten
Die von den Befragten genannten Bildungshindernisse und Schwierigkeiten bei der Teilnahme beziehen sich am häufigsten auf die Angebotszeiten rund 30 Prozent), auf familiäre Verpflichtungen (rund 20 Prozent), auf die Kosten von Weiterbildung (rund 15 Prozent). Nicht zu unterschätzen sind die Anfahrtswege und -zeiten zur Lerngelegenheit (etwas mehr als ein Zehntel der Befragten).
Tab. 6: Bildungshindernisse bzw. Schwierigkeiten bei der Bildungsteilnahme (Mehrfachangaben möglich)
Fazit
Der aktuelle Adult Education Survey bietet wieder viele interessante Daten, die für die Bildungspolitik, für die Wissenschaft wie auch für die Programmplanung interessant sind. Bereits diese erste, rein beschreibende Darstellung zeigt das Potenzial solcher Erhebungen. Wünschenswert sind detailliertere Auswertungen, wie sie beim AES 2016/17 vorgenommen wurden. Denn diese erbringen differenzierte Erkenntnisse, die für Politik, Wissenschaft und Praxis relevant sind und idealerweise in gemeinsamen Prozessen von Wissenschafter*innen und Praktiker*innen zur Entwicklung von Angeboten und zur Evaluation von deren Wirkungen aber auch zu Verbesserungen führen.
Besonders gefordert ist die Bildungspolitik. Ungleichheiten in der Bildungsteilnahme ist durch entsprechende Maßnahmen entgegenzuwirken. Die Erfolge, die andere Länder bei der Erhöhung der Teilnahmequote am Erwachsenenlernen haben, sind zu analysieren.
Es zeigt sich insgesamt aber die große Bedeutung der Erwachsenenbildung im Kontext von Arbeit, Bildung und auch von gesellschaftlichem Zusammenhalt.
Daher ist es auch notwendig und wichtig, dass die öffentliche Hand verstärkt in die Erwachsenenbildung investiert. //
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